Immer ruhig und gelassen bleiben, nur nicht nervös
werden bei der Verbrecherjagd: Der Anwalt Björn Diemel (Ronald Spiess) übernimmt immer mehr die Rolle seines spurlos verschwundenen Mandanten, dem Mafiabos Dragan in dieser Krimikomödie. Ihm zur Seite in mehreren Rollen Benjamin Hille und Daniela Michel. Foto: Robert Jentzsch

Rasant komisches Spiel um Leben und Tod

Für Lachen und Gänsehaut mit viel schwarzem Humor, Action und schnellem Rollenwechsel sorgt die Krimikomödie „Achtsam morden“ in der Comödie Dresden.

Seelenruhig steigt der Mann im Dunkeln aus seinem schwarzen Schutzanzug. Björn Diemel ist ein erfolgreicher Anwalt, 42, und hat noch nie einen Menschen umgebracht. Doch dann vertritt er einen schuldigen Mafiaboss als Mandanten und steht bald selbst mitten im Schlamassel. Dabei setzt er um, was er gerade in einem Achtsamkeitsseminar gelernt hat, zu dem ihn seine Frau drängte, um Beruf und Familie wieder in Balance zu bringen, allerdings handelt er anders als erwartet. „Achtsam morden“ – ebenso paradox wie schwarzhumorig geht es zu in der Krimikomödie nach dem Bestsellerroman von Karsten Dusse, der aus einer Juristenfamilie kommt. Die Premiere in der Bühnenfassung von Bernd Schmidt war letzte Woche in der Comödie Dresden.

Vorher muss man aufpassen, nicht in die blutroten Fußspuren am Eingang und im Foyer zu treten. Dort sitzt am Premierenabend auf einem Podest eine Frau, Kristin Voß, in weißen Sachen mit einer Klangschale in der Hand und singt mit sanfter Stimme unbeirrt vom regen Besuchergewimmel. Auf der Bühnenmitte prangt groß das Wort „Kanzlei“, davor steht im Schatten einer Hauswand eine Buddhafigur und orange leuchtet der Raum gegenüber. Der Achtsamkeitstrainer (sachlich nüchtern: Benjamin Hille) wirkt beruhigend auf den Anwalt (clever-abgeklärt: Ronald Spiess) ein und bringt ihm ein paar grundlegende Lektionen bei wie den Atem spüren, einfach leben ohne zu bewerten und liebevoll zu sich selbst sein. Und gibt ihm ein Ratgeber-Buch mit: „Entschleunigt leben auf der Überholspur“.

Es steht auch einiges auf dem Spiel. Seine Frau Katharina (energisch: Daniela Michel) im roten Mantel droht mit Scheidung und dass er seine kleine Tochter Emily nie wieder sieht, wenn sein Job ihm weiter wichtiger sei und sie nur noch streiten. Doch kaum ist der Anwalt mit Emily gestartet zu dem Ausflug ins Wochenendhaus am See, kommt ein Anruf von Mafiaboss Dragan. Auf einem Parkplatz kamen sich bei der Übergabe zwei Drogenhändlerbanden in die Quere, es gab zwei Tote­. Ein Bus mit Schulkindern traf gerade in dem Moment dort ein und sie filmten eifrig mit ihren Handys die Verbrecher, hielten das Ganze wohl für eine Actionszene. Der Anwalt soll die Sache nun für Dragan regeln, sonst werde es seine Tochter nicht überleben. Er fungiert als Erzähler, rollt an der Wand eine Täterkartei mit Fotos aus und erklärt dem Publikum die  Zusammenhänge. Dennoch fällt es schwer, die Übersicht zu behalten und die Achtsamkeit bei der Verbrecherjagd wird absurdum geführt. Eine Schauspielerin und zwei Schauspieler bringen achtzehn Figuren in rasant komischem Rollen- und Kostümwechsel auf die Bühne und entführen mit viel schwarzem Humor und brutalem Gossenjargon ins Verbrechermilieu.

Nachdem Dragan spurlos verschwunden ist, übernimmt der Anwalt seine Rolle und erteilt den anderen Bandenmitgliedern seine Anweisungen. Er wird immer abgebrühter, hartgesottener und fühlt sich frei, atmet tief und übersteht mit einem Lächeln jede heikle Situation. Etwa wenn eine Frau von der Mordkommission Verdacht schöpft und ihn befragt, z.B. zu dem gefundenen Finger mit Siegelring von Dragan in der Nähe des Anwaltgrundstücks. Boris, ein Russe im Pelzmantel und seine Geliebte setzen den Anwalt außerdem unter Druck und wollen Dragan sehen. Ein gnadenlos komisches Spiel auf Leben und Tod voller Verwicklungen und überraschender Wendungen ist diese Inszenierung unter Regie von Ingmar Otto. Absurd und traurig zugleich die Szene, in der die Gauner getarnt als Beteiligungsgesellschaft einen Kindergarten übernehmen, auf den kleinen Kinderstühlchen sitzen, einer gerissener als der andere, kichern und sich Schläge androhen und ihre nächsten Coups planen. Die Frau vom Anwalt ist happy, dass sie doch noch den heiß begehrten Kitaplatz für Emily bekommt und auch die Kriminalbeamtin arrangiert sich für einen Platz für ihren Sohn. Bei der abschließenden Explosion, bei der einer der Gauner hochfliegt, spritzen rote Luftschlangen ins Publikum. Für Lachen und Gänsehaut abwechselnd sorgt diese eigentlich todernste Komödie. Viel Beifall gab es dafür zur Premiere.

Text (lv)

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