
Gedanken zum Buch von Johan Eklöf
Von Michael Gilbert
Das Verschwinden der Nacht
Das Leben auf der Erde ist in der Nacht mindestens so vielfältig wie das Leben am Tag. Wir Menschen sind in der Dunkelheit nicht zu Hause, sondern nur zu Besuch. So entsteht die „Nyctophobie“, die Angst vor der Nacht. Sie wird sowohl genetisch als auch kulturell weitervererbt. Ergebnis: Wir machen die Nacht zum Tage.
Das bekommt vielen Lebewesen nicht gut: Viele Kleintiere, insbesondere Insekten und Falter sind nachtaktiv, die Dämmerung und die Nacht ist für sie lebenswichtig. Das betrifft 2/3 aller Wirbellosen und auch 1/3 der Wirbeltiere! Ihr Lebenszyklus ist vom Tag-Nacht-Rhythmus abhängig. In der Dämmerung orientieren sich die nachtaktiven Lebewesen an den Mondphasen: Diese haben Auswirkungen auf ihre räumliche Orientierung und auch auf ihre Paarung – und Vermehrungszyklus. Das Mondlicht wird durch nächtliches Kunstlicht überstrahlt und von einigen Lebewesen nicht mehr ausreichend wahrgenommen.
Einige Fledermausarten werden durch künstliches Licht daran gehindert, ihr Schlafquartier aufzusuchen, Vögel können sich auf ihrer nächtlichen Reise nicht mehr am Sternhimmel orientieren, sondern verirren sich zwischen angestrahlten Hochhäusern in den Städten. Zudem verschwindet ihre wichtigste Nahrungsquelle, die Insekten dramatisch.
Neben den Lichteinflüssen scheinen die Ackergifte eine Hauptursache dafür zu sein, denn sie verursachen einen Kahlschlag unter den Pflanzen und Kleintieren auf dem Feld. Das Anthropozän, das „Zeitalter des Menschen“ hat die Welt gewaltig verändert. Es hat sich sehr viel Gutes entwickelt, es gab „Erleuchtung“ in vielfacher Hinsicht, Aber auch Zerstörung: großer Teile der Natur durch Raubbau, ungebremsten Konsum und Energieverschwendung.
Ein Teil dieser Energieverschwendung hat besondere Auswirkungen auf die Tierwelt: Die Lichtverschmutzung, das beschreibt der Autor eindrucksvoll in diesem Buch. Es ist das Übermaß an künstlichem Licht, was die uralten Lebensrhythmen unzähliger Tierarten verändern und letztlich nicht wenige in ihrer Existenz auslöschen.
Die Lichtverschmutzung zerstört nicht nur die wunderbare Artenvielfalt um uns herum, sondern sorgt auch bei uns für Schlafstörungen, Depressionen und Fettleibigkeit. In manchen Fällen kann eine Krebskrankheit entstehen. Je größer der Ultraviolett- und Blauanteil des Lichts, desto stärker die Anziehungskraft auf Insekten und damit die negativen ökologischen Auswirkungen. Am schädlichsten wirkt die zurzeit noch sehr weitverbreitete, ausgesprochen ineffiziente Quecksilberdampf-Hochdrucklampe mit hell weißem Licht und relativ hohem UV-Lichtanteil. Auch das planlose Umrüsten auf energiesparende LED-Technik kann negative Auswirkungen haben. Zum einen, wenn dabei das Beleuchtungsniveau erhöht und nicht an den tatsächlichen Bedarf angepasst wird. Auch das Lichtspektrum muss naturfreundlich sein, also im warmen/gelblichen Bereich liegen. Zum anderen, wenn die Lampen in unpassenden Leuchtkörpern so installiert werden, dass sie in den Himmel oder die Horizontale abstrahlen.
Als erstes Mitglied der EU führte die Tschechische Republik 2002 ein nationales Gesetz ein, das sich ausschließlich der Verringerung von Lichtverschmutzung widmet. Slowenien folgte kurz danach. Großbritannien erließ 2005 den Clean Neighborhoods and Environment Act, mit dem Lichtverschmutzung zu einem Verbrechen erklärt wurde. In Schottland unterliegt die Bekämpfung der Lichtverschmutzung jetzt dem Public Health Act (Scotland Act 2008), während sie in Nordirland unter den Clean Neighborhoods and Environment Act 2011 fällt.
Ende 2015 startete die EU ihr STARS4ALL-Projekt, das die Menschen über Lichtverschmutzung informieren und gleichzeitig Lösungsansätze zur Behebung des Problems fördern soll. Insbesondere Katalonien hat in den frühen 2000er Jahren mehrere Verordnungen rund um die Lichtverschmutzung erlassen. Und am 1. Januar 2021 hat Frankreich einige der fortschrittlichsten Vorschriften rund um die Außenbeleuchtung und den Schutz des Nachthimmels erlassen.
Hier schreibt einer mitten aus der erlebten Natur heraus, mit großer Sachkenntnis und ohne Pathos. Die Beschreibung der Vorgänge und Lebenszyklen der Tiere, vor allem Insekten und Fledermäuse, ruft bei mir Staunen und Bewunderung hervor und lässt mich über Konsequenzen nachdenken.
Dieses Buch ist für mich ein lehrreiches Lesevergnügen! Wer sich wirklich für die Natur interessiert, sollte es lesen.