
Scherben
Als ich für die ersten Frühlingszweige
heute frisches Wasser holte
zerbrach die Vase
hell und leicht klang es
Wasser floss über Scherben
größere und kleine hellrote Hügel
aus Glas
schnitt mich inwendig
wie der Abschied von Dir
dünn das Blut wie Wasser
im viertelvollen Röhrchen
zeigte mir die Frau im weißen Kittel
du fauchtest sie kurz an
lagst still bei mir
auf einem Bild flieg
ich übers Meer
mit den Scherben
LV
8.3.2024
Der Scherenschnitt „Fliegen über`s Meer“ von Christiane Latendorf stammt von 2003.

Bilder
(Zum Frauentag)
Deine Bilder male
ich in Gedanken weiter
mit Worten
aus Liebe zu sich selbst
wen noch
gelebt geliebt gestritten
nie genug
reizend aufreibend
alles ausreizend
endloses Schweben
Schlittern
Zittern
Ausrutschen
Aufstehen
Weitergehen
Vor sich selber
Geradestehen
Was zählt
LV
8.3.2024












Schöne Erinnerung. Jade & Lina im Frühlingszauber, März 2021.
Blaue Stunde
Scheint als ob die Sonne
wartet
ihre letzten Strahlen streifen
mein Gesicht
den ganzen Tag schien sie
auf den Platz der Felligen
der blieb leer
ein Flatterwesen fliegt
auf einen Baum
vor der Haustür
am Fluss die Wasservögel
alles wie immer
die Luft sehr mild
die Balzrufe wild
ein heller Streifen am Horizont
hinter den Scherenschnittbäumen
zur blauen Stunde
steht die blaue Box im Flur
Jade steckt vorsichtig ihren Kopf
an den Rand springt kurz hinein
ihr steht der gleiche Gang
bevor wie der kleinen schwarz weißen
wird die grauweiß getigerte es überstehen
morgen werd ich es wissen
LV
3.3.2024






Wolkenflügel
Große weite Schwingen
im Graublau des Himmels
hinten ein schmaler Streifen Licht
Vögel kreisen über den Lichtflecken
am Fluss wie gern flög ich
mit euch schwerelos leicht
endlos getragen vom Licht
LV
3.3.2024




Was bleibt
(Für Lina)
Ein letztes Streicheln
der Wind strich über dein Fell
ein Bach rauschte leise
neben der Wiese in der frischen Erde
rot sonnenfarbene Primeln für dich und Lola
im Gras schimmerten Muscheln
erdfarben und perlmutt
sie liegen bei der Kerze
ein paar Kratzspuren am Regal
weiße und dunkle Haare
auf Kissen
ein kleines Fellbüschel
das ich in der Hand hielt
als ich dich zu fangen versuchte
du wehrtest dich mit Leibeskräften
gegen die Tabletten
ein kleines zartes Fellbündel
ich trug hielt wusch dich
hielt dich im Arm
sonst sprangst du immer weg
ließest dich kurz streicheln
manchmal auch das seidenweiche weiße Bauchfell
schnurrtest um so lauter
liebtest Pflanzen und den Geruch
von meinen Schuhen
hast mir vom Sofa aus
beim Schreiben zugesehen
und vor dich hingesehen
still und tretelnd die Decke
mit den Pfoten
wolltest mit mir und Jade weiter gehen
nun träumst du hoch bei den Sternen
gestern Abend sahen wir zu dir
in den nachtblauen Himmel
LV
22.2.2024















Da waren sie noch zusammen: Jade & Lina. Und meine erste Katze Lola.
Zwei
Zwei breiten ihre Zweigarme aus
suchend schmiegsam biegsam
tänzelnd verästelt ins Helle
verbinden umarmen
spiegeln sich in der Tiefe
des Sees
Eis zieht gefrorene Kreise
weiter und weiter durch dünne Häute
verwoben beide in der Mitte
klar erkennbar ihre Konturen
fließen zusammen
LV
17.1.2024
Das Gedicht entstand zum Foto „Elbaue“ von
Steffen Lipski
Baumgeschöpfe
An der Elbaue
Sich wiegende
biegende
verschwiegene Baumgeschöpfe
in Zweigen verflochten
das Flüstern des Wassers
wie in einem Spiegel
aufgefangene Tiefen
wankende Höhen
fließendes Sein
LV
1.3.2023
Das Gedicht entstand zum Foto
„Die Elbaue“ von Steffen Lipski
Texte + Fotos: Lilli Vostry