
Spannende Symbiose aus Landschaft, Kunst & Unternehmertum: Die amerikanische Künstlerin Kim Karlsrud (Bildmitte) im Gespräch mit André Simon, Leiter Tagebau der Kemmlitzer Kaolinwerke in Mügeln. Re. im Bild Ute Hartwig-Schulz, Bildhauerin und Leiterin im Künstlergut Prösitz und die Berliner Gastkünstlerin und Übersetzerin Christina Beifuss.

Kunst und Kaolin treffen aufeinander
Die Amerikanerin Kim Karlsrud ist zur Zeit als Gastkünstlerin im Künstlergut Prösitz und zeigt eine spektakuläre Lichtinstallation diesen Freitag, 12.9., ab 19 Uhr im Kemmlitzer Kaolinwerk in Mügeln, im Landkreis Leipzig.
Die kargen und hügeligen, sandfarbenen Flächen, dazwischen helle Krater, Geröll und Vertiefungen wirken wie eine Mondlandschaft auf den ersten Blick.
Darüber spannt sich ein weiter Himmel mit weißen Wolkenfeldern und Baumgruppen am Horizont. Im Hintergrund sind Motorengeräusche zu hören, schlängeln Förderbänder, die befüllt werden von Schaufelradbaggern, die sich durch das weiße Sandmeer graben. Oben am Rand der riesigen Sandgrube hinter der Absperrung steht eine zierliche Frau mit schulterlangem schwarzen Haar und betrachtet fasziniert die scheinbare Sandwüste. Wie kommt es, dass eine weitgereiste Künstlerin aus den USA sich gerade hierher verirrt und zu einer spektakulären Lichtinstallation im Tagebau Schleben/Crellenhain der Kemmlitzer Kaolinwerke anregen lässt?
Kim Karlsrud ist aus Oregon südlich von Seattle angereist und weilt als Gastkünstlerin und Stipendiatin im Künstlergut Prösitz. Ihren vierwöchigen Arbeitsaufenthalt im Rahmen des Residenzstipendiums für Künstlerinnen mit Kind seit Anfang August nutzt sie, um eine spannende Brücke zwischen dem Kaolinabbau und der sich wandelnden Tagebau-Landschaft bei Mügeln mit künstlerischen Mitteln zu bauen. Sie wollte mit Ton, Erde, Bodenschätzen arbeiten, sagt sie und ihr wurde dafür das Kaolinbergwerk bei Mügeln empfohlen. „Das Kaolin wird für die Porzellanherstellung gebraucht und hat auch viel mit der Geschichte von Sachsen zu tun“, das interessiert die 40-jährige Künstlerin außerdem.
Sie hat sich eine weiße Kaolinwand ausgesucht, auf die Kim Karlsrud ein digitales Wandbild in Licht getaucht projizieren wird. „Es wird wie eine stille Meditation, bei der die langsame Veränderung von Landschaft und Menschen in bewegten Bildern sichtbar wird. Die Kaolinstrukturen werden selbst zum Bild, die in Makroaufnahmen wie auf einer Leinwand erscheinen, im Wechsel mit Satellitenbildern der Veränderungen und Zeichnungen mit den Markierungen und Spuren, die sie in der Landschaft hinterlassen“, erzählt die Künstlerin. Dafür verwendet sie Delfter Blau wie in der klassisch chinesischen Porzellanmalerei. Bei der technischen Umsetzung des Kunstprojekts hilft ihr Mann und Landschaftsarchitekt Daniel Philips, der sie mit ihrer Tochter begleitet und mit dem sie im Duo als „Commonstudio“ ihre internationalen Projekte realisieren, die immer mit Stadtökologie, Urbanität und Landschaft zu tun haben.
„Menschen, auch Künstler gestalten permanent die Landschaft.“ Man kann ihr Werk stetigen Wandels auch als Sinnbild für die Zeit und Gegenwart sehen. Doch vor allem sei es eine Intervention, ein künstlerischer Eingriff in die Landschaft. „Der Tagebau geht immer weiter. Es ist eine Landschaft in Bewegung“, sagt André Simon, Ingenier für Bergbau und Leiter im Tagebau/Schlämmerei der Kemmlitzer Kaolinwerke in Mügeln. „Wir sind vom Geoportal Mügeln gefragt worden, ob das Projekt im Kaolinwerk möglich ist, das auch das Land der weißen Erde genannt wird. Ich habe ein Herz für Kunst und außergewöhnliche Sachen“, so Simon. Im Unternehmen sei er als kreativer Unruhegeist bekannt. Damit war er für Werksleiter Thomas Wegner „genau der Richtige“ für dieses Projekt in Kooperation mit dem Künstlergut Prösitz. Die Idee mit der Licht-Projektion an einer Kaolinwand fand sofort Interesse, da Licht für Bergleute ohnehin eine große Rolle spielt. „Wir haben den besten Kaolin der Welt“, sagt Simon stolz, „weil wenig Eisen und Titan drin ist. Gleißend weiß glänzt er in der Sonne.“ Nahezu jeder namhafte Porzellanhersteller werde von den Kemmlitzer Kaolinwerken mit dem natürlichen Rohstoff beliefert. „Vor uns liegt die Zukunft. In zwei Jahren werden wir auf dieser Fläche die Kaolinförderung aufnehmen“, sagt er mit Blick auf das vordere Areal.
Der Bereich dahinter werde renaturiert und wieder eine landwirtschaftlich genutzte Fläche. Die andere Grube auf der Anhöhe werde mal in einen „Himmelsteich“ umgewandelt, aber erst in 15 Jahren. Es ist bereits ein Rundweg um den Tagebau entstanden, der das Unternehmen einen siebenstelligen Betrag kostete und diesen Sommer fertiggestellt wurde, so Tagebauleiter Simon. „Es ist ein schöner Spazierweg in der Natur, auch für Radfahrer. Vor kurzem blühte es hier noch ringsum.“ Auf den Abraumhängen sprießen noch Grün und Wildblumen. Ein Tagpfauenauge fliegt über einer Mohnblüte. „Die Besucher sind eingeladen, auf dem Rundweg zu wandeln, die Lichtinstallation anzuschauen und sie bekommen einen Eindruck von der Tagebautechnik“, sagt André Simon. „Es ist eine Symbiose von Kunst, Landschaft und Unternehmertum und auch Experiment für Folgeprojekte“, sagt Ute Hartwig-Schulz, Bildhauerin und Leiterin im Künstlergut Prösitz. „Wir sind gespannt auf die Reaktionen und hoffen auf schönes Wetter.“ Es müsste mehr solche Kunstprojekte im öffentlichen Raum geben, sagt Kim Karlsrud. Zu erleben ist ihre imposante Lichtinstallation auf dem Tagebau-Rundweg Mügeln am Freitag, dem 12. September ab 19 Uhr, Treffpunkt an der Kaolinbank. Die Künstlerin ist vor Ort und weitere Gastkünstlerinnen vom Künstlergut Prösitz.
Text + Fotos (lv)

Ein Herz für Kunst & außergewöhnliche Sachen: André Simon, Tagebauleiter der Kemmlitzer Kaolinwerke in Mügeln und die amerikanische Künstlerin Kim Karlsrud vor der imposanten Landschaftskulisse. Dort wird an einer Kaolinwand morgen, am 12. September ihre einmalige Lichtinszenierung zu sehen sein.
Wie Kim Karlsrud ihre künstlerische Arbeit im Kaolinwerk & im Künstlergut Prösitz erlebte
„Was am Freitag der Öffentlichkeit präsentiert wird, ist ein temporäres Werk mit der Möglichkeit einer dauerhaften Installation. Es bietet auch anderen Künstlern die Möglichkeit, die Kaolinmine zu „erschließen“, um neue digitale Werke zu schaffen.
Deutschland schätzt spontane Stadtpflanzen (oder Unkräuter) auf wunderbare und interessante Weise. Denken und angewandte Arbeit zeigen sich in der akademischen Forschung und bei Stadtspaziergängen. Die städtischen Räume wirken hier grüner, etwas wilder und offener für die Beziehung zwischen Mensch und Natur.
Diese Residenz wurde vom Künstlergut Prösitz unterstützt. Ute und ihre Teams benötigten Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit der Kaolinmine und der technischen Logistik. Utes enge Verbindung zu Sachsen war entscheidend für den Start des Projekts und dessen Umsetzung.
Herr Simon vom Kaolinwerk war großzügig mit seiner Zeit und Offenheit für Ideen und arbeitete technische Fragen und Lösungen aus.
Meine Zeit hier ist ein bewegliches Fest, und ich freue mich darauf, diese Erfahrungen in den kommenden Jahren zu verarbeiten und daraus zu schöpfen.“
Das Werk wird am Freitag, den 12. September, um 19 Uhr der Öffentlichkeit präsentiert, ist aber erst um 20 Uhr vollständig sichtbar.

Land der weißen Erde
(Kaolinwerk Mügeln)
Im Licht fliegen die Schmetterlinge
mit mir ihre schwarzen Umrisse
zeichnen sich ab auf hellem Stoff
nah am Zugfenster außen
taucht ein dunkler Falter auf
als käme er von Dir
wie anverwandelt
stille Regung sachter Flügel
aus dem Schatten
ein Stück heraus
weiter in Bewegung
der Himmel weit
über weißen Wolkenfeldern
reicht hier bis zur Erde
weich wellig wölben sich
abgetragene Flächen
hell schimmernd wie Luftschlösser
Krater Sandburgen Wolkenhügel
aufgehäufte Törtchen
gleissen in der Sonne
weißer und feiner der Sand
als am Strand
aber nicht betretbar
Förderbänder schlängeln und Bagger graben
sich durch das weiße kostbare Sandmeer
das Kaolin zu bergen
Es gibt Sehnsuchtsorte
verlorene und verzauberte Orte
die man wider Erwarten
entdeckt und wiederkommen
möchte ohne zu wissen wann
wie nah der Himmel dann noch ist
LV
9.9.2025