„Milchmädchen“, um 1900. Öl auf LW

„Dorfstraße in Pietzig“

Blick ins Wohnzimmer des Künstlers Gotthardt Kuehl. Der Schreibtisch des Künstlers.

Blick auf die Brühlsche Terrasse und in die Schlossgasse.


Wiederentdeckung eines großen Impressionisten: der Maler und Geheimrat Gotthardt Kuehl, 1905, gemalt von Ferdinand Dorsch.

Lichtvolle Malerei

Stimmungsvolle Stadtansichten, Interieurs und Alltagsszenen zeigt die Ausstellung „Gotthardt Kuehl. Ein Lichtblick für Dresden“ des großen Impressionisten erstmals wieder auf Schloss Burgk.

Eine helle Dorfstraße an einem Sommermorgen. Spärliches Grün und ein
paar Bauernhäuser. Wäre nicht der dunkle schwere, goldverzierte Bilderrahmen, sähe es aus wie gerade gemalt. Im nächsten Bild noch einmal die Dorfstraße in Pietzig, um 1900, diesmal in geschwungenem Bogen grau und ockerfarben mit Blick auf Fachwerkhäuser. Weiter wandert der Blick über großformatige Leinwände mit der Augustusbrücke im Umbau, um 1908, Baugerüste, Dampfer am Terrassenufer und die grazilen Türme von Schloss und Hofkirche in Dresden.

Die Kuppel der Frauenkirche leuchtet fast wie eine Apfelsine umweht vom Rauch aus den Schornsteinen umliegender Häuser. Das Italienische Dörfchen am Theaterplatz mit grünem Dach und kugeligen Bäumchen auf der Terrasse. Die hohen Sandsteinfassaden der Kunsthochschule und Geschäftshäuser der Schlossstraße in strahlendem Licht vor azurblauem Himmel mit wehenden Fahnen und letzten Schneeflecken auf der Brühlschen Terrasse. Pferdekutschen fahren über die Brücken, vor den Läden in den Gassen buntes Menschengewimmel. Und ein dunkler, lichterflimmernder Zug, Fackeln und schwarze Segel auf dem Fluss, begleiten auf der Elbbrücke die Überführung der Leiche König Georgs auf einem Ölbild von 1904. Lichtvolle und stimmungsreiche Malerei eines großartigen Künstlers und Impressionisten versammelt zurzeit die Ausstellung „Gotthardt Kuehl (1850 – 1915). Ein Lichtblick für Dresden“, die am vergangenen Sonntag auf Schloss Burgk in Freital mit großer Besucherresonanz eröffnete.

Zur Ausstelllungseröffnung im Festsaal und Treppenhaus blieb kein Stuhl frei.
Klangmalerisch, in leichten, flirrenden, eleganten, romantischen und brüchigen Tönen, begeisterte Musiker Florian Mayer an der Geige, umherwandelnd zwischen den Reihen, die Besucher und stimmte auf Kuehls Bilderwelt ein. Es ist eine Wiederentdeckung  mit dem Werk eines großen Malers, der zu Lebzeiten zu den bekanntesten deutschen Malern zählte, als Künstler neue Impulse des Impressionismus aus Paris mit nach Dresden brachte und heute nahezu vergessen ist. Erstmals seit fast 30 Jahren ist nun wieder eine große Ausstellung mit Bildern von Gotthardt Kuehl zu sehen, außerhalb von Dresden, einer der Hauptwirkungsstätten des Künstlers. „Ich bin froh, dass die Städtischen Sammlungen Freital nun mit dieser Ausstellung und dem Katalog in die Lücke springen und endlich das Werk des Akademieprofessors wieder mehr ins Licht und Bewusstsein der Kunstfreunde bringen können“, sagt Kristin Gäbler, Leiterin der Städtischen Sammlungen Freital.

Er ist der Maler zahlreicher Dresden-Ansichten, mit denen er hier zur Hochform gelangte, der farbigen Innenräume und lichtvollen Interieurs und wird in einer Reihe mit Liebermann und Corinth genannt. 1895 wird der in Lübeck geborene Gotthardt Kuehl nach vorherigen Stationen in Dresden, München und Paris als Professor an die Dresdner Kunstakademie berufen. 25 Jahre, nachdem er hier sein Studium unzufrieden abbrach, nahm Kuehl nach anfänglichem Zögern die Professur an und zog mit seiner Familie nach Dresden. Mit 45 Jahren war er das jüngste Mitglied des akademischen Rates. „Sein Amtsantritt war nicht nur eine Initialzündung für die Erneuerung der in alten Strukturen erstarrten Kunsthochschule. Sein Name war auch mit Dresdens Aufstieg als Ort moderner, internationaler Kunstausstellungen verbunden“, so Kristin Gäbler. Mit ihm etablierte sich zudem die Freiluftmalerei in der sächsischen Residenzstadt zu einer ernstzunehmenden Stilgattung.

Kuehl gehörte neben Carl Bantzer zu den bekanntesten Mitgliedern der Künstlerkolonie Goppeln, war Gründungsmitglied der Freien Vereinigung Dresdner Künstler und Ehrenvorsitzender der 1902 gegründeten Künstlervereinigung „Elbier“.  Die Leihgaben für die Ausstellung auf Schloss Burgk stammen hauptsächlich aus der Städtischen Galerie Dresden, der Gemäldegalerie Neue Meister sowie von privaten Leihgebern und geben einen Überblick in das vielseitige Schaffen von Kuehl. Dazu gehören neben vielen Stadtansichten wie vom „Pariser Kai“ um 1880 außerdem als häufige Malmotive glanzvolle Innenräume von Kirchen nebst einem „Scheuerfest“ von Nonnen in der Franziskanerkirche in Überlingen um 1905, atmosphärereiche Blicke in Atelier und Wohnzimmer des Künstlers, ein Stillleben vom Schreibtisch und der Blick aus dem Atelier auf die Sekundogenitur um 1899.

Farbenfroh, mit viel Flair und Zeitkolorit, begegnen einem auch die Alltagsszenen und Porträts von Gotthardt Kühl. Darunter ein „Milchmädchen“ in sonnigen Farben, eine Frau mit weißer Haube beim Kartoffelschälen, eine alte Dame in weißer Bluse beim Kaffee und ein kesser Schusterjunge mit Käppi, umgehängtem Stiefelpaar und spitzem Mund wie froh pfeifend. Gegenüber ein Makrelen-Stillleben mit den an Bindfäden schwebenden Fischen. Die Ausstellung ist noch bis 16. Oktober zu sehen, zu der auch ein opulent farbprächtiger Katalog zu Leben und Werk von Gotthardt Kuehl erschienen ist.

Außerdem gibt es ein Begleitprogramm für die Sommerferien mit dem Titel „Ganz schön Ku(e)hl hier !“ mit altersgerechter Entdeckungsreise durch die Ausstellung (für Besucher ab sechs bis zwölf Jahren; nächster Termin: 17.8., 13 Uhr) und individuelle Termine für Hortgruppen oder Schulklassen. Wer will, kann hinterher einen Blick durch die goldenen Bilderrahmen im Schlosspark werfen und eigene Malmotive mit Stiften, Pinsel und Farben festhalten. Die Freiluft-Malaktion „Guck mal!“ für malfreudige Besucher geht noch bis in den Herbst. Alle Arbeiten werden in einer Ausstellung gezeigt und eine Jury kürt das schönste Bild.

Text + Fotos (lv)

Geöffnet: Dienstag bis Freitag von 12 bis 16 Uhr, Sonnabend, Sonntag und Feiertag von 10 bis 17 Uhr.

http://www.freital.de/museum