Baummuse und Rapswurzelvolk
Zum Träumen, Besinnen und Nachdenken lädt die Ausstellung „Zeige dem Engel die Welt“ mit Malerei, Grafik und Objekten von Ju Sobing in der Stadtgalerie Radebeul ein.
Eine wundersame Gestalt in einem Papierkleid, aus deren Kopf Zweige wie Antennen, Fühler wachsen, steht im Eingangsraum der Stadtgalerie Radebeul. Die „Baummuse“ ist umhüllt von Zeitungsseiten und übersät mit Gedichtversen in schwarzer Tusche, die Natur und Menschsein in aller Fülle, Schönheit und Abgründen zeigen. Hinter ihr an der Wand wirbeln Farben und Formen heftig durcheinander in der Collage-Serie „Chaoszeit“ aus dem Jahr 2014, daneben leuchtend farbig über schwarzen Umrissen
der „Sommertanz“.
Zum Träumen, Innehalten, Besinnen und Nachdenken lädt die Ausstellung von Ju Sobing “Zeige dem Engel die Welt“ zum 75. Geburtstag der Radebeuler Künstlerin ein. Zu sehen sind Malerei, Grafik und Objekte von Mitte der 90er Jahre bis heute.
Da mischen sich Traumhaft-Surreales, Konkretes, Abstraktes, Ernstes, Poetisches und leise Komisches, Bilder und Sprache auf den Leinwänden, oft Mischtechniken, übermalten Collagen, Zeichnungen und Dingen. Da erhebt sich ein knorrig-lustiges, kleines „Rapswurzelvolk“ auf Steinsockeln, aus Wurzeln und Seidenpapier gestaltet, auf dem Fensterbrett. Blickt man in den Collagen, die farb- und kontrastreich Lebensmomente spiegeln, in Gesichter von Menschen, kleinen, großen, jungen, alten, unbekannten und Politikern.
Licht und Schatten, Glück und Leid, Hunger, Gewalt und lautes Schweigen liegen nah beieinander in diesen Bildern aus aller Welt, zusammengesetzt aus Zeitungsausschnitten, die die „Unerreichbarkeit des Paradieses“ vor Augen führen und zugleich ein achtsames Erinnern daran sind. In einer Ecke liegt ein Stapel alter Zeitungen und Bücher als gesammelte „Zeitpäckchen“. Die wunderbare Collage „Tundra“ in grünen und erdigen Tönen, als Malgrund dient eine vergilbte Schulwandkarte, mit einem durch die weite Steppe im Rentierschlitten fahrenden Paar entführt in eine Welt, wo noch die Natur den Lauf des Lebens bestimmt. Am Treppenaufgang zum oberen Galerieraum wirft die Künstlerin ihre reichhaltigen Ideen- und Gedankennetze aus, die an einer Pinnwand festgehalten als „Kleine Zeitsammlung“ voller Skizzen, Notizzettel mit Künstlerzitaten und Lebensweisheiten und einem Artikel über „Die Sprache des Sehens“ zum Werk von Andreas Feininger ebenso spannend wie anregend sind für den Betrachter.
Ins ausdrucksreiche „Eigenland“ von Jo Sobing führt zeichen- und wortspielreich ein von der Decke bis zum Boden reichendes, leuchtend rotes Wandbild. „Wenn die Worte verschwinden, verschwinden auch die Bilder“, heißt es da. Und: „Das Zeitrad dreht sich/Du siehst seine Spur in deinem Antlitz – Aufgebrochenes Erdreich zeigt dir/die Wunden die nicht mehr verheilen Verletzungen/Aufgelöste Zeichen des Herzens und Gewinn“, so ihr Blick auf Veränderungen und Vergänglichkeit und Bleibendes. Ju Sobing ist seit 1989 freischaffend tätig als Bildende Künstlerin und Autorin. Sie lebt und arbeitet in Radebeul und in Sorbolongo/Italien.
„Frei von Meinungen und Tendenzen arbeite ich, umkreise meine Themen mit spielerischem Ernst. Bilde, baue, zerstöre, überarbeite, lasse die Natur zuweilen mitarbeiten“, sagt Ju Sobing über ihre Arbeiten. “Kunst heißt umkreisen von Leben und Sterben in allen Facetten.“ Die Ausstellung ist noch bis 15. Dezember in der Stadtgalerie Radebeul zu sehen.
Text + Foto (lv)
Geöffnet: Di., Mi, Do., So. von 14 bis 18 Uhr