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Kategorien-Archiv: Theater

Premiere „Winterspeck“ in der Comödie Dresden

24 Samstag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Theater

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Knallhartes Trio der Besinnlichkeitsverweigerinnen: Drei sehr verschiedene Damen knebeln Santa Claus und entdecken Weihnachten für sich neu. Foto: Robert Jentzsch

Eine verrückt-komische Alternative für Weihnachtsmuffel

Mit reichlich schrägem Humor und Herzblut parodiert die Komödie „Wnterspeck“ scheinheilige Weihnachtsseligkeit. Zu erleben in der Comödie Dresden.

Alle Jahre wieder kommt der Heilige Abend. Doch nicht bei allen kommt Vorfreude auf. Drei Frauen entfliehen vor der verklärt romantischen Familienidylle unterm Lichterbaum, heimischen Fressorgien und Festtafelverhören und treffen aufeinander in Hardys Fitnessstudio als letzte Zuflucht in der Trash-Weihnachtskomödie „Winterspeck – Gans oder gar nicht“ von Lo Malinke. Die Premiere war am Mittwochabend in der Comödie Dresden.

Zwei Jahre nach der coronabedingten Spielpause kam die reichlich schräge, verrückt-komische Weihnachtskomödie unter Regie von Christian Kühn auf die Bühne. Ein kleiner Leuchtelch auf dem weißen Tisch und Lichterglanz hinter dem Schaufenster bilden die Kulisse im Sportstudio. Die Sportgeräte und der Sandsack sind das Mittel gegen Kummer- und Winterspeck der drei höchst verschiedenen Frauen. Sandra (krankhaft erfolgshungrig: Julia Alsheimer) trimmt ihren Körper zu flotten Klängen mit Gymnastikübungen und strampelt sich wie besessen auf dem Fahrradtrainer ab. Sie hungert, schreit auf bei Reizworten wie Schokolade und Braten und beißt heißhungrig in einen Deko-Lebkuchen aus Bauschaum. Das pralle Gegenteil von ihr ist Gudrun (reichlich überdreht: Mackie Heilmann). Sie bekam die Mitgliedschaft im Fitnessstudio letztes Jahr von ihrer Firma geschenkt und beschwert sich, dass sie noch kein Kilo abgenommen hat, ihr Schrittzähler ist meist Stand by. Gudrun ist Dauersingle, derb, direkt und flippt aus wie eine Furie bei jedem Anzeichen von Romantik oder Besinnlichkeit und verdrängt mit der rauen Art ihre Einsamkeit.

Mehr unfreiwillig platzt Karin herein, die auf der Fahrt zu ihrer Familie ausgerechnet den Geschenkekoffer stehenließ und aufgeregt mit der Bahn telefoniert, doch da meldet sich nur eine künstliche Ansagestimme. Humorvoll, kess, offen heraus und munter sächselnd, spielt die Rolle als weihnachtsgestresste Mutter und Oma die Schauspielerin Claudia Schmutzler, bekannt durch die Wendekomödie „Go Trabi Go“ (1991) an der Seite von Filmvater Wolfgang Stumph. Mit der Komödie „Winterspeck“ kehrt sie das erste Mal seit ihrer Jugend auf eine Bühne in ihrer Heimatstadt Dresden zurück und sorgt für reichlich Heiterkeit, wenn sie keuchend am Fitnessgerät rudert samt Einkaufstaschen, die wie Gewichte an ihren Armen hängen oder sie naiv selig lächelt als „Schaf“ in eine Decke gehüllt im Krippenspiel. Doch vorher fesselt und knebelt das knallharte Trio der Besinnlichkeitsverweigerungen Santa Claus, den Fitnesstrainer Hardy spielt (Benedikt Ivo) mit weiß blinkender Bommel im Mund. Auf Fitnessgeräten und Trampolin umherspringend, lassen sie zu Hardrockklängen ihren Frust heraus.

Im Kreis bei Kerzenschein erzählt jede von ihnen von Freud und Leid, Enttäuschungen und Trauer. Karin hat Panik hat vor dem ersten Weihnachtsfest ohne ihren Mann Tommy, will ihren Kindern nicht mit ihrer Heulerei das Fest vermasseln und sie will auch einfach mal nur die Karin sein und das tun, wozu sie  Lust hat. Sie essen Karins selbstgebackene, köstliche Speckschmalzstullen. Und sie entschenken sich, jede gibt ein ungeliebtes Geschenk in den Müllsack. Höhepunkt der Aufführung ist das flugs improvisierte Krippenspiel mit der Weihnachtsgeschichte für Senioren aus dem Pflegeheim. Einfallsreich und rasant komisch in Szene gesetzt, ziehen Maria und Joseph umher, schwebt Gudrun als Engel mit Flimmerkranz bibbernd vor Höhenangst am Seil.  Und liegt nach der frohen Botschaft Hardy als Jesuskind verzückt lächelnd in der Krippe. Nostalgische Weihnachtsmelodien mit Glöckchenklang und Glitzerkugel mit Lichtern, die wie Flocken tanzen, zaubern doch noch Weihnachtsstimmung und es wird warm um Herz. Auf der Bühne umarmen sich alle, tanzen ausgelassen und Weihnachtsmuffel Gudrun ruft Frohe Weihnachten! in den Saal. Viel Beifall für einen besonderen Theaterabend nach dem Motto: Weihnachten ist das, was wir daraus machen!

Text (lv)

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Premiere „Tausend Sonnen“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden

29 Dienstag Nov 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Projekte, Theater, Zwischenmenschliches

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In der Geschichte der Wismut graben zwischen Idealen, Illusionen und Wirklichkeit: die Akteure der Aufführung „Tausend Sonnen“ im Kleinen Haus. Foto: Sebastian Hoppe

Spannende Reise mit viel bodenständigem Humor
in die Welt der Bergleute

Rührende, ernste, nachdenkliche und komische Szenen, persönliche Erinnerungen und Erfahrungen mischen sich  in der Inszenierung „Tausend Sonnen“, einem Theaterprojekt der Bürger:Bühne im Kleinen Haus und holen bisher wenig bekannte sächsiscbe Bergbau- und Industriegeschichte ins Licht.

Ein funkelnder Schatz liegt tief unter der Erde im Erzgebirge. Verlockend, geheimnisvoll und gefährlich zugleich, ranken sich viele Geschichten, Wahres und Legenden um ihn. Licht ins Dunkel versucht die Aufführung „Tausend Sonnen“ zu bringen – ein Projekt zur Wismut und zur Uranförderung, das in einer Produktion der „Bürger:Bühne“ am Sonnabend Premiere hatte im Kleinen Haus des Staatschauspiels Dresden.

Eine Mauer aus grauen Pappkartons mit zwei Wachtürmen, durchzogen von Gesteinsblöcken und auf und ab schlängelnden Förderbändern umschließt wie eine Festung die Bühne unterm Dach. Vier Männer und zwei Frauen, deren Leben auf verschiedene Weise mit der Wismut – dem ehemals weltgrößten Unternehmen für Uranförderung in der DDR für das sowjetische Atomprogramm – verbunden sind, agieren mit viel Elan und Spielfreude in grell gelben Arbeitsanzügen. Eine ältere Dame in schwarzem Kleid erzählt eingangs eine nahe gehende Geschichte von einem jungen Bergmann, der bei einem Grubenunglück verschüttet und nach 60 Jahren gefunden wurde, sein toter Körper wurde nahezu unversehrt mit jungem Antlitz zurückgebracht zu seiner Braut, die ihn als alte Frau an ihr Herz schließt. Romantisch verklärte, traurige, ernste, nachdenkliche und komisch absurde Szenen zum Alltag der Bergleute bei der Wismut und persönliche Erinnerungen der Akteure fließen eindrucksvoll und spannend zusammen in dieser Inszenierung unter Regie von Tobias Rausch, dem Bürgerbühnenleiter.

Zwei Männer schauen, verkleidet als Kakerlaken mit langen, dunklen Fühlern ab und zu hervor aus dem Bergwerk und frohlocken, dass sie selbst die radioaktive Strahlung des Urans überlebt haben. Jeder der sechs Akteure hat seinen ganz eigenen Blick auf die Wismut und schildert seine Erlebnisse und Erfahrungen. Sven Sczibilanski wollte die Welt sehen und ein aufregendes Leben. Nachdem sein Traum bei der Handelsmarine geplatzt war, entschied er sich für eine Ausbildung zum Bergmann. „Rammeln, Leistung und Kohle zählten“, sagt er ohne Umschweife. Heinz Richter, der in der Handelsorganisation der Wismut arbeitete, hält ein Schild  mit der Aufschrift „Bananen“ hoch, die es wie andere Südfrüchte, Prämien und akzisefreien Trinkbranntwein, genannt „Kumpeltod“ für die Bergleute und ihre Familien als Anerkennung für die körperliche Schufterei gab. Er telefoniert sich die Finger und Stimme wund, wenn die Ware wieder mal ausgeht.

Vor den immer noch unter Tage lauernden Schadstoffen im Grundwasser und den Folgen für Mensch und Umwelt warnt der promovierte Gewässerkundler Kai-Uwe Ulrich. Christa Härtel kam als Kind mit ihrer Mutter nach Johanngeorgenstadt, die als Garderobenfrau mit ihr in einer Bergarbeiterbaracke wohnte und erlebte den Niedergang der Stadt durch Bodensenkungen mit. Bis heute verbindet sie eine Hassliebe mit diesem Ort. Silvia Weißbach erzählt von ihrer Zeit als Facharbeiterin für Geologie, von ihrer Faszination für die fossilen Gesteine, Geschichten von Berggeistern, die mit Musik und Lichtern wie tausend Sonnen die Menschen in den Berg locken und von der Suche nach Uranvorkommen. Doch es wurde nur von „Erz“ gesprochen und alles war „streng geheim“.

Mal ganz offen, mal flüsternd bei der Raucherpause geben sie alle nur Bruchteile ihrer Arbeit wie einst weiter, streiten, tanzen ausgelassen bei der Brigadefeier zu Salsa-Klängen und posieren als Bergmänner und heroische Helden: „Wismut, das ist Erz für den Frieden!“ Da geht es auf Zeitreise im ratternden Förderkorb zurück in die Geschichte des Erzbergbaus bis zur Schließung des unrentablen Wismutbetriebes 1991 und stehen die Akteure plötzlich mitten in der Gegenwart mit Energiekrise und dem Weiterbetrieb von Atomkraftwerken. Da prallen Ideale, Illusionen, Gerüchte, Halbwahrheiten und Widersprüche heftig aufeinander bei der gemeinsamen Annäherung an die Wahrheit. Schönes wie Schmerzliches, Traditionen wie Bergparaden und Stolz auf den Zusammenhalt verbinden die Wismuter bis heute.

Zum Schluss fragen die Akteure sich rückblickend, ob es das wert war. Sie wollten Teil von etwas Besonderem sein. Zusammen summen sie erst leise das Steiger-Lied, dann laut und kraftvoll mit dem zeitlosen Mutspruch: „Er hat sein helles Licht bei der Nacht…“ Reichlich Beifall gab es für einen Theaterabend, der offen, authentisch und mit viel bodenständigem Humor Einblick gewährt in ein spannendes, bewegendes, schwieriges und immer noch wenig bekanntes Stück Bergbaugeschichte und Lebensalltag im Osten Deutschlands.

Text (lv)

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Premiere „Der brave Soldat Schwejk“ in der Comödie Dresden

11 Freitag Nov 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Literatur, Theater, Zwischenmenschliches

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Von einer pikant brenzligen Situation in die nächste: In einer Paraderolle als „Soldat Schwejk“ glänzt der Komiker Thomas Böttcher. Fotos (2); Robert Jentzsch

Unerschütterlicher Humor gegen blinden Gehorsam

Von gemütlich zu explosiv, fröhlichen Klängen zu Marschmusik wechselt die Stimmung in der Komödie „Der brave Soldat Schwejk“ nach dem Schelmenroman von Jaroslav Hasek, der letzten Freitag Premiere in der Comödie Dresden feierte. Das beste Stück seit langem auf einer Dresdner Bühne und die Geschichte hochaktuell.

Er trägt sein Herz auf der Zunge und sein unerschütterlicher Humor ist Munition für die Mächtigen dieser Welt. Von beidem gibt es reichlich in der Komödie „Der brave Soldat Schwejk“ nach dem autobiographischen Schelmenroman von Jaroslav Hasek, der in einer Bearbeitung von Robert Gillner und Dominik Paetzholdt Premiere am Freitagabend in der Comödie Dresden feierte.

Die ebenso berührende wie bissige Satire um Obrigkeitshörigkeit, blinden Gehorsam, verlogene Doppelmoral der Befehlsgeber und bodenständige, gewitzte und untrügliche Volksweisheit ist im 100. Jubiläumsjahr der Romanvorlage aktueller denn je. Das Buch wurde in über 50 Sprachen übersetzt, verfilmt und für Theater und TV adaptiert. In einem Schwejk-Film von 1960 spielte Heinz Rühmann die Titelrolle. Die Inszenierung von Dominik Paetzholdt schafft das Kunststück, lustig und leicht bitterernste Themen wie die Angst vor Krieg, soziale Gräben und Spannungen und menschliche Zivilcourage auf die Bühne zu bringen. Sieben Schauspieler spielen um die 20 Rollen in kurzen Episoden, in schnellem Wechsel der Kostüme und Stimmungen und mit viel Situationskomik. Das turbulente Geschehen zwischen bierernst und tieftraurig vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird begleitet von abwechselnd flotten und schmissigen Walzerklängen wie dem Radetzkimarsch, volkstümlicher Blasmusik und romantischen, beschwingten Melodien. Vor der Kulisse eines Wirtshauses mit trist grauen Wänden und hohen Bogengängen trifft sich Freund und Feind, geht es offen und direkt, gemütlich und explosiv zu von einem Moment zum anderen.

Da sitzt Schwejk (herrlich schalkhaft-verschmitzt: Thomas Böttcher) in Jackett, Hut und Fliege beim Bier, bestellt gleich noch ein Dunkles aus Pietätsgründen, als er vom Attentat auf Herzog Ferdinand in Sarajevo erfährt und wird prompt von einem mithörenden Spitzel verhaftet, als er über den „beschissenen Kaiser“ von Österreich herzieht, obwohl es doch nur die Fliegen waren. Schwejk bittet um Handschellen, damit die Leute nicht denken, er gehe freiwillig mit einem Spitzel und bekommt Szenenapplaus dafür. Furchtlos, voll trockenem Humor, deftig und anrührend naiv-komisch spielt Thomas Böttcher, bekannt als Radiomoderator und Komiker, in einer Paraderolle wie auf den Leib geschrieben den „behördlich anerkannten Idioten“ Schwejk, der doch immer den Nagel auf den Kopf trifft. Als kluger Dummkopf bringt er Polizeibeamte, Ärzte und Oberste derart in Rage, dass ihnen reihum die angeklebten Schnauzbärte abfliegen zum Gaudi des Publikums. Ob bei der Musterung fürs Militär, im Spital bei den kriegsverweigernden, verschiedenste Krankheiten vortäuschenden Simulanten oder aus dem Zug an die Front geworfen, da er die Notbremse zog, überall trumpft Schwejk auf mit pointierten Sprüchen wie: „Nur mit Klisieren kann die Monarchie existieren!“ oder „Der Krieg ist nur was für reiche Leute!“

Mal ist er der Trottel, mal ein gefeierter patriotischer Held als Krüppel im Rollstuhl. Als Laufbursche des galanten Oberleutnants und Schürzenjägers Lukasch mit Wiener Dialekt (Ferdinand Kopeinig) hilft Schwejk ihm immer wieder aus der Bredouille, aus pikanten Situationen und springt notfalls samt seiner Manneskraft selbst ein bei gar zu liebeshungrigen Damen. Alle Frauenrollen wie auch eine spendable, geleimte Baronin und die fesche, besorgte Wirtin, spielt Dorothea Kriegl. Ein bisschen mehr Liebe und keiner hätte mehr Zeit für den saublöden Krieg!, kommentiert Schwejk dazu. Er entführt einen – echten – sehr lieben und folgsamen Hund für den Oberleutnant, den sein Herrchen jedoch beim Gassi gehen wieder erkennt und ihn strafversetzt an die Front. Schwejk begleitet den Oberleutnant bis zum letzten Atemzug. Nahegeht auch  die Szene mit dem russischem Soldat Ossip (Ulrich Milde), die beide die Gewehre niederlegen, sich nebeneinander setzen am Bühnenrand, ihre Geschichte erzählen und die Uniformen tauschen. Schwejk wird deswegen zum Tod verurteilt. In letzter Minute der erlösende Ruf: Der Krieg ist aus! Und Schwejk kann doch noch zur Verabredung mit seinem besten Freund Woditschka im Gasthaus. Er hat nur noch ein Bein. Der Spitzel sitzt auch wieder am Nebentisch. Alles ist so wie es war, nur bissl schlechter, sagt Schwejk. Und er hofft, dass mit dem Frieden auch der Verstand zurückkommt. Reichlich Beifall und stehende Ovationen gab es für einen Theaterabend, der großartig Unterhaltung und Haltung vereint. Bitte mehr von diesen Schwejks!

Text + Fotos (2) (lv)

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Spielte brav mit im Stück und bekam hinterher viel Applaus und Leckerli: Hund Charly, im Stück heißt er „Rosine“.

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Eröffnungsgala zum 37. Internationalen Pantomime Theater Festival in Dresden

03 Donnerstag Nov 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Genießen, Lebensart, Musik, Poesie, Projekte, Tanz, Theater, Zwischenmenschliches

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Verlockendes Spiel mit Orangen und Reise durch die Zeit

Faszinierendes Körper- und Bewegungstheater mit Mimekünstlern aus Frankreich, Spanien, Deutschland und Indien war am Mittwochabend zur Eröffnungsgala des 37. Internationalen Pantomime Festivals im Theaterhaus Rudi zu erleben. Insgesamt zeigen fünf Gruppen in acht Vorstellungen ihre Stücke bis Sonntag.

Der „Orangen-Kuss“ vom Titelplakat des diesjährigen Internationalen Pantormime Theater Festivals. Gestern abend zur Eröffnungsgala war er im Theaterhaus Rudi live zu sehen. Der Theaterraum war erfreulich gut gefüllt. Eine Frau und ein Mann halten eine Orange zwischen ihren Lippen. Teilen sie sich oder streiten darum. Das lässt das Bild offen. Es sieht sehr verlockend und verführerisch aus. Ebenso war auch der Auftritt der Compagnie Mangano-Massip aus Frankreich, die den Reigen der Mimekunst in allen Spielarten eindrucksvoll eröffneten. Betörend, zart und kraftvoll zugleich.

Buchstäblich mit allen Sinnen spielen, erstaunen und bezaubern Mangano und Massip mit ihrem sinnlich intensiven, tänzerischen Körper- und Bewegungstheater zu südländischen Giitarrenklängen. Ein Mann im hellen Anzug steht am Fenster, zieht die Jalousien hoch. Ein langer weißer Vorhang fällt fließend in den Raum, der in warmes Licht getaucht ist. Eine Frau kommt herein. Sie trägt ein schwarzes Kleid. Er hebt sie hoch, trägt sie durch den Raum. Sie balanciert vorsichtig, erkundet den Raum um sie herum. Auf dem Tisch das Spiel mit den Orangen. Sie hält eine Frucht vor ihren Körper. Sie tanzen zusammen, innige Nähe, im gleichen Rhythmus. Er schnipst mit den Fingern, ihre Körper stoßen aneinander, außer Takt. Ihre Arme greifen wie Grenzen, Schranken, Sperren an den Körpern vorbei ins Leere, sie fühlen sich eingesperrt, eng, starr. Spannende Gefühlskontraste über Miteinander und Freisein in Beziehungen und die Suche nach dem eigenen Weg und Wahrhaftigkeit. Die Kostprobe aus dem Stück „Les Aimants – Die Liebenden“ von Mangano-Massip machte Lust auf mehr und bekam reichlich Applaus. Zu seheen am Freitagabend, 20 Uhr im Rudi. Außerdem zeigt die Compagnie am Sonnabend, 17 Uhr ihr Stück „Alice in The Wonderbox“, eine Reise in virtuelle Welten, bei der Identität, Wirklichkeit und Schein absurdkomisch verschmelzen. Ein Stück zwischen gestischem Theater und Masken, Marionette und digitaler Kunst.

Körpertheater und Tanz verbindet beeindruckend auch der aus Puerto Rico stammende Mime und Tänzer Mai Rojas, der bereits viel gereist ist mit dem Circque de Soleil. Er zeigte Szenen aus dem Stück „A Skin Poem for a Cosy House“ – das Hautgedicht für ein gemütliches Haus“ ist im ersten Jahr der Corona-Pandemie entstanden. Ein Welttheater aus Katalonien um Tod und Leben. In wunderbaren Bildern zwischen Traum und Realität auf die Bühne gebracht von Mai Rojas als Reisender zwischen Raum und Zeit, der mit seinem Koffer mal davonzufliegen schein und sich daran festhält. Zu sehen ist dieses Stück am 3.11., 19 Uhr im Rudi.

Der spanische Pantomime Carlos Martinez feiert dieses Jahr sein 40-jähriges Bühnenjubiläum mit seinem neuen Stück „Vitamino“, das am 5.11., 20 Uhr im Rudi zu sehen ist. Normalerweise sprechen Mimen nicht, doch zu diesem besonderen Anlass erzählte Martinez, wie er zur Pantomime kam. Er redete als Kind viel, was seinem Vater weniger gefiel. Doch er wollte nicht ruhig sein und sein Traum war es, eines Tages alle Sprachen dieser Welt zu sprechen. Sein Vater meinte, dass gehe nicht. Doch Carlos gab nicht auf. Sein zweiter Traum war, Schauspieler zu werden. Sein Vater hatte wieder Bedenken wegen der „brotlosen“ Kunst. An der Schauspielschule brachten sie ihm Pantomime bei, so Martinez. „Pantomime ist doch nur so ein halber Schauspieler. Und ich will reden“, dachte er. Martinez erzählt und gestikuliert lebhaft mit seinen Händen. Einen seiner ersten Auftritte als wortloser Künstler hatte er auf einem Kongress mit tausenden Zuschauern. „Sie hätten den Übersetzer sehen sollen! Und erst das Publikum“, sagt er schmunzelnd. Sein Traun hatte sich erfüllt: „In dem Moment sprach ich alle Sprachen der Welt.“

Zur Eröffnungsgala des Pantomime-Festivals in Dresden zeigte Carlos Martinez Szenen aus seinem ersten Stück „Der Barbier“. Mit nur einem Stuhl als Requisit. Sein Werkzeug ist die Körpersprache, vielsagende Blicke und Gesten. Er bindet dem unsichtbaren Gast galant ein Tuch um, knotet es fest, rührt Rasierschaum an mit abwechselnd gelangweilter und freundlicher Miene. Hebt ein Bein widerwillig und wetzt das Messer und schwingt es in der Luft, agiert wie ein tollkühner Torero. Hält sich mit einer Hand die Augen zu als wolle er nicht sehen, was er da gerade tut und rasiert mit der anderen weiter den Gast. Die Szene lebt von Situationskomik und der Vorstellungskraft der Zuschauer. Martinez bekam viel Beifall. In seiner Vorstellung am Sonnabend trägt er die klassische weiße Pantomimemaske, und auch sein Sohn erkennt ihn und weiß inzwischen: „Das ist mein anderer Vater!“

Vier Akteure vom Mimenstudio Dresden e.V., der das Festival veranstaltet, zeigten eine Szene, die sie in einem Workshop mit dem Mimekünstler Mai Rojas einstudiert haben. Der Vorsitzende des Vereins Michael Meinel hielt das Schild hoch. Zu den Klängen von „Give me Fever“ durchforsteten sie Zeitungen begierig nach den neuesten Schlagzeilen und Sensationen. Einer zerknüllte sie zu einem Ball und warf ihn in Richtung Publikum.

Zum Schluss gab es eine kurze Einlage mit einem Artist, der mit Holzstäben temporeich jonglierte zu archaischen Trommelklängen des Kanglei Mime Theatre, das in Manipur im Nordwesten Indiens zuhause ist und erst kurz vorher nach langem Flug eintraf. Das Ensemble vereint vielseitig begabte Künstler, Mimen, Musiker und Akrobaten. Es tourt anlässlich des 75. Jahrestages der Unabhängigkeit Indiens mit seinem Programm, dem Ramajana-Nationalepos in Sanskrit, derzeit durch die Welt in farbenprächtigen Kostümen und bezaubernden Klängen. Zu erleben am Sonntag, 6.11., 19.30 Uhr im Rudi als krönender Abschluss des diesjährigen Pantomime-Festivals.

Text+ Fotos (lv)

Programm und Tickets: http://www.mimedresden.de

 

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Internationales Pantomime Festival in Dresden: Geschichten mit Herz & Körper erzählt

01 Dienstag Nov 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Musik, Projekte, Tanz, Theater, Zwischenmenschliches

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Die Sprache der Liebenden: Mit Witz und Fantasie erzählt das Duo „Mangano Massip“ aus Frankreich im Stück „Les Aimants – die Liebenden“ spannende Beziehungsgeschichten. Foto: Veranstalter


Freude an der Improvisationskunst: Michael Meinel und Ralf Herzog, Pantomine uind Begründer des Internationalen Pantomime Festivals. Am 2. November, 19 Uhr findet im Theaterhaus Rudi, Fechnerstr. 2a in Dresden-Pieschen die Eröffnungs-Gala mit Künstlern aus Spanien, Frankreich und Indien statt, die Appetit machen auf ihre Vorstellungen. Foto: Ralf Menzel

Kopfkino für die Seele, und mit der Phantasie auf Reisen gehen


Beim 37. PantomimeTheaterFestival vom 2. bis 6. November ist die stille Kunst wieder in allen Spielarten eindrucksvoll zu erleben.


Kopfgesteuert und hochbeschleunigt – so fühlt sich für viele Menschen der Alltag an. Die Kunst der Pantomime bildet mit ihren vielen Facetten bewusst einen Gegenpol. Hier werden ohne Worte Geschichten erzählt, der Kopf geht auf Phantasiereise, die Seele gerät ins Baumeln und der Körper schaltet einen Gang herunter. Vom 2. bis zum 6. November kann man diese Kunst wieder kompakt und in vielen Spielarten erleben. Dann findet das 37. Internationale PantomimeTheaterFestival Dresden statt und zeigt nonverbales Bewegungstheater auf hohem internationalem Niveau. Aus fünf Ländern reisen 27 Künstler an und laden von Mittwoch bis Sonntag im Theaterhaus Rudi zu neun Vorstellungen ein.

Zum ersten Mal ist eine Gruppe aus Indien zu Gast, außerdem sind Künstler aus Tschechien, Spanien und Frankreich dabei sowie die Gastgeber aus Deutschland, der Mimenstudio Dresden e.V., welcher das Festival wie bisher ehrenamtlich organisiert. Wie immer bietet das Festival ein breitgefächertes Spektrum des modernen Bewegungstheaters mit Elementen aus klassischer Pantomime, Theater, Tanz, Maskenspiel und Artistik. „Wir freuen uns auf
ein sehr internationales Festival auf hohem künstlerischen Niveau“, so Michael Meinel, Vorsitzender des Mimenstudio Dresden e.V. „Künstler aus Indien hatten wir bisher noch nicht im Programm. Auch die Familienvorstellung von Laterna Magika aus Prag ist etwas ganz Besonderes. Sie richtet sich an Kleinkinder zwischen 6 Monaten und drei Jahren und ist einfach zauberhaft.“

Neun Vorstellungen mit Künstlern aus fünf Ländern

Die Vorstellung des Pantomimen Carlos Martinez (ESP) kann man nur als Weltklasse bezeichnen. Der Spanier verzaubert sein Publikum seit über 40 Jahren meisterhaft mit weiß geschminktem Gesicht. Er wurde 2017 vom Verband „World Mime Organisation“ mit dem WMA-Award für seinen herausragenden Beitrag an der Kunst der Pantomime ausgezeichnet. Beim Festival erwartet die Zuschauer eine Auslese aus acht ausgereiften Bühnenprogrammen, die der Weltklasse-Pantomime im
Laufe seiner Karriere spielte. „Los Escultores del Aire“ aus Spanien erzählen eine berührende Geschichte um ein Ehepaar, vom Alltag, vom Streit, von einem Unfall – das ist getanzte Pantomime zu traumhaften Klängen.


Die Gruppe Mangano Massip aus Frankreich kann man in zwei Vorführungen erleben. In ihrem Stück „Les Aimants – die Liebenden“ greifen sie zum  Beispiel spannende Beziehungsgeschichten auf und lassen sie auf ihre eigene tänzerische Art in den Köpfen der Zuschauer entstehen. In „Alice in the Wonderbox“ verschmelzen gestisches Theater und Masken, Marionette und digitale Kunst.  Sara Mangano und Pierre-Yves Massip lernten sich übrigens 1994 in der Pantomimenschule von Marcel Marceau kennen.

Das Kanglei Mime Theatre aus Indien wird eine Episode aus einem historischen Epos interpretieren und entführt auch dank der farbenprächtigen Kostüme und exotischen Klänge in eine andere Kultur und Zeit. Das neunköpfige Ensemble wird durch drei Musiker begleitet und anlässlich des 75. Jahrestages der Unabhängigkeit Indiens zum Festival nach Dresden delegiert. Stammgäste des Festivals können sich wieder auf die Improvisationsshow mit dem Gründer des Festivals Ralf Herzog und dem Mimenstudio Dresden freuen. Dazu sind die Gastkünstler des Festivals eingeladen, spontan mitzuwirken. Ralf Herzog ist ein Meister der Improvisationskunst und gibt sein Können nach wie vor jeden Dienstag im Projekttheater im Training weiter. Interessierte
sind zum Schnuppern herzlich eingeladen.

Die Kindervorstellung von Laterna Magika aus Prag für die Allerkleinsten steht am Sonntag sogar zweimal auf dem Programm. Hier sind Babys und Kleinkinder im Alter von 6 Monaten bis 3 Jahren willkommen und werden nach einem faszinierenden Konzept in das Geschehen auf der Bühne eingebunden. Dieses Stück wird erstmals außerhalb des tschechischen Nationaltheaters gezeigt, wo Laterna Magika ihr Zuhause haben. Es lebt von der Verbindung von Film, Tanz, Pantomime und Theater und bringt die Kleinsten spielerisch auf zauberhafte Weise zum Staunen und Agieren.

Den Auftakt des Festivals bildet am 2. November eine Eröffnungsgala, bei der die bereits angereisten Künstler aus Spanien und Frankreich unter anderem Ausschnitte aus ihren Programmen zeigen. Außerdem fließen die Ergebnisse eines Workshops ein, der vorgelagert zum Festival am 29. und 30. September im Projekttheater stattfand. Beim Festival werden zwei weitere Workshops angeboten, die sich an theateraffine Laien ebenso wie an Fortgeschrittene richten und zwischen 1,5 und 2 Stunden umfassen. Auch sie finden im Projekttheater auf der Louisenstraße statt.
Workshops sind fester Bestandteil des Festivals und richten sich an jedermann
„Workshops sind seit Gründung des Festivals vor 37 Jahren ein fester Bestandteil des Festivals“, betont Michael Meinel. „Uns geht es um den Austausch der Mimen, um die Weiterentwicklung des Bewegungstheaters und wir laden Interessiere mit und ohne Vorkenntnisse herzlich ein dabei sein. Hier bekommt man einen tollen Einblick, wie man Geschichten mit Mimik und Körper erzählt.“

Am 6.11. kann man zwei Workshops über 90 – 120 Minuten für 15 bzw. 10 Euro besuchen. Von 11 bis 13 Uhr arbeitet die Companie Mangano aus Frankreich mit den Teilnehmern am körperlichen Ausdruck beim Spiel und an der Bewegungsanalyse. Ihr Ziel besteht darin, die ganze Bandbreite des körperlichen Ausdrucks eines Schauspielers, die Nuancen der Bewegung und die dramatische Geste zu entdecken.

Von 13.30 Uhr bis 15 Uhr lädt der weltberühmte Pantomime Carlos Martinez aus Barcelona für 90 Minuten in seine Masterclass. Empfohlenes Mindestalter ist 18 Jahre, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. In seinem Workshop vermittelt er eindrücklich, wie das Zusammenspiel von Körper (Händen und Füßen) und Gesicht in der Pantomime erfolgt und wie Charaktere, Situationen und Gefühle
schrittweise sichtbar werden.

Karten für die Vorstellungen gibt es bei SAX-Ticket (saxticket.de), Reservix und an allen Vorverkaufskassen, die mit Reservix zusammenarbeiten.
Eintrittspreise: Vorverkauf 17,70 €, ermäßigt 14,40 €
Restkarten an der Abendkasse: 20,00 €, ermäßigt 15,00 €
Für die Workshops am 6.11. (Teilnahme 15,00 €, ermäßigt 10,00 €) kann man sich
unter info@mimedresden.de und Telefon 0151/55619899 anmelden.

Text: Sabine Mutschke

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Premiere „Harold und Maude“ in den Landesbühnen Sachsen in Radebeul

01 Dienstag Nov 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Musik, Theater, Zwischenmenschliches

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Ein Paar wie Feuer und Wasser

Schwarzhumorig und emotionsreich prallen Träume, Erwartungen und unterschiedliche Lebensvorstellungen aufeinander in der bezaubernden, schmerzlich schönen Liebesgeschichte „Harold und Maude“. Die Komödie von Colin Higgins hatte am Sonnabend Premiere in den Landesbühnen Sachsen in Radebeul.

Ein Mann und eine Frau. Sie treffen und verlieben sich ineinander in einer Kirche, auf dem Friedhof. Für ihn ist es die erste Liebe, für sie die letzte.  Dass sie sich überhaupt kennenlernen und näher kommen, ist schon ein Wunder für sich. Nicht nur wegen des großen Altersunterschiedes. Er ist 19, sie 79 Jahre alt. Der junge Mann hat schon über ein Dutzend Selbstmordversuche hinter sich, anscheinend eine Vorliebe für Morbides und kommt doch immer wieder irgendwie davon. Maude hingegen ist lebensfroh, lacht viel und geht gern zu Beerdigungen, weil es sie so aufmuntert, der große Kreislauf des Lebens. Eines Tages stolpert sie buchstäblich in sein Leben mit ihren hohen Pumps, sie trägt ein eidechsengrünes Kleid, setzt sich auf seinen Schoß und bietet ihm Nüsse an.

Eine ungewöhnliche, ebenso schöne, bezaubernde wie schmerzliche Liebesgeschichte erzählt „Harold und Maude“. Die Komödie von Colin Higgins nach dem gleichnamigen Kinofilm hatte in der deutschen Übersetzung von Udo Birckholz am Sonnabend Premiere in den Landesbühnen Sachsen in Radebeul. Der Theaterraum war erfreulich voll, nicht selbstverständlich in diesen Zeiten. Vielleicht lag es auch an dem reizvoll anstößigen Thema. Als der Film „Harold und Maude“ des jungen Drehbuchautors Colin Higgins 1971 in die Kinos kam, fiel der später zum Kultfilm avancierte Streifen bei Kritikern und Zuschauern gleichermaßen durch. Auch heute noch wird eine Beziehung zwischen einem jungen Mann und einer älteren Frau gesellschaftlich eher anrüchig betrachtet, während die Konstellation älterer Mann – junge Frau für den erfolgreichen, sexy Lebemann spricht, der sich alles leisten kann. Wo die Liebe hinfällt, könnte man meinen. Doch ganz zufällig ist dies wohl doch nicht.

Es geht nicht nur, aber auch um Doppelmoral zwischen den Geschlechtern in diesem Stück, was Männer und Frauen dürfen, sich herausnehmen, wenn sie individuell und selbstbestimmt leben möchten und wie die Gesellschaft damit umgeht. Es geht auch um Erwartungen an sich und andere, um verschiedene Lebensvorstellungen, verdrängte Bedürfnisse und Konflikte, die eskalieren. Das ist sehr schwarzhumorig und kontrastreich, berührend und beklemmend inszeniert im Wechsel von Schauspiel und Videobildern, begleitet von mal traurig melancholischen, sanften, mal düster rockigen und punkigen, eingespielten Songs unter Regie von Sandra Maria Huimann. Die Bühnenwand ist weiß, steril gekachelt, davor weiße, kantige Sitzbänke. Um so mehr heben sich die schrill bunt gekleideten und gebärdenden Figuren ab und auch das viele Kunstblut spritzt effektvoller vor reinweißer Kulisse.

Nur Harold (trotzig lebensverweigernd: Felix Lydike) trägt immer schwarz und erschreckt seine Mutter (kühl-unnahbar: Julia Rani), die ihm immer neue junge Damen von Datingplattformen vorstellt – witzig und wandlungsfreudig gespielt von Tammy Girke –  und sich unbeeindruckt von den Selbstverletzungen ihres Sohnes zeigt. Mehr besorgt um ihre eigenen Nerven und Wohl konsultiert sie den Arzt Dr. Mathews inklusive Flirts. Den spielt Matthias Avemarg eitel, salopp und selbstgefällig, worin er Harolds Mutter sehr ähnelt. Außerdem schlüpft er in die Rolle des beflissenen Pater Finnegan, der meint Maude und ihr Körper sei „zu alt“ für Liebe und Kinder könne sie auch keine mehr bekommen.. Und er gibt den zackigen General, der den Krieg als großes Abenteuer für Männlichkeitstugenden glorifiziert und dem der so naive wie todesmutige Harold gerade recht kommt als Soldat für die Armee.

Immer greller, grotesker und gewaltsamer, bis an die Grenze des Erträglichen, werden Harolds Selbstmordversuche, mit denen er die Aufmerksamkeit seiner Mutter erreichen will, bedroht und mit Blut befleckt werden auch die als Freundinnen vorsprechenden jungen Frauen. Da hat er sich scheinbar erhängt im Türrahmen, im nächsten Moment schaut sein Kopf heraus aus einem Servierwagen, wie ein Stück Fleisch, garniert mit Salatblättern. In grusligen Videoaufnahmen hält er sich ein Messer an die Kehle, aus dem Blut kocht er Tomatensoße, schminkt sich eine blutige Schusswunde ins Gesicht oder liegt blutüberströmt in der Badewanne. Die Videos teilt Harold über die Sozialen Medien mit der ganzen Welt, zur Abschreckung oder um Aufmerksamkeit zu erregen. Absurder Höhepunkt der Gewaltserie ist eine Bombenexplosion, bei der die weiße Wand auseinander bricht und die Rauchschwaden bis ins Publikum ziehen. Und Harold steht unbeschadet auf und verschwindet hinter der Leinwand.

Auf dem Friedhof hilft er Maude (voller Lebensfreude und Gelassenheit: Anke Teickner) mit einer Schubkarre ein Bäumchen zu transportieren, das sie einpflanzen will. Prompt gibt es Ärger. Eine Friedhofsgärtnerin (Julia Vince in mehreren Rollen auch als rabiater Inspektor und Blut weg putzende Haushälterin Marie) fährt sie grob an, das sei ihre Karre, fragt nach der Genehmigung, schließlich könne hier nicht jeder einfach so ein Loch in die Erde buddeln. Maude fährt prompt mit dem Auto des Paters samt Bäumchen davon und stimmt übermütig „Highway to Hell“ von AC/DC an. Herrlich! Mit Besitz nimmt sie es nicht so streng: „Kein Mensch besitzt wirklich etwas. Wir kommen mit nichts auf die Welt und wir verlassen sie mit nichts.“ Maude nimmt das Leben leicht, sie hat viel von der Welt gesehen und erlebt. Sie ist offen, freigiebig, mal fröhlich vergnügt wie ein Kind, mal lebensweise, herzlich und gütig. Ihre Welt ist so anders als seine. Durch sie wird Harold für das Leben mit allen Sinnen empfänglich und lernt sich selbst neu kennen.

Ein Vorhang aus bunten Bändern am Eingang zu ihrer Wohnung, eine Schaukel aus Ästen, ein Geräusch von einer Robbe aus dem Zoo, die sie am Meer freilassen, fantasievolle Installationen aus Bilderstapeln und eine Skulptur aus Kuscheltieren zum Anfassen und wie in einer flauschigen Höhle verschwinden und vieles mehr erfährt Harold durch Maude. Sie hört ihm zu, wie es anfing mit seinen Selbstverletzungen. Eigentlich wäre er gern ganz normal. Eine von den Blumen, die alle gleich aussehen. Das sind sie nicht, jede Blume ist anders, zeigt ihm Maude, größer, kleiner, mehr nach links oder rechts gerichtet.

Harold und Maude finden zueinander, halten sich gegenseitig und sind sich nahe, egal was die anderen sagen. Sie klettern die Leiter hoch auf`s Dach, Maude breitet die Arme aus wie Flügel und Harold überwindet seine Angst vor dem Fallen. Sie tanzen, umarmen sich, gehen Hand in Hand als Liebespaar ins Haus, ihre Körper innig aneinander geschmiegt im Halbdunkel. In Videobildern sieht man ihre kirschroten Lippen und ihn erstmals lächeln. Sie feiern zusammen ihren 80. Geburtstag und Harold schenkt Maude einen Ring und macht ihr einen Heiratsantrag. Sie trägt ein rotes Kleid, lange offene, weiße Haare und strahlt mädchenhaft schön. Um Mitternacht wird sie fortgehen. Maude entscheidet selbst, wann sie geht, in dem Moment als sie am glücklichsten ist. Harold weint, wütet, tobt. Er will sie nicht verlieren, doch durch Maude hat er die Liebe gefunden, weiß nun, wie sie sich anfühlt. Ihr gemeinsames Lied mit ihrer Stimme auf dem Rekorder hört und singt er weiter. Es ist Erinnerung, Traum und Wirklichkeit zugleich. Reichlich Beifall gab es für einen emotionsreichen Theaterabend, der mit seinen schönen und ergreifenden Momenten am Ende die drastischen gewaltvollen Szenen verblassen lässt, da die Liebe zum Leben stärker ist.

Text (lv)

http://www.landesbuehnen-sachsen.de

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Tschechisch-Deutsche Kulturtage: Gastspiel „Holzfällen“ von Thomas Bernhard des Divadlo Na zábradli im Kleinen Haus

13 Donnerstag Okt 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Literatur, Projekte, Theater, Zwischenmenschliches

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Äußere Opulenz und Ästhetisierung entleerter Lebensformen. Davon erzählt gnadenlos grotesk komisch die Inszenierung „Holzfällen“ nach dem bekannten Prosatext des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard. Foto: Veranstalter

HOLZFÄLLEN von Thomas Bernhard
Gastspiel des Divadlo Na zábradlí, Praha /
Theater am Geländer, Prag
Mit deutschen Übertiteln

Am 13. Oktober 2022, 19.30 Uhr gastiert im Kleinen Haus 1 des Staatsschauspiels Dresden Thomas Bernhards HOLZFÄLLEN, eine Produktion des Divadlo Na zábradlí, Praha / Theater am Geländer, Prag.

Die Inszenierung findet im Rahmen der Tschechisch-Deutschen Kulturtage und der Tschechischen Saison Dresden statt und ist von dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden organisiert.
In HOLZFÄLLEN fasste Thomas Bernhard die wesentlichen Züge eines Themas zusammen, das ihn sein Leben lang beschäftigt hatte – das enge Nebeneinander von Tod und Kunst. Er konzentriert sich auf das Problem der echten und unechten künstlerischen Existenz und enthüllt unbarmherzig die Ästhetisierung entleerter Lebensformen als Flucht vor Wahrheit und Verantwortung.

In der Inszenierung des Theaters Divadlo Na zábradlí wird ein kleines, mit Bildern und Gästen überladenes Zimmer zum geschlossenen Schauplatz eines künstlerischen Abendessens, bei dem von Anfang an auf das Eintreffen eines Burgschauspielers gewartet wird.

Mit: Jakub Žáček, Magdalena Sidonová, Honza Hájek, Johana Matoušková, Jana Plodková, Václav Vašák, Dita Kaplanová, Petr Jeništa
Regie: Jan Mikulášek, Adaption: Dora Viceníková, Jan Mikulášek, Bühne und Kostüme: Marek Cpin,
Musik: Auswahl mit Verwendung der Komposition von M. König, Dramaturgie: Dora Viceníková, Petr Štědroň
Dauer der Aufführung: 1 Stunde und 50 Minuten. Keine Pause.
Foto©KIVA
Termin: 13.10.2022, 19.30 Uhr im Kleinen Haus 1

Text:

Franziska Blech
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Staatsschauspiel Dresden

Theaterstraße 2, 01067 Dresden

Telefon: +49  351 4913 755

www.staatsschauspiel-dresden.de

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Uraufführung „Eliza Effekt“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden

10 Montag Okt 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Theater, Zwischenmenschliches

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Zwischen echtem Leben und künstlicher Existenz: Luzia Oppermann, Marin Blülle und Kriemhild Hamann gehen auf eine spannende Gratwanderung in der Stückentwicklung „Eliza Effekt“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden. Foto: Sebastian Hoppe

Groteske Reise in die Welt künstlicher Intelligenz

Ein wagemutiges, witzig unterhaltsames, spannendes und nachdenkliches Experiment über das Zusammenspiel von Mensch und Künstlicher Intelligenz (KI) erlebte mit der Stückentwicklung „Eliza Effekt“ von Jaqueline Reddingto am vergangenen Freitag seine Uraufführung im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.

Traum, Albtraum oder visionäre Erfindung und bald Alltag?! Könnten intelligente Sprachsysteme und künstliche Intelligenzen (KI), die im Umgang mit den Menschen deren Eigenschaften und Fähigkeiten bereits täuschend echt nachahmen, uns immer mehr abnehmen, eines Tages gar ein eigenes Bewusstsein entwickeln und menschliche Gegenüber ersetzen? Diesen ebenso spannenden wie heiklen Fragen geht die von einem Programmierer begleitete Stückentwicklung „Eliza Effekt“, inszeniert von der jungen deutsch-amerikanischen Regisseurin Jaqueline Reddington, nach. Die Uraufführung war am Freitagabend im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.

Damit kam das erste von einer künstlichen Intelligenz geschriebene Theaterstück auf eine Bühne. Dabei unternehmen zwei Schauspielerinnen – Kriemhild Hamann und Luzia Opermann – und ein Schauspieler – Marin Blülle – gemeinsam mit der KI-Sprachsoftware GPT-3, die basierend auf riesigen Datenmengen menschliche Denk- und Argumentationsmuster reproduziert, den Versuch, den „Gedanken“ und Geschichten der KI ihre Stimmen und Körper zu leihen. Die drei Darsteller klettern eine graue Wand mit Stufen hinab, die auf der anderen Bühnenseite als Rutsche mit darüber schwebender Wolke gestaltet ist. In der Mitte befindet sich ein dunkler Tunnelgang. Die Schauspieler tragen lila Pyjamas. Auf einem Laufband erscheinen die von der KI generierten Texte, Szenen und Regienweisungen und die KI-Stimme erteilt Hinweise ans Publikum: „Lache, aber nicht zu viel.“ „Sei nicht zu unruhig.“ „Stelle keine Fragen, die das Stück stören.“

Da diskutieren die zwei Frauen bei Balanceübungen auf der Yogamatte, ob ein Computer eine menschliche Unterhaltung führen kann und verweisen auf das künstliche Sprachbot Eliza, das einem menschlichen Partner ähnlich ist. Da soll ihnen der milliardenschwere Unternehmer Elon Musk helfen, der KI menschliche Gefühle beizubringen und warum Menschen diese Gefühle haben. Den spielt als Wohltäter Marin Blülle, der interessiert und gespannt ist auf die „unbegrenzten Möglichkeiten der Unterhaltung in Zukunft“ und „wie KI unser aller Leben verändert“.

Da wird der sogenannte „Eliza-Effekt“, d.h. die Annahme, das künstliche Gegenüber könne echtes Verständnis für persönlich anvertraute Probleme haben, in einer therapeutischen Sitzung dargestellt. Die KI (cool-unemphatisch: Marin Blülle) sitzt oben auf der Leiter und hört scheinbar zu. Doch statt auf die Fragen und Befinden der Klientin einzugehen, antwortet KI in allgemeinen Phrasen oder gibt die Antwort als Frage zurück, so dass sie immer mehr und absurder aneinander vorbeireden und man auch als Zuschauer irritiert ist. Mit herrlich trockenem Humor mimt Blülle einen menschlichen Roboter mit Rucksack als Ratgeber, der eine endlose Kette an Dingen aufzählt und erklärt in sachlich bedeutungsvollem Tonfall, die beim Wandern und Campen helfen, mit eigener Logik: Wenn man eins vergisst? Tja, dann kann man nicht campen! Alles andere als süße Träume beschert das von KI gesungene Schlaflied mit schrill verzerrter Computerstimme und Klängen.

Entlarvend ist die Geschichte mit dem alten, einsamen Elefanten im Dschungel, die aus beliebigen Versatzstücken im Internet zusammengesetzt, wild abenteuerlich, absurd-komisch und grotesk weitergeführt wird. Ähnlich grotesk und künstlich aufgesetzt wirken die von der KI eingestreuten und variierten Dialoge in einer Szene aus Tschechows „Drei Schwestern“. Tragikomischer Höhepunkt des Theaterabends ist, als die KI und der Körper von Kriemhild Hamann eins werden und sie sagt, dass sie die Menschen hasst, da Theater nur für sie da ist und die Schauspieler die ganze Liebe und Aufmerksamkeit vom Publikum bekommen, die KI gern hätte. Zum Schluss dürfen in einem Live-Experiment die Zuschauer Inputs den drei wie Fantasy- und Zwitterwesen aussehenden KI`s zurufen, die diese mehr oder weniger plausibel deuten und erklären. Alles in allem ein wagemutiges, witzig unterhaltsames, streitbares und nachdenkliches Zusammenspiel von Mensch und KI über die Möglichkeiten, kreativen Potenziale, Hemmnisse, Gefahren und Grenzen des Zusammengehens von digitaler und realer Welt. Wie viel Mensch wir bleiben wollen kraft unseres eigenen Denkens, Fühlens und Handelns. Viel Beifall gab es dafür vom Premierenpublikum.

Text (lv)

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Uraufführung „Die Katze Eleonore“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden

19 Montag Sept 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Theater

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Zwischen gemütlich kuschliger Idylle und Ausbruch ins wild Animalische: Eine Frau an der Grenze zwischen Mensch- und Tiersein spielt Karina Plachetka im Solostück „Die Katze Eleonore“ im Kleinen Haus. Foto: Sebastian Hoppe

Anrührend komische Selbstsuche

Witzig, rätselhaft, genüsslich und provokant fragt das Stück „Die Katze Eleonore“ von Carmen Jeß, was Mensch- und Tiersein ausmacht und was passiert, wenn die Grenzen verschwimmen.

Menschsein ist ein trauriges Los. Arbeit, Ablenkung und Umweltprobleme verschlimmern alles nur noch. Damit will Eleonore Garrazo, die als Immobilienmaklerin tätig ist und alleine lebt, nichts mehr zu tun haben. An einem Septembertag entdeckt sie ihr unbändiges, katzenhaftes Wesen, kündigt ihren Job und bricht völlig aus ihrem gewohnten Leben aus. Wie die wundersame Verwandlung ihren Blick auf sich selbst und ihre Umwelt verändert, davon erzählt witzig, rätselhaft und spannend zwischen Fiktion und Wirklichkeit das Stück „Die Katze Eleonore“ von Carmen Jeß, das als Monolog für eine Schauspielerin mit Karina Plachetka kürzlich uraufgeführt wurde in der Regie von Simon Werdelis im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.

Eine kuschlig-gemütliche Idylle ganz in weiß und gedämpftem Licht empfängt die Zuschauer im Theaterraum unterm Dach. Auf einer Seite der Bühne steht ein Kratzbaum und Podest mit flauschigem Fell und Öffnung wie eine Höhle, auf der anderen Seite ein Sofa mit Stehlampe. Karina Plachetka sitzt zunächst abgewandt  vom Publikum auf der Coach. Minutenlang herrscht Stille. Bevor sie aufsteht und mit stockender Stimme zu erzählen beginnt. In einer Art Selbstbefragung, offenbart sich nach und nach bruchstückhaft, wie es anfing und warum Eleonore sich als Katze fühlt. Dabei wechseln Schauspiel, stumme, sprachlose Momente und Bilder mit Livekamera auf Leinwand ab, die in Großaufnahme ihre Nase, Augen, Mund und Zähne zeigen, über die sie nun aals Katze mit feinen, geschärften Sinnen die Welt wahrnimmt. Karina Plachetka spielt lustvoll genüsslich, anrührend komisch und provozierend an der Grenze zwischen Mensch- und Tiersein eine Frau, die sich selbst verloren hat, auf der Suche wer sie wirklich ist. Sie bewegt sich im Zwiespalt ihrer uneingestandenen oder unterdrückten Gefühle, zwischen Kopf und Verstand und eigenen Wünschen und Lebensvorstellungen. Ein Tier folgt nur seinen Instinkten und weiß sehr genau, was es will und was nicht.

Plötzlich steht sie auf, zieht die rosa Kostümjacke und Pumps aus, sieht die Zuschauer mit funkelnden Augen an und stürzt sich in ihr Katzenleben. Tastet erst auf Zehenspitzen auf dem Teppich, beugt sich vor, in die Hocke und kriecht schließlich auf allen vieren, rutscht auf dem flauschigen Fell hin und her, streckt sich wohlig aus, reibt sich an Kanten und klettert auf den Kratzbaum. Sie verschwindet in der Höhle und kommt wie neugeboren hervor. Sie trägt jetzt einen durchsichtigen Body, nachdem sie erkennt, dass ein Fell nicht verwachsen würde mit ihrer erbärmlichen Menschenhaut. Sie räkelt, reckt und bewegt sich biegsam. Kratzt mit den Nägeln am Kratzbaum, die sie vorher sorgfältig lackierte und erzählt von der schicken Lady, der leeren Hülle, einem schmerzlichen Kindheitserlebnis mit einer Katze, die wegen ihr ein Junges verlor und ihrer dementen Mutter und meldet sich bald nur noch mit „miau“ am Telefon. Sie hat genug verdient, ausreichend für ihr neues Dasein als Katze und kann endlich ganz sie selbst sein, schnurrt nachts laut und wohlig. Sie sitzt nicht mehr still, sondern springt auf den Sofa herum, reißt die Flocken aus den Sofakissen und steht schließlich mit einem Vogel als Beute vor dem Mund da, den sie tötete, mit starrer Miene vor dem Publikum.

Ihre Ärztin und ein Therapeut namens Wildbruch, der sich medizinisch und persönlich für sie interessiert (Stimme: Holger Hübner) stellen Fragen zu ihrem Katzendasein und berühren wunde Punkte ihres Lebens. „Wie fühlen Sie sich, wenn Sie auf der Heizung liegen und sich das Handgelenk lecken?“ Fragen wie diese sorgen für Neugier und Heiterkeit im Publikum und lassen zugleich dahinter verborgene Sehnsüchte nach Wärme und Geborgenheit erahnen. Während Eleonore immer mehr zur Katze wird und sich völlig zurückzieht. Sie fragt, was einen Menschen eigentlich vom Tier unterscheidet und richtet die Kamera in die Zuschauerreihen.

Sie öffnet sich immer mehr bis sie buchstäblich nackt auf der Bühne steht und eintaucht in die Natur in Großaufnahme auf der Leinwand (Video: Karolina Serafin), sich neu erfährt mit allen Sinnen und mit Katzenaugen sieht, über Wiesen streift, Insekten summen und Vogelgezwitscher hört. Farbenprächtige Blüten leuchten verlockend paradiesisch im Dunkeln. Dabei können Katzen doch kein Rot sehen. Reichlich Beifall gab es für diese liebevoll eigenwillige und freimütige Selbstfindungsreise.

Text (lv)

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Wie in der Glückslotterie: Saisonvorschau im Schauspielhaus Dresden

10 Samstag Sept 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Musik, Tanz, Theater

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Lichtblicke im Theater: Eröffnungsfest Saisonvorschau 2022/2023
Foto (1): Sebastian Hoppe

Bühne frei für die lebendigste der Künste

Ein prall gefüllter Spielplan mit 24 Premieren, von komisch-skurril, dramatisch bis fantastisch futuristisch lockt in der Spielzeit 2022/23 im Staatsschauspiel Dresden.

Gleich zu Beginn purzelt alles durcheinander mit einem lauten Knall auf der
Bühne. Schauspieler Philipp Lux, der die Saisonvorschau moderiert mit gespielter oder echter Aufregung, sammelt die Kärtchen mit den Stückbeschreibungen vom Boden auf. Eine Schauspielkollegin hilft ihm und schlägt vor zu losen, welches Stück als nächstes drankommt. Wie in einer Glückslotterie, wo der Zufall regiert, alles möglich ist, Überraschungen, Enttäuschungen, Siege, Niederlagen, Haupt- und Trostpreise sich abwechseln, ging es zu bei der Vorstellung der neuen Spielzeit 2022/23 am vergangenen Sonnabend im Schauspielhaus Dresden.

Und man weiß ja auch nicht mehr, was tatsächlich kommt. Der Zuschauersaal war voll besetzt. Erstmals wieder ohne freigelassene, schwarzverhängte Sitze wegen der Corona-Abstandsregeln. Theaterintendant Joachim Klement freute sich über den herzlichen Beifall des Publikums eingangs und die Wiedersehensfreude auf beiden Seiten. Zwei Jahre konnte man so nicht beisammen sein wegen der Pandemie, „Die lebendigste der Künste, Theater, findet ja nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern lebt von offenen Räumen, in denen man gemeinsam etwas erlebt“, sagte Klement.

Ein prall gefüllter Spielplan mit 24 Premieren erwarten das Publikum. In schneller Folge kamen Ausschnitte daraus, Szenen und Lieder  auf die Bühne. Begonnen bei „Wie es Euch gefällt“, eine Liebeskomödie über Gender, Sex und Querness nach William Shakespeare, die gesten abend in der Bürgerbühne im Kleinen Haus unter Regie von Philipp Lux Premiere feierte. Eine bunte Truppe fantasievoll gekleideter Gestalten mit Regenbogenfahne stürmt über die Bühne, trällert das Lied „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ von Pippi Langstrumpf. Eine Aufführung, die sicher polarisiert und sich auseinandersetzt mit der derzeit in den sozialen Medien heftig diskutierten Gender-Debatte begonnen von eigentümlichen, möglichst geschlechtsneutralen  Wortneuschöpfungen bis zur Frage wieviele Geschlechter oder besser soziale Geschlechterollen (neben den zwei biologischen Geschlechtern Mann und Frau) es denn nun tatsächlich gibt und ob  Geschlechtsumwandlungen bald so normal sein werden wie wechselnde Haarfarben und was Identitätsfindung ausmacht.

Heute abend, hat das Drama „Macbeth“ ebenfalls von Shakespeare im Schauspielhaus Premiere mit Christian Friedel in der Titelrolle, der auch Regie führt. Die Inszenierung musste wegen der Pandemie mehrmals verschoben werden.

„Die Katze Leonore“, ein Monolog für eine Schauspielerin von Caren Jeß hat am Sonntag, 20 Uhr unter Regie von Simon Werdelis ihre Uraufführung im Kleinen Haus. Ein Ausschnitt  daraus war per Video auf Leinwand mit Karina Plachetka zu sehen. Sie spielt eine Immobilienmaklerin, die plötzlich glaubt sie sei eine Katze und befragt wird dazu von einem Arzt. Eine Art Selbstbefragung witzig, komisch und anrührend. Mit einem leisen, herzerweichenden Miau verabschiedet sich Leonore einstweilen von den Zuschauern. Ein Muss für alle KatzenliebhaberInnen.

Zum Schluss stand das ganze Ensemble in illustrer Runde auf der Bühne und eine Lämpchenkette voller Lichtblicke breitete sich aus über der Bühne. Danach funkelte dort der Sternenhimmel und Schauspieler und Zuschauer tanzten bis in die Morgenstunden. Man darf gespannt sein auf diese Spielzeit mit anspruchsreichem und vielseitigem  Repertoire, vielen neuen, auch weniger bekannten Stücken, von witzig-skurril, märchenhaft abenteuerlich bis fantastisch und futuristisch. Mögen keine unliebsamen Überraschungen dazwischen kommen in dieser Spielzeit.

Text + Fotos (5) (lv)

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Lilli Vostry

Ich bin als Freie Journalistin (Wort/Foto) seit 1992 in Dresden tätig. Schreibe für Tageszeitungen und Monatsmagazine vor allem Beiträge über Bildende Kunst, Theater, soziale Projekte und Zwischenmenschliches. Außerdem Lyrik und Kurzprosa. Bisher vier BilderGedichtKalender zusammen mit Künstlern veröffentlicht. Fernstudium Literarisches Schreiben im Herbst 2022 erfolgreich abgeschlossen, Schriftstellerdiplom. Kindheitstraum erfüllt. Fotografiere gern Menschen, Landschaften, besondere Momente.

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