Von ihren Rucksackreisen erzählt ihr neues Buch
DRESDEN – Andrea Wechsler führt buchstäblich ein bewegtes Leben. Sie liebt Marathonläufe, Rucksackreisen und ausgedehnte Bergtouren. Was anderen schon beim Hören Schweißperlen auf die Stirn treibt, spornt sie an, pusht ihre Energie und ihr Durchhaltevermögen. Das Laufen bewirke auch ein Stärkegefühl des Gewappnet seins für Probleme des Lebens, sagt sie.
Mit 19 Jahren lief Andrea Wechsler ihren ersten Supermarathon beim Rennsteiglauf über 68 km. Von 1983 bis 1996 führte ihr Weg sechs Mal über den „langen Kanten“, also ca. 66 km. Sie kam immer unbeschadet an, erlebte den „Endorphin-Erguss“ im Ziel pur und fast immer wartete dort ihr Vater auf sie, mit dem sie bis zu seinem Tod 2002 früher im Sommer jeden Morgen immer vier Kilometer auf der Hauptallee entlang im Großen Garten lief.
Während des Städtepartnerschaftslaufes von Dresden über Rotterdam nach Coventry 1996 bemerkte Andrea Wechsler plötzlich, dass sie schwanger war. „Ich also mein Kind den langen Weg im Laufschritt mit mir trug – ein Lebenslauf“, schildert sie. Der Rennsteiglauf 2014 fiel genau auf ihren 50. Geburtstag, sie nahm ihre Familie mit und lief den Geburtstagsmarathon stolzerfüllt noch mal knapp unter fünf Stunden. Heute läuft sie 15 bis 17 km die Woche. Natürlich helfen die Läufe auch zur Vorbereitung auf die Gebirgstouren, bei denen sie und ihr Mann jeder ca. 22 Kilo auf dem Rücken tragen, in den Rucksäcken befinden sich Zelt, Schlafsack, Isomatte und Kleidung und Proviant wie Riegel, Nüsse und Wasser.
Seit über 30 Jahren ist die gebürtige Dresdnerin (51) auf dem Balkan unterwegs. Mit 19 zog Andrea Wechsler los zu ihrer ersten großen Bulgarien-Tramp-Tour, über die sie in ihrem Erzählband „Fremdgefahren“ schrieb (www.autorin-andrea-wechsler.de). Im Sommer 1986 lernte sie dort einen Bulgaren kennen und heiratete zwei Jahre später am Schwarzen Meer ihre Urlaubsliebe. Die Ehe hielt 16 Jahre und ihre zwei Kinder kamen zur Welt. Neben Reiseerzählungen schreibt Andrea Wechsler auch Lyrik über die weite Landschaft, vergessene Orte und die Menschen, die ihr begegnen. „Auf dem Balkan ist vieles wortwörtlich schief und es geht vieles schief. Aus dieser Schräge lassen sich Abenteuer heraus zaubern, die wie weiße Tauben hinauf fliegen und lebenslang in den Zweigen des Alltags gurren“, schwärmt Andrea Wechsler. Wenn sie nicht reist, unterrichtet sie Migranten an einem Berufsschulzentrum in Dresden und arbeitet als Referentin am Sächsischen Bildungsinstitut. Auf dem Balkan liebt sie die Urwüchsigkeit und die Gastfreundschaft der Menschen. Sie hat das Gefühl, dass ihre slawische Seele (ihre Mutter ist Tschechin) sehr hilft, auf die Leute zuzugehen. Sie spricht Russisch und Bulgarisch, manchmal im Kauderwelsch, aber sie kann sich unterhalten.
Das umtriebige Erzähltalent ist in ihrer Familie verwurzelt. Ihr Urgroßonkel mütterlicherseits ist der berühmte „rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch. Ihre Großmutter Renata Novalova-Steinbach war verwandt mit ihm. Sie schrieb ebenfalls. Einen Gedichtband mit ihren und eigenen Texten mit dem Titel „Wenn sich die Parallelen schneiden gab Andrea Wechsler 2012 im Re DiRoma-Verlag heraus. Das Schreiben verband sie über die Grenze zwischen Ost und West hinweg, obwohl sie ihre Großmutter nur zweimal im Leben sah, standen sie sich sehr nah. Und es gibt noch eine Schriftstellerin in ihrer Familie: Urgroßmutter Anna Wechsler (väterlicherseits) war Heimatschriftstellerin in Annaberg – welch ein Zufall, dass Andrea Wechslers neues Buch nun ganz in der Nähe von Annaberg gedruckt wurde. Unter dem Titel: „Balkan-Geschnetzeltes. Kein Kochbuch“ – mit dem Rucksack durch Montenegro, Mazedonien und Albanien erscheint am 17. Februar im Telescope-Verlag in Mildenau (296 Seiten, 17 Euro, erhältlich über Amazon, im Buchhandel und bei der Autorin).
In 35 Texten erzählt Andrea Wechsler von vier Rucksackreisen in den Jahren 2013 bis 2015, die sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Jens Reichel unternahm, von dem auch die originellen Reisefotografien im Buch sind. Lebensprall, anekdotenreich, humorvoll und nahe gehend geschildert, meint man beim Lesen fast selbst dabei zu sein. Wenn sie nach langer Wanderung bei 40 Grad „mit brennenden Füßen und Zungen, die längst vertrocknete Waschlappen sind“ endlich vor einem scheintoten Wirtshaus in den Lovc´en-Bergen stehen: „Wir – die Durstigen, Hungrigen und Geschundenen genießen die Anwesenheit dieser Männer, und sie – die Einsamen und Verlassenen dürfen nach langer Zeit wieder bewirten und uns aufpäppeln. Unser Durst ist ihre Freude. Endlich lebt ihr Wirtshaus auf!“, schreibt Andrea Wechsler.
Und wie ein Mann außer sich vor Freude sie überschwänglich lobte, da sie den Schafskäse erkannte, nicht irgendwelchen, sondern von seinen Tieren und sie deshalb anhimmelt als „eine Göttin, eine Zarin, eine Heilige!“, erzählt Andrea Wechsler schmunzelnd. Doch damit nicht genug. „Ti si Unikat!“ Nach dieser Reise weiß sie eines ganz genau: „Ich bin ein Unikat.”
Die Buchpremiere und Lesung mit Andrea Wechsler, umrahmt von einer Foto-Show, Musik und kulinarischen Spezialitäten vom Balkan findet am 17. Februar, 19.30 Uhr in der Reisekneipe auf der Görlitzer Straße 15 in der Äußeren Neustadt statt (um Anmeldung wird gebeten per mail an: info@reise-kneipe.de oder telefonisch: 0351 – 26 6255). Das nächste Buch, in dem der Berlin-Marathon eine Rolle spielt, ist schon in Vorbereitung.

Beim Wandern im mazedonischen Baba-Gebirge traf Andrea Wechsler auf diesen Blaubeerpflücker im Damensattel. Foto: Jens Reichel