„Fliege“, Titelbild der Ausstellung von Angela Hampel.

„Heiliger Johannes“, Mischtechnik auf LW (Diptychon)
„Laokoon“, Mischtechnik auf Papier

Kassandra & Laokoon mit dem Trojanischen Pferd

Weise, unerhörte Seher und clowneske Könige

Farbintensiv und symbolstark, kraftvoll, verletzlich und zuweilen skurril erzählt die Ausstellung „Wahlverwandtschaften“ mit neuen Arbeiten von Angela Hampel vom Verbunden- und Geschundensein zwischen Mensch, Tier und Natur derzeit in der Galerie Mitte.

Vom Leben und Lieben, Sein oder Nichtsein im Mensch- wie Tierreich erzählt farbintensiv und ausdrucksreich die Ausstellung „Wahlverwandtschaften“ der Malerin Angela Hampel derzeit in der Galerie Mitte, Striesener Straße 49, in Dresden (noch bis 3. Mai zu sehen, geschlossen am 1.5.).

Zu sehen sind Malerei, Zeichnungen, Druckgrafik und Keramik, alle Arbeiten in den letzten zwei Jahren entstanden, einer der bekanntesten und herausragenden zeitgenössischen Künstlerin in Deutschland. Da begegnen einem Frauen und Paare mit allerlei Getier, Katzen, Vögeln, Schlangen oder eine Fliege auf züngelndem, roten Faden vor einem clownesken König  – wie im skurrilen Titelbild. Archaisch, konkret, vielfarbig, zart und kraftvoll erzählen ihre Bilder und bemalte Keramik vom Geborgen-, Verbunden- und Geschundensein zwischen Mensch, Tier und Natur. Der Ausstellungstitel bezieht sich nach Goethes berühmtem Roman darauf, dass man sich seine Familie oder Herkunft nicht aussuchen, aber die Menschen auswählen kann, denen man sich nahe im Wesen fühlt. Die Schwestern im Geist von Angela Hampel sind Frauengestalten aus der griechischen Mythologie wie Kassandra oder Penthesilea, denen sie die Hand reicht mit ihren Bildern. „Dazu gekommen sind der Evangelist Johannes mit blühender Dornenkrone und der Seher Laokoon, der die Bewohner der Stadt vor dem Trojanischen Pferd mit den darin versteckten Kriegern warnte“, sagt die Galeristin Karin Weber, die das Werk von Angela Hampel seit 1984 in der Galerie Mitte begleitet.

Doch die Trojaer hörten nicht auf ihn und der Warnende wurde von den Göttern bestraft und mit seinen Söhnen von Schlangen totgebissen. Eine Zeichnung in erdig roten Farbtönen vor schwarzem Hintergund zeigt Kassandra und Laokoon Seite an Seite, wie sie auf ihren Köpfen ein Pferd tragen. Das aber gar nicht gefährlich wirkt, sondern zusammengerollt wie abwartend oder ruhend da liegt mit erhobenem Kopf und der Körper erkennbar als zusammengesetzte Attrappe mit nach oben, ins Innere hinein führenden Stufen. „In viele meiner Bilder fließen Symbole ein. Es sollte auch nicht ein direkt böses Pferd werden, da es nur ein Transportmittel für den Menschen ist“, sagt Angela Hampel zu dem Bild. „Mich hat das Thema interessiert, das auch aktuell in der Gegenwart ist. Das was weise Leute sagen, wird nicht ernst genommen.“ Eine Unverschämtheit seitens der politisch Verantwortlichen sei, obwohl fast alle hierzulande gegen den Krieg sind, dass trotzdem Milliarden für neue Waffenlieferungen in die Ukraine gehen.

Ihre Mensch- und Tier-Bilder, mal in kräftig lodernden Farben und mal in schwarz-weißen Kontrasten mit Grauschattierungen in neuen, großformatigen Algrafien und mit sibirischer Kreide gezeichnet, spiegeln das ambivalente Verhältnis. Das Schöne und Bedrohliche, Wilde und Zärtliche, Schutz und Ausgeliefert sein oft nah beieinander. Auf Tellern und Vasen aus Ton, weiß glasiert und bemalt tummeln sich sinnlich Figürliches und Fabelwesen zwischen Bäumen, Wurzeln und Korallen. Neben einem trauernden Clown, Ophelia und Hamlet mit Totenschädel ist ein Selbstbildnis der Künstlerin, mit Maske mit spitzem Schnabel zu sehen. Wie man sie aus der Commedia dell`Arte kennt. Dies war aber ursprünglich eine Pestmaske, in die ein Sud aus Heilkräutern durch den Schnabel kam, erklärt Karin Weber. Ein großes Ölbild zeigt ein rotes, verzücktes Paar mit Pilzen, die sie halten und inhallieren wie ein Rauschmittel.

Im mittleren Raum hängen farbstarke Radierungen von Andreas Dress zwischen „Lebenstanz“ und „Höllensturz“ aus dem Nachlass des 2019 verstorbenen Künstlers und einstigen Mentor von Angela Hampel nach ihrem Kunststudium in Dresden. Zurzeit bereitet Angela Hampel (69) schon ihre nächsten Ausstellungen vor. Darunter eine Werkschau zum 800-jährigen Stadtjubiläum dieses Jahr in ihrer Heimatstadt Kamenz, wo sie im Innenhof des Rathauses eine Figurengruppe zu Laokoon sah und zu ihrem Bilderzyklus anregte. Außerdem sind im Sommer eine Ausstellung mit neuen Arbeiten in Zella-Mehlis in Thüringen und eine weitere Schau in Frankfurt/Main geplant.
Es ist auch ein neues Buch „Wurzelwesen“ mit Gedichten der sorbischen Dichterin Róza Domascyna und Zeichnungen und Grafik von Angela Hampel erschienen und eine Vorzugsgrafik, Frau mit Gepard in limitierter Auflage in der Galerie Mitte erhältlich.

Text + Fotos (lv)

Im Rausch: Paar mit Pilzen. Und eine Frau mit Bogen.
„Kleine Tiere“ und „Hamlet“

Paar mit Katzen, Algrafie

Paar, sibirische Kreide

Ein bemalter Teller & ein neues Buch, „Wurzelwesen“ mit Gedichten der sorbischen Dichterin Róza Domascyna und Zeichnungen von Angela Hampel.


Galeristin Karin Weber zeigt das neuen Lyrik & Kunstband „Wurzelwesen“.

Geöffnet:  Di bis Fr 15 – 19 Uhr, Sa 10 – 14 Uhr und nach Vereinbarung

http://www.galerie-mitte.de/shop