









Märchenhaftes und Früchte des Lebens
Fröhlich farbenfrohe Blätter zur Kasperiade, ausdrucksreich Figürliches und Landschaften am Meer zeigt die Radebeuler Künstlerin Bärbel Kuntsche derzeit in einer Ausstellung im Weinbaumuseum Hoflößnitz.
Traumhaft und klar zugleich leuchtet der Vollmond warm orange wie ein Lampion zwischen dunklen Baumumrissen, Häusern und Kirchturm. Auf der Veranda sitzt am offenen Fenster zeichnend eine Frau und hält den besonderen Anblick fest und auf einem Notizzettel den Tag. „Blutmond, 27.7.2018“ steht auf dem Titelbild der Ausstellung mit Malerei und Grafik von Bärbel Kuntsche, die anlässlich ihres 85. Geburtstages im August am vergangenen Sonntag mit viel Besucherresonanz im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz, Knohllweg 37, in Radebeul eröffnete.
An den Rebstöcken reifen noch die Trauben beidseits am Treppenaufgang
zur Aussichtsterrasse.
Dies ist die dritte Ausstellung in dieser Saison im Jubiläumsjahr 100 Jahre Hoflößnitz und Weinbaukultur. Zu sehen sind Arbeiten aus 30 Jahren, die eindrucksvoll das facettenreiche Schaffen der Radebeuler Kunstpreisträgerin von 2005 Bärbel Kuntsche widerspiegeln in den beiden Räumen im Bergverwalterhaus. Mit abwechselnd klassisch, elegischen, melancholischen und leicht beschwingten Klängen, von französischer Barockmusik über eine Humoreske von Antonin Dvorak bis zur bekannten, charmanten Melodie Champs Elysee, stimmten die Musikerinnen Sandra Bohrig und Beate Hofmann vom Duo „Cellikatessen“ klangreich auf die Bilder ein.
Vor allem die märchenhaft wundervollen Blätter zur Kasperiade, die bei ihm zuhause hängen, so Museumsleiter Frank Andert zur Ausstellungseröffnung, prägten bisher sein Bild von Bärbel Kuntsche. Sie gestaltete viel Gebrauchsgrafik, doch die Künstlerin kann viel mehr. Nachdem er sich einen Überblick über die Sammlung der Hoflößnitz verschaffte, als er vor zehn Jahren hier anfing, stieß Andert auf andere Arbeiten, fast melancholische Grafiken, Holzschnitte und ein Gemälde von Bärbel Kuntsche. Ein ebenso stimmungsvoller Bilderreigen, Figürliches und Landschaften, treffen feinfühlig und ausdrucksvoll aufeinander in dieser Ausstellung. Sie entführen die Besucher ins Reich der Flora und ans Meer. Bezaubernde Bildnisse mit Blütendamen, Blumen- und Früchtestillleben mit Äpfeln, Birnen und Trauben in warmen, leuchtenden Farben und altmeisterlicher Manier, gemalt vor dunklem Hintergrund und farbige Zeichnungen von südlichen Landschaften, Reisen in die Toskana und nach Florenz sind da versammelt. Im Eingangsraum hängen fröhlich farbenfrohe und fantasievolle Plakatserien mit Harlekin, König, Zwergen, Gestiefeltem Kater und Einhorn zur Radebeuler Kasperiade damals noch in Altkötzschenbroda.
Außerdem sind in Malerei und Holzschnitten, teils farbig-expressiv, Blicke aus dem Fenster, Tischrunden und Ansichten vom Meer zu sehen. In wenigen Farbtönen, blau und sandfarben, eine Frau im blauen Kleid am Strand zwischen Felsklippen. Dunkel, schattenhafte Körperumrisse eines Paares vor den brausenden Wellen, im Sand knieend und mit den Armen rudernd. Eine Familie schaut romantisch-versonnen wie aus der Zeit gefallen aufs Meer, am Horizont ein kleines Segelschiff. Das Meer als Freiheits- und Sehnsuchtsort. Davon erzählen die Holzschnitte in starkem Wechselspiel von Licht und Schatten, Ruhe und Bewegtheit, Geborgen- und Ausgeliefertsein zwischen Mensch und Natur und der Begegnung mit sich selbst. Ein Bild zeigt eine Familie überrascht von einem Gewitterguss im Elbsandsteingebirge. Große dunkle Wolken, peitschender Regen geht nieder auf die Erde, davor ein Paar und Kinder, romantisch anmutend an Caspar David Friedrich angelehnt, aber härter im Strich. Die Kinder sitzen auf dem Felsrand wie auf einer Insel und die Menschen wirken winzig vor den geballten Naturkräften. Die Bilder wirken erstaunlich zeitlos und entrückt, die meisten entstanden nach 2000. Sie rücken in mal leuchtenden und mal gedämpften, spröden Farbtönen die Schönheit und Verletzlichkeit des Lebens, Werden, Vergehen und Verwandlung in den Blickpunkt.
Bärbel Kuntsche wurde 1939 in Weißenborn/Sachsen geboren. Sie ist gelernte Kunstporzellanmalerin an der Manufaktur in Meißen und arbeitete bis 1962 in dem Beruf. Von 1962 bis `66 studierte Bärbel Kuntsche Malerei und Grafik an der Dresdner Kunsthochschule. Hans Jüchser und Theodor Rosenhauer, zwei Radebeuler Maler, aber auch Otto Niemeyer-Holstein, ein Usedomer Künstler, waren wichtig für ihre künstlerische Entwicklung. Nach einer Tätigkeit im Kulturamt Dresden arbeitet sie seit 1997 wieder freischaffend als Malerin und Grafikerin in Radebeul. Besonders markant und einprägsam sind ihre Porträts und angedeuteten Selbstbildnisse, Köpfe und Gesichter mit großen Augen, die Hände aufgestützt, tastend, suchend, haltend, sinnend und in sich versunken in vorwiegend herben, schwarz-weiß Kontrasten gehalten, linienreich, bewegt und fein verwoben die Körperumrisse und Umgebung. Vielsagend auch die Bilder mit Engel, einer eilt im Spagat mit herabhängenden Schwingen und erhobenen Händen, ein anderer sanft mit sich eins und einem Blütenzweig in der Hand. Die Ausstellung von Bärbel Kuntsche ist noch bis 15. September im Hoflößnitz zu sehen.
Text + Fotos (lv)
Geöffnet: Di bis So von 10 bis 18 Uhr.



Stimmungsvoller Bilderreigen: Museumsleiter Frank Andert zeigt die vielen Facetten im Werk der Radebeuler Künstlerin Bärbel Kuntsche im Weinbaumuseum Hoflößnitz.







Zauberhaft wie ihre Blüten-Stillleben auf den Leinwänden: die Malerin und Grafikerin Bärbel Kuntsche mit ihrem Mann, dem Künstler Wolf-Eicke Kuntsche und Museumsleiter Frank Andert nach der Ausstellungseröffnung.



