Lebendige Zeitreise in die Welt Karl Mays und echtes Indianerleben
Abenteuerlich, erlebnisreich, urwüchsig und fröhlich-unbeschwert ging es zu zwischen Western-Ranch, Indianerland und Geschichtenbasar bei den 28. Karl-May-Festtagen in Radebeul.
Der Radebeuler „Lößnitzdackel“ wird zum Santa-Fe-Express, der fröhlich schnaufend mit Blick auf die Weinberge durch den Lößnitzgrund fährt, voller Entdecker, vorbei am Westerncamp, Little Tombstone bis ins Indianerland. Wo auf einer Waldlichtung mehrere Indianerstämme ihre Gesänge, Lieder, Tänze und Bräuche zeigen. Wunderbar.
Turbulent und schön war`s gestern zum Kindertag. Lauter strahlende Gesichter.
Heute am Sonntag locken bei den diesjährigen Karl-May-Tagen im Radebeuler Lößnitzgrund (noch bis 18 Uhr) nochmals abenteuerliche Wild-West-Stimmung und viel Kultur von Westernmusik über orientalischen und indischen Tanz und feurige Klänge vom Balkan bis zum Geschichtenbasar mit türkischem Schattentheater für kleine und große Besucher.
Bei sommerlich warmem Wetter, umgeben von hohen Bäumen kann man auf dem Platz „Kleine Feder“ eintauchen in die indianische Kultur und Lebensweise. Die Zuschauer sitzen rings um ein Holzpodest. Am Rande der Bühne stehen weiße Tipis. Die vier Tänzer der White Mountain Apache Tribe aus Arizona sind erstmals in Radebeul zu Gast, schließlich steht diesmal der legendäre Apachenhäuptling Winnetou aus den Karl-May-Filmen im Mittelpunkt. „Doch die echten Indianer sehen schon etwas anders aus, da müssen wir ein paar Illusionen nehmen“, sagt schmunzelnd Kerstin Groeper, Indianerroman-Autorin, die die Vorführungen moderiert. Sie tragen keine langen, schwarzen Haare und Stirnband, sind weder alle groß noch gertenschlank und ziehen nicht nur Ledersachen und Stiefel an, sondern auch Weste und weißes Hemd und Turnschuhe. Einige von ihnen tanzen barfuß.
„Die Apachen gehören zu den wildesten Indianern überhaupt“, sagt sie und fragt die Kinder, ob sie ein bisschen Angst hatten bei ihrem Auftritt. Nein, lautet ihre Antwort. Sie schauen fasziniert zu wie die Großen, einige sind wie Indianermädchen und -jungen gekleidet, und dürfen sogar mit den Indianern zusammen tanzen und bewegen sich wie sie. Nur ein paar Kleinere fingen an zu weinen bei den lauten, wilden Rufen und Gebärden. „Sie haben das böse Gesicht geübt. Sie spielen nur“, erklärt Kerstin Groeper. Die Mountain Apache Tribe tragen Lederwesten auf nackter Haut, Oberarme und Gesicht sind mit schwarzen und weißen Streifen bemalt. Sie tragen bemalte Schilde mit Vogelfedern und Speere. Mit dem Gebrüll erschreckten die Apachen ihre Feinde, die spanischen Eroberer, die nach Gold in ihrem Land suchten. Die Tänze geben ihnen Kraft und Macht für Geist und Körper und mit einem Gebet machten sie sich unsichtbar für Feinde bei Kämpfen, erzählt sie.
„Sie tanzen, um Frieden und Harmonie zu bringen, denn wir gehören alle zusammen als Menschen“, so lautet die Botschaft der Montain Apache Tribe. Zuerst sprach ein Tänzer feierlich ein Gebet für ihre Ahnen, für die Tiere, für alle Menschen und Indianer, die hier in der Gegend lebten und gestorben sind. Eine solche Zeremonie wurde erstmals abgehalten bei den Karl-May-Festtagen. Die Apachen seien überrascht von der Herzlichkeit, mit der sie willkommen geheißen wurden von den Besuchern.
Jedes der indigenen Völker habe eine eigene Schöpfungsgeschichte, die in ihren Geschichten, Liedern und Tänzen lebendig gehalten und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Apachen in Arizona haben eine eigene Stammesregierung. Heute ist eine Frau die Stammespräsidentin und gibt es neun Berater aus den jeweiligen Destrikten. Während früher alle Häuptlinge männlich waren. Sie haben auch Casinos und Glücksspiel, wo die Weißen ihr Geld lassen und die Apachen sich ihr Land Stück für Stück zurück kaufen, erzählte einer der Tänzer.
Die Le-La-La Dancers der Kwakwaka`wakw Nation aus Kanada, die seit 31 Jahren überall auf der Welt von China, Australien bis Neuseeland auftreten, sorgten mit ihren farbenfrohen Gewändern, urwüchsigen Gesängen zu Trommelklängen und Masken-Tänzen, oft humorvoll, für Begeisterung bei den Zuschauern. Die kanadische Regierung verbot diese alten indianischen Tänze bis 1951. Doch die Indianer haben sie dennoch bewahrt, es hat sie stärker gemacht und sie tanzen sie heute noch, erzählt Kerstin Groeper. Darunter ein „Raben- und ein Grizzlybärentanz“, ein Tanz über ein wildes, im Wald hausendes Ungeheuer und eine riesige Frau mit Korb auf dem Rücken, eine Hexe, die Kinder mitnimmt, die allein unterwegs sind.
Abschließend zeigen sie einen Friedenstanz, würdevoll-erhaben und aus einer Rassel herausgelassen, lassen sie unzählige weiße Federn in die Welt hinaus fliegen.
Aus Kanada stammt auch der Sänger, Maskentänzer, Schnitzkünstler und Geschichtenerzähler Ed. E. Bryant, er gehört der Tsimshian Nation an, die vorrangig an der Nordwestküste und in der Provinz British Columbia lebt. Von ihm stammen die farbenfrohen Totempfähle am Eingang ins Indianerreich, einen hat er auch für das Karl-May-Museum in Radebeul geschnitzt. Es sei kein Marterpfahl, erklärt er, sondern erzählt die Geschichte des jeweiligen Häuptlings und Tiere wie Bär oder Adler symbolisieren die Kraft und den Geist, mit dem sie zusammen getroffen sind.
Er singt mit der Handtrommel archaische, naturverbundene, kraftvolle Weisen, auch ein Lied zu Ehren der Lachse, die die Bewohner an der Küste ernähren und ein Lied zur Erinnerung an seinen verstorbenen Vater.
Zusammen mit Kindern aus dem Publikum tanzt Ed. E. Bryant Tänze, die verschiedene Tiere wie Adler, Rabe, Orka, Wolf und Wal repräsentieren und bewegt sich wie diese. Er trägt einen Feder-Fächer und eine rot-blaue Decke mit gesticktem Adler und breitet die Arme wie Flügel aus, übermütig umherwirbelnd.
Auf Karl Mays Geschichtenbasar wehen bunt orientalische Tücher auf Leinen. In einem Zelt ist türkisches Schattentheater mit dem Figurenkünstler Hüseyin Kücük zu erleben. Er trägt eine rote Kappe mit schwarzer Kordel und aufgemalten Zwirbelbart. Er erzählt von den Abenteurern Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, die mit dem Orientexpress in Mays Büchern den Tigris hinauffuhren und in einem kleinen anatolischen Ort landeten, im Hamam ein Bad nahmen und nebenan war ein Schattentheater. Mit gewitzten und naseweisen Figuren, einer sehr biegsamen Bauchtänzerin und auch Hodscha Nasreddin taucht auf samt bockigem Esel. Schließlich gelingt es ihm doch aufzusteigen, wenn auch rückwärts. „Ab und zu muss man die Lauf- und Blickrichtung wechseln“, sagt er aufmunternd.
Auf eine Zeitreise gehen die Besucher, während sie am Westerncamp „White Horse“ mit Siedlerwagen und aufgehängten Wäschestücken vorbei spazieren, gestaltet vom 1. Radebeuler Country & Westernclub e.V., die auch mit Lassowerfen und Stuntshows für Westernstimmung sorgen. Frauen in langen Kleidern mit Reifröcken spazieren auf dem Bahndamm in der Abendsonne, wo die immer noch mit Festbesuchern voll beladene Kleinbahn am Weißen Ross einfährt. Während weiter vorn, unterhalb der Weinberge ein Indianer, braungebrannt, mit Federhaube und bemaltem Gesicht, wie aus Karl Mays Büchern entstiegen, lächelnd über die unbeschwerte Stimmung an den Händlerständen mit Kunsthandwerklichem aus Peru und den Westernkneipen vorbei schlendert.
Am Bahndamm auf einer Wiese grasen friedlich zwei Pferde, „Otto“ und „Alice“, stellt ihre Besitzerin vor. Sie haben heute schon viele Kinder erfreut, die mit ihnen eine Runde drehen durften. Ausspannen können auch die zwei Ponys vor ihrer Kutsche nach dem warmen Tag. Ein Mann aus dem Westerncamp steht versonnen mit seinem Pony auf der Wiese und schaut auf die Leute auf dem Bahnsteig, als kämen sie aus einer anderen Welt. Der „Lößnitzdackel“ schnauft fröhlich weiter, zurück ins Festgelände.
Text + Fotos (lv)