Beflügelnde Aufnahmen

Zauberhafte Momentaufnahmen bekannter und seltener Vogelarten versammelt die Ausstellung „Similar“ des Freitaler Künstlers Steffen Petrenz derzeit in der Galerie „ArtToGo“ in Dorfhain.

Traumwandlerisch, federleicht fliegt eine Schar weißer Vögel mit weiten Schwingen vor schwarzem Hintergrund über einer Teichlandschaft. In Großaufnahme schweben sie frei im Raum. Zwei Silberreiher sehen aus als ob sie verliebt schnäbeln. Doch die Idylle trügt. „Viele denken es wäre Balz. Doch das ist ein Positionskampf. Der beißt den anderen in den Hals“, sagt der Künstler Steffen Petrenz, der die Szene mit der Kamera festhielt. Die Gruppe Silberreiher ist aufgeflogen und geflüchtet vor einem Seeadler, der mit sechs Kilo um einiges mehr wiegt als sie. „Da sind schon Welten dazwischen“, so Petrenz. Silberreiher, Seeadler, Haubentaucher, Tauben, Rauchschwalben… Bekannte und seltene Vogelarten wie die Bekassine, in Mooren anzutreffen, tummeln sich zwischen Himmel und Erde und laden den Betrachter mit den stimmungsvollen Fotografien ein mitzufliegen in ihre Welt.

Insgesamt 36 Aufnahmen, farbige und schwarz-weiße, zumeist großformatige, der luftigen gefiederten Gesellen, zeigt die Ausstellung „Similar“ – das steht für Ähnlichkeit, Übereinstimmung – des Freitaler Künstlers Steffen Petrenz, der sich seit längerem intensiv der Vogelfotografie widmet, derzeit in der Galerie „ArtToGo“ der Georado-Stiftung, Talstraße 7,  in Dorfhain. Er fühlt sich ähnlich den Zugvögeln, die nicht ortsgebunden sind und sich genau wie er auf ewiger Wanderschaft befinden. Die Fotografien haben keine Bildtitel und auch keine Bezeichnung der Vogelarten. Da es weniger um eine ornithologische Betrachtung als um die Athmosphäre und Wirkung geht. „Für mich sind die Bilder von Steffen Petrenz Grafiken von besonderer, narrativer Poesie. Einer Poesie, die uns die Wunder der Natur vor Augen führt“, sagt Olaf Stoy, Kurator der Ausstellung und Galerist. Besonders in den Großformaten werde das deutlich, mit denen man vollkommen in die Situation eintauchen kann. „Das ist großes Kino!“, so Stoy. Er kennt Steffen Petrenz und sein künstlerisches Schaffen seit 20 Jahren und dies ist die dritte Ausstellung, die er gemeinsam mit ihm eröffnete. Petrenz lebt und arbeitet seit 2007 als freischaffender Bildhauer, Fotograf und Keramiker in Freital. Er absolvierte eine Meisterausbildung zum Bildhauer und Gestalter an der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule in Freiburg. Faszinierend an diesen Momentaufnahmen ist vor allem, wie nahe er dern so scheuen und schnellen Wesen kommt, wie man die Vögel selten zu Gesicht bekommt. Die Bilder berühren mit ihrer Unmittelbarkeit.

Er zeigt die gesichteten und beobachteten Vögel in all ihrer Schönheit, Anmut, Zartheit, Kraft, Erhabenheit und Größe, im Flug, lockend bei der Balz, auf und an Teichen still versunken oder elegant tänzelnd wie ein Corps de Ballett und Beute fangend, in zauberhaftem, wechselnden Spiel von Licht, Farben, Federkleid, Tages- und Jahreszeit und Landschaft. In einem Bild breitet ein Vogel seine Schwingen aus und ein anderer fliegt davon. „Das war ein symbolischer Moment, das alte und das neue Jahr, das schon bereitsteht“, so Petrenz. Das Foto entstand am letzten Tag des Jahres 2023 in Tiefenau im Landkreis Meißen. Eine Feldlerche fliegt vor dem Sonnenkreis in den Himmel in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme. Sehnsuchtsvoll, frei und schwerelos wirkt sie zugleich. Offen und frei interpretierbar sind seine Fotografien. Für Petrenz spiegeln sie auch Kommen und Gehen, Werden und Vergehen in der Natur und im Leben. Steffen Petrenz ist fast täglich mit der Kamera, Rucksack mit Tarnzelt, Tarnnetz und Tarnanzug unterwegs. Oft noch vor Sonnenaufgang begibt er sich in Position, vor Tageswerwachen und Erscheinen der Vögel an Teichen und auf Wiesen.

Er ist meist an Teichen im Landkreis Meißen  rechts und links der Röder zum Fotografieren. Sein Motto dabei: „Das Tier kommt zum Fotografen und nicht umgekehrt.“ Er harrt für seine nuancenreichen Bilder geduldig oft stundenlang aus, ob Hitze oder Kälte, Bremsen, Brombeersträucher, Mücken, Brennesseln. Das nimmt er für ein gutes Foto in Kauf. Manchmal komme er auch ohne Foto zurück. „Die Silberreiher haben es mir schon etwas angetan“, so Petrenz. Aber sonst habe er keine Vorlieben. „Im Licht sehen alle schön aus.“ Das Naturerlebnis und Fotografieren verschmelzen bei Steffen Petrenz miteinander und ergreifen ihn immer wieder. Er versucht sich so zu bewegen, dass er niemand stört. „Das ist auch ein Respekt vor der Natur.“

„In der Natur gibt es kein Gut und Böse, sondern es gibt nur Konsequenzen“, zitiert Petrenz einen Naturwissenschaftler. Das war für ihn auch ein Beweggrund, die Vielfalt der Vogelwelt in seinen Aufnahmen zu zeigen und das was noch da ist, zu bewahren und ihr natürlichen Lebensräume. Ca. 150 Vogelarten hat er inzwischen fotografiert, rund ein Dutzend davon sind in der Ausstellung zu sehen. Steffen Petrenz kennt viele seiner gefiederten Modelle, die oft beringt sind. „Fast alle Fischadler in der Radeburger Ecke, die beringt sind, habe ich inzwischen fotografiert.“ Und wenn er sie wiedersieht, meldet Petrenz es der Beringungszentrale Hiddensee. Von dort erfährt er, wohin die Vögel reisen und wo sie wieder auftauchen. So auch an diesem Nachmittag in der Ausstellung in Dorfhain kommt eine Nachricht per Handy von der Beringungszentrale.

„Das Mühlbacher Fischadler-Pärchen, das im Juli beringt wurde, hat dieses Jahr Nachwuchs bekommen und sie sind nun zusammen in den Süden geflogen“, erzählt Petrenz mit freudiger Miene. Er bietet auch Fotografie-Workshops an und hält Vorträge über die Vogelarten und seine Exkursionen. Interessierte können sich bei ihm melden.  Die Ausstellung ist noch bis 3. Januar 2025 zu sehen.

Geöffnet auf Anfrage und zu Veranstaltungen in der Galerie ArtToGo in Dorfhain. Dort gibt es außerdem eine Lesung mit dem Dresdner Autor Uwe Salzbrenner aus seinem neuen Roman „Die Talente“ am 1. November, 19 Uhr.

Text + Fotos (lv)

Weitere Fotos zur Ausstellung folgen.

http://www.georado.de/veranstaltungen


Besondere Liebe zu Kunst, Fotografie und Zugvögeln, die sich facettenreich in den Bildern in der Ausstellung widerspiegeln: Der Künstler Steffen Petrenz im Gespräch mit Olaf Stoy, Kurator und Galerist von „ArtToGo“ in Dorfhain bei Freital und selbst ein vielseitiger Künstler.