
Bewaffnet mit Sprühflasche, Rechen und Heckenschere, um Widrigkeiten aller Art mit viel bissigem Witz zu bekämpfen im neuen Sommerkabarett-Theater „Nur die Harten komm`in Garten“ der Herkuleskeule Dresden: Mit Johanna Mucha, Philipp Schaller und Birgit Schaller. Foto: Robert Jentzsch
Kabarett voller Stacheln und Dornen im Gewächshaus
Humorvolles Kabarett mit viel Zündstoff und Widersprüchen zwischen Lichterketten, Abgründen und zarten Hoffnungspflanzen kam mit dem neuen Sommerkabarett-Theataer „Nur die Harten komm`in Garten“ der Herkuleskeule Dresden auf die Bühne im Gewächshaus in Dresden-Strehlen. Morgen am 24.8. nochmals dort und dann ab September im Kabarettkeller im Kulturpalast Dresden zu sehen.
Durch eine blühende Oase gelangt man in das für`s Kabarett leer geräumte Gewächshaus. An der Seite stehen ein paar Palmen. Auf der Bühne mit Holzzaun ragt ein Tannenbaum mit roten Kugeln. Dort laufen die Proben für ein Weihnachtsprogramm mitten in Sommer. Unter dem Titel „Nur die Harten komm` in Garten – Helm ab im Beet!“ hatte das neue Sommerprogramm des Kabarett-Theaters Herkuleskeule Dresden Ende Juli Premiere im Gartencenter Rülcker an der Reicker Straße 43 in Dresden-Strehlen.
Zu erleben war Kabarett voller Stacheln und Dornen, voll hitziger Wortgefechte, witzig-skurriler, wütender und leiser Szenen und Lieder über eine aus den Fugen geratene Welt unter Regie von Ellen Schaller und Texten aus der Feder von Philipp Schaller, dem künstlerischen Leiter der „Keule“. Einen humorvollen Schlagabtausch lieferten sich gleich zu Beginn Philipp und Birgit Schaller über Moral, korrekte Begriffe anderer Kulturen wie Eskimos oder Inuit und auslegbares Völkerrecht, das keinen mehr schützt. Sie streiten über Weihnachtsprogramm oder politisches Kabarett, das Philipp Schaller vehement verteidigt. Und hebt eine Weihnachtskugel groß wie eine Kanonenkugel auf die Bühne und setzt sich blinkende Rentierhörner auf. Der Streit gipfelt im gesungenen Bekenntnis von Birgit Schaller im roten Glitzerkleid: „Ich habe einen Weihnachtsmann erschossen!“
Es gibt keine Tabus, keine Grenzen mehr und der Glaube an Liebe und Wunder geht immer mehr verloren in unserer von Krisen, Kriegen und Naturkatastrophen geschüttelten und durchtechnisierten Gegenwart. Das neue Programm steckt ebenso voller Widersprüche, Absurditäten, wunderlicher, komischer und trauriger Momente einer Welt wie im Zerrspiegel betrachtet. Wozu noch ein Kind in diese Welt setzen?! Wird die neue Kollegin, Johanna Mucha, Anfang 30 und aus Wien, von den beiden anderen Kabarettisten ins Kreuzverhör genommen, die mit dieser Überraschung in die Runde platzt und statt Glückwünsche für den neuen Erdenbürger nur Vorwürfe hört. So dass im abgewandelten Hit „Mama“ von Queen das noch Ungeborene am liebsten im Mutterleib bleiben möchte.
Die Bandbreite an Themen reicht vom Wert von Arbeit, von IT-Managern, die in Meetings sitzen, abnicken und nicht wissen, was sie eigentlich machen und dafür immens viel Geld bekommen und Dachdeckern, die sich abrackern über Meinungsfreiheit, Missverständnisse und grotesk auf die Spitze getriebenen, sinnentleerten Entschuldigungen der Kabarettisten an empfindliche Zuschauer, die das „berechtigt Gesagte bedauern“, aber nicht zurücknehmen bis zu inflationären Trennungen von Paaren und Verlust an Sozialkontakten. Das Ganze wird stimmungsvoll begleitet mit Klängen von Rock, Tango bis Chanson von den Musikern Jens Wagner und Volker Fiebig. Abgehobene grüne Politik mit Blick auf den Klimawandel parodiert Philipp Schaller im Lied „Wir reiten auf Kamelen durch Berlin“ und entrüstet sich bissig-ironisch über eingeforderten „Respekt“ von Politikern, den sie selbst missachten gegenüber den steuerzahlenden Bürgern angesichts maroder und eingestürzter Brücken wie der Carolabrücke, ständiger Staus, kaputter Schulklos, die dem Staat am Ar.,. vorbei gehen und Bildungsmisere. Stattdessen werde von der Politik mobil gemacht für „kriegstüchtige Schulen“, dabei sind sie noch nicht mal bildungstüchtig, empört sich Birgit Schaller. Mit dem Gospelhit „Respect“ von Aretha Franklin mahnt sie diesen an mit mitreißend kraftvoller Stimme. Und wirbt um Verständnis als gestresste Krankenschwester in der Notaufnahme in einer Aufklärungskampagne für weniger dringliche Patienten und verteilt Hustenbonbons.
In der Pause haben die Zuschauer Zeit, Reimverse mit ihren Wünschen für die Welt aufzuschreiben, die die Kabarettisten vorlesen. Von Freibier für alle bis „von den Resten das Beste“. Mit viel Witz und Ironie träumt Johanna Mucha in einem Lied als „Tread Wife“ (traditionelle Ehefrau) von einem „richtigen“ Mann, den sie verwöhnen und beglücken kann und alles um sich herum vergisst. Und im nächsten Moment singt sie voll Hingabe über ihre Sehnsuch nach Abenteuer, Freiheit, etwas riskieren und dann wieder nach Stabilität, Sicherheit… Es ist immer der Tanz um die Mitte, in welche Richtung es dich treibt, besingt sie den Spagat. Zwischen zu viel Fantasie und Realität, Intensität und Komplexität. Es ist eine Kunst und Kraftakt zugleich, das zu bewältigen, damit spricht sie wohl vielen im Publikum aus dem Herzen. Abschließend singen die drei Kabarettisten gemeinsam ihren Traum für eine Welt, in der es keine Waffen und Kriege mehr gibt und Menschen und Tiere friedlich zusammenleben wie im Paradies. „Wir haben nichts zu verlieren außer unsere Angst!“, geben sie dem Publikum mit auf den Weg. Reichlich Beifall gab es für diesen humorvoll-nachdenklichen Abend zwischen Lichterketten, Abgründen und zarten Hoffnungspflanzen.
Das Sommerprogramm der Herkuleskeule wird noch bis zum 24. August immer mittwochs bis sonntags direkt im Gewächshaus gespielt. Es ist allerdings schon ausverkauft! Mit viel Glück gibt`s vielleicht noch Restkarten. Ab September läuft das Programm in der Spielstätte der Herkuleskeule im Kabarettkeller im Kulturpalast Dresden.
Text (lv)