Unvergessen: Seit einem Jahr bist Du jetzt bei den Sternen und sind wir uns weiter nah, meine liebste und langjährige Begleiterin Lola. Stolze 18,5 Jahre wurdest Du alt.
Foto: VF
Adventszeit
(Für Lola)
Vor mir sitzt ein kleines
zappelndes Fellwesen
das auf einen besonderen
Leckerbissen hofft
die andere getigerte liebt es
mit Wasser aus dem Napf zu panschen
und Blüten zu zupfen
davor der Blumentopf verwelkt
bringe es nicht übers Herz
ihn wegzuwerfen
die Blumenreste stehen an der Stelle
an der sich alles änderte
vor einem Jahr
du fielst mir fast vor die Füße
ein kleiner dumpfer Aufprall eines Nachts
hob dich auf erschüttert wir beide
dein Herzpochen immer schneller
der Atem immer leiser
hielten uns aneinander fest
bis zum Abschied
eine gefühlte Ewigkeit
mein Seelentier
als der Moment wieder naht
streifen zwei Katzentiere
um mich herum
gerührt als wüssten sie alles
bricht alles wieder auf
sie hören es still an und ich merke
wie sehr sie mir schon ans Herz
gewachsen
im Schlafzimmerfenster steht ein
Kerzenlicht
am Morgen brennt es noch immer
der erste Schnee fällt
bleibt nicht liegen
die Lichterblumen am Fenster gegenüber
leuchten wieder
und an deinem Bild öffnet sich
am Weihnachtskaktus gerade
die erste rote Blüte
LV
4.12.2021
Adventszauber mit Lina & Jade
Verzauberung
Als ich aufwache
dunkelt es schon
verkehrte Welt
nachts war ich wach
schrieb und schrieb
mich träumend ins WeihnachtsZauberland
bis es tagte und Sonnenlicht den Raum
flutete
das ich einen Augenblick lang sah
all die Lichtfiguren standen
vor leerer Kulisse
auf dem weiten Platz im Herzen der Stadt
ohne Buden anders als sonst
erfüllt nur von den Klängen
der Posaunen Gloria in excelsis Deo
und den Menschen
ihrem andächtigen Schauen
Verweilen und Staunen wie die Kinder
unterm leis rauschenden Lichterbaum
und der Krippe mit dem neuen Erdenkind
als sähen sie alles zum ersten Mal
beim Teekochen Holunder Minze
sehe ich an der Regalunterseite
eine zierliche Spinne sie hält sich
auf einem Bein oder unsichtbaren Faden
die anderen anmutig in die Höhe erhoben
wie die Lichterspinnen Leuchter
immer noch verzaubert
will ich bleiben
scheue mich in die Welt der „Flüchtigen“
zurückzukehren
wie sie Alain Damasio* beschreibt
voll digitalisiert ein alles überwachendes
Auge
von Suchtrupps die Flüchtige jagen
mit Blicken die töten
wenn sie die wundersamen Wesen
aufspüren
in den verirrten toten Winkeln
menschlicher Wahrnehmung
in denen sie ihre Fantasie und Eigenes
verstecken und bewahren
LV
12.12.2021
* Zum neuen Roman „Die Flüchtigen“ des französischen Autors Alain Damasio (erschienen bei Matthes & Seitz Berlin) erscheint demnächst eine Buchrezension auf diesem Blog. Unbedingte Leseempfehlung!
Texte + Fotos (lv)
Wunderreiche Zeit
Der Himmel weiß verhangen
die Flocken bleiben
noch bei Frau Holle oben
Regentropfen rieseln herab
und der Lichterglanz scheint
durch eine Nebelwand
watteweich umhüllt
die Welt ungewisses Schweben
der Weihnachtsmann spannt dennoch
den Rentierschllitten an
Herzen pochen in Vorfreude
Kinderaugen strahlen
über das Lichterfunkeln am Baum
und in den Fenstern
in der Dunkelheit
süßer Duft nach gebrannten Mandeln
Plätzchen und Pfefferkuchen
hängt in der Luft
nebenan ertönt wie eine Fanfare
ein heller Kinderschrei
noch ganz neu auf Erden
einen Moment später läutet
es an meiner Tür
der Nachbar überbringt mir
welch Überraschung
ein großes Weihnachtspaket
aus einem Zeitungshaus
bedruckt mit hoffnungsfrohen Symbolen
und Weihnachtsgrüßen in vielen Sprachen
verschickt in die Welt hinaus
Sterntaler hält unter einem gelben Weihnachtsstern
seine Schürze auf im Zauberwald
auf dem Altmarkt wo sonst Buden stehen
in einer Galerie nahe beim Goldenen Reiter
brennt noch Licht
eine Frau und ein kleines Mädchen in weißen Kitteln
bemalen und behüten zauberhafte Dinge
wunderreiche Zeit
aus weißem Porzellan
verlockend und liebevoll schwirrende Mensch und Tierwesen
erfüllt mit Freude
ihr Lächeln steckt mich an
LV
17.12.2021
Rückkehr des Lichts
Wir saßen lange
zusammen in der längsten Nacht
des Jahres
vor dem Fenster hielten
weiße Sterne Wacht
es gab ein Festessen
und wir schütteten unsere Herzen aus
nicht nur sacht
wer keine roten Linien mehr kennt
wie kann man dem noch trauen
Kopf oder Arm frei
weg oder hinschauen
wie hältst Du`s mit dem G
schutzlos ausgeliefert anderen
wie weit geht Nächstenliebe
was löscht sie aus
alles dreht sich nur noch um das Eine
bleibt es was vertreibt es
verbindet oder trennt uns
man kann auch in Liebe auseinander gehen
sagst Du
das Licht von Neuem sehen
seit gestern Nacht kann ich es
mit der Wintersonnenwende
kamst Du
der Tag badet im Licht
Abendrot hinter dunklen Bäumen
ein Feuer knistert unterm Geäst
brennt meine Ängste nieder
LV
22.12.2021
Weihnachtsmorgen
Lichtflecken wandern
über die Wände
verwandeln alles
graue Mattigkeit zerfließt
tanzende Körperumrisse
treten aus einem Bild
das hohe Baumpaar vorm
Wintergartenfenster funkelt
wie mit Sternen behängt
in der Sonne
unterm weißen Schneepelz
ein Vogel flattert auf die Baumspitze
Glocken läuten in der Ferne
weißer Rauch steigt auf
wie Atemhauch
in unmerklich leichter
gleißender Helligkeit
das Bild der schwarzen Sternäugigen
getaucht in Licht
zwei Katzentiere zieht es ins Helle
von Eiseskälte wissen sie
noch nichts
und ich denke an Gülsary
das alte Pferd und den alten Mann
aus der Erzählung von Aitmatow
die zusammen ihren letzten Weg gehen
über die Schlucht nachhause
schaffen sie es nicht mehr
der Funkenflug am Feuer wärmt sie
ein letztes Mal und erhebt sie noch einmal
in die Größe vergangener Tage
LV
26.12.2021
Vor der Winterruhe
Der Himmel blassgesichtig
gefrorener Tag
überlass mich der Winterruhe
ein Schimmer Licht fällt herein
lässt mich kurz aufsehen
und erschrecken
das grazile Baumpaar vorm Wintergartenfenster
reißt es fast mittenzwei
hin und her geworfen vom Wind
der weiße Glanz in den Zweigen
schon wieder geschmolzen
bricht die Sonne unversehens
aus ihrem Verlies
färbt den Himmel golden
hinter dunklen Bäumen
folge der Lichtspur
in immer neuen Farben
wie sehen wir andere
und uns wirklich
alles zu seiner Zeit oder
wonach mir zumute
nichts bleibt wie es ist
sehnendes Vergewissern
in allem
Sichergehen
ich ziehe die neuen blauen Ringelsocken an
und träume mich ans Meer
backe Vanillekipferl und andere Plätzchen
nach Weihnachten der Winter ist lang
mache gern die Nacht zum Tag
werfe meinen Wollschal wie ein Lasso
nach dem getigerten Katzentier
das gern Fangen spielt
und mich um den Finger wickelt
schäle eine Mandarine oder
Clementine
wo liegt der Unterschied
Hauptsache süß und saftig
Alles kann ganz anders sein
LV
27.12.2021
Jade im Wintergarten
Alle Texte + Fotos: Lilli Vostry