Raus aus der Enge im Zimmer, ständigen Streaming, hinaus auf die Bühne und ins Leben… Fotos: Sebastian Hoppe

Das Leben wieder spüren

Um Ausbruch aus der Enge, Veränderung, Vergänglichkeit und Lebenssinn geht es in absurd-komischen, traurigen und berührenden Szenen und Liedern in der Inszenierung „Leonce und Lena“ nach Georg Büchner mit zehn jungen SpielerInnen der Bürgerbühne im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.

Auf einer Leinwand erscheinen sprechende Gesichter mit starrer Miene in weißen Halskrausen. Die jungen Darsteller halten Schilder mit den Namen ihrer Figuren in die Kamera und kündigen eine digitale Livestream-Aufführung wegen Corona an. Doch dann kommt alles anders. Mit ebenso viel Spiellust wie Wut im Bauch und Wagemut durchbrechen sie die „Automaten-Version“ aus „Leonce und Lena“ in lebendiger Interaktion gemeinsam mit dem Publikum. Frei nach dem Lustspiel von Georg Büchner in einer Fassung von Joanna Praml und Dorle Trachternach eröffnete die Inszenierung der Bürgerbühne am Freitagabend im Kleinen Haus die neue Spielzeit im Staatsschauspiel Dresden.

Ein herunter fallender Stein bringt die Sache ins Rollen. Die zehn jungen Spielerinnen und Spieler haben genug von nur digitalen Gesichtern und zuhause sitzen. Einer reißt die Leinwand weg. Zunächst zögernd, dann immer ungestümer ist der Ausbruch aus der gähnenden, lähmenden Langeweile und das Leben wieder spüren. Als Kulisse dient ein Metallgerüst mit vergitterten Zimmern. Spielend erobern sich die Jugendlichen von der Bühne aus die Welt und tun all das, was sie über ein Jahr während der Pandemie nicht konnten. Rausgehen, reisen, etwas gemeinsam mit anderen erleben und kreiern, sich ausprobieren.

Sie spielen Leonce und Lena, aber vor allem sich selbst, offen, ehrlich und witzig-ironisch. Sie streiten, feiern, flirten und jeder will einen Leonce oder eine Lena für sich finden. Die frisch Verliebten, Kasimir Pretzschner und Flavia Berner, trennen sich und finden wieder zusammen. Lustig und unbeirrt wirbelt als Valerio und „Bachelor von Oberloschwitz“ Christian Göhler umher und spielt faszinierend Cello. Für  Heiterkeit sorgt der ständig seine Hose suchende, einsame König (Danny Mlaouhia).

Absurd-komische, traurige, melancholische, laute und leise, nachdenkliche Szenen, Lieder und Klänge, italienische Schmuseschlager und wild rockige Musik begleiten in schnellem Wechsel die Fragen der Jugendlichen nach dem Lebenssinn, Veränderung und Vergänglichkeit. Die Aufführung ist intensiv, spontan und einfallsreich. Ein großartiger Start, symbolhaft auch für die Kraft und Magie des Theaters, in die neue Spielzeit des Staatsschauspiels Dresden. Viel Beifall und stehende Ovationen gab es vom Publikum.
Die nächsten Vorstellungen von „Leonce und Lena“ sind am 3. Oktober, 19 Uhr  (bereits ausverkauft, evt. Restkarten an der Abendkasse) und am 14. Oktober, 19.30 Uhr im Kleinen Haus.

Text (lv)

http://www.staatsschauspiel-dresden.de