
Wo endet der Traum, wo beginnt das Leben: Davon erzählt in wunderbar schwebenden Bildern und Szenen die Aufführung „Eines langes Tages Reise in die Nacht“ von Eugene O`Neill im Schauspielhaus Dresden. Fotos: Sebastian Hoppe
Ausbruch aus der Traumwelt
Eine berührende, beklemmende, bilderstarke und packende Geschichte zwischen Zerfall und Zusammenhalt einer Familie erzählt das Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ von Eugene O`Neill im Schauspielhaus Dresden. Heute am 4. Juli, 19.30 Uhr letztmals vor der Spielzeitpause.
Vor der schlicht weißen Bühne bewegen sich schattenhafte Gestalten. „Mary, Mary, das reicht nicht…“, sagt die Frau im dunklen Kleid (zart-zerbrechlich und gefangen in ihrer Alkoholsucht: Cordelia Wege) eindringlich zu sich selbst. Sie sitzt in dem schweren Ledersessel, wie auf einer Insel, einer letzten Zuflucht. Leise, stockend erzählt sie und blickt zurück auf ihr Leben mit ihren Mann, James Tyrone, den sie in höchsten Tönen lobt, ein Bild von einem Mann. Es war Liebe auf den ersten Blick, mit dem sie ihre Heimat verließ, Kinder bekam und auf ein besseres Leben in der Ferne hoffte.
Hinter dem Sessel steht ihr Mann James Tyrone (streng und besessen vom Theaterspiel und Erfolgssucht: Torsten Ranft), Schauspieler und Theaterunternehmer, der mit seiner Familie und seinem Dauerbrenner „Der Graf von Monte Christo“ von Spielort zu Spielort quer durch die USA reist, ein Leben mit allen Höhen und Tiefen, immer auf der Suche nach Erfüllung, Glück, nah am Abgrund. Wie ein Zauberer schnipst und schnellt er mit den Händen in die Luft, als würde er alles um sich herum damit verwandeln, ein Licht anknipsen. Nacheinander tauchen die Söhne auf, James Tyrone Junior (aufsässig, ungehorsam, dem Wahnsinn nahe: Simon Werdelis), Edmund (sanft, liebevoll und schwer krank: Marin Blülle) und Eugene (der jung verstorbene, umher geisternde Bruder: Ronnie Maciel), die abwechselnd behutsam, zärtlich, leidenschaftlich und verzweifelt sich um ihre kranke Mutter und den despotischen Vater bemühen, gegen- und miteinander ringen und versuchen die schwelenden Konflikte zu klären und die Familie und ihr Dasein zu retten, die nach und nach auseinanderbricht in den Wirrnissen der Zeit und Verhältnisse.
Das ist berührend und beklemmend in berückend schönen, traumwandlerischen Bildern, mit leise komischen Momenten und expressiv kraftvollem, dramatischem, intensivem Spiel in Szene gesetzt, begleitet von wehmütigen, melancholischen und pochenden, sphärischen Klängen, Dampfertuten, Möwenrufe und Nebelhorn (Musik: Samuel Wiese) im Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O`Neill, in der deutschen Übersetzung von Michael Walter unter Regie von Sebastian Hartmann im Schauspielhaus Dresden. O`Neill wurde 1936 als einziger amerikanischer Dramatiker mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er starb 1953 in Boston.
Sein Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“, erzählt autobiographisch gefärbt, packend und bilderstark einen Tag aus dem Leben einer irischen Einwandererfamilie Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Spielfläche ist mal Brücke, die sich hebt und senkt zum Darübergehen und zuletzt taucht ein großes Traumschiff mit Segel auf, an dem die Darsteller entlang gehen, sich festhalten und darauf setzen. Diese Geschichte, in der Spiel und echtes Leben unmerklich verschmelzen, mit einem grandiosen Monolog von Edmund, ist zugleich eine Hommage, eine Liebeserklärung an das Theater, von dem Illusion, Magie und Kraft gleichermaßen ausgeht und der man sich schwerlich entziehen kann. Viel Beifall gab es vom Premierenpublikum für diese wunderbare, zum Träumen und Weiterdenken einladende Aufführung.
Text (lv)
Nächste Aufführung: 4. Juli, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Dresden.
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