Kalter Glanz & Herzen, die zu Eis gefrieren: Die Schneekönigin (Christine Hoppe) entführt Kay (Jakob Fließ) in ihr blendend weißes Reich der Eiseskälte und der Märchenerzähler Hans Christian (Paul Kutzner) bangt mit ihm in der diesjährigen Märchenaufführung zur Weihnachtszeit für kleine und große Zuschauer im Schauspielhaus Dresden. Foto: Sebastian Hoppe

Zauberhafte Reise in eine kalte Glitzerwelt

Vor einem großen Spiegelrund, abwechselnd in warmes und kaltes Licht getaucht, umgeben von spitzen Eissplittern und einer fantasievoll farbenfrohen Figurenschar hatte das Märchen von Hans-Christian Andersen am Sonnabend im Schauspielhaus Dresden Premiere.

Gerade im schönsten, funkelnden Flockenreigen fliegt die kalte Herrscherin am Fenster vorbei und alles ringsum erstarrt. In ihre Welt aus blendendem, blinkendem Eis entführt „Die Schneekönigin“ in dem bekannten Märchen von Hans Christian Andersen den Jungen Kay und sein Herz gefriert zu einem Eisklumpen. Seine Freundin Gerda macht sich auf die Suche nach ihm und erlebt auf ihrer Reise an den Nordpol viele wundersame und gefährliche Abenteuer. Die Premiere der diesjährigen Märchenaufführung zur Weihnachtszeit für die ganze Familie war am vergangenen Sonnabend im Schauspielhaus Dresden.

Der große dänische Dichter Andersen (Paul Kutzner) begleitet in dunklem Anzug und Regenschirm die Zuschauer mit kindlichem Stauneblick durch die traumhaft geheimnisvolle Märchenwelt in dieser Inszenierung unter Regie von Nora Bussenius. Er taucht auch als gewitzt-kluger Krähenmann und Waldtaube auf, die Gerda den Weg weisen. Gebannt hören die Kinder von der Großmutter (gutmütig-beherzt: Anna-Katharina Muck, die auch als Blumenfrau, Räubermutter und Finnin urkomisch herausragt) die Geschichte von dem Spiegel, der im Gerangel zwischen Engeln und Teufel in unzählige Teile zersplittert vom Himmel auf die Erde fiel und wenn die Splitter in die Augen oder sogar ins Herz der Menschen gelangen, verkehren sich alle guten Eigenschaften ins Gegenteil, treten Hässliches und Böses besonders hervor. So ergeht es auch Kai (sanft und rau: Jakob Fließ, der auch als Prinz und Rose zu sehen ist), der gerade noch scherzte, dass er die Schneekönigin auf den Ofen setzen und schmelzen würde und seine Freundin Gerda liebevoll Huckepack trägt, als die ersten Schneeflocken schweben.

Die Großmutter weigert sich, ihren auch im Winter blühenden Rosenstrauch einem kalten Geschäftsmann (Sven Hönig, der außerdem als Krähendame, Feuerlilie und Waldtaube erheitert) zu verkaufen. Kurz darauf schneidet eine Spiegelscherbe Kay ins Auge und Herz, ist er wie umgewandelt, redet nur noch grob und verächtlich über die Rosen, Gerda und sieht nichts Schönes mehr. Er bindet seinen Schlitten an den großen Schlitten der Schneekönigin und fliegt mit ihr durch die dunkle Winternacht in ihr eisiges Reich. Die Dame im weiß glitzernden Mantel mit Kapuze und spitzer Eiszapfenkrone (kühl-arrogant mit unnahbar hallender Stimme: Christine Hoppe) küsst Kay auf die Stirn. Nun friert und fühlt er nichts mehr. Das Bühnenbild ist karg und modern gestaltet. Als Spielfläche dient ein großer Erdkreis in der Bühnenmitte, der mal in sonnigen, frühlingshaften und winterlichen Farben leuchtet und mal die Nordlichter. Dahinter kreisen wie in einem Spiegel mal die Schwalben und mal schattenhafte Nachtgestalten in Videobildern (Gary Hurst).

Ringsherum ragen große, spiegelglatte Eissplitter, die das Reich der Eiskönigin umgeben. Die Schauspieler spielen und singen fast durchweg in mehreren Rollen und bezaubern mit wandlungsreicher Spielfreude, mal lustigen, komischen und traurigen Szenen, zauberhaften Klängen und abwechselnd weißen und farbenfroh fantasievollen Kostümen. Gerda (aufgeweckt und mutig: Pauline Georgieva, Studentin vom Schauspielstudio Dresden) zieht allein und Hand in Hand mit ihrem Spiegelbild (Gisela de Paz Solvas) los, um Kay wiederzufinden und begegnet auf ihrer Reise vielen illustren Menschen und Tieren, die ihr weiterhelfen, wie die sprechenden Blumen, das flippige Prinzenpaar schenkt eine Kutsche, das aufmüpfige und gutmütige Räubermädchen (Kaya Loewe) gibt Gerda ihr liebes, altes Rentier Bä (anrührend: Thomas Eisen) als Reisebegleiter mit nach Lappland.

Wundervoll die Szene wie er als silbergraues Rentier mit stattlichem Geweih glücklich über die lang ersehnte Freiheit hoch am Sternenhimmel schwebt gemeinam mit Gerda. Sie findet Kai im Eispalast, der gerade dabei ist aus Eisstücken das Wort der Worte zusammenzusetzen. Dann will die Schneekönigin ihm die ganze Welt und neue Schlittschuhe schenken. Doch erst Gerdas Tränen tauen sein kaltes Herz wieder auf und er wundert sich wie er es in dieser Kälte ausgehalten hat. Herzlichen Beifall und viele Bravos gab es für diese zauberhafte Geschichte über Liebe, Mitgefühl und Verbundenheit zwischen Menschen und Natur, die stärker sind als kalter Glanz und Gleichgültigkeit auf der Welt.

Text + Fotos (lv)

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