Herbstversonnen

Das Meer muss warten
ein wilder Garten
wogt
blau violette Blütenwellen
bäumen sich auf
weiße Blütenkapseln
wie perlweiße Gischt
flimmern im Licht
der Herbstsonne
ein Duft wie von Salbei
und Minze weht
vor sich hin
prall rote Brombeeren locken
immer noch in der stachligen Hecke
am still verwunschenen Schlosspark
hinter der Stadt

LV
23.10.2023

Sommerabschied

Die gelben Quitten aus des Malers
Zaubergarten in Koserow liegen
noch immer auf dem Tisch
wie Sonnenbälle die abends
den Himmel golden färben
funkelnde Jade Augen
der graugetigerten im letzten warmen
Licht badet sie im Blumenkasten
im Wintergarten
die Lichtflecken auf dem Holzboden hütet die
kleine schwarzweiss fellige

die gestern noch lauwarme Luft
verschluckt im tiefblauen Himmel
noch einmal Sonne satt
weiße Wolken segeln über den Weinhängen
alle Trauben gelesen prallrund golden und violett
und Eiswein in orangenem Licht locken sie auf
Leinwänden und Papier verewigt
mittendrin in der Hoflößnitz
verstreut bunte Blätter Kastanien Stachelschalen
und Weintrauben im Gras begehrlich streckt eine
Schnecke die Fühler aus dem Gehäuse

traumhafte Blütenpracht strömt würziger Duft
nach Spätsommer und Herbstblumen
malerische Magie nun wirken sie bei mir
die Farben die beschwingen vielblättrig
fallen und steigen wie Sterne

LV
14.10.2023

Mohnsegel

Der Sturm letzte Woche
riss ganze Bäume aus
trennte mich vom Internet
eine Woche lang Funkstille
die Mohnblumen blieben stehen
oder wagen sich erneut hervor
auf der wilden Wiese nahe dem Fluss
wo vorher Baugerät und Betonröhren standen
leuchten überall rote Punkte im Gras
noch im Spätherbst
zu zweit und einzeln tiefrot
und ergreifend schön
leicht bewegt vom Wind die Blütensegel
als könne er selbst ihnen nicht widerstehen
wogen wiegen kräuseln sich die Blütenblätter
in verzückter Umarmung mit dem Wind
am Flussufer gegenüber vergnügtes Kreischen aus der riesigen Überschlagsschaukel
wenn sie in die Tiefe rauschen
und wieder nach oben
fliegen
hoch über dem weiß rot flimmernden
Karusselmast
mir fallen vom Apfelbaum die letzten gelb fleckigen duftenden Früchte zu
setze mich zu zwei Mohnblumen ins Gras
die mich aus schwarzen Augen anlächeln
winzige Antennen aus dem Inneren ausgerichtet
jeden Moment können sich ihre Blütenblätter lösen
könnte ich doch leichthin wie sie den Moment des Fortfliegens sehen
das Schöne behalten
wiederkommen

sehen wie es weiterwächst

Lilli Vostry
28./29.10.2021