Der Maler, der seine Bilder erwandert

Mit viel Leidenschaft, Akribie und Ausdauer zieht es den Landschaftsmaler immer wieder nach draußen, führt er die heutzutage seltene Kunst der Plenair-Malerei fort. Jedes Bild ist erwandert in immer neuen Farbstimmungen.

Sanft hügelige Landschaften, wolkenreiche und weite Himmel, Wiesen und Felder, Waldwege in mal kräftig, erdigen, mal pastelligen, fein abgestuften Schattierungen tauchen immer wieder auf den Leinwänden auf. Die Natur wird zur Bühne in wechselndem Licht, Farben und Stimmungen. Bewegt, spontan im Ausdruck und lebendig wie das Leben selbst, ist sie erlebbar in stetiger Veränderung in den Bildern von Jochen Fiedler.

Er ist vor allem Landschaftsmaler, zumeist direkt vor der Natur. Die Intensität des Sehens, Wahrnehmen, Aufnehmen und Verinnerlichen stehen dabei im Vordergrund und weniger das Malmotiv. Er sieht es wie ein Gegenüber, ein Spiegelbild, das Jochen Fieldler immer wieder neu befragt. „Kunst ist Persönlichkeit“, zitiert er den Künstler Max Liebermann. „Malen ist wie Atmen, wie eine Begleitmelodie zum Leben“, ergänzt Fiedler. „Und wie die Person sich verändert, verändert sich die Kunst. Man wird nicht unbedingt besonders, sondern anders.“ Das Motiv sei eigentlich egal, nur der Anlass für Malerei. „Mir geht es um das unterschiedliche Licht, je nach Tages- und Jahreszeit, den Raum, die Kontraste und Komposition und ich bin selbst überrascht, was jedes neue Bild hervorbringt. Das Bild ist fertig, wenn ich keine Idee mehr habe“, so Fiedler. Ob die beeindruckende Felsenlandschaft, Elbansichten, alte Bauernhöfe, Bäume oder der letzte Blumenstrauß aus dem Garten hinter dem Haus, gemalt in leuchtenden Farbtönen. Neben Landschaftsbildern hängen auch viele Stillleben, Porträts aus dem Familien- und Freundeskreis und Selbstbildnisse im Wohn- und Atelierhaus von Jochen Fiedler in Cunnersdorf bei Hohnstein in der Sächsischen Schweiz, das auch für kunstinteressierte Besucher offensteht.

Das um 1900 erbaute, ehemalige Ausgedingehaus steht auf einer Anhöhe mit großem Gartengrundstück, Obstbäumen, Blumen und Gemüseanbau. Dort hat er großzügige Atelierräume im Erdgeschoss mit mehreren Staffeleien, Malfarben, vollen Bilderwänden und nostalgischem, ornamentverzierten Kachelofen. Auf dem Dachboden mit den einstigen Kammern für das Gesinde entstand ein großer, gemütlicher Raum mit Blick in die Landschaft zum Malen nach dem Auszug der Kinder. 1998 ist Jochen Fiedler als junger Künstler mit seiner Familie aufs Land nach Cunnersdorf gezogen, als die Wohnung mit fünf Kindern und Atelier auf dem Weißen Hirsch in Dresden zu eng wurde und sich keine größeren, bezahlbaren Räume fanden. 1962 in Dresden geboren, hat er dort von 1983 bis 1988 an der Kunsthochschule bei Hubertus Giebe und Johannes Heisig studiert und war von 1988 bis 1989 Meisterschüler bei Prof. Gerhard Kettner. Jochen Fiedler malt oft in der Umgebung von Cunnersdorf. Schon um die 500 Bilder seien es allein von diesem schönen Ort. Dörfliche Szenen, alte Fachwerkhhäuser, Kirchturm und Natur. Der Reiz für ihn sei der immer wieder neue Blick darauf. Weitere Malorte sind die Landschaft zwischen Elbe und Polenztal, Altendorf, Lichtenhain, Wehlen, Burg Stolpen bis Hohwald bei Neustadt/Sachsen.

Jochen Fiedler malt ganzjährig als Plenair-Maler vor der Natur in der Tradition der Impressionisten und der Dresdner Schule. Künstlern wie Theodor Rosenhauer, den er noch persönlich kennenlernte, Hans Jüchser, Paul Wilhelm und natürlich Caspar David Fiedrich fühlt er sich nahe. Er erwandert sich buchstäblich das Bild, so Fiedler, wenn er mit Rucksack mit Staffelei und Malsachen loszieht und das intensive, stundenlange Naturerlebnis festhält in seinen Aquarellen, Pastellen und Ölbildern. Das verlangt hohe Konzentration, Aufmerksamkeit und Hingabe an den Moment. Das ist durchaus keine Selbstverständlichkeit mehr in der heutigen, schnelllebigen Zeit. „Es gibt kaum noch professionelle Künstler, die sich der Plenair-Malerei widmen“, bedauert Fiedler. Der Trend gehe immer mehr zu Konzeptkunst und Abstraktem und der Qualitätsanspruch an die Landschaftsmalerei ist gesunken.

„Es ist eine Art die Welt zu sehen, sich Zeit zu nehmen und intensiv mit dem Gesehenen auseinanderzusetzen. Durch den Blick auf die Bilder kann man anders in die Natur hinausgehen als vorher, sieht mit größerer Genussfähigkeit“, erlebt Fiedler bei sich selbst. Mit seiner Kunst will er dazu anregen, dass Menschen sich öffnen für das Sehen, für die Vielfältigkeit der Landschaft und das Wertvolle. Jochen Fiedler erlebt aber ebenfalls Wertschätzung für seine mit Leidenschaft und Akribie weiterhin betriebene Plenair-Malerei, die ihn in eine Nische rücke. „Das ist auch das Geheimnis, dass ich seit 35 Jahren von meiner Kunst leben kann. Das ist die Generation, die es noch kennt und mit mir alt wird“, so Fiedler. Er trägt einen dunklen Wollpullover und immer noch halblanges, weißes Haar. Das Malen gehört für ihn zum Leben dazu ganz natürlich, wie für den Bauern, der sein Feld bestellt und die Jahreszeiten erlebt, so Fiedler. „Ich lebe den ländlichen Rhythmus.“ Seine Frau Runhild sieht seine Bilder zuerst, ist Ratgeberin und seine Galeristin seit vielen Jahren.

Die kleine Galerie mit Atelier von Jochen Fiedler befindet sich in Hohnstein, direkt am Markt. Geöffnet Freitag 14 bis 17 Uhr.

Text + Fotos (lv)

Weitere Infos unter http://www.jochenfiedler-Dresden.de