Tafelfreuden mit vielen Facetten

Die Ausstellung „Labsal“ von Catrin Große spiegelt eindrucksvoll und vieldeutig die Verbundenheit zwischen Mensch, Tier und Natur im Hofküchengebäude am Fasanenschlößchen Moritzburg.

Essensduft steigt am Eingang des Hofküchengebäudes verlockend in die Nase. Im Restaurant werden die Tische eingedeckt. Oben am Treppenaufgang ist das Bildnis einer Frau zu sehen. Ihr Blick versunken, der  Körper weiß, fast durchsichtig, von feinfaserigem Gewebe überzogen. Im Yogasitz, die Arme vor der Mitte verschränkt, hält sie zwei Totenkopfäffchen. Eins liegt zu ihren Füßen mit einer Kugel, das andere greift nach ihr. „Fürsorge (Affenwiege)“ heißt das ovale Ölbild in ockerbraunem Rahmen. Es führt hinein in die Ausstellung „Labsal“ von Catrin Große im Hofküchengebäude am Fasanenschlößchen in Moritzburg.

Dort zeigt sie derzeit Malerei, Grafik und Plastik aus den letzten zehn Jahren. Darunter große Holzdruckstöcke mit figürlichen und pflanzlichen Motiven, die wie ein Wandbild wirken. Zwei Meter fünfzig mal fünf Meter groß, ist es ein Blickfang in der Ausstellung, dem man buchstäblich nachgehen und näherkommen kann im hinteren Raum. Dort können die Besucher auch Filme zu den Restauierungsarbeiten der historischen Ausstellungsstücke wie kostbare Ledertapeten im Schloss Moritzburg sehen. In einer Vitrine steht die Bronzeplastik einer Raubkatze, unter deren Hinterläufen ein Mensch kauert. In der Schwebe gehalten, ob „Schutzsuche oder Bedrohung“, so der Bildtitel. Eine „Schöne im Natterkleid“ ist in Messingbronze patiniert zu sehen. Eine Mücke aus hellem Keramik ans Kreuz genagelt. „Täter-Opfer-Ausgleich“, kommentiert Catrin Große das lakonisch. Mal der Mensch, mal das Tier nehmen diese Rolle ein in den Arbeiten. „Ich möchte die Betrachter einladen, sich auf einen Perspektivenwechsel einzulassen. Die Sicht der `Krone der Schöpfung` auf Festessen und Genuss einerseits und die Schlachtviehperspektive“, sagt Catrin Große. Dabei auch ein Augenzwinkern zu zulassen, um sich zu laben.

Der altdeutsche Begriff Labsal bedeutet Erfrischung, Erquickung, Genuss, Wohltat. Speisen und Getränke oder auch ein kühler, schattiger Platz und auch Worte können ein Labsal für die Seele sein. Es meint auch Segen und Linderung. Die Tafelfreuden haben aber auch eine Kehrseite. Für den einen ist Labsal Genuss, für andere der Tod, so Catrin Große. Der Ausstellungstitel sei ein Spiel mit der Nahrungskette und nehme Bezug auf die Funktion des Hofküchengebäudes. Ein „Octopus – leicht zuzubereiten und gesund“ mit langen Perlenarmen aus Keramik liegt in einer Vitrine. Ob man ihn als Kunstobjekt anders sieht, nicht nur als Nahrungsmittel, fragt sie sich. „Die Anmut von solch einem Tier reizt schon, mit der Abstraktion zu spielen“, sagt die Künstlerin. Begehren, Verzehren, Genießen hat viele Facetten. Davon erzählt die Ausstellung von Catrin Große eindrucksvoll, vieldeutig, witzig-ironisch und feinfühlig zum Nachdenken anregend. Auf einem Totempfahl aus Messingbronze, der auf Hühnerfüßen steht, schwebt eine weibliche Figur „Schwere los“.

Aus einer Vitrine blickt dem Besucher „Schlachtreife lächelnd“ mit einem Beil im Rücken entgegen, daneben steht ein „Hängebauch-Mastschwein“ ergeben auf den Hinterpfoten mit einem Messer im Kopf auf einem Spiegelpodest. Darin spiegeln sich archaische Kämpfer von einem Wandbild. Darunter sitzt ein kleiner, lächelnder Buddha. Die zwei Schweine-Keramikobjekte provozieren. „Mir geht es darum, dass man bedenkt, was mit den Tieren passiert, vom abstrakten Fleischessen wegkommt und wieder das Ganze sieht“, so Catrin Große. Sie ist auf dem Land in Doberlug-Kirchhain großgeworden. Ihre Eltern besaßen Hühner und mit zehn Jahren hat sie selbst die ersten geschlachtet. „Mir war klar, dass das ein Opfer war. Das war dann aber auch ein Festessen.“  Neben den Plastiken zeigt sie Grafiken im von ihr entwickelten Ambossdruck, eingefärbten Prägedrucken mit figürlichen, ornamentalen und pflanzlichen Formen.

„Das Florale, Verweben als ein Sinnbild des Lebens an sich, die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, aber auch die Entfremdung von den Ursprüngen finde ich im Werk von Catrin Große besonders stark“, sagt Margitta Hense, Kuratorin der Ausstellungen im Schloss Moritzburg und Fasanenschlößchen. Sie kennt ihr Werk bereits seit den 90er Jahren, als Catrin Große mit einem Stipendium im Schloss Moritzburg künstlerisch arbeitete. Sie wurde 1964 in Finsterwalde geboren, hat Malerei und Grafik an der Dresdner Kunsthochschule und am Royal College of Art London studiert und arbeitet seit 1995 als freischaffende Künstlerin in Dresden und Doberlug-Kirchhain. Sie hat zwei Kinder. In der Ausstellung zegt sie unter dem Motto: „Allein unter Flaschen: Parteitag scheinheiliger Geister“ auch eine Flaschensammlung mit illustrem Innenleben. Ein erfrischendes Labsal ist außerdem ihre Plastik „Wasserträgerin“.  Die Ausstellung „Labsal“ von Catrin Große ist noch bis 1. November im Hofküchengebäude zu sehen.

Text (lv)
Fotos: Catrin Große

Öffnungszeiten: täglich von 10.30 bis 16 Uhr

Weitere Infos unter http://www.schloss-moritzburg.de
„Schutzsuche oder Bedrohung“ & „Schlangenfrau“: die Künstlerin Catrin Große vor einer Vitrine mit ihren Arbeiten in der Ausstellung in Moritzburg.
„Fürsorge“ & „Schlachtreife lächelnd“

Verbundenheit zwischen Mensch und Tier: die Plastiken „Teenager“ & „Schwere – los“ von Catrin Große gefallen mir besonders.