
Innige Verbindung: Lilli Vostry, meinwortgarten-Inhaberin und freie Journalistin, mit ihrer ersten Katze Lola, die sie achtzehn Jahre durchs Leben begleitete und von der sie viel über die ganz eigene Art die Welt zu sehen der wundervollen, felligen Wesen lernte.


Sanft, aufgeweckter Stauneblick, voller Eigensinn und Lebensfreude & unzertrennlich: Die gemeinsame Zeit mit Lina & Jade dauerte leider nur drei Jahre. Der plötzliche Verlust der beiden in diesem Jahr schmerzt sehr.





Lolas Vermächtnis
Eine Geschichte über Katzenliebe, Abschied, Erinnerungsplätze im Lichtzimmer und wilde fellige Jungspunde, die alles umkrempeln und ihren Platz im Herzen erobern.
Im Wohnzimmer ist es still. Ein rotes Kerzenglas, auf dem Sterne und Katzen auf einer Mondsichel sitzend zu sehen sind, leuchtet vor Lolas Bild und einem Bild, das Jade und Lina ähnelt. Die beiden tragen eine rote Weihnachtsmütze mit weißem Fellrand und Bommel und Elchhörner auf dem Kopf und umarmen sich. Fantasius Firlefanz sitzt vor ihnen auf dem Schreibtisch, hinter ihm steht eine Möwenfigur umrahmt von wundervollen Federn, lange weiße, weiß-schwarz umrandete, braun-weiß gesprenkelte, seidige und flaumige ragen da auf wie kleine Segel und lassen die Frau immer wieder eintauchen in die unbeschwerte Zeit am Meer. Der kleine Holzvogel, ihr geflügelter Begleiter wundert sich über die Stille. Im Wohnzimmer ist er schon länger allein mit der Frau, die meist nur hereinkommt, wenn die Arbeit ruft und sie am Schreibtisch sitzt. Alles steht immer noch so wie zu der Zeit als Jade und Lina noch bei ihr waren. Die Zweige auf dem Tisch, Kerzenengel, silberne Elche, Papiersterne, ein Hexenräucherhäuschen und ein Schokoweihnachtsmann vom letzten Jahr.
Das Sofa ist leer. Die Decken und Spielsachen der Katzen liegen noch da. Bilder von Lola, Jade und Lina. Im Wintergarten der Blumenkasten mit Pflanzen, Federn, Spielmaus, wo sie gern saßen. Ein Kerzenglas erhellt die Dunkelheit. Vor der Zimmertür im Flur herrscht Trubel. Es raschelt und poltert. „Ist das Knecht Ruprecht, der dort umhergeht und Geschenke versteckt zum bevorstehenden Nikolaustag?“, fragt sich Fantasius. Er weiß nichts von den drei Kätzchen, die dort in der Wohnung herum tollen, am liebsten auf einem großen Karton, in dem der neue Katzenbaum verpackt war. Sie springen auf dem Pappkasten herum wie auf einem Trampolin oder Sprungbrett, rutschen rauf und runter und verstecken sich darin wie in einer Höhle. Reißen Pappfetzen vom Karton ab und verstreuen sie wie bei einer Schnipseljagd.
Die Kätzchen lagern oft vor der Tür und wollen gern hinein in das geheimnisvolle Zimmer, in das die Frau hinein huscht. Schnell, damit die Kleinen nicht auch hinterher rennen. Versucht haben sie es schon. Der weiße Kater schaffte es schon zwei, drei Mal. Er sah sich um, staunte über die vielen, ihm neuen Dinge und die Frau dirigierte ihn mit viel Geduld wieder hinaus. Die Kätzchen dürfen noch nicht ins Wohnzimmer, das auch ihr Arbeitszimmer und Rückzugsort ist. Sie sind kleine, wilde Kobolde, die toben, springen, klettern, alles was ihnen im Weg steht beiseite fegen und umreißen. Blumen, Bilder, Bücher, wenn sie Bällen nachjagen, sie unter Schränken und Regalen suchen und wieder hervorholen wollen. Dann reißen sie alles mit sich, was gerade da steht. Einiges ging schon zu Bruch, Lieblingsteller, Blumentöpfe, am Wäschegestell im Bad hinterließen sie im Stoff ihre Kratzspuren und eine schöne Pflanze, Buntnessel zerrupften sie. Einige Pflänzchen konnte sie gerade noch retten, die in einem Wasserglas stehen und darauf warten, eingepflanzt zu werden im Wohnzimmer. Schon etliche Wertsachen musste die Frau vorsorglich wegstellen, darunter ein schöner, großer Clown, bunt bemalt aus Ton, mit Akkordeon in den Händen, der schon viele Jahre auf dem Bücherregal in der Küche stand und zu ihrem Schreibtisch dort hinsah, nun in einer Schrankecke im Wohnzimmer hinter Glas steht neben den Andenken von den Seeurlauben. Den freien Platz im Regal beanspruchen die Kleinen nun erst recht für sich, in das sie hinein springen, lümmeln und im Bücherregal ein Klettergerüst sehen, an dem sie sich tollkühn Fach für Fach empor hangeln und herunter reißen, was ihnen gefällt als Beute, die dann unbeachtet verstreut am Boden liegen bleibt.
Wenn die Frau ihnen zu lange am Schreibtisch im Wohnzimmer bleibt, sie muss schließlich auch arbeiten und Futter verdienen für die drei Katzen, die felligen Jungspunde sind noch in der Wachstumsphase und fressen wie die Scheunendrescher, machen sie Rabatz im Flur und werfen sich gegen die Tür.
Die Frau holte die Kätzchen im Sommer, Ende Juli von einem Bauernhof. Es sind Geschwister, ein Katzenmädchen und zwei Kater. In die kleine getigerte Minnie Jade verliebte sie sich sofort. Ein flauschiger, grau weißer, der immer vorneweg stürmt und sobald er die Frau sieht ihr auf den Schoß springt und ein weißer Kater mit schwarzen Flecken, der sie ein wenig an Lina erinnert, gehören zu der Rasselbande. Was würden wohl Jade und Lina zu ihnen sagen, die sie völlig unerwartet trotz intensivem Bemühen und tierärztlicher Behandlung in diesem Jahr verlor. Gib ihnen die Zuneigung und Zeit, die du uns auch gegeben hast. Wir hatten es zuerst auch nicht leicht, hört sie die getigerte Jade sagen. Die Frau holte die beiden nach dem Abschied von Lola aus einem Katzenhaus gleich bei ihr um die Ecke. Lola war ihre erste Katze und ihr Seelentier. Achtzehn Jahre an ihrer Seite, saß immer bei ihr, auch wenn sie schrieb, sah ihr vom Sofa aus zu und manchmal saß sie neben ihr, ohne dass die Frau es bemerkte.
Lola war ein Sonnenschein, allerliebst, charmant, schlau, geduldig, gelassen und eigen. Ein Herz und eine Seele waren sie. Nun ist ihre schwarzsamtene Lola eine Sternaugenkatze. Einen Tag vor Nikolaus hielt die Frau sie ein letztes Mal im Arm und Lola gab ihre Pfote zum Abschied. Es war ein Sonnabend, die Sonne schien an diesem Dezembertag unglaublich hell und sanft und jeder Lichtstrahl ist seitdem wie ein Gruß von Lola, verbindet sie weiterhin. Hilft ihr das Schöne weiter zu sehen. Nur zwei Monate hielt die Frau es ohne Katze aus. Im Januar vor drei Jahren zogen zwei neue Katzenmädchen bei ihr ein. Anfangs waren Jade und Lina wild und ihr sehr fremd. Die Frau wusste nichts von ihrem Vorleben und sie verhielten sich ganz anders als Lola. Sie waren ängstlich und scheu und es dauerte lange, bis sie ihr Vertrauen gewann, sie sich zuerst beim Füttern vorsichtig anfassen und streicheln ließen und schließlich von alleine kamen einmal auf den Geschmack gekommen. Manchmal sagte sie sogar Lola zu den neuen Katzen, nachdem sie nach und nach Eigenschaften von ihr bei den beiden entdeckte, sie immer mehr in ihr Herz schloss und sich so auch Lola weiter nahe und mit ihr verbunden fühlte.
Das Wohnzimmer war ihr Lichtzimmer. Vor allem in der letzten Zeit als Lina so krank war und sie zusammen mit Jade Tag und Nacht in der Küche verbrachten, sie nahe bei ihr sein wollte, um schnell zu reagieren im Notfall. Sie lag auf der karierten Picknickdecke auf dem harten Boden nachts und konnte kaum schlafen vor Sorge. Morgens sahen sie zusammen die aufgehende Sonne, atmeten die frische, klare Winterluft vor der Balkontür ein. Die ersten, roten Tulpen blühten vor sich hin und warmes Licht floss die Wände entlang im einsamen Wohnzimmer, das sie nur einen Spalt breit durch die Tür sehen konnte. Jade wollte gleich mit hinein. Die Frau hatte Angst, dass Lina sich unter dem Sofa verkroch und nicht mehr vorkam, da sie nicht mitkommen wollte zu den täglichen Tierarztbesuchen. Eine Woche lang. Eines Nachmittags ließ sie Jade und Lina dennoch ins ersehnte und vertraute Lichtzimmer und in den Wintergarten, wo sie sich auf ihre sonnenreichen Lieblingsplätze legten. Es war das letzte Mal, dass sie beide dort zusammen waren.
Als Lina dann still in der blauen Box saß, saß Jade unruhig davor, schaute zu ihr, streckte und putzte sich ausgiebig die Pfote, lehnte dann ihren Kopf an die Stäbe und es sah aus als ob sie still trauernd für sich Abschied nahm von ihrer Spielgefährtin. Als die Frau dann mit der leeren blauen Box aus der Tierarztpraxis zurückkam, sah Jade sie schweigend fragend an, verstand nicht, wo Lina blieb und die Stille legte sich bedrückend tagelang über sie. Die Frau war nun allein mit Jade wie vorher mit Lola. Sie suchte Lina, die Lücke war immer spürbar. Jade setzte sich auch nicht mehr aufs Sofa, wo die beiden sonst saßen, einschliefen und aufwachten. Später lag sie auf Linas Platz auf dem Sofa und sprang hin und wieder auch auf den Schoß der Frau, was sie vorher nie tat. Drei Monate nach dem schmerzlichen Verlust von Lina, vier Jahre war sie alt, verlor die Frau auch noch ihre geliebte Jade, sie war fünf Jahre alt, voller Energie und Lebensfreude. Bei einer Routineuntersuchung entdeckte die Tierärztin zwei entzündete Zähne bei ihr, die unbedingt raus sollten. Nach der Zahn-OP, bei der ihr unter Narkose schließlich neun Zähne gezogen wurden, erlitt Jade in der Aufwachphase plötzlich einen Herzstillstand. Ursache konnte ihr die operierende Tierärztin keine nennen.
„Warum lässt du die neuen Kätzchen nicht zu uns ins Wohnzimmer?“, fragt Fantasius Firlefanz die Frau. Der sich oft alleine fühlt und die fröhlich umhertollenden Katzenmädchen sehr vermisst. Es stehen so viele Sachen dort, die ihr lieb und teuer sind, die die Kätzchen umreißen würden, erwidert sie. Sie müssen erst lernen, Dinge an ihrem Platz stehen zu lassen. Lola ließ ihre Sachen sein, nie musste die Frau etwas verbergen vor ihr. Nie ging etwas entzwei. Sie verstand wie von selbst, kletterte und balancierte auf Fensterbrettern schon im jungen Alter elegant um die Blumentöpfe herum, schnupperte an Blumen, ohne die Blüten abzureißen. An den Decken auf dem Sofa sind noch der Duft und Fellhaare von Jade und Lina. Im Wintergarten im Blumenkasten die Andenken an die beiden. Die Frau hat Angst davor, dass all diese sichtbaren Plätze der Erinnerung, mit ihnen die Präsenz von Jade und Lina auch noch verloren gehen, wenn die kleinen Katzen hereinkommen und darüber herfallen, alles als Abenteuerspielplatz betrachten und sich nicht im geringsten darum scheren, dass sie alles durcheinander wirbeln und es der Frau weh ums Herz dabei ist. Sie erträgt es nicht, wenn alle Spuren fort sind von Lola, Jade und Lina eines Tages und es ihr vorkäme, als ob die geliebten Katzen nie dagewesen wären.
Die Frau ist hin und her gerissen. Sie möchte einerseits das Wohnzimmer und den Wintergarten öffnen für die neuen Kätzchen, damit wieder Leben einzieht und es nicht so einsam und verlassen in diesen schönen Räumen ist, in denen sie so glücklich war. Lola, Jade und Lina sollen jedoch auch weiterhin ihre Plätze hier haben, damit die Frau sie weiter spüren, ihnen nahe sein kann. “Eine schöne Idee“, findet Fantasius Firlefanz. Vielleicht fühlen sie sich dann auch weniger allein. Sicher würde es ihnen auch gefallen, wenn ihre Plätze nicht die ganze Zeit leer bleiben. Das wäre auf Dauer zu traurig. Lola, Jade und Lina waren ja auch sehr aufgeweckte, neugierige, lebensfrohe und eigensinnige Wesen. „Genau deswegen liebst du sie doch so sehr“, sagt Fantasius. Und auf diese Weise wollen wir vor allem an sie denken und sie im Herzen behalten. Indem wir ihre ansteckende Energie, Sanftmut, Keckheit, Charme und Lebensfreude weiter leben, ehren wir sie am besten, unsere liebsten drei Fellmusen. Sie werden immer bei uns sein, uns darin erinnern, auf unser Herz zu hören und die Eigenart der Katzen zu sehen und verstehen zu lernen.
Fantasius` Augen glänzen, als er die Worte sagt, wie die helle Perle und die winzigen Glitzerpunkte auf seiner Kappe, bekrönt mit stolzer Feder. Die Frau ist gerührt, wie sehr er doch ihre geheimsten Gedanken und Wünsche kennt. Und sie immer wieder aufs Neue beflügelt. Innerlich zögert sie noch etwas. Sie weiß, nichts wird mehr wie vorher sein, wenn sie das Wohnzimmer und die Welt von Lola, Jade und Lina und ihre eigene bald für die drei wilden kleinen Kobolde öffnet. Doch es wird anders schön und voller Leben mit ihnen sein.
Text + Fotos: Lilli Vostry
(Am 5.12.2024 geschrieben, am Tag des 4. Jahresgedenkens an meine geliebte erste Katze Lola. Und In Erinnerung an meine geliebten Fellmusen Jade & Lina, die ich dieses Jahr tragisch verlor.)


Geliebte Fellmusen: Jade & Lina



Wenn Euch mein Text gefallen hat und Ihr mir helfen wollt, die immens hohen Tierarztkosten für die ZahnOP von Jade zu tragen, die anfallen obwohl sie es nicht überlebte, könnt Ihr eine Spende auf mein Konto bei der Deutschen Bank überweisen: IBAN: DE88 8707 00240525 231700
Herzlichen Dank!
Lilli Vostry


Jade am Abend vor der ZahnOP Ende Mai 2024.




