
Bilder voll weiblicher Lust & Kraft & Leidenschaft: Steffen Fischer in seiner Ausstellung „Apropos Libido“ mit Galeristin Karin Weber und Besucherin Annette Richter in der Galerie Mitte.



Bilder voll emotionaler Sprengkraft
Verführerisch, lockend, sinnlich, anspielungsreich bis explosiv geht es um Liebe, Leidenschaft und ihre Abgründe sowie Mann-Frau-Geschlechterrollen und Machtspiele in der Ausstellung „Apropos Libido“ von Steffen Fischer in der Galerie Mitte in Dresden.
Vor einer Meerlandschaft sitzt eine Frau mit lang wallendem, blondem Haar und schwarzem Mieder, mit weit geöffneten Beinen und einem weißen Schwan vor der Körpermitte, „Leda und ihr Schwimmtier oder I like Boticelli“ heißt das Titelbild zur Ausstellung „Apropos Libido“ von Steffen Fischer in der Galerie Mitte, Striesener Straße 49 in Dresden. Verführerisch, lockend, offen, direkt und anspielungsreich, voll lustvoller Ironie geht es um Liebe, Leidenschaft und ihre Abgründe in zwischenmenschlichen Beziehungen in seiner Malerei und Zeichnungen, zumeist von 2025 und `024 und einige frühere Arbeiten.
Wie kaum ein anderer zeitgenössischer Künstler setzt Steffen Fischer sich seit vielen Jahren in farbreich, figürlich expressiver und symbolstarker Bildsprache auf den oft großformatigen Leinwänden und in farbigen Zeichnungen unverblümt, oft auch provokant mit männlich-weiblichen Rollenbildern, Klischees und Umkehrung der Geschlechterrollen – von weich, sanft, sinnlich bis durchtrieben, machtlüstern und kriegerisch – auseinander. Dabei schöpft Fischer gern aus dem großen Fundus griechischer Mythen und biblischer Geschichten wie in einer Bilderserie zu Lot und seinen Töchtern, hinterfragt und zeigt sie mit Bezug zur Gegenwart in neuem Licht. Da geht es um Hingabe – Hergabe, Macht und Unterwerfung, Begehrlichkeiten und Verletzlichkeit. Das ist in dieser Härte und Direktheit der Darstellung nicht immer leicht auszuhalten, bei Männern wie Frauen gleichermaßen beim Betrachten seiner Bilder, weiß Steffen Fischer. Sie sind lebens- und sinnesprall mit aller menschlichen Lust und Lastern, Schönheit und Verdorbenheit. Mancher könnte sich davon angegriffen fühlen. Die Bilder anstößig bis abstoßend empfinden. Er will mit ihnen vor allem Denkanstöße geben, so Fischer. Was Liebe und Triebe mit den Menschen machen.
Das spiegelt sinnenfreudig und explosiv zugleich das großformatige Bild „Die Sprengung“, Pastell auf Leinwand von 2025. Es zeigt umher fliegende Steine, Trümmerteile und ein brennendes Flugzeug am Himmel, davor zwei nackte Frauen, eine sitzt rittlings auf einem am Boden liegenden, bärtigen Mann, die andere hält ihn umarmt und eine Weintraube oder Olive in den Fingern. Sie sprengen wohl seinen Gefühlspanzer. Auf seinem verdeckten männlichen Teil sitzt eine weiße Taube mit erhobenen Schwingen. Ein vieldeutiges Bild voll emotionaler Sprengkraft.
Vor diesem Werk, inmitten der intensiv reizvoll-spannungsvollen Bilderwelt von Steffen Fischer, las die Schauspielerin Hannelore Koch Besinnliches, Heiteres und Nachdenkliches rund um die Liebe, ihre Freuden und ihre Tücken am vergangenen Sonnabend in der Galerie Mitte. Erfreut über den großen Zuspruch auf die Lesung und die Ausstellung war Galeristin Karin Weber. Da tauchte in einer frivolen Geschichte aus dem Decamerone von Giovanni Boccaccio ein junger, gutaussehender und verschwiegener Mann eines Tages in einem Nonnenkloster auf, wo er als Gärtner angestellt wurde und nebenher die jungen, neugierigen und noch liebesunerfahrenen Frauen eine nach der anderen empfängt und beglückt und bald darauf auch die Äbtissin. Er schenkte ihnen Liebeswonnen und viele kleine Mönchlein und kehrte wohlhabend nachhause zurück. Mit leisem Humor und warmer, einfühlsamer Stimme las und erzählte Hannelore Koch außerdem eine ungewöhnliche und berührende Geschichte über eine späte Liebe zwischen einer alten Dame im Krankenhaus und ihrer jüngeren Pflegerin. Susan und Miffy heißt diese Geschichte von Jane Campbell, die fast 80-jährig ihr erstes Buch „Kleine Kratzer“ heraus brachte. Miffy schraubt gerade eine Glühbirne an die Zimmerdecke, wobei Susan ihren Körper betrachtet, sich danach sehnt sie zu berühren und ihre Lebenslust neu erwacht. Susan ist eine Frau mit „dem kühlen Charme unbenutzten Porzellans“ und immer noch schönen Händen, die Miffy faszinieren. Sie ist gerade frisch verliebt und ein kleiner Funke von Leuchtfeuer und Mitgefühl steigt in ihr auf und überträgt sich auf Susan. Sie weiß nicht wie sie es ihren zwei erwachsenen Söhnen sagen soll, die sie besuchen und banale Worte wechseln mit ihrer Mutter. „die Intimität und Kummer umschiffen.“ Susan ist allein mit ihren Empfindungen. Die Momente mit Miffy, die ihre Hände mit duftender Creme einreibt und ihre Fingernägel scharlachrot lackiert und mit sanfter Stimme zu ihr spricht bis zum sachten, innigen Kuss, zaubern Susan ein seliges Lächeln ins Gesicht an ihrem letzten Lebenstag. Auch Miffy bleibt allein mit ihrem Erlebnis. Keiner versteht ihre Traurigkeit als sie fort ist und ihre tiefe Zuneigung zu der alten Dame. Eine wunderbare Geschichte über liebevolle Nähe und Geborgenheit im Alter, das ist mehr ist als Runzeln und Verfall. Mit einem kleinen Gedicht von Mascha Kaleko schloss Hannelore Koch die mit viel Beifall bedachte Lesung: „Man braucht nur eine Insel im weiten Meer und einen Menschen. Doch den braucht man sehr.“
Die Ausstellung von Steffen Fischer ist noch bis 22. November in der Galerie Mitte zu sehen. Im Kabinett werden zudem fantasievoll-skurrille, vielfarbige Zeichnungen von Juraj Cizmarovic mit dem Titel „PhantasmaOrgien“ gezeigt.
Text + Fotos (lv)
Geöffnet: Die – Fr 15 bis 19 Uhr, Sa 10 bis 14 Uhr
http://www.galerie-mitte.de
Vorschau
Wieland Richter
„Urkraft – im Bild der Natur“
Malerei zum 70. Geburtstag des Künstlers
Ausstellungseröffnung am 27. November, um 19.30 Uhr in der Galerie Mitte


Bilder von emotionaler Wucht & besinnliche, einfühlsame Geschichten: Die Schauspielerin Hannelore Koch las in der Ausstellung von Steffen Fischer in der Galerie Mitte.










Die neuen Kunstkalender für 2026 sind da und erhältlich in der Galerie Mitte.

Fantasiereiche Mensch- und Naturwelt: Zeichnungen von Juraj Cizmarovic im Kabinett im mittleren Ausstellungsraum.


