Premiere „Die Bakchen“ von Thomas Melle nach Euripides im Kleinen Haus des Staatschauspiel Dresden


Besessen von Macht über die Mensch- und Naturwelt: Den Herrscher Pentheus spielt im Zwiespalt von Härte, Vernunft, Instinkt und Gefühl grandios voller Leidenschaft Leonie Hämer, begleitet von Rauschgott Dionysos, hier mit Torsten Ranft, der in mehreren Rollen glänzt. Fotos: Sebastian Hoppe

Im Rausch der Macht und Verführungen

Die Welt menschlicher Ordnung, Kalkül, Kontrolle und Größenwahn prallt mit der animalischen Wildheit, Freiheit und Zügellosigkeit des Gottes der Ekstase und seinem Gefolge mit aller Faszination, Kontrasten und Widersprüchen aufeinander im Stück „Die Bakchen“ von Thomas Melle nach Euripides im Kleinen Haus in Dresden.

Die Spielfläche ist dunkel, verkohlt und von Rissen durchzogen. Das Erdrund in Schieflage. Die Darsteller sitzen im Halbdunkel in grauen Gewändern, abwartend, schweigend beidseits der Bühne. Alles ist knapp, Wasser, Kaffee, Essen. Sie wollen sich etwas bestellen per Lieferdienst und am besten gleich noch ein neues System. Eine Seuche ist im Land ausgebrochen. Die Bewohner trauen sich nicht das Haus zu verlassen. „Da ist was im Gange. Da braut sich was zusammen. Ich hör`s doch!“, ruft einer. Der Sog nach draußen wird immer stärker und bald werden sie ihm auf verschiedene Weise folgen. Antik, mystisch, geheimnisvoll, unheimlich und zugleich ganz heutig, vor abwechselnd dunkel karger, grell leuchtender und urwüchsiger Kulisse mit Bäumen, verzweigt und verwurzelt auf der runden Fläche, kam die Tragödie „Die Bakchen“ von Thomas Melle nach Euripides unter Regie von Lilja Rupprecht auf die Bühne. Die Premiere war letzte Woche Donnerstag im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.

Die Bakchen, uraufgeführt 405 v. Chr., ist das letzte Stück des griechischen Dramatikers Euripides. Er gewann damit posthum den ersten Preis des Tragödienwettbewerbs von Athen, Das Stück erzählt vom Dionysos-Kult, auch Bacchus genannt, dem Gott des Rauschs und der Ekstase und seinem Gefolge, die Bakchen. Sie verkörpern entfesselte animalische Wildheit, Freiheit, pure Daseinsfreude, Lust und Hingabe an die Urnatur mit ihren eigenen Gesetzen im Gegensatz zur menschlichen Welt der Vernunft, Kalkül, Ordnung, Macht und Kontrolle. Die beiden konträren Welten prallen mit aller Faszination, Kontrasten und Widersprüchen aufeinander und eskalieren in dieser Inszenierung.

Eine Frau in silbern schimmerndem Kleid und langem blonden Zopf, Agaue die Mutter von Pentheus (selbstbewusst. aufbegehrend und innerlich zerrissen: Christine Hoppe) spürt einen verlockenden Sog nach draußen und geht fort. Vergeblich versuchen die anderen sie zurückzuhalten. Sie verlässt die Welt der Männer und ihre Regeln, das Drachengeschlecht, die verhasste Saat. Ihren Sohn Pentheus, den Herrscher von Theben. Es zieht sie in die Naturwelt, in den Wald voller Wunder und Gefahren, wo Dionysos und sein Gefolge, die Bakchen herrschen. Agaue trägt nun ein sonnengelbes Kleid, steht mitten im Wald, fühlt sich wie im Traum sinnenberauscht, schwärmt von dieser neuen Welt ohne Grenzen, wo alles möglich ist, sie will keinen Menschen und kein Raster der Sprache mehr sehen, ganz hingegeben an die Natur und den Gott Dionysos verfällt sie immer mehr dem Rausch. Ebenso wie einige andere Bewohner von Theben, die sich hemmungslos begeistert dem neuen Kult hingeben. Darunter der Seher Teiresias in neonfarbener Rettungsweste (Thomas Eisen) der verzückt mit erhobenen Armen und tänzelnd Dionysos huldigt. Kadmos, der Gründer von Theben und Vater von Agaue im grauen Anzug (Torsten Ranft) ruft ekstatisch nach „dem Rausch, Exzess, die Endzeitsteuer auf dem Vulkan tanzen!“

Sie verehren und sehen in Dionysos einen Heilsbringer, eine Droge für alles.
Zugleich warnen sie Pentheus, er soll ihn nicht verachten und bekämpfen. sondern sich Efeu ins Haar legen und den neuen Gott annehmen. Der wahre Irre sei er, Pentheus, sagt Teiresias wütend. Ein Bote von Pentheus (Jakob Fließ) erzählt fasziniert und verunsichert zugleich von Wundern und grausamen Taten der Bakchen im Wald. Mischwesen aus Mensch und Tier. Frauen stillen ihre Kinder und außerdem Rehe und Wölfe. Doch die Idylle trügt. Natur und Wildnis treffen aufeinander mit aller Schönheit, Vollkommenheit und Härte im natürlichen Leben-Tod-Kreislauf. Die Bakchen feiern Feste und die Natur, aber töten Tiere brutal und verwüsten alles im Rausch. Das ganze Ausmaß schildert in einem eindringlichen Monolog der Bote Pentheus`(Jakob Fließ): „Wir sind die Natur und fordern sie heraus, Wir sind die Gefahr! Wir fressen Tiere und fressen uns durch die Welt. Die Vögel schreien, wenn sie uns sehen!“ Das klingt wie eine Anspielung auf die aktuelle, grassierende Vogelgrippe im Land.

Begleitet wird das Geschehen von pulsierenden, pochenden Klängen von Musiker Philipp Rohmer. Pentheus (Leonie Hämer) erscheint in kurzer schwarzer Lederjacke, Rock und in Stiefeln. Pikanterweise wird der Despot von einer Frau gespielt, die so scheint es noch eins draufsetzt, mit noch mehr Härte und Drohgebärden agiert, um sich in der Männerwelt an der Macht zu behaupten. Das Gesicht streng mit zurückgekämmtem, dunklen Haarknoten. Stolz, kalt und arrogant will sie Dionysos und die Bakchen vernichten. Der Fremde soll dafür büßen, tobt sie, der wie eine Seuche über das Land kam und für Unruhe sorgt. Dionysos (Philipp Grimm) betritt zunächst scheu, lang schlaksig und das Haar zum Pferdeschwanz gebunden die Bühne. Stellt sich vor als Gott und Sohn von Zeus, als der er aber nicht anerkannt wird, sondern als unehelicher Bastard. Seine irdische Mutter Semele wurde getötet. Dionysos fühlt sich als Außenseiter und will seine Herkunft und Ruf verteidigen, sagt er zornig. Er zieht sich nackt aus, bemalt seinen Körper und schreibt mit grauer Farbe das Wort „Ent-Sorgen“  groß auf die Bühne. Pentheus ilässt seinen Widersacher gefangennehmen und wie Abfall wird er weggeworfen hinter die Bühne.

Doch Dionysos kehrt wieder in immer neuer Gestalt. Mal als puppenhafte Popsängerin mit blonder Mähne und abwechselnd betörender und Mickymaus-Stimme sehr grell und künstlich wie für die Teenies der Tiktokgeneration. Mal als skurrile Gestalt in einem unförmigen grauen Gewand mit Fransen und Hut, die plötzlich froh alle Schwere hinweg tanzt. Und als sturmerprobter, unerschütterlich fröhlicher, bärtiger Kapitän spielt ihn Torsten Ranft mit viel schmissiger Ironie, singt Seemannslieder zu Akkordeonklängen, animiert das Publikum zum Mitsingen und dazu braust das Meer in hohen Wogen auf der Leinwand und Bühne. Der Kapitän will Pentheus vor dem Schiffbruch retten und lockt ihn, ob er denn gar kein bisschen Lust habe, die Welt der Bakchen zu sehen?! Er willigt ein, schließlich muss man seinen Feind kennen, um ihn zu bekämpfen. Man muss ein Tier werden, um die Bakchen zu verstehen, sagt Dionysos als Kapitän. Pentheus zieht sich ein Fell an, geht zu Boden und kriecht auf allen vieren umher. Herrlich komisch wie er sich windet, wild wird, nackt schreiend über die Bühne rennt und seinen Verstand beiseite lässt. Berührend und beeindruckend spielt Leonie Hämer den Zwiespalt und die innere Zerrissenheit ihrer Figur, als Herrscher die Verantwortung für das Land zu haben und außerdem auf das Gefühl und Sinne, die Verbundenheit mit dem Ganzen zu achten. Ein schönes, zartes und nachdenkliches Lied darüber „Frei zu sein“ singt Thomas Eisen zur Gitarre.

Schließlich klettert Pentheus, im Mantel, blauen Dessous und Flügeln, mit Dionysos auf einen Berg, um die Bakchen heimlich zu beobachten. Sie will im Größenwahn den ganzen Wald heraus reißen und auf ihren Schultern tragen. Die wahre Natur zeige sich stets kurz vor dem Zerfall!, kommentiert Dionysos Die Bakchen entdecken und verhöhnen Pentheus, der das Unsterbliche besiegen will, sehen ihn als Eindringling, Spion, Frevler und nehmen grausame Rache an ihm. Ausgerechnet seine Mutter tötet  ihn in blindem Rausch. Sie hielt ihn für einen Löwen und sieht entsetzt den abgeschlagenen Kopf ihres Sohnes in ihren Händen im gelben, blutbefleckten Kleid. Ihrem Vater Kadmos wäre es lieber, sie bliebe im wahnhaften Zustand, um ihr den Schmerz zu ersparen. Einzelne, übergroße, nachgebildete Körperteile liegen verstreut auf der Bühne. Sie und ihr Vater fügen die Teile wieder zusammen um den Kopf.
Ein Kind sitzt dort und sagt ihnen eine lange Wanderung und Kriege voraus, aus denen sie nicht mehr herausfinden werden. Ihre Reue käme zu spät. Natur wird wieder Natur, sagt das Kind. Pentheus erscheint zum Schluss noch einmal als rein reflexhaft reagierendes, rätselhaftes Wesen. Die Aufführung zeigt zugespitzt drastisch, was passiert, wenn menschliche Vernunft und Emotionen zuwiderlaufen, sich bekämpfen und verschiedene Ansichten über Zustände in der Gesellschaft blindlings in Radikalität und Fanatismus ausarten. Ein streitbares, vieldeutiges Stück mit viel Stoff zum Nach- und Weiterdenken. Viel Beifall gab es vom Premierenpublikum.

Text (lv)

http://www.staatsscbauspiel-dresden.de


Zwischen Sinnesrausch & blinder Zerstörung: die Bakchen und ihre Anhänger inmitten auseinander gerissener Körperteile auf der Bühne.

BilderAlbum: Samhainzeremonie mit Ahnenschwitzhütte & Trommeln im Zaubergarten Kriebstein & Wieder angekommen

Funkenflug

Die Funken fliegen
hoch über dem Feuer
am dunklen Himmel
tanzen wirbeln herüber
täte es ihnen gern gleich
wag es nicht
noch nicht
ohne Angst die Flügel zu versengen

Gesicht und Körper gewärmt
von den Flammen
verbrennt mein altes Ich
im Dunkel der Schwitzhütte
die glühenden Steine
zischen im Wasser
dampft wohlige Hitze
breitet sich aus

Wir sitzen nackt gehüllt ins Schwarze
wie im Bauch von Mutter Erde
schwitzen schweigen
rufen flüstern bitten
danken den Naturkräften und Ahnen
graben nach den Wurzeln
bei ihnen und uns dem Verbindenden
reißen uns Schmerz Trauer
Ängste Bedrängendes aus dem Leib
brüten Neues aus

im Herzschlag der Trommel
zaghaft erst wie eingefroren
tasten die Töne
gibt das Innere sie frei
taumeln steigen fallen
pulsieren die Klänge
immer intensiver und inniger
hohe helle klare laute leise
warme weiche und tiefe archaische
Laute zarte und kraftvolle
männliche und weibliche Stimmen
treffen begegnen antworten sich
fließen zusammen
schwingen wir uns auf

gehen aus dem Schoß der Erde
wie Neugeborene
mit Jubelschreien hinaus
erfrischt vom Wasser und milder Nachtluft
finden wir uns im Zaubergarten wieder
unter dem Apfelbaum im Mondlicht auf einer Bank
lausche ich in die Stille
sehe das herunter brennende noch züngelnde Feuer

nachts am Fenster die dunklen Umrisse
der Bäume wiegend wie springende tanzende Schatten
eine verirrte Mücke sirrt und versucht
mich zu stechen und entwischt
Morgenlicht leuchtet in allen Herbstfarben
Blätter rieseln zu Boden
Vogelstimmen rufen
sacht unaufhaltsam
webt und regt sich das Neue
weiter kommt wieder ins Fließen
was in uns ist
LV
2.11.2025
Texte + Fotos: Lilli Vostry

Herzlichen Dank an die Veranstalter der zauberhaften Samhainzeremonie, Jürgen Schütz von den „Schwitzhütten Himmelssteine“ und Drumchief Mirko Luckau am Reformationstag am 31. Oktober im Zaubergarten Kriebstein in Höfchen.

Weitere Infos unter http://www.himmelsssteine.de

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Wieder angekommen

Zurück aus dem Zaubergarten
inmitten der weitkronige Apfelbaum
auf der Wiese zwischen bunten
feuchten Herbstblättern
viele gelb und rotbackige Äpfel
etliche mit Sprenkeln
aufgesammelt die mich anlächeln
wie der große schwarze
zottelige Hofhund
der fröhlich umher sprang
das lodernde Feuer
die Schwitzhütte
und das Trommeln
hallen nach
die Zwiegespräche mit den Ahnen
Warte auf Antworten
sehne mich heraus
aus dem Schweigen

als wäre da Nichts
und Niemand mehr
vor und hinter mir
an der Trommel sah ich
sie im Rhythmus der Schläge
kraftvoll pulsierend wie Herzschläge
mir unbekannte und nahe Gesichter
tauchten auf dem Trommelrund auf
in der Mitte ein staunendes
wie ein Kind
eine große Gestalt und zwei kleinere neben ihr
ein Frauengesicht feine Gesichtszüge
davor ein ihr zugewandtes
dahinter ein Kopf von der Seite kantig
reglos der Ausdruck wie versteinert
mal deutlich mal verschwommen

tränenblind überwältigt vom Echo
der hellen klaren und tiefen erdigen Stimmen
als öffne sich eine lange verschlossene Tür
saß ich da tonlos weiter trommelnd
als könnten sie mich hören
in ihrer dunkel fernen Verschwiegenheit
einen Widerhall finden
meine ungestillte Sehnsucht
und Rufe nach ihnen
in die Vollmondnacht
lausche in die Funkelstille

LV
8.11.2025

Rübenzahl Oder Die wahre Liebe – ein musikalisches Lustspiel mit Handpuppen in den Technischen Sammlungen Dresden


In die geheimnisvolle Welt von Berggeist Rübenzahl entführt märchenhaft & musikalisch & mit skurrilem Witz die Aufführung der „Opéra en miniature“ im Rahmen der Tschechisch-Deutschen Kulturtage am 2. November, um 15 Uhr in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Veranstalter

Rübenzahl oder die wahre Liebe

Das musikalische Lustspiel von Joseph Schuster kommt in einer Fassung für Instrumentalensemble Figurentheater, Solisten, Sprecher und Chor arrangiert von Christoph Teichner & Handpuppen mit der Opéra en miniature & Puppenspielerin Cornelia Fritzsche am 2. November, um 15 Uhr auf die Bühne in den Technischen Sammlungen, Goldbergsaal.

Das musikalische Lustspiel „Rübenzahl oder Die wahre Liebe“ von Joseph
Schuster, der Ende des 18. Jahrhunderts am Dresdner Hofe wirkte, erzählt die
Geschichte des geheimnisvollen Berggeists Rübenzahl, der zwischen Zauberei
und wahrer Liebe schwankt. Die selten gespielte Oper aus dem 18. Jahrhundert
wurde von Christoph Teichner für das Ensemble Opéra en miniature neu
arrangiert. Alle Musiker spielen auf historischen Instrumenten, die großen
Handpuppen führt Cornelia Fritzsche und erzählt die Handlung aus der
Perspektive der Geister der Unterwelt. Die bekannte Sage aus dem deutsch-
böhmischen Raum erhält so frisches Leben – poetisch, verspielt und voller
Überraschungen. Opéra en miniature ein Erlebnis für alle Generationen.

2. November 15 Uhr
Goldbergsaal – Technische Sammlungen
Ticketreservierung unter:
https://www.tdkt.info/events/2025/die-abenteuer-des-
ruebezahl/

Text + Foto: Katrin Meingast

Neue Lyrik: Ein Schelm im Stadtbild

Ein Schelm im Stadtbild

Ein Mann mit Bart
etwas zerzaust
und grauem Hut
Rucksack und apfelsinenfarbene
Jacke warm gefüttert
steigt in die Straßenbahn
torkelt etwas setzt sich
murmelt vor sich hin
aus seiner Kapuze schaut
plötzlich ein grauweiß
Felliges hervor mit spitzem Schnäuzchen
und Knopfäuglein
fängt es die Blicke der Mitfahrenden ein
Gehört das zum „Stadtbild“
Ist`s fauler Zauber aus der Politik
oder nicht
die Bahn fährt in Richtung Staatskanzlei
wo der hohe Gast aus Berlin gerade weilte

Der Mann mit seinem grauweißen Tierchen
ist ganz echt
es klettert an ihm hoch und runter
bewegt sich ganz manierlich
auffällig handzahm
zeigt sich und verschwindet
wenn es sein muss
im orangenen Jackenärmel
wie ein blinder Passagier
in Gefahr
die anderen Fahrgäste sehen es
und schweigen
tippen weiter auf ihren Handys
und Mann und Maus lächeln  schelmisch
frei heraus und wünschen mir
und ich ihnen einen schönen Tag

LV
28.10.2025

Text + Foto: Lilli Vostry

Für Mitträumer & naturverbundene Menschen: Ahnenschwitzhütte & Trommeln an der großen Motherdrum zu Samhain


Gemeinsames Singen & Trommeln von Kraftliedern verbindet und öffnet einen Raum in Kontakt mit der Natur und unseren Altvorderen zu gehen, Absichten und Wünsche auszusprechen. Das geschieht bei einer feierlichen Samhainzeremonie am Reformationstag am 31. Oktober, um 15 Uhr im Zaubergarten Kriebstein, Am Wald 1 in Höfchen. Gastgeber ist Jürgen Schütz von den „Schwitzhütten Himmelssteine“. Fotos: privat

Mit der Kraft der Natur verbunden

Zu einer besonderen Zeremonie mit Ahnenschwitzhütte und Trommeln wird am Reformationstag am 31. Oktober, um 15 Uhr im Zaubergarten Kriebstein eingeladen.

Auf der Wiese liegen Steine rings um eine Feuerstelle. Inmitten von einem Gerüst aus filigranen Zweigen liegen gelbe Blätter, Trauben, Blumen, ein Apfel, Nüsse, Reißigzweige und helle weiche Federn. Ein weißer Kristall und eine Laterne stehen dort. Ein stiller, feierlicher Zauber geht davon aus. Hier startet zum Reformationstag und Feiertag in Sachsen am 31. Oktober um 15 Uhr die diesjährige Samhainzeremonie im Zaubergarten in Kriebstein. Dazu gibt es für Mitträumer, naturverbundene, neugierige und aufgeschlossene Menschen eine Ahnenschwitzhütte mit Trommeln an der Motherdrum mit den Veranstaltern der „Schwitzhütten Himmelssteine“ Am Wald 1 in Kriebstein-Höfchen.

Samhain bedeutet bei den Kelten Anfang, Ende und Neubeginn. Es ist das Ende und der Beginn eines neuen Jahres. „Es ist auch die Zeit, wo die Grenzen zwischen den Welten durchlässig werden. Wo wir uns mit unseren Ahnen und auch den Naturgeistern verbinden und sie um Rat und Beistand bitten können“, sagt Jürgen Schütz, Inhaber der „Schwitzhütten Himmelssteine“. Er kommt aus dem Ruhrgebiet, ist Allgemeinmediziner und beschäftigt sich schon lange mit Naturmedizin. Daher hat er eine enge Verbindung auch zu Kreiswissen und Denken in größeren Zusammenhängen im Zyklus der wiederkehrenden Jahreszeiten, von Leben und Tod und ein Teil von Gemeinschaft zu sein. Seit rund 15 Jahren veranstaltet Jürgen Schütz Zeremonien mit Schwitzhütten und Trommeln zusammen mit Mirko Luckau. Die beiden fahren regelmäßig zum Lebenstanz-Treffen zum Trommeln, das jedes Jahr im Sommer in Südfrankreich in den Pyrenäen stattfindet und ihnen viele neue Impulse gibt.

Viele Jahre fand das Trommeln monatlich in der Salzgrotte Himmelssteine in Altnaundorf bei Radebeul statt. Auch die Schwitzhütten und Seminare gab es dort. „Doch ein Hof neben dem anderen, wurde zu eng. Daher haben wir unseren Wirkungskreis vor drei Jahren nach Höfchen verlegt“, sagt Schütz. „Die Schwitzhütten finden nun auf dem einen Hektar großen, schönen Platz am Wald mit Blick auf die Talsperre statt.“ Der Weg dorthin ist freilich weiter und der Platz abgeschieden. Die Besucher kommen zumeist aus dem Dreieck Leipzig, Dresden und Chemnitz, sowohl Stammbesucher als auch neue Teilnehmer. Eröffnet wird die Zeremonie am kommenden Freitag mit Drumchief Mirko Luckau an der Motherdrum. „Durch unseren Gesang und unser Trommeln nehmen wir Kontakt zu unseren Altvorderen auf und verbinden uns mit ihrer Kraft“, so Jürgen Schütz. Dabei stehen die Teilnehmer an einer großen runden Tischtrommel mit fell- und lederbespannten Trommelschlägern, singen und tönen gemeinsam Kraftlieder aus der indianischen Kultur, indische Mantren und deutsche Kreistanzlieder.

Anschließend schwitzen sie in einer Rundhütte zusammen wie im Bauch von Mutter Erde. Es ist ein geschützter und geborgener Raum. Wo man im Dunklen in die Stille lauschen, in sich gehen, meditieren und mit den Ahnen verbinden, danken, bitten und Offenes und nicht Beendetes mit ihnen klären kann. „Es geht darum, einen Zugang zu sich selbst zu finden, was will ich wirklich und wo erfülle ich nur Erwartungen anderer. Jeder bringt seine eigenen Themen mit und kann sie für sich bearbeiten, Absichten und Wünsche aussprechen, Stress und Ängste loslassen und hinterher hat man mehr Klarheit und Gelassenheit“, sagt Jürgen Schütz. Das Erfahrene bleibt wie beim Arzt im Raum. Ein Feuerhüter bringt die Steine zum Glühen und danach in die Schwitzhütte.

Vorher wird der Raum mit einem Federfächer mit Salbei geräuchert und gereinigt. Hinterher kann man sich ans Feuer setzen oder hinlegen oder mit dem Wasserschlauch erfrischen, manche gehen sogar hinunter an die Talsperre. Die Zeremonie wird beendet mit einem gemeinsamen genussvollen Essen und Trinken, wofür jeder Teilnehmer etwas mitbringt. „Wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, kann ich auch in gute Beziehungen zu anderen Menschen gehen und in Gemeinschaft sein“, ist seine Erfahrung.„Neben den Schwitzhütten und Trommeln bieten wir außerdem viele Erfahrungsgruppen mit Austausch, Jahreszeitfeste und Baumzeremonien an“, so Schütz. „Außerdem machen wir Nature Work und Jugendinitiation zu den Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft, padddeln auf dem Stausee, sammeln Feuerholz und nehmen die Umwelt bewusst wahr.“ In die Schwitzhütte passen rund 20 Leute. Trommelschläger sind vorhanden.

Text (lv)

Es sind noch einige freie Plätze für die Zeremonie (Kosten pro Teilnehmer: 90 Euro). Übernachtungen sind im Haus im Gelände möglich. Anmeldung unter: info@himmelssteine.de

Kontakt und weitere Infos unter www.himmelssteine.de

Nächste Termine im Zaubergarten Kriebstein

20.12., 16 Uhr, Schwitzhütte zur Wintersonnenwende
30.12., 17 Uhr, Rauhnachtsschwitzhütte zum Jahresende

Uraufführung „Hautnah Entfernt“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden


Bewegung miteinander, um andere zu bewegen: Darsteller mit und ohne Behinderung in farbigen Sachen, die viel von ihren Träumen und Sehnsüchten widerspiegeln, agieren gemeinsam in der Aufführung „Hautnah Entfernt“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden. Foto: Sebastian Hoppe

Berührende Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz

Wie wir anderen begegnen und miteinander umgehen, davon erzählt eindrucksvoll mittels Körpersprache, Blicken, Gesten, Musik und Tanz die Aufführung „Hautnah Entfernt“ – eine Bewegungsrecherche von Menschen mit und ohne Behinderung auf der Bürgerbühne in Kooperation mit dem „farbwerk“ e.V. im Kleinen Haus in Dresden.

Menschen sitzen in einem Bahnabteil. Der Blick starr geradeaus, die Hände greifen mechanisch nach unten, in monotonen Handgriffen. Sie werden hin und her geschüttelt beim Fahren, ab und zu stoßen ihre Körper zufällig aneinander. Dann schauen sie erschreckt oder erstaunt auf. Hoppla, da ist ja noch jemand! Wie wir anderen begegnen und miteinander umgehen, davon erzählt die Aufführung „Hautnah Entfernt“ – eine Bewegungsrecherche von Menschen mit und ohne Behinderung unter Regie von Helena Fernandino. Die Uraufführung dieser Produktion der „Bürger: Bühne“ in Koproduktion mit dem Verein „farbwerk“ e.V. war am vergangenen Sonnabend im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden. Der Theaterraum unter dem Dach mit steilen Treppen hinauf ist leider nicht barrierefrei zugänglich. Das ist schade gerade bei diesem Thema der Aufführung!

Die Akteure sind zwischen 20 und 75 Jahre alt. Manche von ihnen arbeiten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Außerhalb der gemeinsamen Proben wären viele von ihnen sich wahrscheinlich nie begegnet. Zusammen mit der Choreografin und Tänzerin Helena Fernandino hat die Gruppe zum Thema Berührung geforscht. Die zwölf Darstellerinnen und Darsteller tragen farbige Sachen, in denen schon etwas von ihrem Wesen, ihren Sehnsüchten und Stärken aufleuchtet und gesehen werden möchte. Sie erkunden mittels Bewegung,Tanz und Körpersprache, begleitet von vielfältig pulsierenden Klängen von Frieder Zimmermann, in eindrucksvollen Szenen von sensibel, spannend, nachdenklich, traurig bis skurril komisch und übermütig schwungvoll, warum es uns zu jemand hinzieht oder nicht, was das Näherkommen ermöglicht oder behindert. Wie es bereits im paradoxen Titel „Hautnah Entfernt“ anklingt, begeben sich die Darsteller dabei auf eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz, das immer erneute Ausbalancieren von aufeinander Zugehen, Einlassen, Zulassen und Fühlen. Es geht auch um Vorbehalte und Berührungsängste vor dem Anderssein, Fremden, Ungewohnten. Um Berührungen, die guttun oder Grenzen überschreiten.

Die Spielfläche mit zwei Bahnabteilen ist in der Mitte geteilt duch ein Geländer mit Haltegriff und Öffnung, durch die einzelne Darsteller auch auf die andere Seite gehen, sich nebeneinander setzen, gleichgültig oder neugierig betrachtend oder den anderen von sich weg schiebend, die tun es nach, reihum rutschen sie die Sitzbank herunter. Die Sitzabteile bewegen sich auseinander und wieder zusammen mit den Spielern, werden angeschoben von außen von den Mitspielern und drehen sich wie im Karussell auf dem Rummelplatz mit wechselnder Berg- und Talfahrt. Manchmal leuchten die Glühlämpchen über den Sitzabteilen, wenn zwei sich näherkommen, an den Händen halten und gemeinsam bewegen.

Am stärksten sind die Momente, wo das Alleinsein und die Suche nach Nähe buchstäblich greifbar werden. Wenn ein junger Mann in sonnengelben Sachen allein, isoliert im Abteil hinter dem Geländer steht, eine Hand hinaus streckt und vorsichtig außen entlang geht. Eine Frau und ein Mann, sie hochgewachsen und selbstbewusst in leuchtend orangenen Sachen, er schmal und scheu in türkisem Trikot, sehen sich aufmerksam an, tasten an einer Wand entlang, ihre Rücken berühren sich kurz und nah aneinander gehen sie vorbei. Oder wenn aus einer zunächst abwehrenden Geste, einem schüchternen, unsicheren Gang plötzlich ein Hinschauen und Erwidern der aufmunternden Hand auf der Schulter wird, sanft streichelnd im Gesicht des Gegenüber. Sehr berührend! Schön zu sehen auch, wie die Kreise und Bewegungen der Darsteller immer weiter und fließender werden in ihrem eigenen Rhythmus voll ansteckender Lebensfreude. Reichlich Beifall gab es für diese ungewöhnliche alle Sinne bewegende Theateraufführung.
Text (lv)
http://www.staatsschauspiel-dresden.de
Nächste Termine:
25.10., 20 Uhr und 26.10., 19.30 Uhr, Kleines Haus3, Glacisstraße 28 in Dresden


Berg- und Talfahrt der Gefühle zwischen Einsamkeit und Nähe: Eine Szene aus „Hautnah Entfernt“ mit Maria Will und Onyx Pertsch. Foto: Sebastian Hoppe

Neue Herbst & KatzenGedichte: Traumzeit & Herbsttag

Traumzeit

Nichts bewegte mich
heute hinaus
versunken wie ein Bär
im Winterschlaf
wohlige Wärme
träumte von einer langen Reise
hielt mich nichts mehr

Ihr saht mich an
aus einem hellen Leinenbeutel
den ich hielt
liebe vertraute Gesichter
aufmerksam nicht bang
eine Zeitlang
warme gelbe Augen
der grau weiß Getigerten
und sanft staunend die kleine schwarz weiße
wart Ihr wieder bei mir
große Angst Euch wieder zu verlieren
ein Hund kläffte

Wir wollten verreisen
ohne Ziel
sah kein Flugzeug
nur dieses schwebende Gefühl
nachmittags riss ein Stück
vom grauen Wolkenhimmel auf
dazwischen Azurblau
zog mich hinaus

LV
9.10.2025

Herbsttag

Der Herbst steht auf der Leiter
und lacht die Minnie an
sie klettert auf den Kratzbaum
dass sie das Blättermeer
noch besser sehen kann

draußen immer noch viel Grün
die zwei letzten Buntnesseln
in der Küche fast hin
die großen schönen Blätter
matt obwohl immer gegossen
fielen Blatt um Blatt
der Stiel gleich mit ab

die Katzen tun
als ginge es sie nichts an
haschen Fliegen
dann und wann
nehmen was sie zwischen
die Pfoten bekommen
mit Wonnen

die drei Kobolde springen im
Herbstsonnenlicht
auf den Balkontisch
ein Korb voll roter und gelber Äpfel
lacht sie an und lila Trauben
im Karton sie spielen sogleich damit
Pardon sie duften gar so gut

LV
9.10.2025

Liebe bleibt
(Für meine Großmutter zum Geburtstag am 22.10.2025. Sie ist Jahrgang 1911.)

Du hattest immer Sonne im Herzen/ auch wenn sie Dir nicht immer schien/hieltst Du uns Kinder immer warm/empfingst uns/selten klopften wir vergebens an Deine Tür/brachtest es nicht übers Herz uns draußen stehen zu lassen/frierend und hungrig vor allem nach Liebe/Worten die nicht stachen sich einbrannten/Worte wie Mangel/Fortgehen/Verlassen/Verschollen im Krieg/Dein Mann/nie gefunden/als Kind und Erwachsene selbst zwei Kriege erlebt Du/auferstanden aus Ruinen/allein mit zwei Töchtern/die wieder zwei Mädchen bekamen/uns die nie verstanden/warum es so schwelte und brodelte/manchmal überschäumte/verborgene und offene Wunden/wie Feuer und Wasser waren wir/viele Fragen/bis heute offen/warum waren wir oft so allein/wohin gingen die Männer/was trieb sie fort/liebten sie nicht auch/was ist davon geblieben
LV
22.10.2025

Texte: Lilli Vostry
Fotos folgen

Neue Lyrik: Meergedichte. Zaubergarten am Meer & Beflügelt & Sturmgebraus & mehr

Zaubergarten am Meer

Geweckt von der Sonne
in einem traumhaften Garten
schien das Licht auf durchsichtige Vorhänge
darauf Umrisse von Vögeln auf Zweigen
wie auf einer Leinwand
verwoben Drinnen und Draußen
auf dem Fensterbrett stehen weissblaue Segelboote
dahinter hell gefächerte und wehende Seegräser und
hohe Kiefern
dazwischen ranken prall rote Duftrosen und
Sommerblumen in die Höhe vor grauen Steinwänden
und Sitzplätzen umwogt von der Pflanzenpracht
ein blühendes Farbmeer auch auf den Bildern  der
Ferienräume
brausende Wogen mit Möwen
stille Winkel im Wald ein See
Fischerhäuser beschirmt von Bäumen
helle Boote vor dem Holzsteg am Hafen
goldene und dunkle Himmel mit Mond
versonnen und überwältigt vom neuen
Feriendomizil einen Tag vor der Abreise
nahe der Bahnstrecke
lausche ich dem Signal der Schranke
an und abfahrender Züge
statt der Kirchturmuhr und Vogelgezwitscher
im anderen geliebten Ferienzimmer
Ein Zauber liegt über allen Dingen
und will gesehen werden
aus der Ferne schon kühler Herbsttage
träum ich mich schon wieder
dorthin in den Zaubergarten am Meer

LV
1.10.2025

 

Beflügelt

Die Möwen standen schon Spalier
neben der Seebrücke und dem weißen
Hsus mit den Türmchen
picknickten im Flug
ihre Flügel zeichneten
tanzende Schatten in den Sand
eine Frau hielt eine Futtertüte
für sie wie ein Segel
in den blauen Himmel
mich umbrausten noch einmal
die sonnenbeglänzten weißen Kräuselwellen
voller vom Meerschaum bewegter Bilder
die Möwen im Gefolge Raben und eine Taube
kreischten vor Freude über das Futter
und flogen vergnügt über den Wogen
hin und her wie tobende spielende Kinder
ein Brautpaar strahlte am Strand in die Kamera

Die restaurierte Jugendstiluhr auf der Promenade
stand immer noch auf zwölf
als ich ankam
eine Minute vorher
mit den Sand von den Füßen schüttelte
die Schuhe wieder anzog
das Meer und die Möwen im Rücken
schon wieder vermisste
im Sand lag eine kleine Tigerfeder
ein Anker für unterwegs

LV
27.9.2025

 

Sturmgebraus

Die Sonne machte gute Miene
zum bösen Spiel
das der Wind heute trieb
gar zu sehr
blies er stürmisch ins Horn
das mir fast Hören und Sehen verging
streute Sand umher
der rieselte und wellte sich
wie das Meer
kein Weg führte hinein

Den Gefiederten sträubten
sich die Federn
doch sie flogen weiter
elegant weiß
in der Sonne
in Scharen
fingen ihr Futter
furchtlos im Sturmgebraus
und standen vor den glänzenden
hohen Wogen
der Wind zerrte an den blauen Sternenfahnen
auf der fast leeren Promenade
ein paar Unerschrockene liefen
am Strand entlang
und sahen zu
wie der Himmel sich rötlich färbte
aus den gut gefüllten Lokalen
stieg der Duft nach frisch Geräuchertem

LV
25.9.2025

Spätsommerabend

Die windschiefen knorrigen Kiefern
nehmen ein letztes Sonnenbad
über ihnen das Himmelszelt
und dahinter das silbrig blaue Meer
flanieren sie noch einmal
hin und her
bleiben vor den prächtigen Villen stehen
mit Eis oder Hund an der Leine
ein Mann chauffiert seinen
mit wehenden Ohren vorn im Fahrradkorb
ein Wind springt unruhig umher
am fast menschenleeren Strand
und seinem Herrn hinterher
in die Wellen
Raben krächzen in den Bäumen
Federn ragen im Gras
wie Traumfänger
auf einer Sonnenbank an der Promenade
liegt eine Frau lang ausgestreckt
ihr Mann streichelt sacht ihr Gesicht
hält ihren Kopf auf seinen Knien
zusammengewachsen wie Philemon und Baucchis

LV
25.9.2025

Schmetterlinge

Ein Tagpfauenauge flog
vor mir her
Bote zwischen den Welten
zu dem Sommerflieder
wo schon viele Schmetterlinge
auf den Blüten saßen
umher flatterten sich neckten
und labten
dunkelrot betupft mit blauen Augen
mich ansahen
grüßten mit leisem Flügelschlag
die letzten Sonnenstrahlen einfingen
die Vögel aus dem Myhrtebaum
schwirrten heran und holten
die Sonnenblumenkerne
vom Tisch vor dem Ferienzimmer

LV
25.9.2025

Altes Haus

Strahlend blauer Himmel
Sonne scheint auf das alte Haus
an der Giebelseite rankt
Efeu empor
die Zweige schauen übers Dach
wie Wächter
ein Vogel sitzt darin
die ersten Jahre blühten noch
Rosenstöcke und Geranien am Fenster
die weißen Gardinen zugezogen
auch an der Tür
wie in der Laube
meinem ersten geliebten Ferienzimmer

die Tomatenstauden hinterm Haus
sind fort
die Rosenstöcke und einige Efeuranken gefällt
davor steht jetzt ein Container
Bretter und Bauschutt liegen herum
fallen polternd hinein
vor der blättrig sandfarbenen Wand
am Eingang
durch das große Fenster in der Mitte
mit halb herabgelassener Gardine
streift der Blick in den fast leeren Raum
ein weiß verhangener Sessel
hinten lehnt ein Bild an der Wand
kahler Boden und Putzeimer
der Welcome-Abstreicher an der Tür
verblast staubig
Das Haus steht seit zwanzig Jahren leer
höre ich

Wieviele Urlauber wohnten
hier schon und freuten sich
aufs Meer
auf seine alten Tage mag
es keiner mehr
seine Tage sind gezählt

Ich stelle mir die leere Fläche
nach dem Abriss vor
im nächsten Urlaub wird
alles anders sein

LV
25..9.2025

 

Leichtmatrosen & Fellmusen

Sie sitzen auf ihrem Kletterbaum
wie auf einem Schiff
Flausch Kasimir meist oben
an Deck Minnie mit ihm
oder eine Etage tiefer
in der Höhle oder Kajüte
die zwei getigerten Leichtmatrosen
und Lino aalt sich
im Körbchen
lässt mich nicht aus den Augen
meine großer weiße Möwe

Sie schnupperten am Koffer
im Flur
Lino sprang gleich darauf
die anderen zwei umkreisten ihn
sahen mir lange nach
als gehe die Welt unter
Ich hasse Abschiede
aber noch mehr
wenn keiner einen vermisst

Meine drei Fellmusen
Meerkatzen jetzt
Jade Lina und Lola
reisen mit mir
schicken mir immer Sonne
zeigen mir die schönsten Plätze
finde immer wieder Federn
in ihren Fellfarben
die Möwenrufe klingen manchmal
wie Schnurren
hier am Meer bin ich mir
und Euch nah
wie sonst nie
den Bäumen den Wellen Wolken
dem Wind und wogenden Gräsern
allem was sich bewegt
und allen die guten Mutes sind
auf die drei zuhause wartet
schon ein kleines weißblaues
Einhorn mit Katzenminze

LV
24./25.9.2025

Möwenstrand

Sobald ihr gellender Gekicher
und Sehnsuchtsrufen erklingt
schwinge ich mich auf
ihr Gefieder grauweiß seidig
fast synchron zur Farbe des Himmels
und Meeres
kreisen sie am Strand
breiten ihre Schwingen über mir
weit wild würdevoll
fächeln fliegen tänzeln
im Halbkreis um die Strandtasche
und stürzen sich hungrig aufs Futter
kleine weiße Lachmöwen mit roten Füßchen
und große Silber- und Steinmöwen
mit beachtlichen Schnäbeln
wachem Blick
und intensiven Jubelschreien
bleiben bis das letzte Krümel
im Sand verputzt
und erheben ihre anmutigen Alabasterkörper
im goldenen Abendlicht

LV
23.9.2025

Fest der Meerfarben

Abends in der Stille
das leise Rauschen
bewegt und beständig
wie ein ewiges Versprechen
die heran rollenden Wellen
sich ihnen hingeben
egal was kommt
gerade noch ruhig und klar
perlmutt und pasrellfarben der Himmel
der Wolkenvorhang aufgezogen
noch einmal in den Sonnenglanz eintauchen
Geflirr aus Lichtfunkeln Algen und Quallen
die anstoßen und zurückschnellen wie ich
fortgespült über Nacht
das Meer schlägt grausilbern
hohe weiße Wogen
vom Wind gepeitscht
aufgewühlt abweisend
als wollten die Wellen selbst fliehen
nicht mal die Möwen
hielt es am Meer
sie flogen auf
und saßen aufgereiht im feuchten
noch warmen Sand
am fast menschenleeren Strand
Heute ein Fest der Farben
im gleissenden Licht warmgolden
segelten die Wolken und
purpurne Wangen trug das Meer
die Möwen standen und bewunderten
seine Schönheit und stiegen
mit Freudenschreien auf

LV
23.9.2025

Ungeborgen

Nach einem langen
schönen Sonnentag
endlich wieder am Meer
las ich abends im Netz
von Dir dass Du nicht mehr bist
Deine Retterin kam
zu spät

seh Dich vor mir
ein kleines Wesen
grau weißes zerzaustes Fell
große tränende Augen
höre Dein Weinen
Du stehst hältst Dich
fest mit ausgefahrenen Krallen
an den Gitterstäben in diesem Käfig
wie ein Kind im Laufstall
das seine ersten Schritte geht

ganz allein
keine Liebe
kein Streichelfell
keine Wärme
früh herausgefallen aus dem Nest
Dein Schmerz ist mein Schmerz
dieser flehende fragende Blick
Wozu bin ich auf der Welt
gewesen

LV
21.9.2025

Alle Gedichte: Lilli Vostry
Fotos folgen.

Farbreicher Bilder & KlangZauber in der Full Moon Gallery Dresden mit Malerei von Dorothee Kuhbandner & Musiker Peter Koch

Hervorgehoben


Farbenfroher, fantasievoller Bilderkosmos zum Therma: „Wer bin ich?“ Mit einem Gedicht an den Mond von mir und wundervollen, warmen und traumversunkenen Klängen am Cello von Peter Koch eröffnete gestern Abend die Ausstellung der Radebeuler Künstlerin Dorothee Kuhbandner in der Full Moon Gallery, Hechtstraße 17 in Dresden. Der Vollmond war hinter einer dichten Wolkendecke verborgen, doch sein magisch strahlendes, helles Licht sicht- und fühlbar in den Bildern in den Schaufenstern und drinnen.

Intensive, helle und dunkle Klänge & eine Ode an die Freude voller Zauber und Brüche mischten sich im Cellospiel mit viel Hingabe des Musikers und Malers Peter Koch. meinwortgarten-Inhaberin, freie Journalistin und Autorin Lilli Vostry hielt die Laudatio zur Ausstellungseröffnung.

An den Mond

Drinnen hält mich
nichts
lausche in die Nacht hinaus
höre Vogelstimmen
vergesse den weißen Atemrauch
mittendrin ein einsamer Segler auf dunkler See

Du bist mein Leuchtturm
der sich über der Schwärze erhebt
Wolken und schwere Gedanken beiseite schiebt
als Lampion lichttorkelnd
hoch über den Bäumen schwebt

mich anstrahlt
voll und ganz
legt sich Dein Glanz
über alle Schatten
überlasse mich
dem Sog der Klänge
der Ode an die Freude

gehe durch ein Tränengebirge
beim Vers: „Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt…“

und lächle dem Mond vorm Davonsegeln zu

LV
1.1.2021

Die Tauben wollen fliegen!

Liebe Kunstfreundinnen und –freunde,
Liebe Doro,

mit diesem Gedicht an den Mond, das ich am 1.1.2021 schrieb, möchte ich meine Rede zu den Bildern von Dorothee Kuhbandner passend zu diesem Ort, der Full Moon Gallery im Hechtviertel in Dresden, beginnen. Was für ein schöner Name für eine Galerie! Immer zur Vollmondzeit wird hier eine neue Ausstellung gezeigt. Heute strahlt La Luna voll und rund wieder am Nachthimmel und verzaubert uns mit ihrem magischen Licht. Jene Zeit, wenn die Gedanken, helle und dunkle, und Träume wie Katzen umher streifen, Einlass begehren und unsere Herzen erweichen. Dann sind wir besonders offen und empfänglich für Sinnesreize und Neues. Die meisten Bilder hängen in den Schaufenstern und sind somit zu jeder Tag- und Nachtzeit sichtbar. Die Kunstwerke sind auch gut beleuchtet. Weitere Bilder hängen drinnen an den Wänden, in denen Kunst, Natur und Zwischenmenschliches aufs Schönste miteinander verbunden sind.

Dorothee Kuhbandner ist eine Bilderzauberin. Auf kleinen und großen Formaten, Leinwänden und Papier entführen ihre Werke in leuchtenden Farben, fantasievoll, symbolhaft und ausdrucksreich in einen ganz eigenen Bilderkosmos zwischen Traum und Wirklichkeit, gemalt im „Dorealismus“, wie sie es nennt. Drei Fensterbilder, sacht bewegt vom Wind und gehalten von Drähten unter dem Blätterdach eines Baumes, drehen sich und erscheinen immer wieder anders im Spiel von Licht und Schatten. Auf dem Weg zu ihrem Wohnhaus und Atelier in Radebeul, in der Oberen Berggasse, unterhalb der Weinberge. Das erste Bild zeigt drei Figuren mit Augenbinde, Kopfhörern und Maske vorm Mund in einem Boot sitzend. Es trägt den Titel „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen aber fühlen“, eine Hand liegt auf einer Mauer. Wie ein roter Lampion wirkt auf den ersten Blick die Maske mit den rot-weißen Signalbändern, auf der eine weiße Taube thront vor einem staunenden Gesicht. Im dritten Bild sind aufgespannte Rettungsschirme über lodernden Flanmen, eine Taube, ein versteckter Gekreuzigter, eine waghalsige Dame, ein getarnter Uhu und, und, und zu sehen. Die Fensterbilder sind großformatig auch in dieser Ausstellung zu sehen.

Insgesamt neun Bilder in Tusche- und Acrylmalerei, die 2023 entstanden sind und einige kleinere und ältere Arbeiten, zeigt die in Radebeul lebende Künstlerin unter dem Titel „Wer bin ich?“ Angeregt wurde Dorothee Kuhbandner dazu von einem Gedicht von Dietrich Bonhoeffer, das der Theologe und Dichter 1944 im Gefängnis schrieb. Mit dem Thema ist sie schon lange vertraut. Als sie vor 20 Jahren in der Friedenskirche Radebeul ausstellte, machte sie der dortige Pfarrer Schleinitz auf das Bonhoeffer-Gedicht aufmerksam mit den Worten: „Das passt.“ Dorothee Kuhbandner beschäftigt ebenso die Frage: „Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selber von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem…“, wie es Bonhoeffer formulierte.

Die Bilder ihrer Ausstellung „Wer bin ich?“ waren bereits in der Wuhlgartenkirche in Berlin im Jahr 2023 zu sehen, außerdem in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Chemnitz im Kulturhauptstadt-Jahr 2025 und in der Uniklinik der Medak in Dresden ein halbes Jahr lang. Dies ist nun die vierte Station in der Full Moon Gallery. Den Bildern hat Dorothee Kuhbandner eigene Texte hinzugefügt, die auch in einem Begleitheft zur Ausstellung „Wer bin ich ?“ in ihrem ZilpZalp Verlag Radebeul erschienen sind. Nicht um die Bilder zu erklären, sie sieht die Zeilen vielmehr als zusätzliche Ebene. Es sind gedankliche Reflexionen von ihr zu den Bildern: „Warum habe ich das gemalt?“

Sie sei selbst oft überrascht von dem, was sie sieht. Malen ist ein intuitiver, spontaner Vorgang. Manche Besucher lesen nur die Texte und sehen die Bilder nicht an, sagt sie. Idealerweise ergänzt sich beides, Worte und Bilder. Bäume, Pflanzen, Tiere und immer wieder Gesichter, die sich ansehen wie im Spiegel, aus Trichtern, Tunneln oder Megaphonen hervorschauen, oft im schwarz-weißen Schachbrettmuster und Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier, mit buntem Gefieder, Flügeln, Hörnern, Knospen und Jahresringen, besiedeln und beäugen auf den Leinwänden den Betrachter offen, wundersam und neugierig. Neben einem Bildnis des Musikers Frank Zappa sind ein Porträt von ihrem Sohn Friedrich, mit nachdenklichem Blick und hervorquellenden Gedankengängen, aus denen weiße Tauben flattern und ein Selbstporträt zu sehen, das eine Frau zeigt, aus deren Kopf Blumen sprießen bis hinunter auf die schwarz-weiß karierte Halskrause mit Harlekinglöckchen. In den Bildern von Dorothee Kuhbandner nehmen Erlebtes, Träume, Ängste, Zweifel und Hoffnungen farbenfroh und vieldeutig, oft mit leisem Schmunzeln, Gestalt an. Sie möchte, dass die Betrachter sich selbst Gedanken zu den Bildern machen, sich verbinden und etwas entdecken, wiederfinden von sich selbst in den Bildern. Man muss sie nicht sofort und völlig verstehen. Diese Bilder wollen vor allem gefühlt werden. Sie sind eine Einladung an die Betrachter, das Staunen und Träumen in einer zunehmend technisierten, widerspruchsvollen und kalten Gegenwart nicht zu verlernen, vielmehr den eigenen Sinnen und Erfahrungen zu vertrauen.

Die Malerin, Grafikerin, Objektkünstlerin und Illustratorin wurde 1964 als Dorothee Friedrich in Dresden geboren und ist in Radebeul aufgewachsen, verheiratet und Mutter von vier Söhnen. Sie hat Ausbildungen als Buchbinderin, Krankenschwester, Tagesmutter und Entspannungspädagogin. Sie ist äußerst gestaltungs- und experimentierfreudig und verwandelt alles, was ihr zwischen die Finger kommt, liebe- und kunstvoll.
Sie ist Autodidaktin und seit 2010 freischaffend als Bildende Künstlerin tätig. Seit 2012 hat sie die „Galerie mit Weitblick“ in Radebeul betrieben, die sie dieses Jahr wegen neuer Besitzer des Grundstücks aufgeben musste. Doch so wie Vögel fliegen wollen und sie es zurückgezogen im Schneckenhaus nicht lange aushalten würde, hält Dorothee Kuhbandner immer wieder Ausschau nach neuen Wundern und Möglichkeiten, sie glaubt weiterhin an Träume für eine bessere Welt ohne ein „Traumtänzer“ zu sein. Das spricht aus all ihren Bildern, die unbeschwert, feinfühlig und fröhlich, aufmunternd und wagemutig sind
und die Welt ein Stück freundlicher, farbenfroher und heller machen.
Nun bleiben mir noch die magischen vier Worte: Die Ausstellung ist eröffnet!

Text + Fotos: Lilli Vostry

P.S. Ich halte gern weitere Ausstellungsreden für KünstlerInnen auf Anfrage in Dresden und der Region. Außerdem könnt Ihr mich live erleben bei Gedicht-Lesungen rund um Kunst, Natur und Zwischenmenschliches mit musikalischer Begleitung. Ich komme gern an Veranstaltungsorte wie Kultureinrichtungen, Galerien, Literaturhäuser, Buchhandlungen, Bibliotheken, Cafés und Begegnungsstätten für Jung und Alt. Kontakt unter: lilli.vostry@web.de

Ausstellungseröffnung „Wer bin ich?“ mit Malerei von Dorothee Kuhbandner in der Full Moon Gallery in Dresden


Farb- und fantasiereiche Malerei im Stil des „Dorealismus“: Die Radebeuler Künstlerin Dorothee Kuhbandner stellt ihre Arbeiten kommenden Dienstag, den 7. Oktober in der Full Moon Gallery in Dresden aus. Beginn ist im Zeichen des Vollmonds um 20 Uhr.

Farbenfrohe Tag- und Nachtgeister in der Full Moon Gallery

Immer zur Vollmondzeit wird eine neue Ausstellung gezeigt in der Full Moon Gallery auf der Hechtstraße 17 in Dresden. Am 7. Oktober, um 20 Uhr beginnt die nächste Vernissage, bei der unter dem Titel „Wer bin ich?“ Tusche- und Acrylmalerei der Radebeuler Künstlerin Dorothee Kuhbandner zu sehen sein wird, begleitet von Musik am Cello mit Peter Koch.

Dann strahlt La Luna voll und rund wieder am Nachthimmel und verzaubert uns mit ihrem magischen Licht. Jene Zeit, wenn die Gedanken, helle und dunkle, und Träume wie Katzen umher streifen, Einlass begehren und unsere Herzen erweichen. Dann sind wir besonders offen und empfänglich für Sinnesreize und Neues. Die meisten Bilder hängen in den Schaufenstern und sind somit zu jeder Tag- und Nachtzeit sichtbar. Die Kunstwerke sind auch gut beleuchtet. Weitere Bilder hängen drinnen an den Wänden, in denen Kunst, Natur und Zwischenmenschliches aufs Schönste miteinander verbunden sind.

Die Laudatio zu dieser Ausstellung hält meinwortgarten-Inhaberin Lilli Vostry, freie Journalistin und Autorin. Ich freue mich auf Euren Besuch dort. Live is live!

Text + Fotos (lv)

http://www.full-moon-gallery.de