Im Traumland erscheinen alle Dinge wundersam verwandelt: Alice (Melania Mazzaferro) und das weiße Kaninchen (Eliton Da Silva de Barros) fahren im Traumboot auf dem nachtblauen See verrückten Abenteuern entgegen. Fotos: Pavel Sosnowski

Fantasiereiche Traumwelt mit Scherben

Farb- und bewegungsreich erlebte „Alice im Wunderland“ frei nach den Kinderbuchklassikern von Lewis Carroll als Tanzmärchen von Radek Stopka mit Musik von Sven Helbig eine begeisterte Premiere in der Staatsoperette Dresden.

Die goldene Uhr tickt und tickt unermüdlich. Da kommt das weiße Kaninchen gerade recht, dem das Mädchen im blauen Matrosenkleid aus dem durchgetakteten Alltag neugierig in seinen Bau folgt und in einer Traumwelt voll wunderlicher Wesen allerlei Abenteuer erlebt. Ebenso fantasie- wie bewegungsreich geht es dabei zu auf der Reise von “Alice im Wunderland“, die nun als Tanzmärchen von Ballettdirektor Radek Stopka und Musik von Sven Helbig frei nach Lewis Carrolls weltweit beliebten Kinderbuchklassikern für kleine und große Besucher auf die Bühne kam. Die Uraufführung war am vergangenen Sonnabend in der Staatsoperette Dresden.

Bewegte Bilder auf einer Leinwand zeigen eine Stadt und ihre Bewohner, Damen und Herren in grauen Mänteln eilen geschäftig hin und her auf der Bühne. Gesprochen wird nur zu Beginn: „Aufwachen!“ rufen Alices Eltern ihr zu und reißen sie aus ihren Träumen. Keiner hat Zeit. Mit dem weißen Kanichen mit der Taschenuhr fällt Alice tief unter die Erde, schwebt schwerelos kopfüber umgeben von wundervollen Dingen. Zauberhaft optisch, musikalisch und tänzerisch in Szene gesetzt mit mehrdimensionalen Bühnenbildern, mit denen imaginäre Räume erstehen und sich immer wieder verwandeln, in denen Innen- und Außenwelt und die Grenzen von Raum und Zeit verschwimmen und immer neue Traumgestalten in farbenfrohen und fantasievollen Kostümen erscheinen.

Mal verträumt gefühlvolle Melodien von Sven Helbig am Klavier, Geigen und Spieluhrklänge, die etwas an die Filmmusik aus „Die fabelhafte Welt der Amelie“ von Jan Thiersen erinnern, wechseln mit flott, beschwingten Klängen und Tanzszenen. Das Orchester (musikalische Leitung: Johannes Prell) begleitet stimmungsvoll das Traumtänzer-Ensemble der Staatsoperette, das alle Register zieht von neoklassischemTanz, Showdance, Slapstick bis zu Breakdance mit zwei Tänzern von The Saxonz und artistischen Einlagen. Auch kleine Darsteller eines neuen Kinderbaletts wirken mit. Alice (kess und aufgeweckt: Melania Mazzaferro) erscheint mal klein und riesengroß auf der Bühne, begleitet durchs Wunderland vom weißen Kaninchen (Eliton Da Silva de Barros) mit langen Flauschohren und weißem Mantel lustig und galant wie ein Entertainer. Mit ihm sitzt sie romantisch in einem umgekehrten Regenschirm als Traumboot auf dem nachtblauen See.

Die Grinsekatze bewegt sich geschmeidig und mal ist nur ihr Kopf und mal nur ihr Körper sichtbar im Augenglas. Der verrückte Hutmacher und der Märzhase bringen Alice Steptanz bei und tanzen gemeinsam gegen das Uhrticken an. Die Teegesellschaft, eine Schlüsselszene der Geschichte, kommt leider zu kurz, ohne absurdes Rätselraten und skurrilen Witz. Alice und die Traumgestalten sitzen stattdessen auf den Scherben der weißen, zerbrochenen Teetassen. Das ist vieldeutig interpretierbar. Keine Zeit mehr für Beisammensein selbst im Traumland in einer Welt voller Risse. Die böse, kalte Herzkönigin in rotem Kleid und schriller Frisur, ihre Wächter als Spielkarten und ihr Gefolge tanzen mechanisch zu militärischen Klängen. Sie benutzt ihre Angestellten als Fußabtreter, sie kriechen vor ihr, sie tanzt mit ihnen und wechselt sie nach Belieben. Die Traumfiguren zeigen Alice Neues, sie tragen und halten sie. Entführen sie und das Publikum in paradiesische Gärten, in geheimnisvolle Unterwasserwelten und pinkfarbene Pilze versetzen die Tänzer in Tanzrausch zu hypnotischen Trommelklängen. Die weiße Königin schwebt anmutig und kraftvoll an weißen Tüchern in der Höhe, beflügelt und beschirmt mit silberner Rüstung Alice und hilft ihr, die böse Herzkönigin zu besiegen. Reichlich Beifall gab es für diese herzerfrischende und wärmende Wunderland-Reise in kalten Zeiten, die ermuntert, die eigenen Träume nicht zu verlieren.

Text (lv)

http://www.staatsoperette.de


Mit gewitztem Charme verblüfft Alice die böse Herzkönigin, die gierig und hartherzig ihre Machtspiele treibt.