Von der klassischen Moderne bis zur Kunst der Gegenwart – Ein lebendiger Blick in die Kunstgeschichte
Eine besondere Bilder-Reise lockt zurzeit in der Galerie Mitte in Dresden. (noch bis 15. Oktober). Der Kunstsammler Siegfried Grafe zeigt 115 Werke von 48 Künstlern aus sieben Ländern aus seiner reichhaltigen Sammlung (von insgesamt 300 Bildern). Angefangen von Albiker, Lachnit, Felixmüller, Gabriele Münter, Chagall über Willi und Rudi Sitte bis zu Plenkers, Hille und Hein hält die Ausstellung reizvoll-spannende Handschriften und Kontraste bereit. Und die Raritäten aus der Sammlung sind auch günstig zu erwerben.
Wie er seine Sammelleidenschaft entdeckte und warum er sich nun von einem Teil seiner Bilder trennt, erzählt Siegfried Grafe im Gespräch.
Herr Grafe, warum sammeln Sie Kunst?
Ich wollte nicht nur in eine Galerie gehen, mir die Arbeiten ansehen und kaufen. Ich wollte wissen, was sind das für Menschen, wie leben und arbeiten sie in dieser anderen künstlerischen Welt. Die wollte ich kennen lernen, um das alles besser verstehen zu können.
Was bedeuten Ihnen die Bilder?
Man ist eng damit verflochten. Für die Ausstellung habe ich viele Bilder aus dem Depot genommen, die sonst abwechselnd in unserem Haus hingen. Jetzt sind dort einige weiße Flecken. Das fühlt sich irgendwie komisch an. Gar nicht mehr wie zuhause, wenn man schon lange mit Kunst lebt. Das geht wohl jedem so, der Bilder hat. Etwa 60 Arbeiten in unterschiedlichen Formaten hängen noch hier in den Wohnräumen.
Haben Sie Lieblingswerke?
Es gibt schon Lieblingsbilder, wobei nicht der Künstler, sondern die Arbeit entscheidet. Und an jedem Bild hängt eine Geschichte. Einer meiner Favoriten ist Spartak Babarjan, ein armenischer Künstler, der inzwischen in den USA in St. Francisco mit seiner Familie lebt. Er malt abstrakt farbig mit eigenwilligem Humor. Wir haben ein buchstäblich schräges Bild seines Hauptmann von Köpenick zuhause. Bei der Einweihung des Denkmals dolmetschte meine Frau und hinterher schenkte er mir einen Tausend-Rubel-Schein, den er mit seinem Namen unterschrieb. Ich mag auch sehr die Malerei und markanten Grafiken von Rainer Zille, Veit Hofmann, Peter Koch, einem begnadeten Cellisten und Maler und Gottfried Körner, auch seine Aquarelle. Viele Künstler kenne bzw. kannte ich persönlich und bin mit ihnen befreundet gewesen.
Wonach gehen Sie beim Kunstkauf?
Es muss mir gefallen. Ganz einfach. Wenn es mir erschwinglich ist oder ich mit dem Kauf des Bildes den Künstler sozial unterstützen kann, tue ich es. Mein größtes Bild ist ein Ölgemälde: „Abschied“ von Rainer Zille, einem bereits verstorbenen Künstler, das auch in der Ausstellung hängt. Ich hab es ihm bar auf die Hand abgekauft, als er gerade eine schwere Krankheit hinter sich hatte. Meine erste Begegnung mit ihm war noch zu DDR-Zeiten im Betonwerk Gerokstraße, wo ich zwei Jahre als Schichtmeister arbeitete, ihn mit Mappe unterm Arm im Sicherheitsbereich umherlaufen sah und dachte: „Was ist denn das für ein komischer Vogel ?!“ Damals konnten viele Künstler von den Auftragswerken leben. Als er später nach der Wende im Atelier zwei Zeichnungen hervorholte, vom Plattenwerk und eins mit Blick auf die Trinitatiskirchruine, sagte ich: „Da hab ich dich gesehen und wusste nicht wer du bist.“ So kurios war das. Rund zehn Blätter, richtig gute Arbeiten, die er in den Produktionshallen zeichnete, hab ich von Zille.
Was war bisher Ihr ungewöhnlichstes Kunsterlebnis?
Beeindruckt war ich von einem Besuch vor zwei Jahren bei dem Künstler Christian Hasse, den ich ebenfalls schon lange kenne und der früher im Kirnitzschtal wohnte. Seit 1991 lebt er in einer kleinen Finca in der Nähe von St. Sebastian in Spanien mit seiner Frau. Ländlich abgeschieden und sehr einfach in der Natur, ohne Strom und Wasser und Baden mit Regenwasser über der Zisterne. Die nächste Stadt L`Ametlla de Mar ist mit dem Auto 20 Minuten entfernt. Mittlerweile 85jährig, ist er immer noch vital und schaffensfroh. Von ihm hängen in der Ausstellung kleine Aquarelle in südländisch heiterer Farbigkeit und Figürlichkeit und einige größere farbige Arbeiten, teils mit Zeitungsseiten als Malgrund, denen man anmerkt, dass der Künstler sich in seiner Lebensumgebung wohl fühlt.
Es sind auch einige Raritäten für Kunstliebhaber dabei…
Es sind einige Arbeiten von Malern der klassischen Moderne vertreten. Darunter von Karl Albiker ein „Akt“, o.J., eine handsignierte Lithografie aus einem Antiquariat. Desweiteren von Max Lachnit: „Frau mit Ohrring“, farbig-abstrakt in Mischtechnik auf Papier, (o.J.), von Wilhelm Lachnit ein Aquarell: „Weiblicher Akt“ (o.J.) und von Conrad Felixmüller ein Holzschnitt: „Das verschämte Modell“ (1928). Außerdem ein Holzschnitt aus dem Jahr 1912 von Gabriele Münter, der Lebensgefährtin von Kandinsky aus der Künstlergruppe „Blaue Reiter“ mit einer ländlichen Szene mit Pferdefuhrwerk. Nicht zuletzt eine seltene Lithografie von Chagall mit dem Titel „Daniel in der Löwengrube“ von 1956, die ich mit einer weiteren Arbeit des Künstlers auf einer Kunstmesse in Alten Schlachthof in Dresden Anfang der 1990er Jahre erworben habe. Erhältlich ist auch eine Farblithografie von Richard Chamberlain, einem bekannten Schauspieler aus den 1950er Jahren. Es gibt auch ein Aktbild von Willi Sitte aus dem Jahr 2000 und Grafiken, die symbolisch Zähne gegen politische Vereinnahmung zeigen, seines jüngeren, rebellischen Bruders Rudi.
Fiel es Ihnen schwer, sich von einem Großteil Ihrer Sammlung zu trennen?
Es ist mir nicht leicht gefallen, mich von den Arbeiten zu trennen. Es war ein Prozess und es ist alles endlich. Mit 76 Jahren muss man auch langsam daran denken, seinen Nachlass zu regeln. Mein Sohn, der in München wohnt, hat die Wände schon voller Bilder und kann nichts mehr nehmen. Kunst ist eine besondere Kiste. Ich und meine Frau haben uns dazu entschlossen, die Sammlung nicht zu verramschen, sondern damit an die Öffentlichkeit zu gehen und uns gezielt an Kunstliebhaber zu wenden, die die Werke zu schätzen wissen. Dennoch sind sie weit unter den sonstigen Galeriepreisen und zumeist gerahmt zu erwerben. Wir haben diese Ausstellung über ein Jahr lang vorbereitet mit Karin Weber, sie betreibt die Galerie Mitte engagiert seit vielen Jahren. Haben gemeinsam eine Liste erstellt mit 180 Arbeiten, die in Frage kamen und sind sie mehrmals durchgegangen. Bis wir auf 115 Bilder gekommen sind, die nun in der Ausstellung zu sehen sind. Bei manchen Bildern hab ich hin und her überlegt: Gibst du sie weg oder nicht, da ihr Erwerb auch nicht billig war. Intensiv begann ich mit dem Kunst sammeln seit Anfang der 1990er Jahre.
Schlägt Ihr Sammlerherz noch höher beim Besuch von Ausstellungen?
Ich schaue mir Kunst immer noch gern an, aber ich muss sie nicht mehr sammeln und besitzen. Man muss den Zeitpunkt finden, wo man aufhört. Kunstliebhaber können über die Galerie Mitte auch weiterhin Arbeiten aus der Sammlung erwerben. Informationen und Angebote sind jederzeit möglich.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Interview: Lilli Vostry
Vita:
Siegfried Grafe
geboren 1940 in Dresden.
1946 – 1954 Grundschule
1954 – 1956 Lehre als Zimmermann
1956 – 1961 Arbeit auf Baustellen
1961 – 1963 Abendstudium zum Meister Betonbau mit Abitur
1965 – 1966 Schichtmeister im Betonwerk Gerokstraße
1966 – 1970 Bauleiter beim Rat des Stadtbezirks Nord für Werterhaltung, Rekonstruktion und Modernisierung von Gebäuden
1969 – 1973 Abendstudium zum Bauingenieur
1970 – 1985 Stadtbezirksbaudirektor in Dresden Nord
1991 – 2005 Sächsisches Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen –
Referatsleiter Innerer Dienst, Organisation und EDV
Die Ausstellung ist noch bis 15. Oktober zu sehen.
Galerie Mitte, Inh. Karin Weber, Striesener Str. 49/Am Fetscherplatz/1. Etage, 01307 Dresden, Fon/Fax: 0351 – 459 0052, http://www.galerie-mitte.de
Geöffnet: Di bis Fr von 15 – 19 Uhr, Sa von 10 – 14 Uhr sowie nach Vereinbarung
Bei Interesse an weiteren Bildern können sich Kunstinteressierte an Siegfried Grafe wenden. (Tel.: 0351 – 210 69 82)
Titelfoto/Galerie Mitte: Der Kunstsammler Siegfried Grafe mit seiner Frau Astrid und Galeristin Karin Weber (Bildmitte) in der Ausstellung.




