Fantasius Firlefanz und die Kunst des Sehens

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Fantasius Firlefanz und die Kunst des Sehens

Der Mann im hellblauen Kittel hinter der Glastür sah die Frau mit großen Augen an, als er ihr die Tür zur Station öffnete. „Sie kommen freiwillig wieder hierher?“ „Ja, ich möchte einen Patienten besuchen“, sagte sie. Der Krankenhausgeruch stieg ihr unangenehm in die Nase. Den mochte sie nicht. Doch der Ort war ihr inzwischen vertraut und nahe geworden. „Klinik für Augenheilkunde“ stand an der Glastür. Die Frau ging zum Aufnahmeschalter und überreichte der diensthabenden Krankenschwester einen roten Weihnachtsstern. „Nachträglich zum Ersten Advent“, sagte sie. „Ich habe mich wohlgefühlt hier. Der Aufenthalt hat mir gutgetan.“
Es war für sie wie eine Ruheinsel. Die Augenklinik befand sich in einem farbenfroh gestalteten Neubau in der vierten Etage. Mit großen Panoramafenstern und fantastischer Aussicht auf die Stadt, ihre Türme, auf Weinberge und Elbhänge. Abgeschirmt vom Großstadtlärm. Kein Laut drang hier herauf. Nur die Kirchturmuhr von gegenüber schlug zur vollen Stunde und die Kirchenglocken aus der Altstadt klangen herüber und verhallten sanft. Ab und zu flogen Vögel vorbei am Fenster. Die letzten gelben Herbstblätter hingen oben in den Bäumen. Der Schnee war schon wieder geschmolzen. Weiße Reste lagen auf den Dächern, die in der Nachmittagssonne glänzten. Warmes Licht schien auf die Häuserfassaden ringsum.

Das Fenster stand weit offen. Davor stand die Frau. Sie trug einen roten Strickpullover und Jeans, weiß geblümt an den Hosenbeinen, und genoss die Aussicht und die Ruhe. Den weiten, weißblauen Himmel, der sich nach und nach golden färbte. Hinter den Bäumen mit den dunklen Nestern ragten die Altstadttürme in die Höhe. Die Kuppel eines Bauwerks strahlte rot violett aus dem Inneren. „Aus der Ferne kommt einem die Stadt vor wie eine andere Welt“, sagte die Frau zu dem Mann, der neben dem Fenster am Tisch saß. Er trug einen Bademantel über dem grauen Unterhemd, einen Bart und eine weiße Augenklappe über einem Auge. Sie kannten sich seit ihrem Klinikaufenthalt. Er war vor ihr operiert worden. Am Tag bevor sie entlassen wurde, sprach er sie im Besucherzimmer an. Ob sie jemanden habe, der sie zuhause jetzt versorge? „Ja, meine zwei Katzen warten auf mich“, sagte die Frau. Der Mann lächelte. „Vielleicht kann ich Sie mal besuchen?“, fragte er. „Vielleicht“, sagte die Frau. Auf einmal vernahm sie einen leisen Flügelschlag. Ein kleiner, schwarz gefiederter Vogel sah zum Fenster herein. „Bist Du es, Fantasius Firlefanz?“, war die Frau überrascht. Der kleine Ritter der Lüfte saß sonst neben ihr als Maskottchen am Schreibtisch, der seit Tagen leer war.

Er sah sie mit großen Augen an. „Wieso tragen hier so viele Leute Augenklappen? Sind das alles Piraten?!“, wunderte sich Fantasius. „Haben die alle schon die Schatzinsel bereist und solange auf Landkarten und durch Fernrohre gestarrt, bis ihnen die Augen wehtaten? Oder haben sie zu lange nach den funkelnden Schätzen gegraben und sich um die Kisten voller Rum und Goldstücke geprügelt, weil jeder das Meiste haben wollte?“ Fantasius hatte schon Piraten in einem Film gesehen. Dort trugen sie aber schwarze Augenklappen. Einer, der Kapitän wohl, trug auch noch einen Papagei auf seiner Schulter, der ebenfalls eine kleine Augenklappe trug wie sein Herr. Achherje, und wie es hinter den Augenklappen der Piraten aussah, möchte er lieber nicht wissen, sagte der Mann in dem Klinikzimmer. Die Frau hatte Pfefferkuchen und Orangen für ihn mitgebracht. Er holte aus einem Becher mit Obst Mango- und Khakistücke für sie. Diese Frucht kannte sie noch nicht. Eine Mischung aus Birne und Aprikose. Sie zündete ein Teelicht und eine Räucherkerze in einem Pffefferkuchenhaus aus Ton an. Es duftete nach Weihrauch. Nach einer Weile kam die Stationsschwester herein. Sie mussten das Teelicht auspusten. Es könnte Brandalarm auslösen und dann müsste die Frau den Feuerwehreinsatz bezahlen, warnte sie. Der Mann sah amüsiert zur Decke. Wie viel Kerzenrauch da wohl aufsteigen müsste.

“Es ist schön hier oben. Die Welt aus der Vogelperspektive zu sehen wie du“, sagte die Frau zu Fantasius. Sie hat ihre weiße Augenklappe mit dem Klebestreifen noch. „Augenkissen“ stand auf der Verpackung. Ein schönes Wort. Ein Kissen, in dem sich das Auge ausruhen darf. Vom vielen Sehen. Überall locken und flimmern Reklamen, Bildschirme, Handydisplays. Der dunkle Fleck an ihrem Auge ließ sich nicht wegreiben. Im Dunklen im Schlafzimmer sah sie Feuerräder und Lichtblitze, im Bad auf den Fliesen plötzlich funkelnde Eiskristalle und einmal ein schwarz-weiß geflecktes Band wie von einer Schlange vor ihrem Auge. Das war zu viel und erschreckte die Frau. Es war auch höchste Zeit, als sie zur augenärztlichen Notsprechstunde kam. Sie musste noch am selben Abend in die Klinik. Die Netzhaut am Auge hatte sich schon zur Hälfte gelöst. Unbehandelt wird man dann blind. „Was heißt blind?“, fragte Fantasius. „Dass man nichts mehr sieht. Die ganze Welt wird plötzlich schwarz“, sagte die Frau. „Mein Federkleid ist doch auch schwarz“, erwiderte Fantasius, der ein kleiner Amselmann ist. Gekleidet wie ein Spielmann mit  federgeschmückter Perlenkappe auf dem Kopf, beweglichen Flügeln und großem Schnabel. “Ja, die schwarzen Federn sind ein Teil von Dir. Mit deinen Augen kannst du alles sehen“, sagte die Frau. Sie fragte sich, ob Vögel die Welt auch bunt sehen oder nur bestimmte Farben. Wie klar und weit die fliegenden Wesen sehen können?

“Und jetzt kannst du wieder besser sehen?“, fragte Fantasius sie besorgt.
“Na ja, auf jeden Fall besser als vorher und jeden Tag mehr“, sagte die Frau.
“Manches möchte man auch lieber nicht sehen, traurige, schlimme Dinge. Manchmal sieht man schwarz, obwohl die Welt eigentlich voller Farben ist.“ Inzwischen war es Abend geworden. Die Lichter der Stadt funkelten in der Dunkelheit als die Frau aus der Augenklinik trat. Sie hat sich vorgenommen, jeden Augenblick ihres Lebens noch mehr zu genießen.

Text + Fotos:
Lilli Vostry
12.12.2023


Geschichten-Zauber: Aufmerksam lauschten Clara und Arthur, die Kinder einer Freundin, dem neuen Geschichten-Abenteuer von „Fantasius Firlefanz und die Kunst des Sehens“. Vorher musizierten sie mit viel Hingabe festliche Weisen am Waldhorn und an der Geige.

Die nächsten Geschichten-Abenteuer mit Fantasius Firlefanz sind schon in Vorbereitung. Auch Texte über die jüngsten Theater-Premieren und neue, interessante und lesenswerte Bücher könnt Ihr demnächst auf meinem wortgarten-Blog lesen. Die wachsende Zahl an Followern freut mich sehr und zeigt mir, dass meine Beiträge gesehen und gern gelesen werden. Das spornt mich weiter an. Natürlich sind auch Spenden für diese reichhaltige und professionelle, journalistische Arbeit bis hin zu eigener Lyrik weiterhin willkommen! Damit meinwortgarten.com auch im Neuen Jahr weiter wächst und gedeiht.
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Lilli Vostry
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Für die Fülle an KulturGewächsen: Spenden für meinwortgarten

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Immer neuen, besonderen Kultur-Gewächsen auf der Spur: Lilli Vostry, freie Journalistin, Autorin, Lyrikerin und Inhaberin des Blogs: http://www.meinwortgarten.com seit acht Jahren.

Was sind Euch die Kulturgewächse im wortgarten wert?

Ich schreibe und lese für mein Leben gern. Schon immer. Und seit nunmehr acht Jahren auf meinem eigenen Blog, meinem wortgarten. Ein online Kulturgewächshaus für alle voller besonderer, aktueller, prägnanter wie origineller Gewächse zum Anschauen, Kosten und Genießen. In einer Fülle an professionellen, journalistischen Beiträgen und Bildern ebenso wie Vielfalt der Genres von Bildender Kunst, Theater, Konzerte, Projekte und Porträts von Menschen, die Neues und Interessantes bewegen, sich für ihre Umwelt einsetzen, Veranstaltungs-Ankündigungen bis zu eigener Lyrik und Kurzprosa, wie Ihr sie in dieser Form, alles an einem Ort, so schnell nicht wieder findet.

meinwortgarten ist ein Ort zum Spazierengehen, Umher streifen, Entdecken, Verweilen, für Fantasie, Geist anregen und Seele baumeln lassen, gern auch austauschen, Feedback geben oder selbst etwas Kreatives beisteuern. Es ist ein großes Schaufenster, das immer neu gefüllt wird, zugleich ein Archiv und Wissensspeicher, denn alle Beiträge und Bilder bleiben erhalten.

So nun haltet mal kurz inne und fragt Euch, wie das alles entsteht, was es braucht, bis es soweit ist und all die Zaubergewächse im wortgarten reichhaltig blühen, Euch erfreuen und Ihr etwas für Euch mitnehmen könnt.

Mir beschert es eine zusätzliche Veröffentlichungsmöglichkeit meiner Lieblingsthemen und solcher, die sonst nicht unterkommen in Medien, ich aber dennoch wichtig, lesens- und mitteilenswert finde. Das finde ich großartig an Blogs. Auch dass es jederzeit möglich ist, sie zu publizieren. Natürlich ist es auch schön, wenn dabei etwas zurückkommt, die Mühe und viele Zeit, die dranhängt, für Recherche, Aufschreiben, Bilder auswählen und reinstellen, auch belohnt wird von den LeserInnen des Blogs.

Und das ist genau der Punkt, wo es hakt im Moment, wo ich mich frage, wie es weitergeht künftig. Denn bei aller erfreulich, stetig wachsenden Leserschaft und bald erreichter Zahl von 150 000! Aufrufen dieses Blogs erziele ich bisher Null Einnahmen damit trotz täglich automatisiert dort stehender Werbeanzeigen. Was stimmt da nicht?

Bei so vielen Aufrufen, inzwischen einhundert Followern, die täglich fleißig lesen, wie ich an den Statistiken bis auf den einzelnen Beitrag aufgeschlüsselt sehen kann.

Viele von ihnen sind langjährige Leser und Nutzer meines wortgartens. Ich freue mich darüber, es bestärkt und spornt mich an. Doch wie sieht es mit der Wertschätzung für mich als Macherin der Beiträge auf diesem Blog aus? Was und wie viel sind sie Euch tatsächlich wert?

Ich hab ein Spendenkonto von Anfang an auf der Startseite, linke Spalte über dem Foto von mir, auf dem Blog stehen. Bisher hat fast keiner davon Gebrauch gemacht. Kann ja sein, es ist zu unauffällig dort, in der Mitte wird zuerst gelesen.
Deswegen starte ich heute einen neuen Versuch, kurz vor dem jährlich fälligen Betrag zur Blog-Verlängerung inkl. Speicherplatzerweiterung in dreistelliger Höhe.

Mir ist jede Spende, ob klein, groß, einmalig oder regelmäßig, zur Unterstützung meiner Arbeit als freie Journalistin, Autorin und Lyrikerin auf diesem Kultur-Blog herzlich willkommen (Die Tageszeitungen haben online für ihre Beiträge längst Bezahlschranken eingerichtet und die gestiegenen Betriebs- und Lebenshaltungskosten betreffen auch mich).

Für das weitere Wachsen, Gedeihen und Blühen in reichhaltiger Vielfalt der Kultur-Gewächse auf meinwortgarten.com hoffe ich auf Eure Zuwendung und bedanke mich zuversichtlich im voraus.

Bleibt schön neugierig und empfehlt meinen wortgarten gern weiter!

Text + Foto (lv)

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Lilli Vostry
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Und als Dankeschön ein Gedicht:

Gereimtes

Seit Stunden lieg ich auf der Lauer
doch die Reimworte lassen sich nicht fangen
ziehen schelmisch grinsend von dannen
mir wird immer flauer

leg ich mich auf`s Ohr
sprudeln und drängen sie hervor
klettern wortlustig auf der Versleiter empor
und wirbeln alles durcheinander entfesselter Chor

beflügeln die Reime
oder bremsen sie die Fantasie
will ich wissen jetzt oder nie
dann geht es wie von alleine

LV

Gedicht-Lesung mit Musik „Ein Meer aus WortKlängen“ mit Lilli Vostry & Aerdna Harp beim Neustadt Art Festival

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Mal leise, sanft fließend, mal lebhaft, farb- und fantasiereiche WortKlänge können die BesucherInnen bei der Gedicht-Lesung mit Lilli Vostry und Harfenspiel von Andrea Dorschner alias Aerdna Harp beim Neustadt Art Festival am 23.9. im Dresdner Szenevertel erleben.


Kunstreicher Ort: Thomas Schreiter, Grafikdesigner, Maler und Organisator des Festivals, stellt das Atelier vom Neustadt Art Kollektiv anderen Kreativen für Veranstaltungen zur Verfügung. An vielen Orten in der Neustadt gibt es von Freitag bis Sonntag ein pralles Programm mit Ausstellungen, Aktionen, Konzerten, Lesungen… Foto: TS

Ein Meer aus WortKlängen

Neuer Wort & Klangzauber mit Gedichten von Lilli Vostry und Andrea Dorschner alias Aerdna Harp an der E- und Akustikharfe lockt bei unserer Lesung während des Neustadt Art Festival am 23. September, 16 bis 17 Uhr sowie 17.30 bis 18.30 Uhr im Atelier Rudolf-Leonhard-Str. 19 zur Finissage der Ausstellung der italienischen Fotokünstlerin Maura Miletta (extra Beitrag zu ihren Arbeiten folgt).

Umgeben von den farbenfrohen und fantasievollen Fotografien in der derzeitigen Ausstellung „Dresden mit verschiedenen Augen“ von Maura Miletta können Poesie- und Musikliebhaber im Atelier in der Rudolf-Leonhard-Straße 19 Gedichte über Zauberhaftes in der Natur und Zwischenmenschliches, Veränderungen und Wandlungen im Leben und den Zauber des immer wieder Anfangens hören. Sie erzählen von Spätsommertagen am Meer, Möwen, Wind, Wolken und Weite, Glückskäfern in der Seegras-Hängematte, Herzriesen, Zwergen und Vagabunden, fliegenden Fischen, Katzentieren, wildem Mohn und einem seltsamen weißen Tier am Elbufer. Stimmungsreiche Wort- und Klangmalerei, begleitet von wunderbar sphärischen Klängen von Aerdna Harp an der E- und Akustikharfe. Der Eintritt zur Lesung mit Musik ist frei. Spenden sind willkommen.

Ich freue mich sehr, beim diesjährigen Neustadt Art Festival mit seinem kreativ-innovativen Ambiente und vor buntgemischtem Publikum meine noch ganz frischen Gedichte vom Meer und frühere, auch noch nie gelesene Texte vorstellen zu können. Erstmals wieder gemeinsam mit Andrea Dorschner alias Aerdna Harp, die auch meine ersten Gedicht-Lesungen in ihrem KlangLabor in Dresden begleitete. Sie ist eine leidenschaftliche Musikerin an der E-Harfe und Akustik-Harfe, spielt seit 2013 vom Klavier kommend Harfe, bevorzugt Freie Improvisation….Free Jazz…. Experimentalmusik….Neue Musik. Sie spielte z.B. auf Konzerten in Dresden, Freiberg, Leipzig, Bremen, Basel, Tschechien, begleitet Lesungen und Vernissagen…gründete einstmals das KlanGLaboR in Dresden Mickten – ein Atelier der Freien Improvisation aller Künste…..wohnt jetzt im Osterzgebirge.

Kommt, schaut, lauscht, genießt Bilder und WortKlänge und lasst Euch verzaubern und anregen.

Text + Fotos (3) (lv)


Farbenfroh, fantasievoll, poetisch und wie gemalt wirken die mit der Kamera festgehaltenen Blicke auf Dresden von Maura Miletta. Dabei verbinden und verwandeln sich bekannte Sehenswürdigkeiten, Bilder auf Hauswänden, Bäume, Steine, Blätter und Blumen durch Doppelbelichtung wie übereinander gelegte Bilder auf reizvolle Weise. Da erscheint Kleines groß, Großes und Erhabenes heiter und verspielt und Graues heller und freundlicher mit dem Betrachten aus verschiedenen Blickwinkeln, erschaffen die Bilder eine neue, eigene Wirklichkeit, die für jeden anders aussieht.

WortLust & Musizierfreude: Gedicht-Lesung mit Musik „Vom Zauber endloser Anfänge“ mit Lilli Vostry und Gabriel Jagieniak im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz Radebeul

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Traumhafte Landschaft & weiter Blick & Zauber des Augenblicks: Lilli Vostry, Autorin und meinwortgarten-Inhaberin im Weinberg Goldener Wagen oberhalb vom Hoflößnitz in Radebeul.

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Von springenden und tanzenden Weingeistern

Mit ihrer neuen Gedicht-Lesung mit Musik „Vom Zauber endloser Anfänge“ sind Lilli Vostry, freie Autorin und Gabriel Jagieniak, Musiker, beide aus Dresden, am 21. Mai, 15.30 Uhr im Sächsischen Weinbaumuseum, Knohllweg 37, in Radebeul zu Gast. Eintritt frei.

Sonnenflecken im Wolkengrau. Ein kribbelndes Etwas liegt in der Luft. Was bleibt von diesem Tag, nur Zahlen oder eine Zauberformel?

Mit viel Wortlust und Musizierfreude kommt die neue Gedicht-Lesung „Vom Zauber endloser Anfänge“ mit Lilli Vostry, Autorin und Gabriel Jagieniak, Musiker daher. In zauberhafter Umgebung mit Blick auf die Weinberge von der Terrasse des Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz können die Besucher sie im Rahmen des Internationalen Museumstages am 21. Mai, um 15.30 Uhr erleben und den Trubel des Karl-May-Festes an diesem Wochenende eine Weile hinter sich lassen. Fantasiereich geht es auch bei uns zu! Abwechselnd fröhlich beschwingtes und leise, sehnsuchtsvolles Akkordeonspiel begleitet und mischt sich mit bilderreicher Poesie und erzählender Lyrik über die Veränderungen und Wandlungen im Leben und den Zauber des Augenblicks und Neubeginnens.

In den Gedichten geht es um Natur und Zwischenmenschliches. Sie erzählen von „Bildern im Kopf“, von der Liebe zu Kunst und Farben, vom „Garten Eden“, von der alten Weide vorm Fenster, kleinen Faltern, Wassergetier, Meer und Möwen, ungestümen Katzen, wildem Mohn und einem seltsamen Hörnertier. Natürlich gibt es auch ein Gedicht über den Weinberg oberhalb des Hoflößnitz, in dem es um den Wein- und Sonnengott, Winzerhandschuhe im Gras, springende und tanzende Weingeister in den Rebstöcken und Treppenläufer geht.

Lilli Vostry lebt und arbeitet als freie Journalistin, auch für die SZ, in Dresden
und schreibt seit zehn Jahren Lyrik. Sie hat bereits vier BilderGedichtKalender mit verschiedenen Künstlern im Zeitraum von 2013 bis `016 veröffentlicht.
Zu hören in diesem Programm sind frühe und neue Gedichte und Texte.

Gabriel Jagieniak (soundcloud.com/gabriel-jagieniak) bewegt mit seinem virtuosen Akkordeonspiel, mit und ohne Gesang, bekannten Melodien und eigenen Kompositionen, auf humorvolle Weise frei vorgetragen, immer wieder das Publikum.

Natürlich gibt`s in der Pause, neben edlem Rebensaft, auch wieder selbstgebackenen Rhabarber- und Apfelkuchen vom Blech zu genießen.

Wir freuen uns auf Euer Kommen.

Herzliche Grüsse
Lilli Vostry und Gabriel Jagieniak

Texte + Fotos (lv)

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Rhabarber – Ein Gedicht aus dem Backofen

Intensiv rote und zartgrüne
feste Stangen
wie Fernrohre der Blick
nach innen gerichtet

offenbaren nach dem Schälen
feinfaserig zerteilt und aufgelöst
in weiche Stücke beim Kochen
ihre eigenwillige Süße

die mich als Kind schon faszinierte
wenn ich meiner Großmutter in ihrer
geblümten Schürze zusah
wie aus den unscheinbar sperrigen Stielen
solch köstliches Kompott entstehen kann

in dem die Säfte der Natur
und feine Fäden verschmelzen
zu einem rosa fruchtigen Brei
betörender Duft kitzelt die Nase

die Aromen tanzen auf der Zunge
wie es Worte nicht vermögen
in ihrer unwiderstehlichen Mischung
aus herb sauer und frühlingssüß
auf ofenwarmen Teig
zur Feier des Lebens

LV
16.5.2020

(Dieses Gedicht & Rhabarberkuchen gab es zu meiner ersten Lesung vor drei Jahren in Dresden.)

GeschichtenAbenteuer: Fantasius Firlefanz im Weihnachtsland

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Märchentante & Geschichtenerzählerin: Die Kinder Klara und Artur sind schon gepannt auf neue GeschichtenAbenteuer mit dem kleinen Holzvogel Fantasius Firlefanz der Dresdner Autorin Lilli Vostry. Im neuen Jahr biete ich Schreib- und Geschichten-Werkstätten für Kinder in Dresden und Umland an. Interessierte Einrichtungen, Freizeittreffs und Eltern können sich gern bei mir melden. Foto: JN

Fantasius Firlefanz im Weihnachtsland
(Für Klara und Artur)

Etwas Weißes lugte unter dem geblümten Tischtuch hervor.
“Was war das?“, überlegte Fantasius Firlefanz. Eine Schneeflocke. Ein kleiner Schneemann gar oder ein weiß glasierter Pfefferkuchen? Er steckte seinen Kopf unter den Stubentisch und zwei gelbe Augen funkelten ihn an. Eine weiße Pfote reckte sich ihm entgegen. Auf dem Stuhl saß die grauweiß getigerte Jade und sah den kleinen Holzvogel aufmerksam an. Der flog lieber weg. Er wusste, was Katzen einmal in ihre Pfoten bekommen, lassen sie nicht so schnell wieder los. Sie spielen und erkunden eben gern. Auf dem Tisch in der Küche und in der Stube standen jetzt große rote Blütenkelche, Fichtenzweige und ein wundervoller Strauß mit weißen langen Blütenstengeln, Zweigen mit  roten Beeren und goldbemalten kleinen Äpfeln in den Vasen.

Fantasius staunte über all die wundersamen Dinge. Da musste etwas ganz Besonderes bevorstehen! Seine Augen leuchteten und sein Herz hüpfte vor Freude. Kerzenhalter mit Lichterengeln, ein kleines Pfefferkuchenhaus weiß verziert, aus dem duftender Rauch aufstieg und Spieldosen, aus denen fröhliche Weihnachtslieder erklangen, standen da. Auf einer Schokoladendose weckte eine Abbildung Fantasius` Neugier. Dort saßen in verschneiter Winterlandschaft ein Mann in rotem Kittel, roter Mütze mit weißer Bommel, rotweißen Strümpfen und Stiefeln und eine Frau in einem zartroten Kleid und Flügeln am Kaffeetisch. Eine Kaffeetasse mit Sahnehäubchen, Kuchen und ein kleines Bäumchen geschmückt mit roten Kugeln standen darauf. Ein kleines Eichhörnchen saß auf dem Tisch und hielt eine Nuss im Arm. Eine große und kleine Eule kuschelten sich aneinander, ein Eulenkind lief Schlittschuh auf dem Eis. Ringsherum blinkten Sterne, schwebten Schneeflocken, ragten bunte Geschenkeberge in die Höhe und ein kleiner Vogel mit Bommelmütze flog ein Kistchen am Schleifenband haltend durch die Lüfte. „Oh, wie schön! Dort will ich hin!“, rief Fantasius Firlefanz freudig. Doch wo befand sich dieses Wunderland? „Könnt ihr mir den Weg zeigen?“, fragte Fantasius den kleinen Stoffelch, der einen rotweißen Schal trug und eine rote Nase hatte und den golden schimmernden Engel, die neben ihm auf dem Stubentisch, neben dem Computer, saßen. „Ja, wir kommen mit Dir“, sagten sie.

Sie winkten der Frau zu und flogen zum Fenster im Wintergarten hinaus. Von der wunderweißen Pracht war fast nichts mehr zu sehen. Die Bäume standen wieder dunkel und kahl. Raben krächzten heiser im Geäst. „Nanu, ein paar Tage vor Weihnachten kein Schnee?! Wo war der Winter hin verschwunden?“, überlegte Fantasius Firlefanz und beschloss ihn ebenfalls zu suchen. Vielleicht brauchte er auch eine kleine Verschnaufpause und saß mit bei dem Weißbärtigen im roten Kittel gemütlich am Tisch bei einer dampfenden Tasse Kaffee. Ein süßer Duft stieg in Fantasius` Schnabel. Sie flogen über einer Stadt mit vielen glitzernden Buden und Lichterketten, vor denen viele Leute standen. Es roch nach gebrannten Mandeln, Glühwein und allerlei Gebrutzeltem und Gebackenen. Eine goldene Krone funkelte an einer Lichterkette in der Luft. “Ist die für den Geschenkekönig?!“, staunte Fantasius. Er sah Menschen vollbepackt mit Taschen über den Markt und durch die Straßen eilen. Kaum einer blieb vor dem hohen Lichterbaum und der Krippe mit dem Kind stehen.

Sie waren schon weit geflogen. Der kleine Holzvogel hielt sich am zottligen Elchfell auf seinem Rücken fest und der Engel begleitete sie. Es dunkelte bereits als sie ankamen. Tief versteckt im Wald stand eine Hütte, aus der Licht schien. Hinter den Fenstern  sahen sie rote Zipfelmützen. In der Wichtelwerkstatt ging es emsig zu. „Die Wunschzettel für Geschenke werden jedes Jahr länger“, seufzte der Weihnachtsmann. Bloß gut, dass er so viele fleißige Helfer hatte. Er saß tatsächlich am Tisch beim Kaffee und neben ihm im zartrosa Kleid der Weihnachtsengel Rosalie. „Erfüllt ihr wirklich die Träume der Menschen?“, fragte sie Fantasius Firlefanz. „Wir geben uns alle Mühe. Doch viele haben das Träumen verlernt. Dann lassen sie sich schwer erfüllen“, sagte der Weißbärtige.

“Wie schön, dass ihr uns besucht. Seht euch nur um im Land der Wunder“, sagte lächelnd der Weihnachtsengel Rosalie. „Weißt Du, wo der Winter sich versteckt hat? Die Menschen wünschen sich so sehr eine wunderweiße Weihnacht“, fragte Fantasius sie. „Oh, vielleicht hat der Winter auch gerade genug von Schnee und Kälte und ist in den Süden gereist oder zu Besuch bei Frau Holle und macht es sich in einem ihrer Federbetten bequem“, erwiderte Rosalie. Vor der Hütte im Wald stand schon der Rentierschlitten des Weihnachtsmannes voller schöner Geschenke, Spielsachen und anderer zauberhafter Dinge bereit. Ein Engel reichte ihm einen rotbäckigen Apfel. Bald würde er  lustig glockenschellend mit dem Rentierschlitten durch die Lüfte zu den Menschen sausen am Weihnachtsabend. Hoffentlich blieb er nicht in einer Schneewehe feststecken! Wenn der Winter genug vom Ausruhen hatte und wieder mit eisigem Vergnügen durch die Lande brauste. Hui, wie gern würde Fantasius einmal mit dem Rentierschlitten durch die Lüfte fliegen. Doch vorher musste er doch zurück in die Stadt zu der Frau und den Kindern Klara und Artur und ihren Eltern, die ihn schon sehnsüchtig erwarteten und denen er gleich von seinem neuen Geschichten-Abtenteuer erzählen würde.

Lilli Vostry
Geschrieben am 21.12.2022

Kontakt: lilli.vostry@web.de

GeschichtenAbenteuer: Fantasius Firlefanz fliegt zu den Sternen

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Fantasius Firlefanz fliegt zu den Sternen


Die Sonne funkelte golden hinten den dunklen Bäumen, deren Umrisse wie Scherenschnitte aussahen. Hoch über den Baumwipfeln zog sie eine Spur aus Licht himmelwärts. Ein paar Vögel flogen auf. „Juchhe, ich will mit euch fliegen zu den Sternen!“, jubelte Fantasius Firlefanz, der Ritter der Lüfte. „Sie kennen bestimmt den Weg.“ Der kleine Holzvogel wackelte lustig mit den Flügeln. Er konnte es kaum erwarten, sich in die Lüfte aufzuschwingen wie die anderen Vögel draußen. „Hui, das wird ein Spaß!“ Dabei vergaß er ganz, dass der Anlass ein trauriger war. Fantasius wollte in der Welt hinter den Sternen Lola besuchen, die schwarze, gelbäugige Sternkatze der Frau und die anderen Katzentiere, die nun dort waren. Das Licht im roten Kerzenglas, auf dem zwei Katzen im Mondschein abgebildet sind, vor Lolas Bild flackert lebhaft. Als wolle sie ihre Zustimmung signalisieren. Dass sie die Idee gut findet und sich auf Fantasius freut. Dann sieht er, wie es ihr und den anderen Katzen hier oben geht und kann es der Frau nach seiner Rückkehr erzählen. Damit sie nicht mehr so traurig ist, da Lola nun fort ist.

“Hast du denn gar keine Angst, allein loszufliegen ? Was ist, wenn du dich verirrst oder es dir bei den Sternen so sehr gefällt, dass du gar nicht mehr zurück zu mir auf die Erde möchtest?“, fragte ihn die Frau. „Oh, daran habe ich bisher gar nicht gedacht“, erwiderte Fantasius. Er sah die Frau mit großen Augen erstaunt an. Seine Freude auf den Flug, von dem er schon lange träumte, war so groß, dass er kein bisschen ängstlich war. Dafür war er aufgeregt und neugierig auf die Reise, was er wohl erleben würde. Außerdem hat Fantasius ja magische Fähigkeiten, die ihn vor Gefahren und Schattenwesen beschützen. Doch er hat noch wenig Erfahrung damit. Die Frau sah zum Fenster des Wintergartens hinaus. Der Lichtstrahl verblasste allmählich. Graue Wolken zogen auf. Es war noch Nachmittag. Gerade 16 Uhr. Und dämmerte schon. Wie sollte Fantasius sich im Dunkeln zurechtfinden, dachte die Frau. Ein kleiner Vogel flog auf eine der Tannenspitzen, die vor ihrem Fenster wippten, sah kurz zu ihr herein und flog weiter. Das stattliche Tannenbaumpaar breitete seine Zweigarme weit aus. Viele Singvögel, auch Tauben und Elstern fanden hier Unterschlupf das ganze Jahr über. Sie flogen von Ast zu Ast, schaukelten, neckten sich, haschten und saßen nah beisammen im Schutz des Baumes bei Sonne, Wind und Regen. Wenn dicke, weiße Wattepolster auf den Zweigen lagen, funkelten sie in der Wintersonne wie Diamanten.

Seit gestern Abend schien der Vollmond wieder. Hell und klar, voll und rund, strahlte er in der Dunkelheit zwischen den Bäumen im Hausgarten hervor. Und die Frau strahlte mit ihm, ihr Herz ging auf und eine tiefe Sehnsucht ergriff sie. Sie sah ein paar dunkle Flecken am Mond vorbeihuschen und stellte sich vor, es wären Lola und die anderen Katzentiere, die da oben im hellen Schein saßen. “Jetzt scheint der Vollmond endlich wieder! Jetzt kann ich mich auf den Weg machen zu den Sternen“, sagte Fantasius. Er lächelte die Frau an, sie strich ihm liebevoll über den orangenen Schnabel, die Feder auf der Kappe und die Flügel. Dann brachte sie ihn zum Fenster, setzte Fantasius auf den Lichtstrahl, der herein schien und schon war er verschwunden.

Fantasius flog lange, mit unendlicher Lichtgeschwindigkeit hinauf in den Weltraum. Wolken segelten neben ihm her, Vogelschwärme in zeichenreichen Formationen, Flugzeuge. Sterne funkelten, fremde Gestirne und Galaxien. Ein Meer aus Lichtern und grenzenloser Weite. Wie sollte Fantasius hier Lola und die anderen Katzentiere finden? Plötzlich war er von strahlendem Weiß umgeben. Unzählige weiße Punkte schwirrten am dunklen Himmel. „Sind das Sternschnuppen?“, überlegte Fantasius. Wenn man sie sah, konnte man sich etwas wünschen. Doch es waren Schneeflocken, die glitzernd wie Sterne zur Erde schwebten und alles mit ihrer weißen Pracht überzogen. Alles Grau und Unansehnliche verschwand unter einer weichen Decke aus Schnee. „Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit…“, fiel dem kleinen Vogel ein bekanntes Kinderlied ein, das er bei der Frau gehört hatte. Sie sang es gern zur Weihnachtszeit und erinnerte sich an die Winter in ihrer Kindheit. Manchmal lag der Schnee meterhoch aufgetürmt am Wegrand und blieb viel länger liegen als heute. Dann holten die Kinder ihre Schlitten heraus und gingen zu einem Rodelberg, liefen Schlittschuh, schlitterten über gefrorene Pfützen und es gab Eisblumen an den Fenstern. Und der Schnee knisterte schön unter den Füßen.

Fantasius öffnete seinen Schnabel, ließ ein paar Schneeflocken auf der Zunge schmelzen und flog weiter hinauf in den Himmel. Er sah das Sternbild der Kassiopeia am Nordhimmel und am Osthimmel leuchtete das Siebengestirn der Plejaden, die sieben Sternschwestern lächelten Fantasius freundlich an. Dann wurde ihm auf einmal schwummrig vor Augen. Dichter grauer Nebel breitete sich aus und nahm ihm die Sicht. Riesige dunkle Schwingen und lautes, heiseres Krächzen umkreisten den kleinen Vogel. Es waren die Schattenvögel, in deren Reich er eindrang und die ihn nun verfolgten. Fantasius wurde Himmelangst und Bange. Die Schattenvögel konnten mit ihren spitzen Schnäbeln seinen kleinen Holzkörper durchstoßen. Dann könnte er nicht mehr fliegen, würde erfrieren und wie einer dieser dunklen Gesteinsbrocken zur Erde fallen und zerschellen. Dann würde die Frau vergebens auf Fantasius warten. Und auch die kleine Betti, die so gern wissen wollte, was der kleine Holzvogel als nächstes macht, würde dies nie erfahren. Sie wohnt in einer kleinen Stadt an der Elbe. Die Felsen dort sind so hoch, dass sie fast an den Himmel heranreichen.

Fantasius seufzt beim Gedanken, dass seine Reise zu den Sternen schon wieder vorbei sein soll. Er versucht Luft zu holen und merkt, dass es ihm schwer fällt. Ein Brennen im Rachen und heftiger Husten schütteln ihn. Seine Kraft lässt nach. Er verliert an Höhe. Gleich wird er abstürzen. Wenn nicht ein Wunder geschieht. Fantasius hört ein leises Flügelrauschen hinter sich und spürt, wie ihn jemand hält. „Wer bist du ?“, fragt er. „Ich bin dein Schutzengel, der auf dich aufpasst und immer in deiner Nähe“, erwidert das Wesen, das zart wie eine Schneeflocke schimmert und Flügel trägt. Fantasius kann es kaum glauben. „Dann hast du ja noch mehr magische Fähigkeiten als ich und kannst mir einiges beibringen“, sagt er staunend. „Ich habe mich verirrt. Kannst du mir den Weg in die Welt der Sterne zeigen?“ Der Schutzengel hört es und nickt. „Ich begleite dich zu Lucina. Sie ist die römische Mondgöttin und Lichtgöttin. Sie bringt das Licht und die Kinder ans Licht der Welt“, sagt der Schutzengel. Und sie fliegen zusammen los. Fantasius trägt jetzt einen dicken, himmelblauen Wollschal um den Hals und fliegt auf einmal viel leichter. Am Sternentor angekommen, erwartet sie Lucina schon. Gleißendes Licht umfließt ihre grazile Gestalt. Auf dem Kopf trägt sie eine Mondsichel und ihr Körper strahlt hell wie Perlmutt und Mondstein. In den Händen hält Lucina ein warmes, gelbes Licht

„Das trifft sich ja gut“, sagt Lucina, „dann könnt ihr unser Lichtfest mitfeiern.“ Das Fest der Göttin Lucina, auch als heilige Luzia bekannt, wird in skandinavischen Ländern am 13. Dezember gefeiert. Sie verkörpert die Wiedergeburt der Sonne und des Lichts und die Frauen tragen bei dieser Feier Lichtkronen. Fantasius` Augen leuchten. Er spürt die Kälte und Dunkelheit um ihn herum nicht mehr. Alles erscheint ihm hell, strahlend und schwerelos leicht. Fantasius sieht Lichthüter, Sternbewohner und durchsichtige Lichtwesen, die Seelen der Menschen und Tiere und ihre geflügelten Begleiter. Sie schweben frei im Raum. Das Wissen und die Erinnerungen an ihr Erdenleben sind in ihren Energiekörpern gespeichert. Die Mensch- und Tierseelen können sich überallhin bewegen, ausbreiten, ausdehnen, in die Gedanken und Träume der Menschen schauen, ihnen Zeichen geben, mit ihnen innerlich reden und ihnen im Herzen weiter nahe sein. Doch wie soll er unter diesen vielen Seelen Lola wieder finden?, überlegt Fantasius. Er bittet die Lichtgöttin Lucina ihm zu helfen. Sie führt ihn zu ihr und den anderen Katzen, Paul, dem Draußenkater, Madame Blanche und einigen roten Katern. Angst vor ihnen hat Fantasius keine, auch wenn er ein Vogel ist. Die Tierseelen haben keinen Hunger und jagen keine anderen Tiere mehr, erlebt er. Sie streifen umher, frei, ohne irgendwo eingepfercht in einem Stall, Schlachthaus oder Tierversuchslabor zu leiden und enden, viele von ihnen sehen und genießen das erste Mal das Sonnenlicht hier oben.

Fantasius fragt sich, warum es auf der Erde nicht so hell und unbeschwert, sanft und friedlich zugeht wie in der Welt der Sterne. Warum die Liebe nicht für alle Menschen und Tiere wie eine warme Decke reicht. Warum die Liebe mal mehr, mal weniger stark ist. „Warum spüren die Menschen erst, wenn das andere Wesen nicht mehr da ist, wie sehr sie es vermissen und lieben?“, überlegt Fantasius. „Das wüsste ich auch gern“, sagt eine leise Stimme hinter ihm. Er sieht sich verwundert um. Und sieht direkt in die funkelnden Augen einer Sternkatze. „Bist du es, Lola!“, ruft Fantasius erfreut. Das gelbäugige Wesen mustert ihn neugierig, als es den Namen hört. „Ich lebte lange bei der Frau, die mir diesen Namen gab. Eines Tages wachte ich auf und war ganz woanders“, erzählt die Sternäugige. „Ich suchte überall nach ihr, wartete und vermisste sie. Bis heute.“ Sie vermisst dich auch sehr und schaut abends immer in den Sternenhimmel und denkt an dich und die schöne gemeinsame Zeit, sagt Fantasius. Und Lolas Augen leuchten, fast noch mehr als auf dem Bild vor dem roten Kerzenlicht, das auf dem Schreibtisch der Frau steht. „Sag ihr, es geht mir gut hier. Ich sende ihr alles Licht, das ich habe und möchte, dass sie glücklich ist“, gibt die Sternaugenkatze Fantasius mit auf den Weg und mit Lichtgeschwindigkeit fliegt er zurück zur Erde, um der Frau alles von seiner Reise zu den Sternen zu erzählen. Und sie sieht den kleinen Vogel mit warmem Lächeln an.

Text + Fotos: Lilli Vostry
Geschrieben am 8. und 11.12.2022

Neue Lyrik: Sonnenflecken

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Sonnenflecken
(Für Vincent van Gogh)

Der Himmel tagelang grau
verhangen wie eine verwaschene Leinwand
bricht die Sonne wieder hervor
noch einmal loderndes Blätterfeuer in allen Farben
über alles erhaben

das Licht flirrt umher
wirft sprenkelnde Schatten
hebt empor webt hinein
verweht was vergeht
mit sacht lösender Geste

sehe die Lichtflecken und denke
an die Sonnenblumen das berühmte Gemälde
in einer Galerie in London
wie für die Ewigkeit gemalt sehen sie aus
doch nichts scheint mehr sicher heute

sehe den Anschlag auf das Kunstwerk
in einer Videoaufnahme im Netz
drehe immer wieder zurück zu der Stelle
wo zwei Umweltaktivistinnen mit gefärbten Haaren
mit Tomatensuppe aus der Dose die Sonnenblumen besudeln

was würde Vincent dazu sagen
vergib ihnen denn sie wissen nicht was sie tun
seine Bilder atmen Natur Leben Licht pur
mit jedem Pinselstrich lehren sie uns
sie zu sehen er liebte und malte seine Umwelt zeitlebens

sie vergreifen sich an wehrlosen Bildern
wollen die Welt retten und zerstören das Schöne
und Wertvolle in ihr
in blinder Wut und Fanatismus
gießen noch Öl ins Feuer

was kann ein Gemälde
für menschliche Dummheit und Unvernunft
es wird die Zeiten überdauern
mit der Strahlkraft seiner Farben als Spiegelbild der Natur
nie vergehen

wenn ihr die Natur schützen wollt
legt euch auf die Erde ehrt sie
pflanzt Sonnenblumen und Bäume
auch wenn das weniger aufsehenerregend ist
statt eure Hände an Wänden und auf Autobahnen
festzukleben

Lilli Vostry
20.10.2022

Fotos (lv)
P.S.: Die Bilder stammen aus der van Gogh-Ausstellung in der Zeitenströmung in Dresden Anfang 2022.

SchreibLust

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Zwischenbilanz meines Lebens

Schreiblust

Die Welt der Worte hat mich immer fasziniert. Als Kind sah ich bei meiner Oma Bücher in altdeutscher, schnörkeliger Schrift, die einen eigenen Zauber besaßen.
Wie eine Geheimsprache. Mich reizte, die Worte zu entziffern, auch wenn ich den Inhalt nicht verstand oder er mich langweilte. Ich wollte einfach wissen, was da steht. So weit ich denken kann, waren immer Bücher in meiner Nähe. Ich habe als Kind viel Zeit mit ihnen verbracht, weil ich viel allein war. Bergeweise holte ich sie aus der Bücherei der Kleinstadt. Märchen aus aller Welt, am liebsten von Andersen, außerdem die reichhaltige griechische Mythologie mit ihren vielen Göttern, Helden, Tragödien, Ober- und Unterwelt, Hades und Olymp. All die fremden, klangvollen Namen und zauberhaften, wandlungsreichen Geschichten las und kannte ich auswendig und zehre von diesem Wissen bis heute.

Bald kam zum Lesen das Schreiben hinzu. All die Gedanken, Eindrücke und Einfälle wollten festgehalten werden. Beim Schreiben höre ich mir selbst zu. Es ist wie ein Schüssel zu mir selbst. Ich schließe mich und andere auf. Betrete meine eigene und die Gedanken- und Gefühlswelt anderer. Sehe mich darin um, verweile, lausche, halte Zwiesprache. Das kann innig, zärtlich oder auch rau, heftig, ungeduldig, leise und laut, lustvoll, lakonisch, traurig, komisch und ironisch, verborgen in Metaphern oder klar und konkret geschehen. All das bin ich, die Worte sind mein Spiegel, Ausdruck meines Denkens und Fühlens und Selbstvergewisserung. Indem ich sie niederschreibe, teile ich sie, vertraue mich mit ihnen anderen an. Werde sichtbar mit meinem Sein, auch mein Inneres. Worte können wärmen, schützen, halten, befreien, aber auch herzlos sein, bloßstellen, verletzen.

Bücher und Schreiben sind für mich Schätze, die mich mein ganzes Leben begleiten. Soviel wie als Kind lese ich heute nicht mehr. Es bleibt nie Zeit für alles. Doch ich habe das Schreiben zu meinem Beruf gemacht. Bin aus der Enge der Kleinstadt in die große, weite Welt gegangen, um mir meinen Herzenswunsch zu erfüllen. Im Westen war ich das erste Mal 1990 zur Aufnahmeprüfung an der Deutschen Journalistenschule in München. Da wurden die Texte noch in klappernde mechanische Schreibmaschinen geschrieben. Alle zusammen in einem Raum. Das Geräusch höre ich heute noch. Die Reportagen von damals habe ich leider nicht mehr. Ich weiß aber noch, dass ich über zwei Museumswärter im Deutschen Museum und der Pinakothek in München schrieb und beeindruckt von den Sammlungen war. Ansonsten kam ich mir winzig vor in dieser neuen, fremden Welt. Die überbordende Warenfülle und der kalte Glanz der Einkaufspaläste, die hastenden Damen in Pelzmänteln mit ihren vielen Einkaufstüten, Reisende aus aller Welt und arme, umherirrende Menschen, Bettler und Straßenkünstler waren tägliche Kontraste. Ich hatte immer Angst, verloren zu gehen, unterzugehen. Mich nicht zurechtzufinden. Nicht bestehen zu können in solch einer schönen, wohlhabenden und widersprüchlichen Stadt. In der Journalistenklasse in München waren nur zwei Frauen aus Ostdeutschland. Ich war eine davon. Die erste Frage war: War im Osten wirklich alles so grau?! Es gab Neugier, Offenheit, aber auch Vorurteile und Unsicherheit auf beiden Seiten.

Ein  Leben im Westen für länger konnte ich mir nie vorstellen. Meine Heimatverbundenheit war immer groß. Ich würde nie meine Heimat verlassen,  egal was kommt. Man kann woanders hingehen, doch seiner Vergangenheit, dem was man mitbringt, sich selbst, kann man nicht entkommen, die nimmt man überallhin mit. Man kann sich jedoch wandeln, den Blick auf das eigene Leben mit den Erfahrungen und in anderem Umfeld immer wieder erneuern, sich selbst immer wieder neu und anders erfahren auch im Spiegel anderer Menschen. Den eigenen Horizont erweitern, die Außen- und Innenwelt immer mehr in Einklang bringen. Durch Schreiben erlebe ich die Welt bewusster, lebe intensiver.

Ein Leben ohne Schreiben kann ich mir nicht vorstellen. Vieles wird durch Aufschreiben erst greifbar, erkennbar für mich. Alles was Leben ausmacht. Jeden Tag neu. Sehen, entdecken, finden, sich schreibend immer wieder allem nähern, was einem begegnet, was gesehen und ergründet werden will. Anregungen zum Schreiben finden sich überall. Beispielsweise die Schriftzüge auf Schaufenstern von Läden, Schildern und Speisekarten von Cafés ebenso wie Sehenswürdigkeiten und Gedenkorte einer Stadt. „Geschichte macht Gesichte“ steht auf einer alten Hauswand. Ein Reimesprecher bietet Unterhaltung an, die aus dem Rahmen fällt. Wenn das Leben dir einen Korb gibt… Was dann. Dann nimm ihn und geh Blumen pflücken, schrieb eine der Frauen aus dem Gedicht-Workshop nach dem Stadtspaziergang. Sich einen eigenen Reim auf die Welt machen, Erlebtes und Erfahrenes zusammenbringen nach eigenem Sprachduktus und Empfinden.

Das rein intuitive Schreiben einmal unterbrechen, sich dem Formzwang oder besser Formwillen aussetzen, um gewohnte, festgefahrene Denkmuster aufzubrechen, offen zu sein und durch die Einschränkungen die Fantasie im Worte (er)finden, hin zu neuer Freiheit der Gedanken, Ideen und Ausdrucksformen noch mehr anzuregen und zu stärken. Das war, reizvoll, spannend und es waren einige Widerstände zu überwinden. Eine ganz neue Erfahrung, andere Herangehensweisen, Zugänge und Formen zum Schreiben kennenzulernen und zu erproben, war dieser Gedicht-Workshop im Rahmen eines Schreib-Festivals, das für alle offen war. Es war das erste Mal, dass ich in einer Gruppe mit anderen Leuten etwas schrieb, ich hatte große Scheu davor, dass ich es dann nicht schaffe, nach innen zu gehen oder mir nichts einfällt, andere schneller fertig und besser sind und mit meinen Texten nichts anfangen können. Doch es ging erstaunlich gut und zum Schluss hatten wir eine wunderbare, gut besuchte Lesung mit den im Gedicht-Workshop entstandenen Gedichten. Ich bin gerade auch in einer intensiven Schreibphase, erkunde neue Erzählgenres und die Worte fließen stetig. Ich spiele auch gern mit Worten, ihrem Sinn, drehe sie hin und her, stelle sie um. Doch nicht nach einem bestimmten Schema oder Ordnungsprinzip, sondern wie es sich aus dem Moment und meinem Befinden ergibt.

Ich sehe meine Gedichte auch als Momentaufnahmen, die in dem Moment so aus mir heraus geschrieben werden wollten und damit einen Sinn und Aussagekraft haben. Jede Änderung ist schon wieder ein neuer Moment, der die Aussage und das Gedicht verändert. Ein Bild wird nicht besser, wenn man es hundert Mal übermalt. Es kommt auf den Kern an, dass der erkennbar und plausibel ist, etwas anstößt beim Lesen. Neugier weckt und zum Weiterdenken, die eigene Fantasie und Tun des Lesenden anregt. Wenn ich das erreiche, bin ich glücklich.
Lilli Vostry
23.9.2022

(Dieser Text entstand zum Abschluss meines Fernstudiums Literarisches Schreiben an der Cornelia Goethe Akademie in Offembacb/Main, das zwei Jahre dauerte mit abschließendem Schriftstellerdiplom im Herbst 2022.)

Fotos (lv)

Worte die beflügeln…

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Text-Atelier Lilli Vostry

Worte geben Träumen Wurzeln um von ihnen zu erzählen.
(Lilli Vostry)

In allen Farben des Lebens geschrieben und gesprochen, abwechslungsreich, mit unverwechselbarer Feder

finde ich für Sie/Euch in vielfältiger Form:

. Texte für Leute mit Ideen, über Projekte und Veranstaltungen
. KünstlerPorträts
. Texte für Kataloge, Werbeflyer und -broschüren, für Websites und Firmenzeitschriften
. Presse- und PR-Texte
. Texte und Reden für Galerien und Künstler, für persönliche Jubiläen, Feste und
Firmenfeiern
. Ghostwriting/Lebensgeschichten festhalten
. Eigene Kurzprosa und Poesie für verschiedene Anlässe
. Schreibwerkstätten für Kinder, Senioren und andere Interessierte

Preise (auf Anfrage)

P.S.: Aktuell suche ich einen Raum in Dresden oder Umgebung für Schreibwerkstätten, der auch als Café & Kunst-Kiosk mit kreativen Angeboten nutzbar ist. Möglichst mit Schaufenster/Ausschank-Möglichkeit/Schiebefenster etc. Gern auch ein kleines Gartenhaus.

Kontakt: Lilli Vostry, Tel.: 0177 – 524 88 48
e-mail: lilli-vostry-journalistin@gmx.de oder lilli.vostry@web.de

Freie Journalistin . Autorin . Poetin . Wortschmiedin . Redekünstlerin

Gedicht-Zyklus „Am Fluss“ anlässlich 20. Jahrestag der Jahrhundertflut in Sachsen

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Vom Leben am Fluss: Auf der Suche nach Hochwasser-Bildern von 2002 und 2013, die ich selbst in Dresden miterlebte, fand ich diese Aufnahmen von einer Open Air-Inszenierung an der Elbe. Ist es Undine, die aus dem Wasser steigt und von einem Leben in Liebe und Harmonie mit einem Menschen träumt? Fotos (lv)

Am Fluss

Blaue Inseln
kreiseln im Wolkenmeer
auf und ab tauchende Schwalben

über allen Wassern
führt mein Weg
zu Dir

der Fluss verschiebt
die Grenzen
hinter den Sandsackwällen

findet alles
Zeit

L.V.
4.6.2013

Überfließen

II
Der Fluss steigt
an Land
fließt über
vor Glück

breitet sein nasses Kleid
auf der Wiese zum Trocknen
mitten im Entengeschnatter
aufgeschreckter Menschen

schaukeln Stämme mit Raben
im Wasser
auf den Bänken im Fluss
sitzt keiner

Laternen und Verkehrsschilder
nur noch Zier
bis der Fluss ermattet
zurückkehrt in sein
Bett

L.V.
4.6.2013

Nach dem Regen

III
Los lassen
wir hinter uns

den grauen Glanz
der Regentage

zurückgeworfen
ins Licht

federleichte Laken
am Himmel

verwehen im
nächsten Moment

Lassen wir uns nicht mehr
zurück im rinnenden
Rauschen

L.V.
5.6.2013

Begegnung

IV
Wir stehen am Fluss
versperrt der Weg
am Ufer

Sehen uns an
kein Blick ertrinkt
im andern
segeln umeinander

Jeder auf seiner Insel
gehst du weiter
fließen wir uns
entgegen

L.V.
5.6.2013

Gebändigt

V
Unter mir
der tosende Strom
aufgewühlt
unterm Brückenbogen

aufgebrochen
zu anderen Ufern
bricht sich Bahn
in der Erinnerung

gebändigt
besänftigt
im Nachhall
verebbter Glut

L.V.
9.6.2013

Flussmelodie

VI
Mit dem uferlichten Tag
fängt der Flug der Schwalben

mein Sehnen nicht auf

flüstert der Fluss
sein Lied
trocknet ein Klavier
tonlos am Straßenrand

L.V.
17.6.2013

Wolkenmeer

VII
Auf blau strahlendem Parkett
drehen sich die Wolkentänzer
schließen Wetten ab
mit dem Fluss

wie nah sie noch
heranrücken können
mit vollen Segeln
im Baurausch

Goldgräber am noch schlamm
verklebten Ufer hängen
Lamettagrasbüschel
Mülltütenfetzen in den Bäumen
am Wasser ein verlorener Regenschirm

ein staubiges Sofa mit
Blick auf den glänzenden Wasserspiegel
sonst alles wie immer
in der Abenddämmerung versinkt
die goldene Kugel im Strom

L.V.
18.6.2013

Steinwüste

VIII – Fortsetzung des Gedicht-Zyklus „Am Fluss“ *

Von allen verlassen überdauerten
sie noch das alte Jahr
nun reißt ein gefräßiger Greifarm
die letzten Reste
der alten Speicherhallen am Hafen
aus dunklen Dämmerträumen
erbarmt sich ihrer die seit hundert Jahren
dort standen nicht einfallen wollten

die ihnen neues Leben einverleiben wollten
standen allein
letzten Sommer flatterten noch grünweiße Jalousien
vor einem der Fenster nebenan am City Beach
wurde nächtelang gefeiert
nun starren Fensterrahmen ins Leere
in den Dachnischen der Hallen brüten keine Vögel mehr
der Greifarm gräbt tief ins Innere
zurück bleibt eine Steinwüste
bizarr aufgerichtete Innereien
der Geruch von Holzgebälk Staub und Ziegelsteinen

mittendrin ein mächtiger alter Baum
mit schwarzem Geäst sieht alles mit an
wird er bleiben im Baugewirr graublaue Wasserlachen
ausgerissene Grünsprösslinge winden sich aus Schuttbergen
empor dazwischen ein Stück himmelblauer Zaunsrest
der Bücherscheune hebe es auf mit ein paar Steinen

eine weiß blättrige Gestalt Göttin des Zerfalls
oder Zufalls des nie ganz vertreibbaren Schönen
erhebt sich von einem gelben Steinsrest der früheren Speicher
aus den Trümmern schauen zwei metallene Wächter
wiegen ihre rostigen Baggerschaufelköpfe

L.V.
16.1.2019

* Die Texte I – VII entstanden während des zweiten großen Hochwassers an der Elbe in Dresden im Juni 2013, das erste war im August 2002 und ich wurde aus meiner damaligen Wohnung in der Leipziger Straße ca. 14 Tage evakuiert.
Text VII entstand am 16.1.2019, abends, nach dem Abriss der letzten Speicherhalle in Elbnähe, an der Leipziger Straße. An Stelle der alten Hallen wird das Großbauprojekt Hafencity (Investor USD – Unser Schönes Dresden) mit mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshäusern vorbereitet. Die ersten Neubauten stehen schon. Fragen des Hochwasserschutzes im Überschwemmungsgebiet der Elbe sind bis heute nicht ausreichend geklärt. (lv)

Wort & KlangZauber: Gedicht-Lesung „Vom Zauber endloser Anfänge“ mit Lilli Vostry & Musiker Gabriel Jagieniak im Melli Beese-Haus in Laubegast

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Herzlich willkommen zu meiner nächsten Gedicht-Lesung „Vom Zauber endloser Anfänge“ im Melli Beese-Haus, im Atelier von Eckhard Kempin, Österreicher Straße 84 in Dresden-Laubegast. Ein wunderschöner Leseort mit zauberhaftem Garten.

Natur, Kunst, Musik & Poesie in zauberhafter Umgebung

Zu erleben bei der Gedicht-Lesung „Vom Zauber endloser Anfänge“ mit Lilli Vostry, freie Autorin und Musiker Gabriel Jagieniak mit Akkordeon und Stimme am 23. Juni, 19.30 Uhr im Melli Beese-Haus, im Atelier von Eckhard Kempin, Österreicher Straße 84 (gegenüber der Schiffswerft) in Dresden-Laubegast.

Der Zauber endloser Anfänge geht weiter. Diesmal sind wir mit unserer Gedicht-Lesung mit Musik in einem Haus mit besonders bewegender Geschichte zu Gast. Im Melli Beese-Haus, dem Geburtshaus der ersten deutschen Motorfliegerin, in Dresden-Laubegast. Eine Gedenktafel mit ihrem Bildnis an der Gartenmauer am Eingang erinnert an die berühmte Bewohnerin. Umgeben ist das Haus von einem wundervollen, urwüchsigen Garten mit hohen alten Bäumen, blühenden Sträuchern, Blumen und seltenen Pflanzen. Ein beflügelnder Ort wie geschaffen für Kunst, Musik und Poesie, begleitet von Vogelgezwitscher. Das von seinen neuen Besitzern liebevoll, detailgetreu sanierte, denkmalgeschützte Haus lädt ein zum Träumen, Innehalten und Verweilen. Die Besitzer öffnen die Türen gern für Besucher zu kulturellen Anlässen wie Ausstellungen, Lesungen und Musikabenden. Diese finden statt im Atelier- und Ausstellungsraum des Künstlers Eckhard Kempin, der hier seit der Sanierung des Gebäudes wohnt. Durch ihn wurde ich auf diesen besonderen Ort und seinen zauberhaften, naturnah belassenen Garten aufmerksam.

Um so größer die Freude, nun hier meine Gedichte, begleitet von Musiker Gabriel Jagieniak mit Akkordeon und Stimme, wieder lesen zu können. Zu hören sind ältere und neue Texte, darunter aus den bereits vier veröffentlichten GedichtBilderKalendern, die zwischen 2010 und 2022 entstanden.

Meine Wortgebilde sehe ich wie Wolken, die beständig ihre Form ändern,
in offener Weite die Fantasie anregen und in denen man immer etwas Neues entdecken kann. Die mal unbeschwert, mal bewölkt, von den Wandlungen im Leben, von Licht und Schatten, dem Zauber des Augenblicks und Neuanfangs erzählen.

Gabriel Jagieniak (soundcloud.com/gabriel-jagieniak) bewegt mit seinem virtuosen Akkordeonspiel, mit und ohne Gesang und eigenen Kompositionen, auf humorvolle Weise frei vorgetragen, immer wieder das Publikum.

Kommt, schaut, lauscht und genießt.

Wir freuen uns auf Euer Kommen!

Herzliche Grüße
Lilli Vostry und Gabriel Jagieniak

Hier vorab eines meiner neuen Gedichte zur Einstimmung auf die Lesung im Melli-Beese-Haus:

Nahe bei Dir

Ich saß in einem Garten
ganz in deiner Nähe
und dachte wie es wäre
wenn wir uns noch einmal
alles erzählen
wie es begann
dein und mein Leben
wir uns aus den Augen verloren
doch nicht aus dem Sinn

ein Wasserstrahl flüstert
in einem Brunnen
sitzt du manchmal
auf einer der Bänke
beschirmt von hohen Bäumen
verblüht schon die  Rhododendron
die Blumen aus Kindertagen

locken vor mir weiße Blütensterne
der Duft von Holunder in der Luft
greife nach den hoch hängenden
Blütendolden
und vergesse einen Moment
die unsichtbare Grenze
zwischen uns

LV
2.6.2022

Text + Fotos (lv)

Neue Lyrik: Gedicht für Mutter Erde

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Gedicht  für Mutter Erde

Ich bin eine Frau
trag ein Kleid
blau wie der Himmel
das meine Mutter
mir einst schenkte

ich bin ein Kind der Erde
(umbuchen! verlangt die Tastatur)
auf der ich wandle
wachse und
werde
was ich noch
nicht bin

sie trägt mich
ihre und unsere Wunden
sie liebt alle Menschen
doch die sich im Dunkeln
verschanzen
sehen nichts
mehr

Menschen fliehen
Soldaten wissen nicht
wofür sie kämpfen
und sterben

ihr Anführer sitzt
im Ural weit weg
von den Schützengräben

wilde Tiere jagen
nur wenn sie hungrig sind
ich wünschte mir
die wilden Tiere kämen
ihn zu vertreiben

und wünsche mir
einen Sternenregen
damit mehr Licht
werde auf der Erde

Lilli Vostry
8.3.2022

Video

Video zur Lesung mit Musik „Vom Zauber endloser Anfänge“ in der Bücherei Großenhain

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Hier eine Live-Aufnahme  –
Momente meiner Lesung mit Musik „Vom Zauber endloser Anfänge“ zusammen mit Gabriel Jagieniak am 12. Oktober 2021 in der Karl-Preusker-Bücherei in Großenhain.

Herzlichen Dank an Jens Reichel für das Video!

Viel Freude beim Anschauen.

Lilli Vostry

Poesie & Musik: „Vom Zauber endloser Anfänge“ zu erleben in der Karl-Preusker-Bücherei Großenhain

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Mit viel Wortlust & Musizierfreude kommt die neue Gedicht-Lesung mit Musik „Vom Zauber endloser Anfänge“ mit Lilli Vostry, Autorin und Gabriel Jagieniak, Musiker, auf die Bühne. Zauberhaftes, abwechselnd fröhlich beschwingtes und leise, sehnsuchtsvolles Akkordeonspiel und lebhafte, helle, dunkle, zarte und raue Saxofonklänge begleiten und mischen sich mit bilderreicher Poesie und erzählender Lyrik über die Wandlungen im Leben und den Zauber des Augenblicks. Herzlichen Dank an Galeristin Janett Noack, die uns den Probenraum in ihrer Galerie Kunst & Eros auf der Hauptstraße 15 in Dresden zur Verfügung stellte und die Fotos aufnahm! Im Hintergrund Malerei von Helena Zubler in der derzeitigen Ausstellung „Sweet Spot“ (noch bis 20.11.2021)

Wort- und Klangzauber in der  Bücherei Großenhain

Mit der Premiere der Gedicht-Lesung mit Musik „Vom Zauber endloser Anfänge“ sind Lilli Vostry, Autorin und Gabriel Jagieniak, Musiker, am 12. Oktober, 19 Uhr in der Karl-Preusker-Bücherei Großenhain zu Gast.

Die Strandtasche flüstert was vom Meer, das unendlich weit erscheint. Fast allein am windzerzausten Strand mit den kreisenden, kreischenden und immer hungrigen Möwen, ist alles anders als sonst. Erinnerungen steigen auf an vertraute Orte, an Verlorenes, Liebgewordenes und das Meer kommt mit an den neuen Ort, wo die Zeit stehen geblieben scheint und wunderbare neue Entdeckungen warten.

Poesie und Musik lassen sich mitreißen vom Spiel der Wellen mit dem Wind, bewegen und davon tragen vom „Zauber endloser Anfänge“. So heißt die neue Gedicht-Lesung mit Musik, mit der Lilli Vostry, Autorin und Lyrikerin und Gabriel Jagieniak, Musiker (Akkordeon, Saxofon), am 12. Oktober, 19 Uhr in der Karl-Preusker-Bücherei in Großenhain zu Gast sind. Es ist die erste deutsche Volksbücherei, gegründet 1828.

Sie trägt den Namen ihres Gründers, auf dessen Spuren die Besucher im historischen Preusker-Zimmer ebenso wie im Lesegarten wandeln, verweilen und natürlich ausgiebig in Büchern blättern können. Auf dem Programm der Erlebnis-Bücherei stehen Führungen, Lesenächte für kleine Geschichtenlauscher, Buchvorstellungen, Autorenlesungen, Ausstellungen und Jahreszeitenfeste mit Spiel- und Bastelangeboten.
(www.buecherei-grossenhain.de )

Der Libèrtango von Astor Piazolla eröffnet die Lesung „Vom Zauber endloser Anfänge“. In den Gedichten geht es um Natur und Zwischenmenschliches, um die Veränderungen und Wandlungen im Leben und den Zauber des Augenblicks und Neubeginnens. Sie erzählen von „Bildern im Kopf“, vom „Garten Eden“, kleinen Faltern, ungestümen Katzen, wildem Mohn und einem seltsamen Hörnertier.

Lilli Vostry lebt und arbeitet als freie Journalistin, u.a. auch für die Sächsische Zeitung, in Dresden und schreibt seit zehn Jahren Lyrik. Sie hat bereits vier BilderGedichtKalender mit verschiedenen Künstlern im Zeitraum von 2013 bis `016 veröffentlicht. Zu hören in diesem Programm sind frühe und neue Gedichte und Texte, auch zum Leben in Corona-Zeiten.

Gabriel Jagieniak (soundcloud.com/gabriel-jagieniak) bewegt mit seinem virtuosen Akkordeonspiel, mit und ohne Gesang, bekannten Melodien und eigenen Kompositionen, auf humorvolle Weise frei vorgetragen, immer wieder das Publikum. Aktuelle Bandprojekte von ihm sind ein Trio „Gamaleon“ sowie ein Duett „Solna“, welches mit Lina Tayem an der Klarinette vorwiegend Klezmer, klassische Musik und osteuropäische Folkore interpretiert.

Na, neugierig geworden?

Wir freuen uns auf Euer Kommen!

Gern zeigen wir dieses Poesie-Programm mit Musik an weiteren Aufführungsorten in und außerhalb von Dresden und der Region.

Herzliche Grüße

Lilli Vostry & Gabriel Jagieniak

Text + Fotos (2) (lv)


Aus meinem Wortgarten in die Welt: Neues Gedicht-Programm „Vom Zauber endloser Anfänge“ startklar

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Den Zauber des Moments im Blick: meinwortgarten-Inhaberin Lilli Vostry
Schneckenreise. Einladung zum Innehalten, Interagieren und Neues ausprobieren.

Der Zauber endloser Anfänge geht weiter

Nach der Premiere des Gedicht-Programms „Vom Zauber endloser Anfänge“ im Mai im KlangLabor Dresden sind neue Texte zum Leben in Corona-Zeiten eingeflossen. Damit kommt die Autorin Lilli Vostry gern mit musikalischer Begleitung an neue Auftrittsorte in Dresden und der Region.

Ich werde ältere und neue Texte gemischt lesen, die vor und während der Zeit des Lockdowns entstanden sind. Die Zuhörer können die Lyrik und Kurzprosa auf sich wirken lassen und für sich herausfinden, wie zeitlos die Stimmungen sind, wie sie sich wandeln, wo es Berührungsmomente, Reibung und Brüche gibt und wie sich der Blick auf das eigene Leben und die Welt in Corona-Zeiten verändert. Zu den Gedichten aus den Jahren von 2012 bis 2020 sind außerdem Notizen aus meinem Corona-Tagebuch zu hören, die auch auf Einträge und Reaktionen auf Texte auf meiner FB-Seite zurückgreifen und diese reflektieren. Daraus entsteht ein Puzzlebild verschiedenster Stimmen und Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen von Menschen, die von ihrem Umgang mit dem rätselhaften Virus, den Auswirkungen im Alltag und der Gesellschaft erzählen. Die Puzzleteile kann jeder für sich betrachten, sortieren, anders und neu zusammensetzen.

Dieses Programm will anregen, den Blick über das Maske tragen hinaus wieder für Begegnungen, Gespräche, ein offenes, lebendiges Miteinander mit allen Facetten zu öffnen, um aus Abständen nicht neue Barrieren werden zu lassen, sondern gemeinsam zu schauen was möglich ist.

Während des Lockdowns und den sozialen Kontaktbeschränkungen waren das Internet und Facebook mit seinen sozialen Foren monatelang nahezu mein einziges Fenster zur Welt, um mit anderen Menschen in Kontakt zu sein.

Das Live-Erlebnis wie Lesungen haben bei mir immer Vorrang. Darüber hinaus betreibe ich bereits seit fünf Jahren einen eigenen Kultur-Blog im Internet:  www.meinwortgarten.com  Dieser bietet über das reale Leben hinaus  kulturinteressierten Lesern und Kulturmachern die Möglichkeit, miteinander in Verbindung zu bleiben und aktuelle Projekte und Veranstaltungen zu veröffentlichen.

Als neuestes, interaktives Angebot wird bald ein virtuelles Erzählcafé „Lebendige Beziehungen“ hier auf dem Blog eröffnen, wo man sich rund um Kunst, Kultur, Zwischenmenschliches und Umwelt austauschen, interagieren und neue
Formen der Kommunikation zusammen ausprobieren kann. Wo Platz ist für Ideen, Träume, Reifendes, das wahrgenommen und weiterentwickelt werden will. Natürlich gern auch Eindrücke und Feedback über das aktuelle Programm „Vom Zauber endloser Anfänge“ dalassen. Mit diesem komme ich gern auch mit musikalischer Begleitung in Spielstätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Cafés und Gartenlokale, Senioren- und Pflegeheime in Dresden und der Region (bitte an mich wenden per mail: lilli-vostry-journalistin@gmx.de )

Mein Gedicht-Programm „Vom Zauber endloser Anfänge“ und der interaktive Ausbau des Kultur-Blogs meinwortgarten.com werden gefördert mit einem zweimonatigen Arbeitsstipendium „Denkzeit“ der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.

Text + Fotos (lv)

Hier ein Gedicht aus dem neuen Programm:

Schneckenreise

Im Regenrauschen im Takt
der Tropfen tauchen sie
lautlos auf
im Schneckentempo aufwärts
am Stamm der alten Weide
gehen sie auf weite Reise

halb außen halb in ihrem farbflirrenden
Gehäuse
gleiten galant über rissige Rinde
auf der winzige Käfer vorbeiflitzen
schnellen Fühler vor und zurück
bei leiser Berührung
rollen sich ihre Körper feingliedrig
an Blättern ein und auf

fallen in Love
folgen ihrem Weg
sehr agile Winzlinge
Regenperlen gleich mit durchsichtig
schimmerndem Gehäuse
hinauf bis in die Weidenkrone

Lilli Vostry
22.8.2020

Überall Welt: Buchpremiere von Volker Sielaff im Zentralwerk & Neuer Gedichtband „Barfuß vor Penelope“

Hervorgehoben

Die Edition AZUR lädt ins neue Verlagsbüro im ZENTRALWERK – ein neues Domizil der Dresdner kreativen Szene – zur Vorstellung von Volker Sielaffs Journal „Überall Welt“ am 7. März 2017, um 20 Uhr auf der Riesaer Straße 32 ein. Mit Lesung und Gespräch mit dem Buchautor. Der Eintritt ist frei.

Ein Tagebuch kann vieles sein: Archiv, Versuchslabor, Ideenspeicher. Volker Sielaffs Journal passt in keine dieser Schubladen – und sein Schreibgrund ist wohl am ehesten mit dem vergleichbar, den Victor Klemperer einmal für seine Tagebücher formulierte: »Nur Leben sammeln. Immer sammeln. Eindrücke, Lektüre, Gesehenes, alles. Und nicht fragen, wozu und warum.«
Nach den gefeierten Lyrikbänden »Selbstporträt mit Zwerg« und »Glossar des Prinzen« legt Volker Sielaff erstmals eine Auswahl von Prosaaufzeichnungen aus zehn Jahren vor: unverstellte, berührende Notate vom Rand der Wahrnehmung. Sie berichten vom Glück des Lebens mit einem Kind, von Begegnungen, Streifzügen, Lektüren und Beobachtungen. Überall Welt!

ISBN: 978-3-942375-24-5
152 S., Klappenbroschur, 19,90 EUR

Der Chamisso-Preisträger Gino Chiellino schrieb in einer DNN-Kritik unter dem Titel „Ein Entwicklungsroman besonderer Art: Volker Sielaff legt mit „Überall Welt“ ein außergewöhnliches Buch vor“ u.a.: „Zwar werden Reisberichte, Tagebücher und Autobiographien wichtiger und unwichtiger Akteure mit Erfolg veröffentlicht, aber welcher Schriftsteller würde es wagen, wie es Volker Sielaff getan hat, ausgehend von einer existentiellen Veränderung im Leben des Protagonisten eine elfjährige Beobachtung der Welt um das Leben des Journalverfassers niederzuschreiben? Mir ist auf jeden Fall kein zweiter bekannt!“

Siehe dazu auch den Text auf meinwortgarten.com zur Lesung „Unmöglich, gegen eine Amsel anzulesen…“ von Volker Sielaff aus seinem Buch „Überall Welt“.

Mehr Text zu diesem Buch folgt.

Rezension zum neuen Gedichtband „Barfuß vor Penelope“ von Volker Sielaff (edition Azur, 2020)

Kleiner Vorgeschmack: In diesen Texten, freien Versen und mit End- und Binnenreim, spricht oft die Liebe, in allen Facetten, zärtlich, rau und sanft. Diogenes spricht zu einem Maler; eine wortwitzreiche-poetische Welt- und Alltagsreise ist der Zyklus „Mystische Aubergine“ und kleine schöne Momentaufnahmen des Seins verankert Sielaff im letzten Kapitel mit dem Bekenntnis: „Ich bin in hohem Bogen ein Diesseitiger“.
Ein luftig-leichtes, gedankenreiches Buch für warme und kühle Tage, voller Farb- und Sprachreichtum über die Liebe zu allem, zum Leben mit allen Höhen und Tiefen. Prägnant und geheimnisvoll wie im Klappentext auf der Buchrückseite mit dem doppeldeutigen Titel „Liebe endlich“: „zum Umbruch, zur Wut. Zu den achtzig Thesen des Pandas zum Blut. Zu jedem, der noch gern barfuß geht. Zum Hut, zur Kokotte, zum Widergänger, zum Nestbeschmutzer und Zettelaufhänger. Zu Aphrodites Tattoo. Zu allen Tasten auf deiner Haut, zu jedem Ganoven, jeder Braut. Zu Else Laske-Schüler und dem Blauen Klavier auf deinem Kühler.“

Text (lv)

Genuss pur. Poesie & Kuchen – auch zu buchen…

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Genuss für Geist & Sinne. Mit Rhabarber – Ein Gedicht aus dem Backofen fing alles an. meinwortgarten-Inhaberin und Autorin Lilli Vostry liebt Poesie & Kuchen und bringt beides gern zu Lesungen mit.

Wenn die Worte und Aromen auf der Zunge tanzen

Die erste Kostprobe gab es bei der Premiere meiner Gedicht-Lesung „Vom Zauber endloser Anfänge“ am 16. Mai im KlangLabor in Dresden, das angesichts Corona-Einschränkungen gut gefüllt war. Vom ersten selbst gebackenen Rhabarberkuchen, dem ich ein eigenes Gedicht widmete, blieb fast kein Krümel übrig. Das spornte mich an zu weiteren Backversuchen. Ich mag Poesie & Backen. Das Spiel mit Worten & Zutaten & der betörende Duft & Aromen, die auf der Zunge tanzen & Gestalt annehmen. Zum Zuhören, Probieren und Genießen einladen und etwas Bleibendes schaffen.

So entstand mein neues Angebot unter dem Motto: „Poesie & Kuchen – auch zu buchen“ eigene Gedichte und selbst gebackenen Kuchen zu Lesungen mitzubringen. Und diese zwei Leidenschaften zu verbinden. Genuss für Geist und Sinne.

Ich lese gern vor neugierig aufgeschlossenem Publikum, ob in Spielstätten, in einem Gartenlokal, auf privaten Feiern oder in Senioren- und Pflegeheimen in Dresden und der Region. Gedichte über Zauberhaftes in der Natur und Zwischenmenschliches, Veränderungen und Wandlungen im Leben und den Zauber des immer wieder Anfangens. Viele meiner Gedichte, die in den letzten zehn Jahren entstanden und für die ich als nächstes einen passenden Verlag suche, stehen hier auf meinem wortgarten-Blog.

Wer Interesse an meinen Lesungen hat, auch mit musikalischer Begleitung möglich, kann mir gern schreiben an folgende e-mail-Adresse:
lilli-vostry-journalistin@gmx.de

Text + Fotos (lv)

Licht & Schatten: meinwortgarten in der Corona-Krise

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Liebe LeserInnen meines wortgartens,

zuerst das Erfreuliche: dieser Kultur-Blog nähert sich der 70 000-Marke an Aufrufen. Es geht stetig aufwärts. Mein Traum-Ziel ist die 100 000 bald zu erreichen und hoffentlich auch mal Einnahmen, auch aus den täglichen Anzeigen, die bereits seit einer Weile rings um meine vielen Beiträge stehen…

Es sind besondere, zwiespältige Zeiten gerade. Ich lebe, genieße im Moment, doch die Sonne vertreibt die existenziellen Sorgen nicht… Habe kaum Einnahmen momentan aufgrund der einschneidenden Corona-Maßnahmen.

Daher meine Bitte an Euch, vor allem die langjährigen Stammleser: Wenn Ihr meine Arbeit als freie Journalistin schätzt und unterstützen möchtet, könnt Ihr das jetzt mit einer Spende für das Weitergedeihen meines Kultur-Blogs: http://www.meinwortgarten.com tun.

Dieser wird seit nunmehr fünf Jahren von mir liebevoll gehegt und wächst… Das alles unentgeltlich. Viel Zeit steckt im wortgarten, bin oft unterwegs und Ihr bekommt immer neue, vielfältige Kulturgewächse zu lesen und sehen in Form von Bildern…
(Die Tagesmedien haben längst Bezahlsperren für ihre online-Angebote eingerichtet.)

Doch allein von Luft und Liebe kann auch ich nicht leben.

Herzlichen Dank an alle Leser und Unterstützer.

Bleibt schön neugierig, teilt und empfehlt meinwortgarten.com weiter.

Eine gute Zeit und Bleibt gesund!

Lilli Vostry
Inhaberin meinwortgarten.com

Herzlichen Dank für ihre Spende:

Kathrin Krüger-Mlaouhia, Redakteurin in Großenhain

Hartmut Maihöfer vom mai hof puppentheater in Dresden-Weißig

Günter Gläser, Emaillebilder-Künstler in Radebeul

Michele Cyranka, Malerin, Grafikerin und Keramiikerin in Tharandt

Spendenkonto:

Lilli Vostry
Bankverbindung: IBAN DE 88 8707 0024 0525 231700 bei Deutsche Bank
Kennwort: wortgarten-Spende

Fotos (lv)

Start der Schreib- und Geschichtenwerkstatt für Kinder „Fantasius Firlefanz“

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Geschichten-Abenteuer erleben – Jeder hat Fantasie!

Für alle, die in den Sommerferien noch nichts vorhaben, startet für neugierige, spiel- und erzählfreudige Kinder und Jugendliche die Schreib- und Geschichtenwerkstatt „Fantasius Firlefanz“ mit Lilli Vostry, freie Journalistin und INhaberin des KulturBlogs meinwortgarten.com als neues Angebot im KlangLabor auf der Lommatzscher Straße 6 in Dresden. Heute am 4.7., von 16 – 18 Uhr das erste Mal. Ab 11. Juli dann immer mittwochs von 17 – 19 Uhr. Ich freu mich auf Euch.

Hallo, liebe Kinder!

Hier könnt Ihr die kreative Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche „Fantasius Firlefanz“ kennen lernen. Der bewegliche kleine Holzvogel ist unser Begleiter, der unsere Fantasie beflügeln möchte. Bei den Geschichten-Abenteuern, die uns zuflattern aus der großen Welt der Worte.

Gemeinsam entdecken wir den Spaß am Erzählen, sprachlichen Gestalten in spielerischer Form und Umsetzen der selbsterdachten Geschichten.

Wenn Ihr gern träumt, erfindet, neugierig seid, Euch lesend und schreibend ausprobieren wollt, ist die Schreib- und Geschichtenwerkstatt ein guter Ort, dies miteinander zu tun.

Zu meiner Person: Ich heiße Lilli Vostry, schreibe selbst gern seit meiner Kindheit und arbeite hauptberuflich als freie Journalistin, außerdem als Kinderbetreuerin und in der Deutsch-Nachhilfe in Dresden. Es sind auch spezielle Angebote für Kinder mit ADHS möglich.
Ich gebe auch Kurse in spielerischem Schreiben für Kinder auf Anfrage in Schulen.

Kosten pro Teilnehmer pro Nachmittag (2 Stunden): 10 Euro

Kontakt: Lilli Vostry, Tel. (0351) 848 75 03 oder 0177 – 524 88 48
email: Lilli.Vostry@freenet.de

Keine für Alle! – Lara Finesse

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Kolumne: Neue Mauern…

Wie es zu meinem Namen kam, das bleibt mein Geheimnis. Ob es mich wirklich gibt? Nun ja. Wie heißt es so schön: Ich denke, also bin ich. Was auch nicht unbedingt selbstverständlich ist. Neulich hörte ich im Radio in einer Humorsendung, es war gerade Fasching, den unglaublichen Satz: Das Lachen unterscheide den Menschen vom Tier. Das habe kein Geringerer als Aristoteles einst festgestellt, wie auch die gefährliche und befreiende Wirkung auf die Lachenden und Ausgelachten zeitlos ist.

Wer lacht, zeigt, dass er etwas erkannt und verstanden hat. Oder es zumindest meint. Während Tiere, wenn sie lachen mit heraushängender Zunge oder fiependen Lauten,gar nichts denken, sondern sich einfach ihres Daseins freuen. Das unterscheidet Tiere tatsächlich sehr von Menschen.

Manche von letzteren verziehen keine Miene, egal was um sie herum passiert. Es ist ja nicht zu übersehen, dass sich gerade ein großer Wandel in der Welt von draußen nach drinnen – damit meine ich nicht nur die über Ländergrenzen hinweg ziehenden Flüchtlingsströme – vollzieht. Neue Mauern tun sich auf, mit denen wir uns selbst umgeben. Man sehe sich nur die Leute an, die draußen unentwegt nach unten auf diese glatten, flimmernden Teile starren und darauf herumtippen und die Ohren oft verstöpselt halten.

Wie ferngesteuert laufen sie durch die Gegend, manche rennen einen fast um. Ich frage mich dann immer: Was ist so ungeheuer wichtig, dass diejenigen dieses Teil kaum eine Minute mehr aus den Augen lassen?! Was würde passieren, wenn sie es verlieren? Was taten sie, bevor es Smartphones gab?

Mittlerweile braucht man gar nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Man bekommt alles aus dem weltweiten Netz. Man kann Tag und Nacht einkaufen, mit den Augen überallhin reisen, sich vergnügen, den idealen Partner per Fragebogen zusammenpuzzeln, für zwischendurch, nur virtuell oder auch mal in echt. Heldenhafte Essensbringer aus dem Internet (die nennen sich wirklich so!) gibt es auch inzwischen.

Anderes wie Postkarten und Briefe schreiben, stirbt allmählich aus. Vielleicht werden Briefkästen deshalb auch immer seltener?

Neulich fragte tatsächlich jemand auf Facebook, ob es eigentlich noch Schreibpapier gäbe! Als ob es davon abhinge. Wenn man das Bedürfnis hat, kann man auf allem schreiben. Oder? Nur gehen mir leider allmählich die Empfänger aus. Es wird noch soweit kommen, dass ich mir selbst Karten und Briefe mit schönen Briefmarken schreibe, nur um mir die unverhoffte Freude, dass jemand an einen denkt und überrascht, zu erhalten neben all dem Werbekram und Rechnungen, die mir beim Gang zum Briefkasten täglich entgegen grienen.

Warum gehen wir manchmal trotzdem noch hinaus? Um zu schauen, ob da draußen noch alles da ist, noch andere außer uns und wie die Luft ist. Warm oder kalt. Auf den Wetterbericht ist ja kein Verlass mehr trotz moderner Technik. Das Wetter macht, was es will. Einmal richtig Schnee muss reichen, dann geht der Winter schon wieder. Statt Schlitten und Skier fahren schnelles Surfen im Internet. Merkt doch eh keiner. Seit Ende Januar, draußen ist noch alles kahl und grau, bestürmen einen schon in knallbunten Farben grinsende Schokohasen und Eierallerlei im Supermarkt, obwohl man gerade erst die Silvesterknallerei überstanden hat und das Schatzkästchen auf dem Tisch mit den erfüllten, vergessenen und neuen Wünschen für das neue Jahr noch auf Durchsicht wartet. Indes grüßen schon die ersten Schneeglöckchen auf der Wiese, wird es wieder früher hell und später dunkel. Was manche Nachbarn schon zu eifrig geräuschvollem Frühjahrsputz derart treibt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Und das Leben rauscht vorbei.

Macht was draus.

Bis zum nächsten Mal!

Eure Lara Finesse

BilderGedichtKalender 2016 „Von Tier zu Mensch“

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Vom Raubtier Mensch

Skurill-poetische Gedichte und Bilder versammelt der neue BilderGedichtKalender von Lilli Vostry und Babak Nayebi.

Ein Mann mit Hahn im breitkrempigen Hut, den nichts zu erschüttern scheint, ist auf dem Titelblatt des Kalenders zu sehen. Gut behütet schaut er in die Welt. Skurril-poetische, heitere und ernsthafte, beherzt geborgene Gedankenflüge und Gefühlssprünge versammelt der neue BilderGedichtKalender für 2016 unter dem Titel „Von Tier zu Mensch“. 

Es ist der nunmehr dritte Kalender, den Lilli Vostry, freie Journalistin und SZ-Autorin, zusammen mit dem iranischen, in Dresden lebenden Bildenden Künstler Babak Nayebi in limitierter Auflage herausgegeben hat im Typostudio SchumacherGebler in Dresden. In Abwandlung der Redewendung „Von Mensch zu Mensch“ wird in reizvollem Kontrast von Bildern und Lyrik das Verhältnis von Mensch und Tier betrachtet. Das Raubtier Mensch, der mal Jäger, mal Getriebener ist, mal innige Nähe und Ausgeliefertsein, Stärke und Ohnmacht erfährt und die verletzte, leidende Kreatur stehen sich gegenüber in den farbigen Ölzeichnungen auf Papier. Es geht außerdem facettenreich, vieldeutig um Zwischenmenschliches. Etwa im Gedicht „Frei Wild“ um Fortschnurren in fremde Galaxien, um Fortträumen, Sehnsucht nach der Ferne und Neues entdecken. Da tauchen Fledermäuse am Strand auf, ergibt sich ein Admiral auf Landgang duftenden Blüten. Da bringt ein rätselhaftes Wesen mit roten Augen, das sich Lori nennt, Schatten zum Leuchten. Und begrüßt eine Robbe das neue Jahr und sucht im unendlichen Weiß nach wärmenden Worten. 

Dieser zeitlose BilderGedichtKalender „Von Tier zu Mensch“ ist jetzt zum Schnäppchenpreis erhältlich. Einige Exemplare sind noch über die Autorin Lilli Vostry auf Anfrage zu beziehen.

Das 52. Internationale Dixieland Festival in Dresden ist eröffnet


Strahlend weiß & voller Schwung: Frühschoppen mit der Rakovnik Brass Band aus Tschechien im Hotel Ramada by Wyndham Dresden zum Start des Dixieland Festival am Sonntagvormittag.

Weltweit größtes und ältestes Musikfestival für Traditional Jazz

Bis zum Pfingstsonntag am 19. Mai 2024 erwartet das Publikum ein hochkarätiges Programm mit mehr als 200 Stunden Live-Musik // Für einige Veranstaltungen sind noch Tickets verfügbar

Mit fünf Veranstaltungen quer über die Stadt Dresden verteilt hat am heutigen Sonntag das 52. INTERNATIONALE DIXIELAND FESTIVAL begonnen. Bis zum Pfingstsonntag am 19. Mai 2024 verwandelt das weltweit größte und älteste Musikfestival für Traditional Jazz das schöne Elbflorenz wieder in die Hauptstadt des Dixieland. Beim heutigen Auftakt des achttägigen Festivals ließen sich schon tausende Besucher bei bestem Wetter von mitreißendem Dixieland verzaubern.
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Der Startschuss für die 52. Festival-Ausgabe fiel traditionell am Vormittag bei „Dixieland in Familie“ im Zoo Dresden. Gemeinsam mit dem Medienpartner Sächsische Zeitung hatten die Veranstalter zum Familienfest mit Spiel, Spaß, Spannung, vielen Tieren und natürlich viel Musik eingeladen. Festivalpremiere feierte der „Frühschoppen“ im Hotel Ramada by Wyndham Dresden mit der Brass Band Rakovnik aus Tschechien. Auch beim „Dixie am Konzertplatz Weißer Hirsch“, zum „Heide-Dixieland“ im Bier-
garten Hofewiese in Langebrück und beim „Dixieland in der Radelbar“ konnten sich die Besucherinnen und Besucher standesgemäß auf das diesjährige Dixieland-Festival einstimmen.
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Der heutige 12. Mai ist aber nur der Anfang für insgesamt acht vollgepackte Festival-Tage. Insgesamt 38 Bands und Solisten aus zehn Ländern sorgen bis zum Pfingstsonntag in 44 Veranstaltungen für rund 250 Stunden hochkarätige Live-Musik – davon ist knapp die Hälfte (110 Stunden) eintrittsfrei zu erleben, so zum Beispiel auf der „Dresdner Jazzmeile“ (17. bis 19.05.2024) und bei der „Dixieland-Parade“ (19.05.2024).Einer der Programmhöhepunkte ist zweifelsohne das Hauptkonzert „Dixieland International“ im Kulturpalast Dresden, das am 18. Mai 2024 eine musikalisch exzellente Reise durch die Welt des Dixieland Jazz verspricht. Von den rhythmischen Klängen der Second Line Jazzband (Schweden) über die lebendige Musik der Jazz Connection (Niederlande) bis hin zu den mitreißenden Melodien von Norbert Susemihl’s Joyful Gumbo (Dänemark) – an der Gründungsstätte des Festivals ist wieder einmal die Vielfalt und das Talent internationaler Szenegrößen an einem Ort vereint.
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Neben weiteren liebgewonnenen und traditionellen Veranstaltungen wie dem kultigen „Jazzclub“ im Feldschlößchen Stammhaus, der „Riverboat-Shuffle“ auf den Dampfern und Salonschiffen der Weißen Flotte und der „Open-Air-Gala“ in der Freilichtbühne Junge Garde gibt es im Programm einige Neuigkeiten zu entdecken.
So ist im Barockgarten Großsedlitz zum ersten Mal „Dixie meets Barock“ (18.05.2024, 14 Uhr) zu erleben – hier spielen die langjährigen Publikumslieblinge der Lamarotte Jazzband (Niederlande). Erstmals Festival-Gastgeber ist auch die Comödie Dresden (17.05.2024, 19 Uhr) – neben den Armstrong’s Ambassadors (Freiburg im Breisgau) wird hier The OhnO! Jazzband (Niederlande) für Begeisterung sorgen.
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Im benachbarten Boulevardtheater Dresden steht zum ersten Mal „Bernd Seiferts Dixie-Sause“ auf dem Programm (17.05.2024, 19.30 Uhr) – u .a. mit den Mama Shakers (Frankreich) und Norbert Susemihl‘s Joyful Gumbo (Dänemark). Und mit dem „Wohnzimmerkonzert“ in Hoppes Hoftheater in Weißig (15.05.2024, 20 Uhr), das neben Sunshine Brass (Suhl) die Dresdner Boogie-Pianistin Ulrike Hausmann gestaltet, hält ein weiteres neues Veranstaltungsformat an neuem Spielort Einzug ins Festival.

Nach dem großen Premierenerfolg im vergangenen Jahr gibt es zudem wieder den ausgesprochen tanzbaren „Dixie-Pub“ im Alten Schlachthof und eine Wiederauflage der Late-Night-Dance-Party „Elektro meets Dixie on the Dancefloor“ mit Placebo Flamingo und DJ Ekki im Neonworx (Kraftwerk Mitte). Mit beiden Veranstaltugen wird die weltweite Renaissance des Swing-Tanzes zu handgemachter Musik erneut auch in Dresden gefei-ert und gezielt ein jüngeres Publikum angesprochen.
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Für viele der ticketpflichtigen Veranstaltungen beim INTERNATIONALEN DIXIELAND FESTIVAL 2024 sind
noch Eintrittskarten zu haben – entweder im Vorverkauf oder an  jeweiligen Tages- bzw. Abendkassen. Alle Infos zum Programm, Lineup und Tickets sowie viele weitere Informationen gibt es online unter
http://www.dixielandfestival-dresden.com
Text: Uta Schirmer + Fotos: Hendrik Meyer/Dixielandfestival Dresden

Viel fröhliche Gute Laune-Musik zu sehen, hören und zum Mitwippen gibt´s wieder bei der der großen Dixieland-Parade am 19. Mai unterhalb der Brühlschen Terrasse.

Hereinspaziert in die Ateliers! Kunst: offen in Sachsen feiert 20-jähriges Jubiläum

Formreicher Figurenreigen vor Naturkulisse

Zum 20. Mal öffnen in diesem Jahr 134 Künstler sachsenweit ihre Ateliers zu Pfingsten vom 18. bis 20. Mai. Der Initiator und Bildhauer Olaf Klepzig lädt zur Jubiläumsveranstaltung am 14. Mai in sein Freiluftatelier in Rabenau ein.

Durch das offene Scheunentor sieht man wie in einem Bilderrahmen
eine wundersame Figurenwelt. Stehende, kauernde, ruhende, tanzende, sich umarmende und einzelne Skulpturen aus Stein und Holz sind dort versammelt zu einem ausdrucksvollen Reigen auf der wild blühenden Wiese, umgeben von alten Obstbäumen und Tannen und Vogelgezwitscher. Grazile, wohlgeformte Körperformen, zarte und kraftvolle, empor wachsende, pflanzliche und figürliche Stelen und Reliefs stehen neben noch unbehauenen Steinen und zersägten Baumstämmen im Freiluftatelier von Olaf Klepzig in Rabenau auf der Förstereistraße 8.

Im Areal der ehemaligen Försterei hat er seit 2007 sein Atelier in einem der ältesten Scheunengebäude in Rabenau eingerichtet. Die Jahreszahl 1680 steht über dem Hoftor. Im Hof stehen ebenfalls Skulpturen von ihm wie Wächter rings um die alten  Fachwerkgebäude in Privatbesitz. Das Scheunengebäude steht ihm für die künstlerische Arbeit zur Verfügung. Gerade hat Klepzig seine „Diona“, eine himmelblaue Frauengestalt aus patinierter Bronze ins Freiluftatelier geholt, die als Gespielin des griechischen Gottes Dionysos für Wein und Fruchtbarkeit, Genuss und Lebensfreude steht. Hinter einem holz- und silberfarbenen Mondtor erheben sich außerdem auf einem Steinhügel kleine Paarfiguren und eine Steinlaterne nach japanischer Tradition. Die Natürlichkeit und Einfachheit, so Klepzug, faszinieren ihn an dieser Gartenkunst. An der Scheunenwand hängen Plakate aller „Kunst: offen in Sachsen“-Aktionen eingerahmt. Das allererste Plakat ist schon verblichen von der Sonne. Die neuen Plakate leuchten kräftig weinrot mit Landkarte der Orte und einem Verzeichnis der Künstler mit ihren Schaffensstätten.

Dieses Jahr locken bereits zum 20. Mal sachsenweit offene Kunstorte zu Pfingsten vom 18. bis 20. Mai. Insgesamt 134 Künstlerinnen und Künstler öffnen ihre Ateliers für Besucher, die Kunstwerke unmittelbar an ihrem Entstehungsort anschauen können, Einblicke in ihr Schaffen erhalten und natürlich auch Kunst erwerben können. „Beim ersten Mal 2005 waren 75 Künstler dabei. Dieses Projekt bringt Kunstgenießer und Kunstschaffende zusammen“, sagt Olaf Klepzig, rühriger Initiator und Vorsitzender des „Kunst: offen in Sachsen“ e.V. Er ist tätig als Kunstpädagoge und arbeitet seit 2002 freischaffend als Bildhauer, Maler und Gestalter in Rabenau. Anfangs hatte er bei den „offenen Ateliers“ in Dresden mitgemacht. Doch der Weg mit den schweren Plastiken war ihm zu weit, daher suchte Klepzig nach einer Möglichkeit, auch für Künstler auf dem Land etwas gemeinsam zu veranstalten. Zumal nicht alle eine Galerie für ihre Arbeiten haben.

Die Idee der offenen Ateliers stammt urprünglich aus Schweden und in Mecklenburg gab es das Kunstprojekt schon fünf Jahre vorher, bevor es in Sachsen losging. Beim Künstlerbund Dresden bekam er die Kontakte zu anderen Künstlern und er holte einen kleinen Tourismusverein im Tharandter Wald mit ins Boot im ersten Jahr. Die Mittel waren jedoch auf dieses Gebiet begrenzt, das Kunstprojekt sollte aber sachsenweit stattfinden, so Klepzig, so dass der Atelier-Verein mit rund 15 Mitgliedern vieles allein stemmen muss und auf Spendenmittel und helfende Hände angewiesen ist für Werbung, Webseite, Gestaltung, Druck und Verteilung der Plakate und Flyer. Seit dem dritten Jahr sind alle Kunstsparten vertreten und neben Bildenden Künstlern auch Musiker, Tänzer und Autoren in den Ateliers und Spielstätten zu erleben. „Den meisten Zuspruch hatte das zehnte ,Kunst: offen in Sachsen` 2014 mit 245 Ateliers, in denen über 300 Künstler etwas zeigten“, so Klepzig. Im Schnitt kämen 60 Besucher pro Atelier.

„Die Tendenz ist leider so, dass immer weniger Menschen etwas anfassen wollen in Vereinen, da es auch Zeit und Arbeit bedeutet. Man muss mit Liebe dabei sein und der Verein auch etwas für sich machen als Anreiz, damit man nicht nur gibt, sondern auch Energie bekommt“, so Olaf Klepzig.

Zur Jubiläumsveranstaltung am 14. Mai, genau an dem Tag des ersten „Kunst: offen in Sachsen“ lädt er von 13 bis 17 Uhr langjährige und neue Kunstfreunde und Interessierte ins Freiluftatelier in Rabenau zum Feiern und Austausch ein. Es gibt auch eine Tanz- und Musikperformance „Im Rausch der Sinne“ mit den Künstlern Sabine Jordan und Johannes Doschew aus Dresden.

Nächstes Jahr, nach dem 21. „Kunst: offen in Sachsen“ möchte Olaf Klepzig sein Ehrenamt als Vereinsvorsitzender gern an Jüngere weitergeben, damit es weitergeht. „Das muss kein Künstler sein, doch jemand, der sich für Kunst interessiert, organisiert und bei dem die Fäden zusammenlaufen“, hofft der 61-Jährige. „Für das 20. Atelierfest wünsche ich mir viel Beteiligung aller Künste und viele Besucher zu Pfingsten und schönes Wetter.“

Text + Fotos (lv)

Das komplette Programm von „Kunst: offen in Sachsen“ steht unter http://www.kunst-offen-in-sachsen.de


Viel zu sehen und entdecken gibt es auch rings um das Atelier von Bildhauer Olaf Klepzig in Rabenau, dem Initiator von „Kunst: offen in Sachsen“.

Atelierbesuch bei André und Ralf Uhlig in Radebeul


Immer wieder Neues zu entdecken: Sohn André und Vater Ralf Uhlig schauen gegenseitig ihre Arbeiten an und tauschen sich über künstlerische Techniken aus.

Atelierbesuch bei André und Ralf Uhlig
Malen und Zeichnen um des Lebens willen

Vater und Sohn Uhlig teilen ihre Leidenschaft für die Kunst, haben gemeinsame und eigene Projekte und jeder längst seine eigene, besondere Handschrift gefunden.

Durch die großen Fenster sieht man Wände voller Bilder. Farbige Zeichnungen, Grafiken und Skizzenblätter mit Landschaften am Wasser, in den Weinbergen und im Gebirge in warmen und erdigen Farben. Eine große Harlekin-Bleistiftfigur schaut einen verschmitzt an. Gleich daneben lehnt an der Wand eine neue Ölskizze, darauf ragt eine weiße Windmühle mit rotem Dach und kreisenden Flügeln am wolkenschweren Himmel. Fehlt nur noch Don Quixote, der gegen die Windmühlenflügel ankämpfende verwegene Ritter von der traurigen Gestalt. Ein Stück weiter biegt auf einer Farbskizze eine nostalgische Straßenbahn um die Ecke inmitten einer malerischen Häusergasse in Lissabon. Dort war André Uhlig vor kurzem. Zwei Wochen war er in Portugal unterwegs, wanderte an der portugiesischen Küste entlang mit Rucksack, Zelt und Malblock.

Vor der Bilderwand sitzt Ralf Uhlig, ebenfalls Maler und Grafiker. Neben ihm sein Sohn André, der seinen charismatisch schwarzen Wanderhut trägt. Auf einem langen Tisch in der Raummitte liegen seine neuesten grafischen Arbeiten. Beide betrachten gerade eine Druckplatte mit einer Schar fliegender Krähen über einem Feld. „Früher befand sich hier der Speiseraum der Fleischerei Schiefner mit Laden“, erzählt André Uhlig. Vorher war in dem Haus in der Neue Straße 18 in Radebeul in den 1960er Jahren eine Drogerie, in der ein Mann mit Holzbein stand, den Kinder neugierig gern aufsuchten und manchmal Streiche spielten, weiß André Uhlig vom Hörensagen. Neben der Tür im Atelierraum ist noch die Durchreiche für die Essenausgabe der einstigen Fleischerei hinter dem hellen Vorhang zu sehen. In dem Raum steht jetzt die große Tiefdruckpresse. Daneben ist eine gemütliche Sitzecke mit Sofa, Sitzplostern und Tisch mit Weingläsern für Atelierbesucher und Kursteilnehmer eingerichtet. Dort stehen auch ein CD-Regal und ein Plattenspieler mit Schallplattensammlung und am Fenster eine kleine Druckpresse. André Uhlig ist nicht nur ein leidenschaftlicher Zeichner und Grafiker, sondern auch begeisterter Musiker. Er singt und spielt Gitarre in der Band „Novikents“.

An der Hausfassade hängt ein Schild der Ateliergemeinschaft von André Uhlig und Birgit Köhler mit den Zeichen- und Druckkursen und Wochenend-Malkursen. Seit 2010 teilt sich Uhlig das Atelier mit der Theatermalerin, die schon länger dort tätig ist. Zusammen bieten sie jährlich eine Sommermalreise für Erwachsene auf dem Daarß an. Der Tiefdruckkurs donnerstags, 18 Uhr steht auch für neue Interessenten offen. Es gibt auch einen Kurs für Jugendliche zum Malen, Zeichnen und Drucken montags um 16 Uhr, in dem auch noch einige Plätze frei sind und den derzeit vier Mädchen regelmäßig besuchen. „Ein Atelier zu finden ist schwer heutzutage“, sagt Ralf Uhlig. Er hat seines seit vielen Jahren im Elternhaus der Familie im Dachgeschoss. Zu DDR-Zeiten hatten viele junge Künstler in alten Ställen und Fabrikgemäuern Atelierräume. „Jetzt wird jeder Zentimeter in Altkötzschenbroda genutzt und viele ehemalige Fabriken wurden schon abgerissen“, so André Uhlig. „Die Kunst fliegt zuerst raus leider. Es ist immer dasselbe Lied, dass verfallene Städte Künstler beleben und aufwerten dürfen und wenn es läuft, müssen sie raus aus den Räumen.“ Was für ihn ein gutes Bild ausmacht? „Man muss das immer hinterfragen und aussortieren. Gut ist es, wenn man in den Grafikschrank schaut, ob es vor dem eigenen Auge besteht. Manchmal hilft mir meine Frau dabei“, sagt Ralf Uhlig. Wenn er gefragt wird ob er mit 76 Jahren noch malt, antwortet er: „Wenn ich noch etwas Interessantes im Kopf habe und wenn es gute Käufer gibt.“

Man malt auch um des Lebens willen und damit verbunden zu sein, habe ihm sein Lehrer, der Künstler Dieter Beirich beigebracht. Ralf Uhlig unterrichtet immer noch in zwei Malzirkeln, einer besteht noch aus Zeiten Beirichs donnerstags, 18 Uhr im Weißen Haus und einer für Senioren mittwochs, 10 Uhr in der Stadtgalerie Radebeul. Im Winter haben sie Aquarelldrucke gemacht mit immer wieder anderen Effekten. Ab Mai gehen sie wieder Plenair malen in die Natur. „Je älter man wird, um so lockerer versucht man zu werden, z.B. wenn man Aquarelle mit Tusche malt, da muss man sehr schnell sein“, so Uhlig. „Hand und Schulter müssen locker sein beim Zeichnen und der Kopf frei.“ Es sei auch wieder Aktzeichnen geplant im Atelier bei André Uhlig.

In seinem Skizzenbuch, so der Sohn, stehen auch Notizen zu Farben, Stimmungen und Bewegungsstrukturen. Beide schauen selbstkritisch und mit dem Blick des anderen auf ihre Arbeiten und tauschen sich über künstlerische Techniken aus. „Man sieht immer neue Sachen. Das ist das Schöne am künstlerischen Schaffen, dass es nie aufhört“, so André Uhlig. Ralf Uhlig will mit seiner Frau dieses Jahr nach Albanien reisen, da dort noch wenig Tourismus herrsche. André Uhlig will im August einige Tage in der Böhmischen Schweiz auf den Spuren von Caspar David Friedrich zusammen mit den Künstlern Hans Wutzler und Ramona Sonntag und tschechischen Kollegen wandern und zeichnen und die entstehenden Arbeiten ausstellen. Ralf Uhlig öffnet wieder seinen Garten innerhalb der Veranstaltung „Kunst geht in Gärten“, bei der die Bilder einfallsreich platziert im Grünen im Mittelpunkt stehen sollten, so sein Anspruch. Die nächste Ausstellung von André Uhlig ist im Sommer im Weingut Aust in Radebeul und weitere Arbeiten zeigt er im Juli im Heimatmuseum Schellerhau. Vielleicht klappt es ja auch einmal mit einer gemeinsamen Werkschau von Ralf und André Uhlig, die jeder längst ihre eigene, besondere Handschrift gefunden haben.

Text + Fotos (lv)

http://www.andreuhlig.de
http://www.ralfuhlig-malerradebeul.de

Atelierbesuch bei Michele Cyranka in Tharandt


Schwungvolles Farb- und Formenspiel & weibliche Urkraft verwoben: Die Künstlerin Michele Cyranka in ihrem Schaffensreich in Tharandt.

Atelierbesuch bei Michele Cyranka
Tanz der Farben, Formen und Linien

In einem ehemaligen Papiergeschäft in Tharandt hat die Künstlerin sich ihr eigenes Reich mit Raum zum Malen, Drucken und Töpfern geschaffen und bietet auch Kurse an.

Sonnenlicht fällt durch die Fenster auf die Bilder, lässt die Farben auf den Leinwänden noch heller leuchten und fließt in dunklen Schattenlinien über sie hinweg. Farbige Keramik, Kannen, Becher, Schalen, Kerzenleuchter und Kleinplastik stehen auf einem langen Tisch, auf Schränken und Regalen im Eingangsraum des Ateliers von Michele Cyranka in Tharandt. Auf den Fensterbrettern neben Blumentöpfen aufgereiht kleine Figuren, grazile Tänzerinnen, beschwingte, fantasievolle Wesen, leicht und kugelrund. Auf einem schwarzen Klavier liegen Skizzenbücher mit Notizen, kleine Grafiken und Kunstkataloge.

Die Augen gehen einem über und das Herz auf im Atelier von Michele Cyranka. Es ist ein eigener Kosmos, den sie hier erschaffen hat. „Mein Herz ist meine Arbeitsgrundlage“, sagt sie. Ehemals, anfangs des 20. Jahrhunderts, befand sich in dem Gebäude an der Roßmäßler Straße 46 in Tharandt eine Schreibwaren- und Papierhandlung, die zwei Schwestern, beide unverheiratet, führten. Das Haus stand 20 Jahre leer, die Fensterläden zugenagelt. Bis Michele Cyranka 2016 die drei Erdgeschossräume zufällig entdeckte auf der Suche nach etwas Neuen. „Ich hatte großes Glück, dass der Hauseigentümer das denkmalgeschützte Gebäude gerade sanierte und vieles im originalen Zustand gelassen hat wie die Holzdielen, die hellen, unverputzten Sandsteinwände, gemauerte Ziegelsimse über den Fenstern, Verzierungen und sichtbare Rohrleitungen entlang der Decke“, erzählt die Künstlerin. „Es ist für mich und ihn ein Gewinn, zu einem moderaten Preis. Es ist als hätten die Räume auf mich gewartet.“ Sie fühlt sich wohl hier. „Es hat auch wieder mit Papier zu tun.“ Die Druckerpresse im mittleren Raum ist reich bestückt mit Papieren.

Ringsherum stehen und lehnen kleine und große Bilder, meist Figürliches, Gesichter und Körper in zarten und schwungvollen Linien. Im hinteren Raum erhebt sich ein großer Farbberg auf der Palette am Stehpult, viele Tuben und Pinsel liegen griffbereit, auf der Staffelei steht ein neues Ölbild. Es zeigt eine Mondfrau mit heller Sichel und einer Kugel darauf, in einem Kleid aus nachtblau violetten Farbtönen mit einem schwarz und rötlich braunen, gelbäugigen Kater an ihrer Seite. Der ihrem Filou ähnelt, der sich nach sieben Jahren gerade von ihr verabschiedet hat. Ein Garten mit vielen alten Obstbäumen befindet sich am Hang hinter dem Wohnhaus, schräg gegenüber vom Atelier. Dort ist ihr Rückzugsort, skizziert und guckt sie abends gern Mond und Sterne, erzählt Michele Cyranka. Sie wurde 1964 in Leipzig geboren, wuchs in Radeberg auf, arbeitete in verschiedenen Berufen und absolvierte eine künstlerische Ausbildung bei Rolf Werstler und Rosso Majores. Seit 1992 ist sie freiberuflich als Künstlerin tätig und Mitglied im Sächsischen Künstlerbund. 1995 wurde ihr Sohn Leon und 1998 ihre Tochter Rose geboren. Nach ihrem Umzug von Dresden wohnt Michele Cyranka nun schon länger in Tharandt nah am Wald. Ringsum Hügel und verwunschene Wege, Wasser und Steine. Und nah an Dresden, an der Kultur, das schätzt sie.

“Von hier aus die Welt bereisen und wieder nachhause kommen ist schön“, sagt sie. In ihre Bilder aus dem Inneren fließen auch immer wieder Eindrücke aus der Natur, ihren runden, kreisenden Formen und weiblicher Urkraft und von Reisen nach Ägypten und Argentinien ein. Altägyptische Kulturen und Schöpfungsmythen faszinieren sie. Michele Cyranka malt gern mit Pinselschwüngen impulsiv aus der Bewegung heraus, im Tanz der Linien und Formen von konkret bis abstrahiert tauchen luftig leicht, sinnlich und geheimnisvoll farbreiche Figuren auf Leinwänden und Papieren auf. Sie tanzt selbst gern. Der ausdrucks- und zeichenreiche Farbreigen ihrer Bilder reicht von warmem Gelb, Orange, Erdbraun, zarten Grau- und Blautönen bis zu kräftigem Türkis, Grün, Weinrot und Violett, verwoben mit schwebend, versunkenen Körperumrissen.

Vorn im Töpferraum steht ein Brennofen, Materialien, Farbrollen, zwei farbenfrohe Katzenbilder und viele Tondinge. Hier trifft sich ein Keramikkurs immer donnerstags von 19 bis 21 Uhr. „Drei der Teilnehmer sind schon seit 18 Jahren bei mir und jede hat ihren eigenen Stil inzwischen entwickelt“, sagt Michele Cyranka stolz. Drei Plätze sind noch frei im Kurs.

In ihrem nächsten Workshop mit dem Titel „Erkenne die Göttin in dir“ am 11. Mai, von 10 bis 14 Uhr, geht es gemeinsam mit den Teilnehmerinnen auf eine kreative Reise, bei der sie Klänge, Farben und Formen strömen lassen, sich mit ihrer eigenen, inneren Quelle verbinden und neue Wege für sich entdecken können.

Text + Fotos (lv)

Kontakt: http://www.atelier-cyranka.de

 

Premiere „Das Schloss“ von Franz Kafka im Schauspielhaus Dresden


Verführen und Vermessen von menschlicher Leidenschaft, Macht und Ohnmacht: als Landvermesser K. (Moritz Kienemann) und seine Geliebte, Frieda (Kaya Loewe), dazwischen der mit dem Amtsschimmel erprobte, zwielichtige Wirt und Gemeindevorsteher (Holger Hübner). Foto: Sebastian Hoppe

Grotesker Kampf gegen Despoten in Luftschlössern

Reichlich komisch-absurd, bilderstark, intensiv und eindringlich mischen sich Traum- und reale Welt in der Inszenierung von Franz Kafkas „Das Schloss“ im Schauspielhaus Dresden.

Über der dunklen Bühne schwebt ein weiß gleißendes Gebilde wie ein riesiges Loch oder Heiligenschein. Aus der Tiefe dringt unsichtbar, lautes Seufzen, Ächzen und Knarren als drehe und winde sich dort die uralte Erdmutter. Der Vollmond steht am Sternenhimmel, davor erhebt sich ein hoher, verschachtelter Bau wie eine Trutzburg aus grauen Kästen, schwarzen Fensterhöhlen und käfigartigen Gerüsten. Mit der Drehbühne drehen sich die grau gekleideten Figuren, Männer mit Fellmützen, Frauen mit Kopftüchern mitsamt ihren monotonen Verrichtungen im Kreis. Daraus sticht in leuchtend gelbem Overall ein nächtlicher Wanderer heraus, ein junger Mann namens K., der sich zum gewünschten Landvermesser erklärt, nachdem er nach längerer Reise ein Dorf erreicht hat. Er braucht eine Erlaubnis zum Übernachten von den Schlossherren und will so schnell wie möglich seiner Arbeit nachgehen. Doch es ist schon Mitternacht, und nicht nur um diese Zeit keiner da oder zu sprechen im Schloss für die Dorfbewohner. Warum haben Sie mich dann geweckt?!, wundert sich K.

So absurd, traumwandlerisch, eben kafkaesk ist das ganze Stück „Das Schloss“ von Franz Kafka. Nach seinem 1922 entstandenen, unvollendeten Roman, der 1926 postum von Max Brod veröffentlicht wurde, kam die Inszenierung unter Regie von Maxim Didenko am vergangenen Sonnabend auf die Bühne im Schauspielhaus Dresden. 2022 emigrierte er aus Russland und lebt und arbeitet nun in Deutschland. Das Schloss ist seine erste Arbeit am Staatsschauspiel Dresden. Er schafft es für die Dauer von fast drei Stunden, die nicht nur düstere, sondern auch sehr skurrile, geheimnisvolle und anspielungsreiche Traumwelt Kafkas kurzweilig, einfallsreich und spannend mit viel eigenem Deutungsspielraum für die Zuschauer lebendig werden zu lassen.

Zu erleben war reichlich komisch-groteskes, bilderstarkes Theater auf mehreren Spielebenen, mit Körper-Schattenspiel und Videoprojektionen und viel Spielleidenschaft des Schauspielerensembles. Das Ganze wirkt wie ein Albtraum und eine Selbstbefragung von K. zwischen Schlafen und Wachen, surreal und real, zeitlos, intensiv und eindringlich vor gespenstiger Kulisse, gegen die er immer wieder ankämpft, gegen Unfreiheit und Despoten, gegen Willkür und das Wirrwarr unsinniger, sich selbst widersprechender Vorschriften und überbordender, lebensfremder Bürokratie, die Menschen klein halten, von selbstständigem Denken und Handeln abhalten. Ihm begegnen Stumpfsinn, blinde Ergebenheit und Gleichgültigkeit, in die K. einbricht und die Dorfbewohner aus ihrer Ruhe und Gewohnheiten reißt. Er ist ein Fremder, Eindringling und Sonderling, den sie misstrauisch anschauen, da er an seinem Vorhaben festhält, persönlich im Schloss vorzusprechen, bevor etwas Schriftliches auf dem endlosen Aktenweg verloren geht. Damit zieht er Spott, Ärger und Abwehr der Alteingesessenen auf sich, was für ein anmaßendes, vermessenes, wahnwitziges Unterfangen von Einem, der nichts ist! Man staunt, lacht, bangt und hofft mit K. als Landvermesser bis zum Schluss, dass er doch noch etwas ausrichten kann, dass es nicht nur leere Luftschlösser voll unerfüllter Wünsche und Träume bleiben.
Viel Beifall und Bravos für einen leidenschaftlichen, wild verwegenen, kafkaesken Theaterabend.

Text (lv)
Mehr Text zu den Figuren und Darstellern folgt.

Nächste Termine: 8. und 13.5., 19.30 Uhr

http://www.staatsschauspiel-dresden.de


Vermessen der eigenen Wünsche und Ziele zwischen Traum und Realität: Olga (Gina Calinoiu), die mit ihren klugen Gedankenflügen K. (Moritz Kienemann) anzieht und anstachelt, weiterzugehen. Foto: Sebastian Hoppe

Buch-Premiere Volker Braun: „Fortwährender Versuch, mit Gewalten zu leben“ in der Zentralbibliothek im Kulturpalast Dresden


Vielschichtige Versuche über die Abgründe & Widersprüche unserer globalisierten Welt: Darüber liest Volker Braun in seinem neuen Prosaband. Foto: Zentralbibliothek im Kulturpalast

Volker Braun: »Fortwährender Versuch, mit Gewalten zu leben«

Der in Dresden geborene Lyriker und Schriftsteller liest aus seinem druckfrischen Prosaband am Montag, dem 29. April, 19.30 Uhr in der Zentralbibliothek im Kulturpalast Dresden, Besuchereingang: Wilsdruffer Straße/Schlossstraße 2.

»Früher hätte man die Welt verlassen können, einfach die Zelte abbrechen können, jetzt gibt’s keine Anderwelt mehr, wir sind im Überall.«

Der große Dramaturg, Lyriker und Prosaautor Volker Braun, der vor 85 Jahren in Dresden geboren wurde und heute in Berlin lebt, liest aus seinem druckfrischen Prosaband, in dem er sich mit geschärftem Blick für die Zusammenbindung der Welt und bekannter sprachlicher Virtuosität den großen Fragen, die in die Zukunft reichen, nähert: Was macht unser heutiges »Überall« aus? Welchen Gewalten ist es ausgesetzt? Und was passiert, wenn die Gegner nicht mehr Staaten sind, sondern Stürme? Seine Bewegung führt auf die eurasische Landmasse, in das Berliner Liquidrom sowie in den Schlosspark Niederschönhausen, wo ihn die Stimmen seiner Begleiter umgeistern.

Volker Brauns »Versuche« über die Abgründe und Widersprüche unserer globalisierten Welt überraschen in ihrer Vielschichtigkeit und brillieren in ihrer Sprachgewalt.

Moderation: Hans-Peter Lühr, Dresden

Eine Kooperation der Sächsischen Akademie der Künste mit den Städtischen Bibliotheken Dresden.

Veranstaltungs-Tipp:
Jörg Scholz-Nollau/Buchhandlung LeseZeichen

-- 
Ladenöffnungszeiten:

Montag bis Freitag: 10 - 13 und 15 - 19 Uhr 
Samstag: 10 - 14 Uhr 

Buchhandlung LeseZeichen
Priessnitzstrasse 56
01099 Dresden

Inh.: Jörg Scholz-Nollau

Tel. 0351-8033914
Fax 0351-8033915
www.buchlesen.de
info@buchlesen.de

Neue Natur- und Katzen-Lyrik

Frühlingsabend

Der Himmel ein riesig graublaues
Aquarell nach dem Regen
ein paar rosige und helle Schimmer
am Saum die Sonne brach noch einmal hervor

vor dem Fenster fährt der Bus
vorbei in dem ich und das kleine Fellwesen
in der blauen Box saßen eine Woche Zittern
und Hoffen
schau ihm hinterher
gibt kein Zurück mehr

ich sitze an der Balkontür
seh den Streifen Licht am Himmel
die grauweiß getigerte inspiziert an den
Pflanztöpfen
das frische Grün wo Du vorher standest
die Zweige noch leer

und springt auf den Tisch räkelt sich hin
und schaut wo Du bleibst
fegt davon und wieder zurück
immer noch leer der Platz
träumt still vor sich hin

die kleinen Sonnen auf der Wiese
schlafen die Blätter eingerollt und die
vielen Gänseblumen wo wir saßen
leuchten wie Sterne

4.4.2024

Rhabarberzeit

Die Magie der zart grünen rosigen Stangen
weckt mein Verlangen
feinfaserig die Stiele
gelöst in Stücke federleicht
Frühlingsduft in jeder Pore
weckt Wohlbehagen aus Kindertagen
im hohen Gras liegen an nichts sattsehen
auf verschwiegenen Wiesen
warme Hände spüren
butterweich vom Teig
vom Rühren
geschwungene Formen
öffnen vertiefen sich
fließen ineinander

die grauweiß getigerte sieht
ungerührt zu vom Balkon aus
ein weißer Falter fliegt mir zu
ich weiß das bist du
Aromen kitzeln den Daumen
mit jedem Stück
kehrt die Vorfreude auf
Rhabarberkuchen mit Eischnee
und Puderzucker überzogene
Küsse zurück

LV
13.4.2024

Sonniges Wesen
(Für Lina)

Ich zähl die Tage
nicht mehr
die durch mein Leben
rinnen
nicht auf und ab halten
all die Licht und Schattengeister
kommen und gehen

gestern Abend tobte ein Sturm
zitterte um die Blütenbäume
heute Mittag reißt ins graue
Wolkenschiff ein Leck
die Sonne bricht hervor
ein weißer Vogel fliegt
am Fenster vorbei
was war ist weg

doch du bist überall
dein sanftes Lächeln
und Staunen über alles
was blüht sprießt fliegt
über mir und dir
der nachtblaue Himmel
voll rosa Wolken
springst nun mein weißschwarzes
Fellknäuel weiter da vertreibst meine Schwermut
wir bleiben uns nah

LV
16.4.2024

Katz und Maus

Die Pfoten des roten Katzentiers
zucken wild
als es die weiße Katze
mit der Maus traulich sieht
Na los, leg deine Krallen ran
herrscht er sie an
sonst schnapp ich mir
das süße Ding
die weiße Katze zittert vor Schreck
und hält das Mäuslein von ihm fern
nicht alle haben sich zum Fressen gern

LV
28.4.2024

Lebensgeister/William Shakespeare
(Für Lina)

I
Mir fielen die Worte wieder ein:
Wir halten ihr Herz und ihre Atmung an
helfen nur nach
sagten sie nach der Untersuchung
Es war die richtige Entscheidung
nach der Einschlafspritze
Sie lässt mich nicht los
ihr Lebensrest das letzte Lebensfünkchen
schwelt in mir weiter

II
Der Name stand über einem Foto
im Netz mit zwei Katzen
eine weiß die andere grau
wie Romeo und Julia
lagen die kleinen Fellknäuel
vornüber mit großen Augen
auf dem Pflaster
auf dem weiten fast menschenleeren Platz
hinter ihnen das Theater

LV
28.4.2024

 

Wolkenschafe

Sie ziehen weiter mit den Wolken
am Himmel
ohne Stillstand
vielmehr stete Bewegung
und Beständigkeit
watteweiche Tupfer
auf der Wiese am Fluss
grasen sie kitzeln die Erde
neigen sich tief zu ihr
sanftmütig in der Herde
ab und zu ein Mäh schallt
weithin mit den Vogelstimmen

am Ufer gegenüber die Gefiederten
spitzen die Schnäbel im Sand
nach Essbarem Apfelstücke
bleiben liegen die Weißbrotscheiben
holen die Raben
flattern wild mit den Tauben
ein Junge zeigt aufgeregt eine weiße
hin zu den hingeworfenen Sonnenblumenkernen
die sie mögen

Wildgänse fliegen kreischend auf
an der weißen Herde vorbei
ziehen sie am Fluss entlang
der nie ruht alles spiegelt

LV
28.4.

Wonnetag

Das Licht wandert
über das Meer aus Sternblumen
das empor wächst am alten Hafen
seh es von weitem
dort sitzt heute schon jemand
auf dem Stein inmitten unzähliger Sterne
ohne hinzusehen starr der Blick aufs Display
ziehe weiter mit dem Fluss
auf einer Anhöhe im Gewirr der Gräser
die sich biegen wiegen wieder aufrichten im Wind
im Gezweig wildes Gezwitscher und Lüste hinterm
Blättervorhang blinzelndes Sonnenlicht breitet sich
aus
zerfließt in Wonne auf dem Fluss
über mir die hinreißend leichten Flügelschwünge der
Wasservögel
das erste Mal barfuß im Gras verankere ich mich
neu
an diesem ersten Maientag

LV
1.5.2024

Die Früchte des Lebens

Ein wenig kafkaesk
vor seinem Schloss
back ich einen Kuchen
als Wegzehrung wenn der Landvermesser
durch die Niederungen irrt
keiner nichts vermisst
Gebt der Erde ihren Früchten
mehr Gewicht
streut Puderzucker auf die Wunden
des Lebens wärmt Euch am Teig
auf dem Rhabarber und Erdbeeren
saftig zerschmelzen im Tanz
der Aromen auf der Zunge
haltet Euch ans Licht
die Kunst der Trennung
Eiweiße und Eigelbe
aus der Schale lösen
ihren Saft und Dotter auffangen
schaumig schlagen
kommen wieder zusammen
unter der Eischnee Kuchenhaube
mit gerösteten Mandelblättchen
und Puderzucker
zerfließt im Mund
das allerschönste Gedicht

LV
4.5.2024

Regen

Rinnt rausch strömt
im Grünmeer vor dem Fenster
Langersehnte Frische
spült nicht weg
die Schatten in mir
der Regen fällt zu dir
in die Erde
und ich kann dich nicht
schützen nicht mehr
sie umhüllt dich
du liegst still da
und immer noch wach
bei mir Tag und Nacht
seh dich als du nicht
aus deiner Höhle
wolltest
und ich nicht einfach
zusehen konnte was wird
du wolltest bleiben
ich musste dich losreißen
hast den Blumenkasten
samt Erde umgerissen im Wintergarten
schwarze frische Erde blieb liegen

gestern flog ein kleiner weißer Falter
vor mir her immer wieder bei den
Pflanzen auf dem Balkon
wo du gern saßest streichst weiter
um mich
die grauweiß getigerte legte eine grüne
Stoffmaus und einen Federball unters Sofa
als kämst du gleich wieder

LV
5.5.2024

Alle Texte + Fotos: Lilli Vostry
(Weitere Fotos folgen.)

Zum Welttag des Buches für literarische Feinschmecker: „Die Flüchtigen“ von Alain Damasio & „Winterbergs letzte Reise“ von Jaroslav Rudis

Zum Welttag des Buches am 23. April – nun auch schon wieder vorbei – hier zwei Empfehlungen von mir, die ich schon länger vorstellen wollte, da sie ein besonderes Lesevergnügen sind!

Verrückt-komische Jagd von Monstern der Moderne auf flüchtige Fantasie-Wesen

Ein weißer Vogel mit aufgespannten Flügeln und spitzem Schabel überfliegt ein Meer aus grauen Blasen. Winzig steht orange am Rand der Buchtitel „Die Flüchtigen“ von Alain Damasio, aus dem Französischen übersetzt von Milena Adam. Die Flüchtigen, das sind in diesem Roman jene wundersamen Wesen, die im toten Winkel der Wahrnehmung in den Menschen leben, die für Fantasie, Lebendigkeit und echtes Leben stehen und gnadenlos gejagt werden von ominösen Techniküberwachern. In ihre Fänge gerät Lorca, ein Mann Mitte 40, dessen kleine Tochter Tishka eines Morgens verschwunden ist, obwohl alle Fenster und Türen verschwunden sind. Er und seine Frau Sahar vermuten, dass Tishka bei den Flüchtigen ist. Lorca begibt sich auf die unmöglich scheinende Suche nach ihr. Damasios Roman entführt hochspannend, fantastisch, geheimnisvoll und düster, beklemmend zugleich, voller verrückt komischer Einfälle in sehr atmosphärischer, bildreicher und poetischer Sprache mit faszinierenden Wortschöpfungen in eine hochtechnisierte, digitale Welt und Schein-Realität voller Illusionen, die mal sehr fern und dann wieder erschreckend nah wirkt. Es ist ein atemberaubender Blick in die Zukunft, über die Möglichkeiten und Grenzen moderner Kommunikationstechnik, mit der der Mensch immer mehr in virtuelle Räume vordringt und sich immer mehr von der Natur und seinen Ursprüngen entfremdet. Ein beeindruckendes, wagemutiges, unheimlich fesselndes Buch, eins der besten der letzten Jahre!

Alain Damasio „Die Flüchtigen“, erschienen im Verlag Matthes & Seitz Berlin, 2021, 838 Seiten, 28 Euro.

Wundervolle Reise durch die Zeit, Landschaften und die Geschichte Mitteleuropas

Es ist eine Geschichte voller Zufälle, merkwürdiger Begegnungen und Begebenheiten, die vieles aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt holen, Erinnerungen wachrufen, Träume ins Leben zurückholen und alte Wunden heilen. Wundervoll, skurril, abenteuerlich, traurig, komisch und aufschlussreich erzählt Jaroslav Rudis in „Winterbergs letzte Reise“ – seinem ersten auf Deutsch geschriebenen Roman, der 2019 für den Preis der Leipziger Buchmesse für Belletristik nominiert war – die Lebensgeschichte eines alten Mannes, Wenzel Winterberg, geboren 1918 in Liberec, Reichenberg und des ihn begleitenden Altenpflegers. Jan Kraus, der aus Vimperk in Böhmen, das früher Winterberg hieß, kommt. Am Krankenbett in einem Altenheim in Berlin lernt er Winterberg kennen, der gelähmt und abwesend im Bett liegt. Es sind Kraus` Erzählungen aus seiner Heimat, die Winterbergs Lebensgeister wieder wecken und er hat noch einen Wunsch: mit Kraus zusammen eine letzte Reise antreten, auf der Suche nach einer verlorenen Liebe. Sie begeben sich auf eine Eisenbahnreise, die sie durch die Geschichte Mitteleuropas führt. Rudis nimmt seine LeserInnen mit auf eine außergewöhnliches, packende und berührende Reise durch verschwundene und gegenwärtige Landschaften, Länder und Zeiten. Und so landen sie auf dem einstigen Schlachtfeld bei Königgrätz, in diesem Wald im Schnee. Der Rhythmus der lebhaft, kraftvoll, detailreichen Sprache hat einen eigenen Sog, mal melodisch, ruhig fließend wie die Züge, mal bewegt, längere und kurze Textpassagen, manchmal nur ein Wort. Es geht nahe, tut weh und gut in seiner schonungslosen Direktheit in der Beschreibung des todkranken Patienten, wie er sich noch einmal aufrafft ins Leben, die Orte besucht, die schrecklichen und schönen, die ihn nicht loslassen, um zu finden, was er sucht. Wunderbar, voller Ironie, Leichtigkeit und Hintersinn die Gespräche der beiden über Geschichten und Geschichte, aus der es kein Entkommen gibt, die sich wehrt, uns angreift, in der man sich sogar vielleicht verlieren muss, um sie zu verstehen, die Geschichte. Und man darf nicht aufgeben. Man muss versuchen sie zu verstehen. Winterberg sagt wie nebenbei Sätze, die aufhorchen lassen, über die Lieben und die Krisen und vor allem über die Kriege. „Wir wissen immer, wenn es vorbei ist, doch wir wissen nie, wann es angefangen hat zu bröckeln.“

Jaroslav Rudis, „Winterbergs letzte Reise“, erschienen im Luchterhand Literaturverlag München, 2019, 540 Seiten, 24 Euro.

Texte (lv)

Weitere Leseeindrücke und Buch-Tipps folgen demnächst.

Gruppe Spielbrett


Eine Szene aus der Inszenierung „Jubiläum – Eine Geisterstunde“ von George Tabori, aufgeführt von der Theatergruppe „Spielbrett“ unter Regie von Ulrich Schwarz. Foto: Tanja Grunert

Ein Spiel-Platz der Toten

Mit bissigem Witz und viel Kraft erzählt das Stück „Jubiläum – Eine Geisterstunde“ von George Tabori über den Umgang mit jüdischem Leben und Kultur in Vergangenheit und Gegenwart.

Die Akteure sind sehr stolz, mitteilen zu können, dass die Theatergruppe Spielbrett e.V. mit seiner Inszenierung „Jubiläum – Eine Geisterstunde“ von George Tabori für den Deutschen Amateurtheaterpreis 2024 des Bundesverbands Deutscher Amateurtheater nominiert ist. Die nächste Möglichkeit, diese Inszenierung zu sehen, ist der 9. Juni, 19 Uhr im Theaterhaus Rudi. Fechnerstraße 2a in Dresden.

George Taboris „Jubiläum“ feierte am 28. und 29. Januar 2023 in einer Aufführung der Theatergruppe Spielbrett unter Regie ihres künstlerischen Leiters Ulrich Schwarz Premiere im Theaterhaus Rudi in Dresden. Diese Inszenierung führt auf einen ganz besonderen Friedhof. Die letzte Nacht Geisterstunde auf einem Friedhof, der morgen eingeebnet werden soll für einen Spielplatz. Die Toten feiern Abschied und machen ihn schon jetzt zu ihrem Spiel-Platz. Da treffen der Musiker mit seiner Frau und der behinderten Nichte auf ein schwules Paar. Sie alle haben eines gemeinsam: sie sind alle Juden, ob sie wollen oder nicht. Und jeder hat seinen besonderen Tod gehabt, wohlgemerkt: nach der Hitler-Diktatur. Nun werden sie – wie so oft – geweckt durch den Grab schändenden Neonazi, der sonst dem unsterblichen Totengräber zur Hand geht.

Erinnern, was man vergessen möchte

Das Erinnerungsspiel beginnt: Die Toten wollen die letzten Chance nutzen: Sie feiern ihre vergangenen Jubiläen, damit diese nicht totgeschwiegen werden. Die Stichworte für ihre Geschichten liefert ihnen die Gegenwart – auch die Wut des Neonazis und
die Gleichgültigkeit des Friedhofsgärtners. Scheinbar finden sie erst dann Frieden, wenn sie an das erinnern, was sie lieber vergessen würden. Können sie erlöst werden? Wird ihr Fest des menschlichen Lebens das Totschweigen beenden? Und wurde in Auschwitz doch nur Brot gebacken?


Humor und Geschichte?

Taboris Humor, seine Kalauer und Schlüpfrigkeiten sind alles andere als politisch korrekt. Aber sie lösen die moralische Verkrampfung, die sich zwanghaft einstellt, wenn sich Deutsche mit ihrer Vergangenheit beschäftigen. Für Spielbrett ist es nicht der erste Ausflug in die Vergangenheit. Nach der „Deutschland-Trilogie“ (2006-2009) und dem „Heimatabend“ (2016) – möchte Spielbrett der deutschen Geschichte und Gegenwart erneut auf die Finger schauen. Denn das Thema Antisemitismus gehört noch lange nicht der Vergangenheit an: Erst jüngst schrieb DIE ZEIT, dass ‚Du Jude‘ zu den häufigsten Schimpfwörtern auf deutschen Schulhöfen gehöre. Spielbrett will mit Taboris bissigem Witz, seiner Kraft und dem herrlich politisch Unkorrektem seines Stücks zeigen, dass Erinnern vor dem Verfall schützt – auch vor dem moralischen.
„Jeder wirkliche Humor ist schwarz.“ (George Tabori).

Weitere Informationen gibt es unter http://www.spielbrett.info.

Text: Claudia Leutemann/ Öffentlichkeitsarbeit bei der Gruppe „Spielbrett“

Premiere „Achtsam morden“ – Krimikomödie in der Comödie Dresden


Immer ruhig und gelassen bleiben, nur nicht nervös
werden bei der Verbrecherjagd: Der Anwalt Björn Diemel (Ronald Spiess) übernimmt immer mehr die Rolle seines spurlos verschwundenen Mandanten, dem Mafiabos Dragan in dieser Krimikomödie. Ihm zur Seite in mehreren Rollen Benjamin Hille und Daniela Michel. Foto: Robert Jentzsch

Rasant komisches Spiel um Leben und Tod

Für Lachen und Gänsehaut mit viel schwarzem Humor, Action und schnellem Rollenwechsel sorgt die Krimikomödie „Achtsam morden“ in der Comödie Dresden.

Seelenruhig steigt der Mann im Dunkeln aus seinem schwarzen Schutzanzug. Björn Diemel ist ein erfolgreicher Anwalt, 42, und hat noch nie einen Menschen umgebracht. Doch dann vertritt er einen schuldigen Mafiaboss als Mandanten und steht bald selbst mitten im Schlamassel. Dabei setzt er um, was er gerade in einem Achtsamkeitsseminar gelernt hat, zu dem ihn seine Frau drängte, um Beruf und Familie wieder in Balance zu bringen, allerdings handelt er anders als erwartet. „Achtsam morden“ – ebenso paradox wie schwarzhumorig geht es zu in der Krimikomödie nach dem Bestsellerroman von Karsten Dusse, der aus einer Juristenfamilie kommt. Die Premiere in der Bühnenfassung von Bernd Schmidt war letzte Woche in der Comödie Dresden.

Vorher muss man aufpassen, nicht in die blutroten Fußspuren am Eingang und im Foyer zu treten. Dort sitzt am Premierenabend auf einem Podest eine Frau, Kristin Voß, in weißen Sachen mit einer Klangschale in der Hand und singt mit sanfter Stimme unbeirrt vom regen Besuchergewimmel. Auf der Bühnenmitte prangt groß das Wort „Kanzlei“, davor steht im Schatten einer Hauswand eine Buddhafigur und orange leuchtet der Raum gegenüber. Der Achtsamkeitstrainer (sachlich nüchtern: Benjamin Hille) wirkt beruhigend auf den Anwalt (clever-abgeklärt: Ronald Spiess) ein und bringt ihm ein paar grundlegende Lektionen bei wie den Atem spüren, einfach leben ohne zu bewerten und liebevoll zu sich selbst sein. Und gibt ihm ein Ratgeber-Buch mit: „Entschleunigt leben auf der Überholspur“.

Es steht auch einiges auf dem Spiel. Seine Frau Katharina (energisch: Daniela Michel) im roten Mantel droht mit Scheidung und dass er seine kleine Tochter Emily nie wieder sieht, wenn sein Job ihm weiter wichtiger sei und sie nur noch streiten. Doch kaum ist der Anwalt mit Emily gestartet zu dem Ausflug ins Wochenendhaus am See, kommt ein Anruf von Mafiaboss Dragan. Auf einem Parkplatz kamen sich bei der Übergabe zwei Drogenhändlerbanden in die Quere, es gab zwei Tote­. Ein Bus mit Schulkindern traf gerade in dem Moment dort ein und sie filmten eifrig mit ihren Handys die Verbrecher, hielten das Ganze wohl für eine Actionszene. Der Anwalt soll die Sache nun für Dragan regeln, sonst werde es seine Tochter nicht überleben. Er fungiert als Erzähler, rollt an der Wand eine Täterkartei mit Fotos aus und erklärt dem Publikum die  Zusammenhänge. Dennoch fällt es schwer, die Übersicht zu behalten und die Achtsamkeit bei der Verbrecherjagd wird absurdum geführt. Eine Schauspielerin und zwei Schauspieler bringen achtzehn Figuren in rasant komischem Rollen- und Kostümwechsel auf die Bühne und entführen mit viel schwarzem Humor und brutalem Gossenjargon ins Verbrechermilieu.

Nachdem Dragan spurlos verschwunden ist, übernimmt der Anwalt seine Rolle und erteilt den anderen Bandenmitgliedern seine Anweisungen. Er wird immer abgebrühter, hartgesottener und fühlt sich frei, atmet tief und übersteht mit einem Lächeln jede heikle Situation. Etwa wenn eine Frau von der Mordkommission Verdacht schöpft und ihn befragt, z.B. zu dem gefundenen Finger mit Siegelring von Dragan in der Nähe des Anwaltgrundstücks. Boris, ein Russe im Pelzmantel und seine Geliebte setzen den Anwalt außerdem unter Druck und wollen Dragan sehen. Ein gnadenlos komisches Spiel auf Leben und Tod voller Verwicklungen und überraschender Wendungen ist diese Inszenierung unter Regie von Ingmar Otto. Absurd und traurig zugleich die Szene, in der die Gauner getarnt als Beteiligungsgesellschaft einen Kindergarten übernehmen, auf den kleinen Kinderstühlchen sitzen, einer gerissener als der andere, kichern und sich Schläge androhen und ihre nächsten Coups planen. Die Frau vom Anwalt ist happy, dass sie doch noch den heiß begehrten Kitaplatz für Emily bekommt und auch die Kriminalbeamtin arrangiert sich für einen Platz für ihren Sohn. Bei der abschließenden Explosion, bei der einer der Gauner hochfliegt, spritzen rote Luftschlangen ins Publikum. Für Lachen und Gänsehaut abwechselnd sorgt diese eigentlich todernste Komödie. Viel Beifall gab es dafür zur Premiere.

Text (lv)

http://www.comoedie-dresden.de