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Literatur in aller Vielfalt & Forum Offene Gesellschaft & Poesie der Unzugehörigkeit aus Südosteuropa auf der Leipziger Buchmesse 2024
20 Mittwoch Mär 2024
20 Mittwoch Mär 2024
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16 Samstag Mär 2024
Gemeinsam in einem Boot: Die TeilnehmerInnen der 29k, der ersten ost- und westdeutschen Lehrredaktion nach der Wende in der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München. Oben links steht Heinrich Löbbers, der als einer der ersten Redakteure aus dem Westen bei der Sächsischen Zeitung in Dresden anfing und bis heute dabei ist und inzwischen Mitglied der Chefredaktion. In der zweiten Reihe, die dritte Frau von links ist Lilli Vostry, eine der beiden ostdeutschen DJS-Schülerinnen, links neben ihr Evelyn Zegenhagen, die heute in den USA lebt und arbeitet.
Fantastische Aussicht auf die Stadt (im Bild im Uhrzeigersinn): Fotografin Melanie, SZ-Redakteur Heinrich Löbbers, DJS-Studentin Natascha Koch und Lilli Vostry, freie Journalistin auf der Dachterrasse vom Haus der Presse in der Ostra-Allee in Dresden.
Dresden von oben. Wunderbare Weite, bewegtes LichtFarbWolkenSpiel vor der Stadtkulisse, milde Luft und frischer Wind. Alles dabei. Hoch hinaus zu einer fantastischen Wolkenlandschaft und Aussicht auf die gesamte Stadt ging es am Freitagnachmittag auf die Dachterrasse des SZ-Hochhauses in Dresden für Fotoaufnahmen und ein anschließendes spannendes wie bewegendes Gespräch über unsere Zeit an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München, erstmals mit ost- und westdeutscher Lehrredaktion vom 5. November 1990 bis 29. Februar 1992.
Mit dabei war Heinrich Löbbers, inzwischen Mitglied der Chefredaktion der Sächsischen Zeitung und längst zuhause in Dresden, der mein sächselndes „Nu“ noch in guter Erinnerung hat. 34 Jahre ist das jetzt her. Zum 75-jährigen Schuljubiläum Anfang Juni erscheint ein Magazin. in dem einstige und heutige Absolventen mit ihren Erfahrungen aufeinander treffen. Fotografin Melanie, so hieß mal ein Hit der Puhdys im Osten, den sie nicht kennt, aber ihre Eltern, und Journalistikstudentin Natascha Koch, ihr Vater stammt aus dem Osten und sie besuchten sich oft, befragten und porträtierten auch uns für einen Beitrag im Jubiläums-Heft. Bin gespannt!
Vor dem Gespräch gingen wir für ein paar weitere, aussagereiche Fotos zusammen zum Kongresscenter Dresden hinter dem Haus der Presse. Wir liefen die Treppe hinauf, stellten uns zuerst ein Stück entfernt am Geländer auf, dann nebeneinander und gegenüber. Hennek, so nannten wir ihn in der Journalistenschule, lief oben auf der Terrasse hin und her und schaute übers Elbufer auf die andere Seite. Dann standen wir und schauten zusammen hinüber, ließen den Blick schweifen in die Ferne… Geradeaus und zur Seite. Auf einer Hälfte zogen dunkle Wolken herauf, in der Mitte und dahinter hellere Himmelsfarben. Es kam mir ein bisschen vor wie „Warten auf Godot“, eins meiner Lieblingstheaterstücke von Samuel Beckett, komisch und traurig zugleich über das Warten auf Wunder, den Retter, Erlöser, der alles zum Guten wendet.
Wohin gehen wir, die Entwicklung in unserem Land? Kommen wir uns in Ost und West näher oder entfernen wir uns wieder?
Mit welchem Blick sieht ein ehemals Westdeutscher auf den Osten? Fühlt er sich hier angekommen, akzeptiert und integriert von den Einheimischen? Wie wird er von ihnen wahrgenommen?
Wie fühlt es sich an, aus dem Osten zu kommen? Gehen da Scheuklappen an oder runter? Wie sollten Journalisten aus dem Osten berichten, was kann dabei helfen?
Was wir mit Heimat verbinden? Ob wir uns noch an den ersten Tag an der Journalistenschule in München erinnern? Zu diesen Fragen von Natascha gab es spontan viel zu erzählen, rückblickend auf Erlebtes und mit den Erfahrungen von heute und es ist noch längst nicht alles dazu gesagt. Die Fragen klingen nach, regen an zum weiteren Nachdenken. Über sich selbst, über das Schreiben, wie wir uns begegnen und mit anderen Leuten umgehen, auch wenn uns deren Meinung oder politische Einstellung nicht passt. Über Möglichkeiten und Grenzen von Offenheit, Verstehen wollen und Toleranz.
Wir zeigen Fotos aus der Journalistenschulzeit, darunter von einem Besuch der Berliner DJS-Klasse und Recherchereise in Berln. Hennek ist auf einem Bild mit riesigen, bunt graffitibemalten Mauerrresten zu sehen. Warum er da einen Helm trug?, wundert er sich im Gespräch. Er stand auf dem ehemaligen Grenzstreifen und vor einem Wachturm, in den später ein Club einzog. Ich besuchte und schrieb über das damals noch unsanierte Kunsthaus „Tacheles“(übers.: Klartext, offene Rede) in der Oranienburger Straße 52 in Berlin-Mitte. Sehe noch das mehrstöckige Gemäuer mit den großen Fensterhöhlen, ohne Rahmen vor mir, in denen die Künstler, Musiker und Bewohner saßen, rausschauten, rauchten, musizierten und drinnen konnten man fantasievolle, bunte Wandmalereien sehen, Konzerte im Kellercafé erleben und die wie in einem Bienenstock umherschwirrenden Kreativen und Gäste treppauf, treppab. Die Leute dort kamen aus über 40 Ländern. Das „Tacheles“ war eins der ersten, aus einem ehemals besetzten Haus entstandenen, soziokulturellen Zentren, derer es nach der Wende viele auch in der Dresdner Neustadt gab, Kellerkneipen, Café und Galerien mit urbaner, lebensnaher Kunst. Inzwischen ist der Charme des Bröckligen, Unfertigen weitgehend verloren, vieles schick saniert, geglättet und kommerzialisiert. Es findet kaum noch Kunst im öffentlichen Raum, auf der Straße statt, mitten unter den Menschen.
Er zeigt seinen DJS-Ausweis, Presseausweis hatten wir ja noch nicht, ich wiedergefundene journalistische Beiträge, darunter eine Reportage „Wichtig ist, was man daraus macht“ über Erfahrungen dreier Ostdeutscher, die in München studierten und eine Dialog-Szene zu einer selbst erdachten Fernsehserie samt Exposé „Spätes Rendez-vous mit Kisch“, entstanden innerhalb der TV-Ausbildung. Wir erprobten uns in allen journalistischen Genres und Darstellungsformen. Beide Beiträge haben mich beim Lesen sehr überrascht und gefreut, da ich von ihnen gar nichts mehr wusste und staune, was mir da so alles eingefallen ist mit 24 Jahren und wie zeitlos das Geschriebene teilweise ist, gerade über die Veränderungen im Journalismus und Situation in den Redaktionen in der Umbruchszeit der Wende und heute wieder.
Die Neugier, Offenheit, Schwung, Elan, Ideen und Aufbruchsgeist Anfang der 90er Jahre im wiedervereinigten Land wünsche ich mir sehr für unsere heute wieder an Veränderungen reiche Zeit. Es wurde damals viel gefragt und diskutiert, wenn man etwas nicht verstand oder wusste und spielte bald keine Rolle mehr ob Ossi oder Wessi. Faszinierend wie alle ein Thema jeder auf seine Weise in unserer DJS-Klasse umsetzte und alle sich davon etwas für sich abschauen konnten.
Text + Fotos (lv)
Ein weiterer Beitrag: „Klassentreffen in München: Wiedersehen nach 25 Jahren von Absolventen der Deutschen Journalistenschule“ steht auch auf meinwortgarten.com (vom 7. Nov. 2016, unter „Unterwegs“)
Neugier, Freude, Erinnern und Staunen über gemeinsam Erlebtes, gesammelte Eindrücke und Erfahrungen während der Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München: Heinrich Löbbers, SZ-Redakteur lud in sein Büro im Haus der Presse ein für das Gespräch mit DJS-Studentin Natascha Koch und Lilli Vostry, freie Journalistin und Inhaberin des KulturBlogs http://www.meinwortgarten.com
Immer wieder neue Blicke und Sichtweisen auf Menschen, Räume, Situationen:
Fotografin Melanie hielt unser Gespräch motivreich fest. Bin schon sehr gespannt auf die Bilder!
Der Brief noch in die DDR adressiert mit dem Aufnahmeschreiben für die Deutsche Journalistenschule in München.
Auszüge aus meiner Reportage um 1990/91 aus der DJS-Zeit: „Wichtig ist, was man daraus macht“ über die Erfahrungen dreier Ostdeutscher, die in München studierten.
Original Dialog-Szene zur selbst erdachten Fernsehserie „Spätes Rendez-vous mit Kisch“ von Lilli Vostry, entstanden in der DJS.
Kischs Stimme taucht im Redaktionsbüro der Dresdner Journalistin Stella Kirsch auf. Er macht sich mit Zitaten aus einer seiner Reportagen über Stellas langatmige, schwerfällige Kollegen lustig.
Kischs Stimme im Raum:
„Komisch, dass sich die anderen immer die interessantesten Lügen ausdenken und Sie immer nur die langweiligste Wahrheit wissen.“‚
Lokalredakteur:
„Wer spricht da, ohne gefragt zu werden! Was geht es Sie überhaupt an!“
Kisch:
„Ich wollte Ihnen einen Namen machen.“
Lokalredakteur:
„Auf Sie haben wir gerade gewartet! Unsere Auflage liegt immerhin bei über 500 000 Exemplaren. Die Zeitung, die wir machen, spricht also die Leser an.“
Kisch:
„… und unten schleicht geduckt und gedemütigt einer davon, der vieles unternehmen wollte und nichts gekonnt.“
Lokalredakteur:
„Was wollen Sie damit sagen? Dass wir vielleicht zuviel hinterm Schreibtisch hocken, anstatt rauszufahren? Wir bemühen uns. Warum verstecken Sie sich eigentlich, wenn Sie so schlau sind?“
Stella lacht. „Der kann Dich nicht hören.“
(Zitate aus: „Debüt beim Mühlenfeuer“, E. Erwin Kisch, Reportagen, Reclam)
05 Donnerstag Okt 2023
Posted Aktuelles, Fotografie, Genießen, Lebensart, Natur, Poesie, Unterwegs, Zwischenmenschliches
in
Meeressegler
Lebenskünstler Lufttänzer Gratwanderer
mit allen Winden übers Meer Segler
auf und ab schnellend himmel und wellenwärts
die Welt von oben betrachtend
aber nicht herablassend
elegant keck ausharrend unverdrossen
den Menschen immer einen Flügelschlag voraus
LV
29.9.2023
Fische zwischen Bäumen
An der Promenade in Heringsdorf
ein seltener Fang zu besichtigen:
drei meterhohe rostige Fische erhaben
wie Könige
stehen auf ihren Schwanzflossen
hoch aufgerichtet
sahen nie das Meer
offene Münder der Blick ins Blaue
aus Himmelsaugen bis hoch
in die Baumwipfel auf der Wiese
zwischen hohen Stämmen und
knorrigen windschiefen Kiefern
filigran durchsichtig ihre Haut
durchzogen von Streben wie Gräten
braun wie Baumrinde
ihre Körper im Kreis umeinander gelegt
wie Schutzschilde
LV
30.9.2023
Herbstsonne
Auf dem Tisch mit dem Lochmuster
ein großer Wasserfleck Wolkenauge
noch vom letzten Regen
zwei Stühle angelehnt
die Sonne übersieht den Fleck
spielt mit den letzten Rosenblüten
vom Strauch vor der weißen Wand
flimmern ihre Schatten hinüber
eine große gelbe Blüte
halb verblüht duftet noch immer
darüber reckt sich eine Knospe
und ein einzelnes rotes Blatt
drehen sich bewegt vom Wind
zu einem Fleck den die Sonne
ins Gras zeichnet
wie ein Herz aus Licht
LV
30.9.2023
Auf dem Weg zum Strand
Seegras vom Wind umfächelt
wankt leicht vorm Ferienzimmer
Sonnenblumen sonnesatt
neigen ihre Köpfe am Wegrand
die von Autos zerdrückten Kastanien
ein Festmahl für die Spatzen
eine rote langstielige Rose
wiegt beschwingt vorm Fenster
inmitten von rosa Hortensien
im Garten der Villa Heimkehr
der Kirchturm gegenüber
bietet Obdach für Vögel aller Art
Wind rauscht durch die Baumkronen
im Himmelblau
zwei Männer schieben einen Strandkorb
im Wagen den Berg hinunter
hinter ihnen braust das Meer
LV
30.9.2023
Möwen
Das Meer unermesslich weit
genügsam brilliert
in allen Farben
die Licht Wolken Wind
mitbringen
tiefblau metallen silbrig
und Lichtfunken im Schlammgrau
die Möwen unermessliche Meeresanbeter
das sie kost zaust behaust
sanft wild und beständig
weiß befiedert befriedetes Wellenspiel
kreischendes Vergnügen
ungemein süß und spitzfindig
bedienen sich gern selbst
wenn die Gelegenheit günstig
gerade eingetaucht im Meer
Strandtasche und Einkaufsbeutel kurz allein gelassen
umgerissen
Badetuch weg gerissen
leere Papiertüten verstreut im Sand
drei Stück Kirschkuchen mit Streusel und Schokolade
stibitzt warten sie
seelenruhig weiter auf mehr
nie verfliegt der Möwen Hunger
sie verlernen nicht zu jagen
das teilen sie mit den meisten Menschen
LV
30.9.2023
Meerstille
Heute dem Meer auf den Grund
gesehen
fast durchsichtig sandfarben wellig
dunkel von den Algen
und perlmuttfarben
zart wie eine Feder
der Wasserspiegel still bewegt
fast lautlos unendliches Fließen
hautnah schienen Meer und
Horizont einen Moment eins
mittendrin die Möwen vergaßen
ihre Schreie
LV
2.10.2023
Meerfarben
(Für ONH)
Unendliche Fülle der Farb und Formgebilde
mehr als das Auge zu fassen vermag
Wellenschwünge graublau weiß dunkel umrandet
wie spitze Federn
riesige Flügel wehende Tücher
oder Segel die himmelweit
über den Dünen schweben
weit aufgefächerte Wolkenlandschaft
zurückgeworfen in die Wellen
aufgewühlt sturmgepeitscht
schäumend und kräuselnd
in kräftigen und Pastelltönen
von Rissen Eisschollen durchzogen und rotem
Abendlicht beschienen die Buhnen Stege ins Wasser
und eine tote Möwe am Strand
rot gefärbt ihr Gefieder
hell gelb und türkis Meer und Himmel
zeichnen weiter ihre Spuren
der kantige Kopf des Käptn auf einer Stele vorm
Atelier die Vorhänge sind zugezogen
ein Korb voll gelber Quitten vor dem Eingang zu
seinen Bildern vom Meer
in des Malers Zaubergarten reifen sie noch immer
geben sich Schmetterlinge zwei Tagpfauenaugen
dem Farbrausch der Blüten hin wie verschwiegene
Liebende
die im Stein die Zeiten überdauern
wie das Meer
LV
2.10.2023
Was bleibt
Der noch einmal blühende
gelbe Rosenstrauch
die Blütenköpfe im Wind
davor der weiß blaue Strandkorb
auf der Wiese wie gestrandet
Vogelgeschwirr im Baum
sie zwitschern feier- wie wochentags
wie es ihnen gefällt
eine Kastanie in der Badeschlappe
das Seegras vorm Ferienzimmer vom Wind
durchgeschüttelt hält doch stand
die kleinen lila Ballonblumen die durchs Tor lugen
die vielen prachtvollen Villen an der Promenade
mit schönen Namen wie Himmelsstern
Seeschlößchen Villa Elise und Seebär
die Seeschwalbe der alte Fischerkahn
auf der Düne vor der Holzhütte der Duft
nach frischem Räucheraal
die grau getigerte Katze halb ruhend
halb wachend am Ausschank vom Terrassencafé
nachmittags zieht Sturm auf
Sand wirbelt auf am Strand
das Meer voller Algen Geschling angespült
kein Hineinkommen mehr
die Möwen stürzen sich kreischend aufs Futter
meine Strandtasche bekommt Schnabelhiebe
ein paar kleine Löcher
die Möwen finden immer Wege
an etwas heranzukommen
und verschenken ihre Federn
lange spitze hell dunkel gesprenkelte und seidig
flaumige
die Möwen rufen weiter
heftiger noch der Wind
rot gelb wurmstichige immer noch aromatische
Straßenäpfel liegen auf dem Tisch
draußen tost das Meer
vom Wind getrieben
Kräuselwellen schwappen warm
an die Füße noch einmal
bevor die letzten Herbstsommertage verfließen
die wilden Winde noch stärker raufen
LV
3.10.2023
Texte: Lilli Vostry
Fotos folgen
17 Montag Apr 2023
Hingabe an die Natur & Faszination für Freilichtmalerei (im Bild von li. nach re.): die Künstlerinnen und Künstler Angelika Just, Katharina Probst, Michael Klose und Michele Cyranka, die Initiatorin der Plenairs im Forstbotanischen Garten Tharandt.
Eine weiße Leinwand hängt gespannt zwischen Bäumen auf einer Anhöhe.
Davor liegt im grünen Moos eine Plane mit Farbpaletten. Die acht Künstlerinnen und Künstler stimmen sich still im Kreis verbunden auf den Malort ein. Dann geht es los. Mit Farbtellern und langen Pinseln treten sie einer nach dem anderen vor, holen in weiten Linienschwüngen aus, ziehen Spuren und führen die Formen weiter. Sie spritzen, stricheln, streichen mit Hingabe, Innehalten, Fantasie, Freude und Übermut. Begonnen mit schwebend blauen Pinselstrichen von Michele Cyranka, die Initiatorin des dritten Plenairs im Forstbotanischen Garten in Tharandt. Dazu gesellen sich gelbe, orangene, erdige, türkise, grüne, rote und violette Farbtöne, die ineinander fließen, sich umkreisen, verästeln und emporwachsen zu üppig Blühendem auf dem Malgrund, begleitet von lebhaftem Vogelgezwitscher.
Eindrucksvoll mitzuerleben, wie das gemeinsame Bild oben bei den Himalayabirken allmählich farbenfreudig Gestalt annahm an diesem Sonntagnachmittag als Höhepunkt des diesjährigen Plenairs. Und die Natur malt mit. Insgesamt fünf Tage, noch bis Dienstag, dauert die Freilichtmalerei im alten Teil des Forstbotanischen Gartens. Die Besucher können den Künstlern über die Schulter schauen und selbst viele wundervolle und seltene Baumschönheiten bewundern. “Zu Beginn hatten wir wieder eine Führung mit Dr. Pitzarka, dem Leiter des Forstbotanischen Gartens, der uns seine Lieblingsplätze zeigte“, sagt die in Tharandt lebende Künstlerin Michele Cyranka. „Wir lassen uns von den botanischen und geologischen Besonderheiten inspirieren. Vielleicht schaut lächelnd auch der ortansässige Faun zu.“ Der prangt als Figur über dem Schweizerhaus mit dem Forstbotanischen Museum und Café. Beim Plenair gehe es darum, dass malfreudig spontan gearbeitet wird und jeder Teilnehmer für sich neue Ausdrucksmöglichkeiten finden kann, so Michele Cyranka. Sie bringt ihre langjährigen künstlerischen Erfahrungen mit ins Plenair.
Ihre Malmotive wählen die Künstler individuell. „Der letzte Blick am Bärenstein, am Zeisigstein und Königsplatz gehören dieses Jahr dazu“, zählt die Künstlerin Mechthild Mansel auf. „Mich fasziniert, dass es hier so viele verschiedene Bäume an einem Ort gibt“, sagt die Malerin und Grafikerin Katharina Probst. Sie ist zum ersten Mal beim Plenair in Tharandt dabei. Die Tränenkiefer gefiel ihr vom Namen und sie zeichnete eine urige, alte Rosskastanie, die schon ihre zarten Blütenknospen zeigt, mit Ölfarben. „Für mich ist es ein Experiment, draußen zu malen gerade in dieser Jahreszeit“, sagt sie. Ihr Ateliernachbar Michael Klose aus der ehemaligen Schokoladenfabrik in Dresden-Johannstadt ist schon seit vielen Jahren malerisch unterwegs, in der Dresdner Heide, der Sächsischen Schweiz und nun auch im Forstbotanischen Garten. „Es ist schön, mitten in der Natur, der Schöpfung, zu malen mit ihren Geräuschen. Mir gefallen hier die exotischen Bäume, ebenso die Durchblicke und der Ausblick in den Plauenschen Grund“, so Klose. Seine Bilder bewegen sich zwischen abstrakter und konkreter Malerei. Angelika Just ist zum dritten Mal beim Pleinair dabei. „Es macht mir viel Freude und wir hatten immer Glück mit dem Wetter.“ Sie hat ein Bild begonnen, auf dem totes, versteinertes Holz, und dahinter Baumstämme und neues, sprießendes Grün zu sehen sind.
Michele Cyranka wendet sich noch einmal den Himalayabirken zu, die sie vor zehn Jahren schon mal gemalt hat. Zwei Spaziergänger fragen sie mit Blick auf das Gemeinschaftswerk der Künstler, ob es eine Vereinbarung zwischen ihnen gab? „Ja, nicht kloppen! Sonst ist alles erlaubt“, antwortet sie schmunzelnd. Nach der Kunstaktion wurde ausgiebig mit einem Buffet voller selbstgemachter Leckereien im Freien der Frühling gefeiert. Das mit wetterfesten Acrylfarben gemalte Bild bleibt ein Jahr dort in der Natur hängen. Den Hauptweg hinauf ist es zu sehen. Die farbenfroh beschwingte Lebensfreude überträgt sich vom Bild sofort auf den Betrachter. Was will Kunst mehr! Die Ausstellungseröffnung mit weiteren Arbeiten vom Plenair, außerdem von Kerstin Stephan, Sylke Schäfer und Irmfried Müller, findet am 1. September, 18 Uhr in der Kuppelhalle Tharandt statt.
Text + Fotos (lv)
Farbenfrohes gemeinsames Vergnügen: „Eine Kunst ist es auch zu wissen, wann man aufhört und das Bild fertig ist“, sagt Michael Klose.
16 Sonntag Apr 2023
„Es war eine Reise der merkwürdigsten, sonderbarsten und wundervollsten Begegnungen“, schreibt die Künstlerin und Fotografin Rita Goldschmidt im Vorwort ihres Buches „Im Licht der blauen Sonne“ – Isländische Märchen und Legenden (erschienen im NOTschriften Verlag Radebeul 2019). Sie bereiste Island 2016. Ihre Eindrücke und Erlebnisse im Land des wundervollen Lichts und der Trolle, die auf schwarzen Lavafeldern sitzen, aus den Felsen lugen, in Höhlen lümmeln oder durch das unglaubliche Blau des Gletschereises schimmern und sich im Wasserfall duschen, hielt sie fest in fantastischen Landschaftsaufnahmen. Die wundersamen Geschichten dazu werden erzählt von Thomas Gerlach.
Da geht es um Island und seine Vulkane, die den Flugverkehr lahm legen, um die blau scheinende Sonne aus milchigem Himmel und auf bizarrem Geröll sitzende, übermütige, griesgrämige oder von Liebeskummer geplagte Trolle, die Steine herab stürzen lassen, Staub und Asche in den Himmel schleudern, wenn man ihre Heiligtümer missachtet, auf dem Gestein und ihnen herumsteigt oder ihre heißen Wasserquellen und Schlammtöpfe betritt. Da erzählt der Wirt seinen Gästen von weither beim Klang einer Kirchenglocke von den vielen Geistern, die es hier immer noch gibt. Wer aufmerksam ist, kann sie hören und morgens, vor dem Erfrischen im See, wenn das Wasser noch still ist, sogar sehen. Und er erzählte die Geschichte von den drei Frauen, die sich die Geschichte vom ertrunkenen Riesen Einier erzählen.
Abenteuerlich, geheimnisvoll, fantasievoll und skurril sind die in diesem Buch versammelten isländischen Märchen und Legenden, angeregt von der besonderen Schönheit und Eigenarten der Landschaft auf der Insel, ihren Farben, Formen und Licht. Noch heute berücksichtigen die öffentlichen Planungen die Wohnstätten der Geister und nehmen die Menschen lange Umwege in Kauf, um einen Troll nicht zu stören.
Zu hören sind die Geschichten aus Island bei einer Lesung „Im Licht der blauen Sonne“ mit dem Radebeuler Autor Thomas Gerlach am 16. April, um 17 Uhr in der Galerie mit Weitblick, Obere Bergstraße 13, in Radebeul. Dazu werden wunderbare isländische Landschaftsfotos gezeigt.
Außerdem können die Besucher hier reizende Keramikdamen und farbenfrohe, florale Computerdrucke der in Radeburg wohnenden Künstlerin Rita Goldschmidt in ihrer derzeitigen Ausstellung „Zauberhaft“ sehen (siehe Beitrag zur Ausstellung auf meinwortgarten).
07 Freitag Apr 2023
Es geht mir tief ans Herz, die Tatsache, wie die Tiere in Schlachthäusern leiden und habe das heftige Video dann doch angeschaut, um es mit eigenen Augen zu sehen. Ich bin schockiert, wie roh und gleichgültig Menschen so etwas tun können, Tieren, die sichtbar fühlende Lebewesen sind, solchen Schmerz zuzufügen!! Die Angst der Ferkel, ihr Quieken, ihr Zurückrennen, die zappelnden und zuckenden, aufgehängten Tiere… Die traurigen Schafe, Hühner Gänse und Kaninchen, die gar nicht wissen wie ihnen geschieht und es dann im nächsten Moment furchtbar, grausam am eigenen Leib erleben müssen!! Eine Hölle auf Erden, die dringend abgeschafft gehört!!
Bitte tun Sie weiter alles, um dieses Leiden und Grauen im Umgang mit Nutztieren in die Öffentlichkeit, in die Medien und sozialen Netzwerke zu bringen, damit es vielen Menschen bekannt wird und ein Umdenken hin zu artgerechter, schonender Tierhaltung geschieht, hin zu weniger, maßvollem Fleischverzehr und weg von der Massentierhaltung und Schlachthäusern zur Tierhaltung in kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, die auch rentabel sein können. Hab es von Landwirten in Österreich gehört.
Diese Bilder von den schuldlos gequälten Geschöpfen durch Menschen in Schlachthäusern sind hart, brutal, schwer zu begreifen und emotionalisieren, können Mitgefühl und Einsatz gegen solche schlimmen Praktiken an Nutztieren befördern und bedürfen daher einer breiten Öffentlichkeit!! Wer das einmal gesehen hat, wird sicher schockiert sein, zumindest einen Moment innehalten und nachdenken was da eigentlich passiert.
Auch die Verantwortlichen dieser Schlachthöfe müssten klar benannt und zur Rechenschaft gezogen werden, die Arbeitsbedingungen untersucht und die Mitarbeiter befragt werden, wieso sie solch eine grausame Arbeit tun und ob und wie es anders geht, damit die Tiere in Schlachthöfen nicht derart leiden müssen in ihrem kurzen Leben!!
Vor einiger Zeit hatte ich mal einen Beitrag von Ihnen mit der Überschrift „Sie rissen ihn in Stücke“ erhalten, wo es um einen jungen Stier im Schlachthof ging. Diese Überschrift und sein Schicksal geht mir nicht aus dem Kopf…
Ich bin tieftraurig, leide mit diesen Lebewesen und fühle mich mit ihnen verbunden und überlege was ich tun kann, damit dieses schlimme Tiere metzeln, es heißt ja auch Metzger! der Fleischer hier in Deutschland, endlich aufhört.
Text (lv)
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21 Samstag Jan 2023
Hinter dunklem Baumgeäst frohlockt wirbelndes Weiß, auf und nieder tauchend über dem Fluss – die weiß Gefiederten sind zurück und hissen die Flagge des verschollenen Winters. Mittendrin steht ein alter Mann mit Schal um den Kopf gewickelt gegen den Wind und füttert die Tauben und Wildgänse.
Fast allein am Elbestrand mit den Wassertieren, steigen Erinnerungen auf an vertraute Orte, an Verlorenes, Liebgewordenes und das Meer, das mit den Möwen überall mitkommt. Poesie und Musik lassen sich mitreißen vom Spiel der Wellen mit dem Wind, bewegen und davon tragen vom „Zauber endloser Anfänge“.
So heißt die neue Gedicht-Lesung mit Musik, mit der Lilli Vostry, Autorin und Lyrikerin und Gabriel Jagieniak, Musiker (Akkordeon und Obertongesang) am 28. Januar, 17 Uhr, im Einnehmerhaus des Kunstvereins Freital, Dresdner Straße 2, zu Gast sind (Eintritt frei. Wilkommen sind Spenden für den Kunstverein Freital).
In den Gedichten geht es um Natur und Zwischenmenschliches, um die Veränderungen und Wandlungen im Leben und den Zauber des Augenblicks und Neubeginnens. Sie erzählen von „Bildern im Kopf“, vom „Garten Eden“, kleinen Faltern, ungestümen Katzen, wildem Mohn und einem seltsamen Hörnertier. Ein Gedicht erzählt von ihren Eindrücken in Freital.
Lilli Vostry lebt und arbeitet als freie Journalistin, auch für die SZ, in Dresden
und schreibt seit zehn Jahren Lyrik. Sie hat bereits vier BilderGedichtKalender mit verschiedenen Künstlern im Zeitraum von 2013 bis `016 veröffentlicht.
Zu hören in diesem Programm sind frühe und neue Gedichte und Texte.
Gabriel Jagieniak (soundcloud.com/gabriel-jagieniak) bewegt mit seinem virtuosen Akkordeonspiel, mit und ohne Gesang, bekannten Melodien und eigenen Kompositionen, auf humorvolle Weise frei vorgetragen, immer wieder das Publikum.
Wir freuen uns auf Euer Kommen!
Herzliche Grüße
Lilli Vostry & Gabriel Jagieniak
Text + Fotos (lv)
Brunnen vor dem Bahnhof in Freital-Potschappel
10 Samstag Dez 2022
Impro-Zeichnen mit Chris Löhmann am letzten Sonnabend in der Werkstatt 26 in Königstein.
Felsen und Festung geben nebelumhüllt eine fast märchenhaft geheimnisvolle Kulisse zur Adventszeit. Rote Zipfelmützen ragen aus einer Grünfläche an der Straßenkreuzung. Ein gelber Adventsstern leuchtet vom Kirchturm und der Tannenbaum steht im Lichterglanz auf dem kleinen, gemütlichen Weihnachtsmarkt in Königstein in der Sächsischen Schweiz.
Ein paar Meter weiter hat sich die Werkstatt 26 auf der Pirnaer Straße 26 in eine Adventsgalerie verwandelt. Hier kann man sich aufwärmen bei Kaffee, Tee und Punsch aus Apfelsaft mit Zimt, sich an kunstvollen Dingen erfreuen und den Adventszauber genießen. Wichtel, warme Socken und Bilder sieht man da auf Regalen und an den Wänden versammelt. Keine Berührungsängste kennt die Kunst in der Adventsgalerie. 13 Künstlerinnen und Künstler aus Königstein, Pirna, Freital, Tharandt und Dresden zeigen hier derzeit ihre neuesten Arbeiten und Handgemachtes, auch schöne, originelle Dinge für den Gabentisch. Im Schaufenster leuchten Adventssterne, ein Babyanzug aus rosa Wollwatte schwebt da. Die kuscheligen Kindersachen hat „Madame Colli“, Nicole Schmidt, selbst geschneidert. Kleine glänzende Schmuckstücke aus Perlen, Edelsteinen und Muscheln fertigte Niso Karakhonova. Die Keramikkugeln für Teelichter und Kettenanhänger stammen von Angelique Walter aus Dresden. Recycelte Kunst aus wieder verwendetem Papier zeigt Leonie Rost. Auf ihren wundersam und fantasievoll gestalteten Bucheinbänden, deren Seiten jeder selbst füllen kann, schwirren Insekten, Libellen, Schmetterlinge, eine Eule breitet ihre Flügel aus und sogar ein Haus, himmelblau mit gelbem Licht und Schnee vor den Fenstern, steht da in Buchform.
Auf farbigen Aquarellen an den Wänden tummelt sich ein Rotfuchs neben Singvögeln von Elena Linge aus Königstein und einer reizenden „Odaliske“ in zarten Pastelltönen von Michele Cyranka aus Tharandt. Einen Mann mit lächelnd hochgezogenen Mundwinkeln zeigt ein Selbstbildnis von Tobias Wolf aus Dresden. Eine weiß geblümte Wachstischdecke, bemalt mit lustig übereinander kugelnden Figuren in eisblau und violett, regte Volker Lenkeit zu seinem „Kamasutra der Schneemänner“ an. Der Porzellankünstler Olaf Stoy hat diesmal Zeichnungen mit Mohn und Kornblumen und sein Wintertraum-Buch mitgebracht. Außerdem zeigt Chris Löhmann neue assoziationsreiche, figürliche Zeichnungen wie gewebte Bildteppiche, darunter erstmals eine farbige, skurrile Zeichnung. Der in Königstein lebende Künstler lud am vergangenen Sonnabend zum Impro-Zeichnen in der Adventsgalerie ein. Über ihm am Tisch hingen Mistelzweige, die Glück verheißen, dort saß und malte er spontan mit dem Zeichenstift Bilder ganz nach Besucherwünschen.
„Mit der Adventsgalerie wollen wir die Bildende Kunst auch etwas vom Sockel holen und dadurch neue Zugänge für die Besucher schaffen. Es ist ein Kunst- und mehr noch Sozialraum, in dem Menschen zusammenkommen, Geselligkeit und Austausch finden“, sagt Kristin Pietzko, Kuratorin und Organisatorin der Adventsgalerie. Mit viel Herz und Eigeninitiative bereitete sie das Angebot vor zusammen mit der Hauseigentümerin und Künstlerin Nadja Göschel und dem Trägerverein Weltbewusst e.V. der Werkstatt 26. 20 Prozent des Erlöses aus den Künstlerarbeiten gehen an den Verein, um Betriebskosten zu finanzieren. An den nächsten Advents-Samstagen gibt es wieder kreative Angebote: Live Drehen der Töpferscheibe mit der im Haus arbeitenden Keramikkünstlerin Angelique Walter (10.12.) und Weihnachtskarten selbst drucken im Linolschnitt mit den Künstlerinnen Nadja Göschel und Elena Linge (17.12.) jeweils von 15 bis 17 Uhr.
Text + Fotos (lv)
Mit viel Herzblut für die Kunst: Zeichner Chris Löhmann und seine Partnerin Christin Pietzko, Organisatorin und Kuratorin der Adventsgalerie in Königstein mit ihren Kindern Antonia und Elisabeth.
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28 Sonntag Aug 2022
Bärischer Spaß & viele kreative Mitmachangebote: die Künstlerin Alexandra Wegbahn entwarf das Bären-Logo für den Kultursommer, hinter ihr der Bär Michael Melerski, Erwin Wagner, Sänger im Bärensteinorchester und Eleni Haase, die mit ihrem Akkordeon in dem frischgegründeten Orchester musiziert.
Für fröhlich mitreißende Musik sorgte die tschechische Gruppe „Muzika Jara“ am Sonnabend zum Abschluss des Kultursommer Bärenstein.
Der Marktplatz ist leer. Das weiße Segel der kleinen Bühne eingerollt. Der Himmel grau verhangen und regnerisch. Die Abschlussveranstaltung vom Kultursommer Bärenstein findet in dem Gebäude statt, in dem das frisch gegründete Bärensteinorchester für seinen ersten Auftritt probt. In einem kleinen Raum im Obergeschoss des früheren Pfarrhauses, gegenüber der Kirche. Das Haus gehört dem Musiker Hartmut Dorschner, der zusammen mit dem Verein Kult-ur-art e.V. und den Künstlern Alexandra Wegbahn und Michael Melerski den Kultursommer Bärenstein initiiert hat. Mit Hilfe von Fördermitteln der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und viel Eigeninitiative. Drei Wochen lang im August war hier buchstäblich der Bär los, so das Motto des ersten Kulturfestivals in dem kleinen Ort im Osterzgebirge. Kreative Angebote wie Malen, Siebdruck, Papierwerkstatt, Schreib-Workshop fanden statt, außerdem viele Konzerte, Filme, Puppentheater und Gesprächsrunden mit den Bewohnern in der „Bärensteinschänke“, die als Begegnungsort und Treffpunkt im Rathaus während des Kultursommers die Besucher einlud.
Aus dem Fenster des alten Pfarrhausgemäuers scheint warmes gelbes Licht an diesem Samstagabend. Fröhlich beschwingte Klänge sind bis nach draußen zu hören. Die tschechische Gruppe „Muzika Jara“ spielt mitreißende Musik aus ihrer Heimat, aus Böhmen und Mähren und temperamentvolle Zigeunermelodien. Einer der Geiger tritt sonst am tschechischen Nationaltheater auf. Die drei Männer und eine Frau an Geige, Kontrabass und Yylophon tragen traditionelle Kostüme, schwarze und rote, bestickte Westen mit roten Tüchern am Hosenbund und farbige Bänder am Rock. Der Raum ist voll. Im Nu füllt sich die Tanzfläche mit Kindern und Erwachsenen. Sie hüpfen umher, halten sich an den Händen im Kreis und in ihrer Mitte tanzt der Bär. Einige setzen sich große, lustige Pappmachéköpfe auf, einen hohen mit langer Nase und einen dicken, runden und verleihen ihnen immer neue Gestalt mit viel Heiterkeit. Mittendrin auch die jungen Leute vom Bärensteinorchester. Die rund zehn Freizeitmusiker sind zwischen acht und 60 Jahre alt. Bei ihrem ersten Konzert am Sonnabend spielten sie ein eigenes Stück, „Sommerhit“, zwei tschechische Volkslieder, außerdem das erzgebirgische Heimatlied „Glück auf, der Steiger kommt“ und drei Bluestitel.
„Wir hatten in den ersten zwei Ferienwochen einen Workshop und haben dort ein Stück für das Orchester komponiert“, erzählt Erwin Wagner, 13 Jahre, der als Sänger und mit Percussion im Bärensteinorchester auftritt. In der zweiten Woche musizierten sie mit zwei tschechischen Dozenten, einem Saxofonist und einem Gitarrist. Eleni Haase spielt Akkordeon im Bärensteinorchester. „Mir hat dieses Instrument sofort gefallen, als ich es als Kind in der Musikschule das erste Mal sah, da es etwas Exotisches hat“, sagt die 18-jährige, die in Freital die Fachoberschule besucht und dort schon in einer Schulband mitspielte. Ihr jetziger Musiklehrer Hans-Georg Mauer aus Schlottwitz ist Akkordeonist bei den „Bimmelbahnmusikanten“. „Wir haben das Angebot gern angenommen. Die Kinder sind sowieso neugierig und haben schon am Fenster geschaut, was da los ist“, sagt Marco Ebert. Er wohnt mit seiner Familie direkt am Markt in Bärenstein. Mit drei Kindern im Alter von vier, zehn und elf Jahren und seiner Lebensgefährtin waren sie beim Siebdrucken, malten Buttons mit dem Bär-Logo und staunten über den frei umherlaufenden Bär.
„Die Reaktionen der Leute waren verhalten und vorsichtig. Vielleicht auch durch das Fremde und da der Kultursommer recht kurzfristig kam. Wenn man sich darauf eingelassen hat, traf man andere Stammbesucher wieder“, erlebte Marco Ebert. Sein kleiner Sohn, Nico, anderthalb sitzt auf seinen Knien und freut sich. Die Bilder mit dem Bären, auf der Bank mit Kindern und in der Kirche in Bärenstein sind noch einmal im Rückblick auf einer Leinwand in der Bärensteinschänke zu sehen. Schön wäre, wenn die kreativen Angebote für Familien auch nachmittags stattfänden, sagt seine Partnerin Claudia Fischer. Sie wünschen sich außerdem wieder eine Gaststätte in Bärenstein. Weitere Anregungen sind ein Eiscafé und mehr kulturelle Veranstaltungen im Ort, die als gebundenes Wunschbaum-Buch der Gemeinde überreicht werden.
„Mit dem Kultursommer in Bärenstein wollten wir vor allem den Impuls der Mitgestaltung hineingeben. Ein Fest, auf dem man sich trifft, andere Leute kennenlernen und über Dinge reden kann, die einen bewegen und um etwas zu verändern“, sagt die Künstlerin Alexandra Wegbahn, die das Bären-Logo entworfen hat. „Dieses Ziel haben wir erreicht. Die künstlerischen Angebote und Gesprächsrunden wurden gut angenommen. Wir saßen nie alleine da.“ Reserven gebe es noch beim Markttag, an dem lediglich eine Handvoll Stände aufgebaut wurden, darunter eine Töpferei und ein Imker. „Der Bär fand Aufmerksamkeit und war ein Mittel, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Doch solch ein Projekt braucht auch Zeit, um wahrgenommen zu werden“, so Michael Melerski, der ihn verkörperte. „Es gibt schon Pläne von Anwohnern für den Kultursommer Bärenstein im nächsten Jahr und zwei Familien, die es in ihre Hände nehmen“, sagt Alexandra Wegbahn.
Text + Fotos (lv)
Fröhliche Tanzrunde mit Bär zu den schwungvollen Klängen der tschechischen Gruppe „Muzika Jara“ in Bärenstein.
13 Samstag Aug 2022
Posted Aktuelles, Bildende Kunst, Lebensart, Musik, Poesie, Projekte, Unterwegs, Zwischenmenschliches
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Bilder wie Erinnerungslandschaften: Welche Spuren die Flut in der Landschaft und im Leben der Menschen hinterlassen hat, dem gehen die wandgreifenden Arbeiten von Chris Löhmann in einer Ausstellung in der Werkstatt 26 in Königstein nach.
Freuen sich auf viele interessierte BesucherInnen auch zum gemeinsamem Erzählen und Erinnern: Christin Pietzko, die Kuratorin der Ausstellung mit Töchterchen Antonia und Künstler Chris Löhmann.
Ein idyllischer Anblick. Der Marktplatz mit hellen, schmucken Häusern und ein Kirchturm, fast so hoch wie die Felslandschaft. Ringsum wogendes Grün. Bei genauerem Hinsehen sieht man dunkle Flächen in den Gassen, die bis zu den Fenstern reichen und alles umschließen. Es sieht aus als ob die Häuser Augen haben und zusehen. Ein Mann steht mit zwei Eimern vor dem halb versunkenen Ort, ein anderer kippt Wasser aus im Titelbild „Gezeichnet. Die Jahrhundertflut von 2002“ in Sachsen.
Unter diesem Titel sind Grafiken von Chris Löhmann, ausgehend von Archivmaterial, in einer Ausstellung in den Räumen der Werkstatt 26 in Königstein zu sehen. Die Eröffnung ist am 14. August um 15 Uhr. Mit Musik von Arystan und Kaffee und Kuchen für die Besucher. Gezeichnet sind nicht nur Landschaft und Menschen in den Bildern. Welche Spuren das Hochwasser bei ihnen hinterlassen hat und wie sich das Leben der Bewohner seitdem verändert hat, dem gehen die Arbeiten des Künstlers ebenfalls nach. Chris Löhmann wird wandgreifende Tuschezeichnungen zeigen, die zum Erzählen und gemeinsamen Erinnern einladen. Die ersten Bilder sind gerade fertig. Ein altes Eckgebäude auf der Bahnhofstraße, neben der Hauswand steht das Wort „Hoch“ in schwarz über das Bild rinnender Farbe. Unten am Bildrand, halb im Dunklen, prangt eine Reihe Orden symbolisch für die Lebensretter und vielfachen Heldentaten, die oft unsichtbar bleiben. Gegenüber sieht man auf einem Hausdach zwei Gestalten, die auf die Reste eines ehemaligen Cafés und den halb verdeckten Namen des Inhabers schauen. Umgeben von meterweise steigendem Wasser. „Mit der Flut ist ja auch Architektur und ein Stück Geschichte untergegangen“, sagt Chris Löhmann zu seinen Arbeiten. In ihnen finde auch eine Kommunikation zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem statt.
Die Wände im Ausstellungsraum werden mit Zeichenpapierrollen behangen. Mit Tusche und Pinsel zeichnet der vor allem graphisch arbeitende Künstler frei aus dem Kopf, ohne Skizzen oder Projektor, auf die großen Papierflächen. Fotos von der Flut hat er auf dem Handy und er hat mit Augenzeugen gesprochen, während er die Plakate für die Ausstellung in Schaufenster und an Ladentüren klebte. „Die Leute haben reagiert und ihre Geschichte erzählt, manche ältere sichtlich berührt“, so Löhmann. Er sah als 14-Jähriger die Bilder von der Flut aus der Ferne. Nach einer Ausbildung als gestaltungstechnischer Assistent in Freital studierte Chris Löhmann von 2013 bis 2022 an der Dresdner Kunsthochschule Malerei und Grafik bei Prof. Bömmels. Die Bewohner waren schockiert und fassungslos angesichts der Wassermassen. Doch sie haben auch eine Art Wir-Gefühl, Solidarität, Hilfe und Aufbruchstimmung erlebt, erzählten ihm Menschen aus der Flut-Zeit.
„Die Grafiken sind wie Erinnerungslandschaften, welche die vorhandene Architektur aufgreifen, so dass die Leute sich erinnern und gesehen werden, auch wenn es 20 Jahre her ist“, sagt Christin Pietzko, Kuratorin der Ausstellung. Es sei keine Schau, die Flutbilder dokumentarisch zeigt, sondern mit der Sprache der Kunst einen Raum und die Möglichkeit geben möchte, dass sich Menschen öffnen und berühren lassen. „Wir haben das Hochwasser nicht erlebt, aber leben mit den Spuren“, so Christin Pietzko.
„Als wir im noch sehr kalten Frühling hierher zogen, habe ich mich sehr gewundert. Die Stadt wirkte geradezu geisterhaft. Dazu die vielen leeren Geschäfte, verwaiste Architektur“, erzählt sie. Betroffen stand sie vor einem Haus am Markt mit der Hochwassermarke vom 16.8.2002 von 11,85 Meter. Sie sah und lernte aber bald auch engagierte Menschen kennen, die sich für ein lebendiges Stadtleben einsetzen, beispielsweise im Verein Weltbewusst e.V., dem Trägerverein der Werkstatt 26. Einem sozialen Projektort mit Coworking Space. Dort ergab sich auch das Kunstprojekt zur Flut, das über das Förderprogramm Simul und das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung finanziert wird.
„Wir wurden mit offenen Armen empfangen und sind inzwischen sehr glücklich hier.“ Letztes Jahr im Frühjahr zogen sie und Chris Löhmann zusammen von Dresden nach Königstein, wo sie mit ihren drei kleinen Kindern im alten Postamt im Erdgeschoss einen neuen und erschwinglichen Wohn- und Schaffensort gefunden haben. Die obere Etage des dreistöckigen Gebäudes gegenüber vom Bahnhof steht noch leer. Am Haus hat Chris Löhmann schon einen Garten angelegt, in dem die ersten Tomaten reifen. Ein kleiner roter Kater streift umher. Gemütliche Wohnräume mit viel Platz zum Spielen für die Kinder und das Atelier in der früheren Paketstation füllen sich mit neuen Ideen und Lust am Gestalten für sich selbst und andere.
Als nächstes darf Chris Löhmann einen Bücherschrank auf dem Marktplatz in Königstein bemalen. Den Auftrag erhielt er vom Lichtspiele e.V. – ein weiterer engagierter Verein der Stadt, der das alte Kino betreibt und jedes Jahr im Sommer ein Filmfest-Open-Air auf dem Marktplatz organisiert. „Wir sind sehr dankbar, in Königstein wohnen zu dürfen und wollen der Stadt auf unsere Weise etwas zurückgeben. Man sieht, es gibt hier Menschen, die sich einbringen wollen für ihren Ort und wir hoffen wie der Bürgermeister, dass noch mehr junge Leute hierher ziehen“, sagt Christin Pietzko. Ebenso gespannt sind die beiden, wie die Ausstellung in Königstein ankommt bei denjenigen, die das Hochwasser erlebt haben und sie freuen sich auch auf persönliche Erzählungen und Erinnerungen der Besucher. ‚
Text + Fotos (lv)
Ausstellungszeitraum:
14.8. – 11.9.2022
Mo., Do., Fr von 9 – 12 Uhr und nach Vereinbarung
sowie 28.8. und 11.9. 15 – 17 Uhr mit Chris Löhmann
Ein Ort mit viel Grün, Flair und schönen, alten Häusern, die auf neue Bewohner und Nutzer warten, ist Königstein in der Sächsischen Schweiz: das Künstlerpaar vor einem Eckhaus auf der Bahnhofstraße, wo immer noch großer Leerstand herrscht und die sprichwörtliche „tote Hose“ in einem der Schaufenster liegt. In einer originellen Aktion von jungen Leuten und Geschäftsinhabern erzählen in den Ladenschaufenstern hängende historische Fotos vom früheren, lebendigen Geschäfts- und Straßenleben im Ort und sind Ideen und Vorschläge für die Zukunft gefragt.
Haus am Markt mit Hochwassermarke: Am 16.8.2002 stand hier das Wasser bei 11,85 Meter.
Kreativer Projekt- und Ausstellungsraum: Hier wird diesen Sonntag, um 15 Unr die Ausstellung von Chris Löhmann eröffnet. In Erinnerung an die Flut wird Lilli Vostry, Autorin und meinwortgarten-Inhaberin hier aus ihrem Gedicht-Zyklus „Am Fluss“ zur Ausstellungseröffnung lesen.