Ausstellungseröffnung „Mittendrin III“ mit Malerei & Grafik von Anita Rempe & Markus Retzlaff im Hoflößnitz Radebeul


Urwüchsig, licht- und klangfunkelnd wie die Bilder waren auch die Klänge von Jazzmusiker Hartmut Dorschner zur Ausstellungseröffnung im Hoflößnitz Radebeul.


Farbreiche Spiegelungen von Landschaften und Zeit

Der Wald als licht- und geheimnisvoller Ort taucht immer wieder auf in der Malerei von Anita Rempe. Prägnant, klar und feinsinnig spiegeln die Landschaften und Bauwerke in den Druckgrafiken von Markus Retzlaff die Schönheit, Traditionen, Wandel und Brüche unserer Gegenwart. Facettenreich begegnen sich ihre Arbeiten derzeit n der Ausstellung „Mittendrin III“ im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz Radebeul.

Die Farben locken, raunen und flüstern. Sie ziehen einen unweigerlich in die Farblandschaften hinein. In den „Verbotenen Wald“ beispielsweise, das Titelbild der Ausstellung „Mittendrin III“ mit Malerei, Zeichnungen und Druckgrafik von Anita Rempe und Markus Retzlaff. Das gleißende Licht des Frühherbstes ließ die Farben auf den Leinwänden noch mehr leuchten zur Ausstellungseröffnung am vergangenen Sonntagnachmittag im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz Radebeul, am Knohllweg 37 unterhalb der Weinberge.

Es ist die fünfte und letzte Ausstellung dieses Jahres in den Räumen im Bergverwalterhaus. Eröffnet wurde die Ausstellung im Winzersaal vor vollen Rängen mit abwechselnd wild expressiven, schnellen, vibrierenden und urwüchsigen, tiefen, langgezogenen, sanften und meditativen Klängen auf dem Saxofon von Jazzmusiker Hartmut Dorschner, der im Erzgebirge, in Bärenstein wohnt und arbeitet. Anita Rempe stellt bereits zum dritten Mal im Hoflößnitz aus, vor drei Jahren erstmals zusammen mit Peter Pit Müller in der Ausstellungsreihe „Mittendrin“. Bei denen die Bilder der Künstler sich jeweils paarweise gegenüberstehen und sie bringen immer einen weiteren Künstler in die nächste Ausstellung mit. „Anita Rempe konnte Markus Retzlaff gewinnen, einen Meister der ,Schwarzen Kunst`, der auch überregional einen Namen hat“, freute sich Museumsleiter Frank Andert zur Ausstellungseröffnung, sein Werk hier zu haben. Bei einem guten Glas Wein wurden die farb- und kontrastreichen Arbeiten der beiden Künstler ausgiebig betrachtet und einige von Retzlaffs Grafiken haben auch schon rote Punkte von Kaufinteressenten.

Zu sehen sind frühe und neue Arbeiten. Darunter ein Porträt, das Anita Rempe von ihrem ehemaligen Freund Markus Retzlaff in jungen Jahren zeichnete. Markanter, aufmerksamer und offener Blick und Gesichtszüge. Sie sagt, von ihm habe sie Malerei gelernt. Neben einigen Bildnissen zeigt sie vor allem Wald-Bilder in flirrenden, kräftigen Farben und im Licht-Schatten-Spiel mit dichtem Blattwerk oder kahlen, dunklen Stämmen, konkret bis abstrahiert. Der Wald als lichtvoller und dunkler, geheimnisvoller Ort der Ruhe, Schutz, Zuflucht bietet und Träume und Erinnerungen bewahrt, aber auch mit Verstecken und lauernden Gefahren. Manchmal verschwimmen, fließen die Farben der Landschaft ineinander wie vom Zugfenster aus gesehen, scheinen Zeit und Raum aufgehoben. Mit dem Verwischen der Farbtöne und den Spachtelspuren in  den Bildern wird die Zeit in Schichtungen, wie im Zeitraffer, sichtbar. Schön auch ihre Baumgruppen am Elbufer mit Spiegelungen in Wasserölfarbe auf Leinwand aus diesem Jahr und in hell und dunkel fließenden, dichten Linienbündeln das Wasser, Flussufer und Himmel, die einander umspielen und reflektieren, in einer Zeichnungsserie festgehalten. Sie zeigt außerdem Ansichten von Waldstücken und Hügellandschaften im Erzgebirge und Tharandter Wald. Außerdem eine Bildserie „Unwirkliche Landschaften“ mit surreal abstrakten, ornamentalen wie Bildteppiche wirkenden Traumlandschaften in Grün-, Punk- und Rosétönen.

Die Einheit von Natur und Leben sind Anita Rempe ein zentrales Thema und Anliegen ebenso wie die Plenair-Malerei im Freien, aus der ebenfalls die Sehnsucht nach dem Wald als Ursprungsort der Natur und lebendiger Vielfalt spricht. Sie wurde 1965 in Magdeburg geboren, absolvierte ein Studium für Gebrauchsgrafik und Illustration von 1990 bis `94, war als Plakatmalerin im Puppentheater Dresden und als freie Trickfilmzeichnerin für Fernseh- und Filmproduktionen tätig und von 2000 bis 2005 Mitglied im „Atelier Oberlicht“ in Radebeul, das Markus Retzlaff 1999 mit fünf Künstlern gründete und heute alleine führt. Anita Rempe hat eine Ausbildung als Kunsttherapeutin und arbeitet seit 2013 in diesem Bereich. Seit 2020 widmet sie sich wieder stärker der Malerei, Zeichnung, Hoch- und Tiefdruck. Sie lebt und arbeitet im Fischerdorf Gauernitz bei Meißen nahe der Elbe.

Der Radebeuler Künstler Markus Retzlaff ist vor allem für seine prägnant klaren und feinsinnigen Radierungen von Landschaften und Architektur bekannt. Einige davon sind auch in dieser Ausstellung zu sehen wie eine Ansicht der Gölzschtalbrücke und eine helle und dunkle Grafik der eingestürzten Brückenteile der Carolabrücke vor der Dresdner Altstadtkulisse mit Dampferanlegestelle von der Neustädter Seite aus gesehen. Er hielt das Ereignis in seiner Radierung „Dresden am 14. September 2024“ mir malerischer Feinheit fest. Die geborstenen Brückenteile, die halb im Fluss ragen, im Spannungsfeld der barocken Bauwerke, von Glanz, Kontinuität und Bruch sind zugleich ein Sinnbild der Moderne für rigorosen Wandel, Umbrüche und Zerfall von Bestehendem. Das klingt auch an in der Farbradierung und Aquatinta o.J. „Erinnerung“, in der zerbrochene Fensterscheiben im verwitterten Holzrahmen eines alten Hauses, die an einen auffliegenden Vogel erinnern, an Vergangenes, Vertrautes und Verlorenes. Gleich daneben ein „Wiener Interieur“, eine Aquatinta von 2025, ein Tür-Blick in einen halb offenen Raum mit Sofa, hellem Kissen und Schatten auf der Stehlampe und auf dem Boden wie ein Moment, in dem die Zeit und Leben stillsteht. Urig und kraftvoll hingegen die Ansicht von einem hohen, knorrigen, immer noch blätterberankten, stattlichen alten Baum im Wald auf Usedom. Ein wundervolles Blatt über die Größe und Erhabenheit der Natur.

Markus Retzlaff wurde 1963 in Dresden geboren und war nach einer Lehre als Porzellanmaler in Meißen ab 1985 autodidaktisch freischaffend tätig. Er hat von 1991 bis `94 an der Dresdner Kunsthochschule bei Claus Weidensdorfer studiert, war von 1995 bis 98 in der Restaurierung mit Gunter Herrmann tätig. Von 1995 bis 2007 wohnte Retzlaff zusammen mit Anita Rempe in Scharfenberg. Sie haben einen gemeinsamen Sohn Ferdinand.

Die Bilder von Anita Rempe und Markus Retzlaff verbindet ihre malerische Hingabe, Empfindsamkeit, nuancenreiche Farb- und Formsprache, Naturverbundenheit und das Sichtbarmachen der Schönheit und Fragilität unserer eigenen Lebenswelt und Umgebung.

Die Ausstellung „Mittendrin III“ ist noch bis 30. November im Hoflößnitz Radebeul zu sehen. Außerdem sind in einer Kabinettausstellung edle und alltägliche, historische Trinkgefäße aus einer Dresdner Sammlung in der Tafelstube im Lust- und Berghaus ebenfalls bis Ende November zu sehen.

Geöffnet: Di bis So von 10 bis 18 Uhr

http://www.hofloessnitz.de

Text + Fotos (lv)


Farbenfreudiger Bildergenuss & ein edler Wein: Der Radebeuler Maler Peter Pit Müller stellte bereits zusammen mit Anita Rempe im Hoflößnitz aus.
Gelegenheit zum Schauen & Genießen § Austausch: die Künstlerinnen Renate Winkler und Gabriele Schindler in der Ausstellung im Hoflößnitz.
Bilder zwischen barockem Glanz & Zerfall: Radierungen zur eingestürztem Carolabrücke in Dresden von Markus Retzlaff.

„Erinnerung“ und „Wiener Interieur“

Künstlerische Wiederbegegnung: Anita Rempe und Markus Retzlaff in ihrer gemeinsamen Ausstellung im Hoflößnitz Radebeul. Im Hintergrund sein Sohn Anselm Retzlaff.

Selbstbildnis von Markus Retzlaff, Öl auf Leinwand auf Platte, 2014 – 2025

Zum 6. Mal: Jahresausstellung „Aktfotokunst – heute“ im Museum aktfotoARTdresden


Natürlich, offen & selbstbewusst: Weibliche Aktfotografien von Dirk Rohra aus Halle.
Darunter männliche Aktaufnahmen. die gängige Rollenbilder hinterfragen, der Fotokünstlerin Renée Nesca.

Sinnliche und fantasievolle Körperansichten jenseits von Schönheitsnormen

In der 6. Jahresausstellung „Aktfotokunst – heute“ zeigen elf Fotokünstlerinnen und -künstler zeitgenössische Aktfotografie in großer stilistischer Bandbreite der Sichtweisen und Ausdrucksformen, die den menschlichen Körper in den Mittelpunkt stellen.

Der Körper als Spiegel, Leinwand und Gegenüber erzählt viel über uns. Akte mit Stillleben, Tiermasken, Tattoos oder Blumen in Wohnräumen, im Studio und in der Natur mit der Kamera aufgenommen, treffen aufeinander in der bereits 6. Jahresausstellung “Aktfotokunst – heute“ im Museum aktfotoARTdresden im Kunstkeller auf der Radeberger Straße 15 in Dresden.

In diesem Jahr zeigen elf Fotokünstlerinnen und – künstler, die aus Radeberg, Chemnitz, Berlin, Halle, Dresden und Saarbrücken kommen, zeitgenössische Aktfotografie wieder in großer stilistischer Bandbreite der Sichtweisen und Ausdrucksformen. Zu sehen sind schwarz-weißen und farbigen Aufnahmen, mal naturalistisch und verfremdet. Offen, direkt, sinnlich, verspielt, fantasievoll, surreal und leise provokant erkunden die Körperaufnahmen Individualität, inneres Befinden und äußere Wahrnehmung, sie setzen sich mit Schönheitsnormen und Rollenbildern in der Gesellschaft auseinander, regen zum Staunen oder Schmunzeln an oder zelebrieren einfach die Liebe zur holden Weiblichkeit.

Der Gründer, Betreiber des aktfotoART-Museums und selbst Fotokünstler Volkmar Fritzsche (84) hat die Bilder gehängt, auch wenn die Kräfte allmählich nachlassen. Von ihm sind auch neue Arbeiten zu sehen, Collagen, für die er Aufnahmen aus 25 Jahren in neue reizvolle Bildwelten verwandelte. Bei der Vorbereitung der Jahresausstellung kam Unterstützung vom 2023 gegründeten Freundeskreis Museum Aktfotokunst Dresden e.V.

Sehr natürliche, selbstbewusste und feinfühlige Aktbilder von Frauen zeigt der Hallenser Fotokünstler Dirk Rohra. Seine Modelle sind Studentinnen, Auszubildende und Verkäuferinnen. Seine Fotografien wollen nicht verführen, sondern sie spiegeln jenseits klassischer Aktposen eigenen Körperausdruck und Empfinden. Ihn interessieren als Fotograf Fragen wie: „Wem gehört der Blick? Wie können Bilder entstehen, die offen bleiben, respektvoll, leise, wahr?“

Keine Gesichter, sondern Körperformen mit vielsagenden Gesten zwischen kraftvoll und verletzlich, mal nackt ausgeliefert oder umhüllend mit den Händen, zeigt der ebenfalls in Halle lebende, freischaffende Maler und Fotokünstlert Maximilian Koch. Zum ersten Mal stellt die Berliner Fotokünstlerin Lilith Terra ihre surrealen, ironischen Aktfotografien im Kunstkeller aus, in denen es um Identität, Moralvorstellungen und Bilder von Weiblichkeit geht. Da posieren Frauen nackt mit Tierköpfen, eine kniet wie ein Einhorn mit weißen Spitzenstrümpfen auf dem Sofa und eine andere mit Schweinekopf steht verrucht mit schwarzem Mantel und Netzstrümpfen und gespreiztem Bein in einer gekachelten Badewanne. Ein anderes Bild zeigt eine Tischrunde nackter Damen, mit Hosenträgern, weißen Handschuhen und Halsband, die aussehen wie Männer, rauchen, trinken und Karten spielen im Dämmerlicht, inszeniert im Stil der 20er, 30er Jahre.

In der Schwebe zwischen Traum und Wirklichkeit gehalten sind auch die klassischen Schwarz-Weiß-Fotografien, die mit ihrer weichen Unschärfe malerisch und assoziativ fast wie Gemälde wirken, der in Berlin geborenen und in Greifswald lebenden Künstlerin Claudia Otto. Sie ist als Soloflötistin des Philharmonischen Orchesters am Theater Vorpommern tätig und zeigt ebenfalls erstmals in Dresden ihre kunstvollen und vieldeutigen Körperbilder. Da betrachtet eine Frau am Tisch sitzend ihre weiblichen Rundungen. Eine Hälfte ist mit schwarzer Farbe bestrichen, im Spiegel erscheint eine kreisende Spirale. Eine Frau sitzt nackt mit eingewebten Zweigen im Haar auf dunklem Tuch. Hinter einer langen Tafel mit Eiern liegt wie eine große helle Frucht ein Frauenkörper rücklings auf der Kommode. Eine Frau hält einen Kürbis wie einen Schirm vor dem Leib, eine andere schaut halbnackt grazil und schelmisch wie ein Harlekin mit Halskrause und Klaviertastenbestrumpften Beinen den Betrachter an.

Die Saarbrückener Fotokünstlerin Renée Nesca ist diesmal mit eindrucksvollen, urwüchsigen und sensiblen männlichen Aktbildern dabei. Männlich- und Weiblichkeit im Kontrast und in Balance zueinander spiegeln die Aktaufnahmen von Solvig Frey, die auch Vorsitzende im Freundeskreis des Mueums Aktfotokunst Dresden ist „Neue Gesichter, Unterstützer sind dem Freundeskreis ederzeit willkommen und vor allem kreative Ideen zur Fortsetzung des Museums“, sagt sie. Der nächste Fotografen-Talk „Porträt im Akt“ mit dem Dresdner Fotokünstler Werner Lieberknecht findet am 26. Septemer, um 19 Uhr statt im Kunstkeller.
Die Ausstellung ist ein Jahr lang zu sehen.

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Ausstellung „Ein Spätherbst in Pastell“ von Leo Lessig in der Galerie Kunst & Eros in Dresden


Blühende Weiblichkeit in leuchtenden Farben: Galeristin Janett Noack vor einem Bild von Leo Lessig in der neuen Ausstellung bei Kunst & Eros in Dresden.

Pure Verführung mit Blume im Haar

Zauberhafte und sinnenfrohe Bilder zeigt die Ausstellung „Ein Spätherbst in Pastell“ des 84-jährigen Künstlers Leo Lessig derzeit in der Galerie Kunst & Eros, Hauptstraße 15, in Dresden.

Pure Verführung mit Blume im Haar – so heißt ein Bildtitel und so kommen viele Bilder von Leo Lessig daher: Im Farben- und Blütenrausch reizende, umgarnende, aufblühende und welkende Weiblichkeit zeigt die Ausstellung „Ein Spätherbst in Pastell“ von Leo Lessig, Es ist die erste Einzelausstellung des 84-jährigen Künstlers aus Hainichen bei Chemnitz in der Galerie Kunst & Eros, Hauptstraße 15 in Dresden (noch bis 22. November).

Zu sehen ist farbenprächtige, opulente Pastellmalerei, die Sinnlichkeit und Lebensfreude ausstrahlt mit allen Facetten und Schattierungen. Rund 50 Arbeiten, die fast alles dieses Jahr entstanden sind, sind versammelt in den zwei Galerieräumen. Da trifft man Eva mit lodernden Augen und Apfel, nackte Damen mit Tulpen, Mohnblüten und Muscheln, Schwertlilien, Flieder, Sonnenblumen und Iris, die ihre Köpfe und Körper umranken und auf den oft dunklen Hintergründen treten die leuchtenden Farben um so stärker hervor. Ein Stück Paradies, Schönheit und Verfall liegen nah beieinander. „Die gewählte Farbpalette ist typisch für Leo Lessig. Kräftige Herbsttöne, auch ein feuriges Rot und gedeckte Farben. Es ist immer eine gewisse Melancholie, Vergehen und Endlichkeit enthalten“, sagt Galeristin Janett Noack über die Bilder. „Das Besondere ist die Symbiose von Landschaft, Blüten, Früchten und Frauen. Das pralle Leben. Die Frauen wirken selbst wie Stillleben bei ihm.“ Neben den Pastellen zeigt Lessig eine Serie von rund 40 kleinen, farbigen Aktzeichnungen mit entzückenden Damen und immer noch großer Schaffensfreude des Künstlers ungeachtet des Alters. „Das macht die Kunst. Sie ist wie ein Jungbrunnen“, staunt auch die Galeristin. „Wenn ich kann, male ich jeden Tag“, sagt Leo Lessig. Er stammt aus Stuttgart, ist in Altenburg aufgewachsen und gelernter Schrift- und Plakatmaler. Er studierte Kunsterziehung und Geschichte an der Universität Greifswald und war bis 2006 als Kunstlehrer und Fachberater am Gymnasium in Hainichen tätig, nebenher arbeitete er immer künstlerisch.

2006 gründete er die Leo-Lessig-Kunst-Stiftung mit seiner Sammlung zeitgenössischer Grafik und Plastiken, u.a. von Stötzer, Förster und Sell, die in einem Raum der Stadtgalerie Frankenberg zu sehen sind, „Ich bin kein Porträtmaler, doch hatte immer mal einen Akt mit auf den Bildern. Nacktheit und Erotik gab es schon immer in der Kunst und gehören einfach zu den Menschen dazu“, so Lessig. Dabei bevorzugt er einen poetischen Realismus und manchmal fließt auch eine Gedichtzeile mit aufs Bild. Seine Frauenakte sind fast immer „geblumt“, so Lessig schmunzelnd.

Zauberhaft und sinnenfroh zeigt er sie in der Blüte ihres Lebens ebenso wie das Altern. Hingabe und Empfangen strahlt die auf weißem Tuch räkelnde Frau aus, eine andere sitzt vor roten Blütenkelchen vor meerblau und bergiger Kulisse. „Die drei Grazien“ spiegeln Frauenbilder und Körperlichkeit im Wandel der Zeiten. Unverhüllt reizend, eingschnürt mit Korsage und üppig barockem Kleid. Dazu kommt eine „Moderne Flora“ mit Mohnblume in der Hand, unbefangen und selbstbewusst weiblich. Der Ausstellungstitel bezieht sich auch auf den Spätherbst des Lebens. “Auf Vergehendes, das einmal war und immer noch schön ist im leisen Ausklingen“, so Lessig. Unter gelben, halb verblühten Blumen liegt ein kleiner toter Vogel da im Bild „Aus dem Nest gefallen“. Dahinter ragen starrweiße Berge vor grau schwerem Himmel. Zwei Wasserbilder mit Seerosen sind eine Hommage an Monet. Malreisen führten Leo Lessig nach Frankreich, Griechenland, Norwegen und Mexiko, wo auch ein Aktbild am Strand entstand.

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Geöffnet: Mo bis Sa 11 bis 15 Uhr

Aufführung „Die Geschöpfe des Prometheus“ im Schlossgarten Lauenstein & im Kunstgewerbemuseum von Schloss Pillnitz


Magie der Musik im Grünen: die Musikerin Katrin Meingast probt für die diesjährige Open-Air-Aufführung „Die Geschöpfe des Prometheus“ mit Musik von Ludwig van Beethoven des Kammermusikensembles „Opéra en miniature“ im Garten von Schloss Lauenstein. Zu erleben diesen Sonnabend um 16 Uhr und am Sonntag um 17.30 und 19.30 im Kunstgewerbemuseum von Schloss Pillnitz.

Eine zauberhafte Geschichte über die Erschaffung der Welt

Die Open-Air-Aufführung „Die Geschöpfe des Prometheus“ mit Musik und Tanz mit dem Ensemble „Opéra n miniature“ ist am Sonnabend, dem 20.9., um 16 Uhr im Garten von Schloss Lauenstein und am 21.9., um 17.30 und 19.30 Uhr im Kunstgewerbemuseum von Schloss Pillnitz in Dresden zu sehen.

Die Musikerin sitzt in der Spätsommersonne auf der Wiese mit dem Violoncello und spielt mit Hingabe. In einer Hand hält Katrin Meingast den Bogen für das Instrument, mit der anderen eine Kasperpuppe, die greift schelmisch mit in die Saiten. Die Vorbereitungen für die diesjährige Open-Air-Aufführung „Die Geschöpfe des Prometheus“ von Ludwig van Beethoven im Garten von Schloss Lauenstein sind in vollem Gange. Umgeben von Buchshecken, mit Blick auf die imposante Kulisse des Renaissance-Schlosses, sitzen die Zuschauer mitten im Grünen. Eine steinerne Treppe mit schnörkeligem Gelände führt hinunter zum Spielort.

„Es ist eine Wiederaufnahme. ,Prometheus` war unser erstes Stück in derselben Fassung als Ballett mit Tänzer, Instrumentalensemble und Erzähler“, sagt Katrin Meingast, Musikerin und Projektleiterin im Ensemble „Opéra en miniature“. Seit 2020 musizieren in dem Barockensemble zehn freischaffende Musikerinnen und Musiker aus Dresden auf historischen Instrumenten und wahlweise mit Gesangssolisten und Chor. Die Musiker verbinden konzertante Opernaufführungen oft mit Puppentheater oder Tanz, bei denen Jung und Alt in die Magie der Musik eintauchen und sich verzaubern lassen können. „Wir haben eine mobile Puppenbühne, die für jede Produktion neu ausgestattet wird“, so Katrin Meingast. In Kooperation mit dem Schloss Lauenstein können sie außerdem auf deren Puppenfundus zurückgreifen. Jedes Jahr kommt eine Neuproduktion auf die Bühne mit der „Opéra en miniature“ an verschiedenen Spielorten. Nach „Orpheus“, „Die Entführung aus dem Serail“, „Die Zauberflöte“, „Hänsel und Gretel“, „Rübezahl oder Die wahre Liebe“, „Bastien und Bastienne“ wird dieses Jahr „Die Geschöpfe des Prometheus“ gezeigt.

Zu erleben ist die Aufführung am 20. September, um 16 Uhr im Schlossgarten Lauenstein. Und am 21.9. um 17.30 und 19.30 Uhr im Kunstgewerbemuseum im Schloss & Park Pillnitz. „Angelehnt an den griechischen Mythos geht es um die Erschaffung der Welt und um Prometheus. Der für die Menschwerdung den Göttern das Feuer entwendet, es den Menschen bringt und damit den Zorn der Götter auf sich zieht“, erzählt Katrin Meingast. Das originale Libretto zum Stück ist verschollen. Als Erzähler tritt Wolf-Dieter Gööck auf, der auch die Texte schrieb, begleitet wird er von Musik und der Tänzerin Rahma Ben Fredj, die aus Tunesien stammt. „Sie erwartet gerade ein Kind, es wird also ein doppelter Schöpfungsakt und sie wird die Geschichte mit Bewegung nachempfinden“, so Katrin Meingast. Musikalisch hörbar wird auch, wie der Göttervater Zeus Unwetter durch Donner und Zorn sendet. „Man kann es auch so sehen, dass die Götter auch den Menschen heute noch zürnen, wie sie mit der Erde umgehen.“

Es gehe auch um die Frage, woran wir noch glauben in einer technisierten Welt. „Um das Feuer als der innere Funke, der in uns angelegt ist, damit es weiterlebt“, sagt sie. „Wir selbst als Schöpfer unseres Lebens. Dann sind wir weniger anfällig und braucht es keine übergeordneten Führer.“ Die altertümliche Sage habe nichts an Wahrheitsgehalt verloren. „Vielleicht ist es eine Anregung an unser Publikum, das Schöne, Gute, Wahre in der Welt wie ein Samenkorn zu pflegen und bewahren“, wünscht sich Katrin Meingast. „Wir haben 100 Plätze im Garten für kleine und große Besucher“, sagt Gabriele Gelbrig, Museumsleiterin vom Schloss Lauenstein. Die familienfreundlichen Tickets für die Aufführung kosten 6 Euro pro Kind und ermäßigt sowie 10 Euro für Erwachsene. Man kann sie vorher reservieren oder an der Abendkasse erwerben.

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Weitere Infos: http://www.operaenminiature.de

Poetische Paukenschläge: Das Buch „Renate löscht. Das Licht“ mit Miniaturen von Manuela Bibrach & Grafiken von Pètrus Akkordéon

Kleine Geschichten mit großer Wirkung über liebenswert schrullige Menschen

In ihrem neuen Buch „Renate löscht. Das Licht“ mit Miniaturen erzählt Manuela Bibrach in lyrisch bildhafter Sprache, voll überraschender Wendungen, skurril bis fantastisch von Einsamkeit, Rückzug, Erinnerungen und Träumen in einer immer lauteren, schnelllebigen Welt. Die witzig-fantasievollen Grafiken stammen von Pètrus Akkordeon.

Leben wie in Zeitlupe beobachtet. Es passiert nicht viel. Oder die darin Vorkommenden ahnen, aber sehen und spüren es nicht mehr. In den Titeln dieser Geschichten klingt schon an, was sein könnte und es erschwert. Und nichts ist wie es auf den ersten Blick scheint. Das Buch „Renate löscht. Das Licht.“ mit Miniaturen von Manuela Bibrach und witzig-fantasievollen Grafiken von Pètrus Akkordéon erzählt in prägnanter, bildhafter Sprache voll überraschender Wendungen von Menschen, die einsam sind, die ihre Träume verloren oder aufgegeben haben, die sich zurückziehen, abschotten und die Gardinen zuziehen, die sich und die Welt nicht mehr verstehen. Erschienen 2025 im dr. ziethen verlag Oschersleben, 80 Seiten, 15 Euro.

Der Band versammelt 28 kurze Texte in lyrischer Kurzprosa, in oft karg, sachlich nüchternen Sätzen, mit Wiederholungen und Wortspielen, welche die Monotonie im Alltag der Figuren betonen und im Kontrast zu ihren Träumen und Sehnsüchten stehen. Die Überschriften sind mehrdeutig, offen, mit Punkten wie Pausen gehalten. Akzente. Weglassen und Hinzufügen. Dadurch entstehen neue Sinnwendungen. Die Leer- und Zwischenräume und Andeutungen in den Zeilen kann der Leser selbst füllen und weiterdenken. Die Sprache ist direkt, präzise, fast streng, zuweilen naiv kindlich, teils wie flüchtig hingeworfene Notate. Manchmal wirkt das Stilmittel der Wiederholungen allerdings bemüht und aufgebauscht, wenn sie die Sätze rigoros abschneidet, abbricht, Punkte setzt. Vieles unausgesprochen bleibt, um es nachzuvollziehen, warum die Figuren sind wie sie sind. Doch vielleicht ist das auch beabsichtigt von der Autorin. Soll man sie nehmen wie sie sind. Mit allen Eigenarten, Stärken, Schwächen und Unerklärlichkeiten, ihnen mit Offenheit und Neugier begegnen.

Das ist auch das Besondere, der Reiz und die Stärke dieses Buches, das einen mit seiner knappen, rätselhaften, seltsamen und poetischen Sprachmelodie immer mehr hineinzieht und lange nachhallt. Diese Texte von Manuela Bibrach sind oft traurig-komisch, skurril, absurd, geheimnisvoll und fantastisch. Jedenfalls scheint sie die Protagonisten in ihren Geschichten und ihr Innenleben gut zu kennen und kann sich gut in sie hineinfühlen mit all ihren Marotten, Ängsten, Sorgen und Alleinsein, die sie abhalten, so zu leben wie sie eigentlich möchten. Ihren Figuren ist gemeinsam, dass sie individuell, feinfühlig, dünnhäutig und sensibel sind, nicht so viel aushalten wie andere und Schutz suchen nach innen. Sie zeigt auch wie anders jeder damit umgeht, mit dem Erlebten, Erfahrungen und Prägungen der Vergangenheit, in der Familie und später im eigenen Leben.

Wie Renate in der Titelgeschichte, die anscheinend mit der Welt abgeschlossen hat. Sie lebt mit einem Wellensittich und einer Katze zusammen und schenkt sich Glas um Glas ein. Sie löscht, betäubt alle Regungen. Auch als der Vogel still in der Gardine hängt. Oder „Gabi. Flügel“, die glaubt, dass sie fliegen kann wie ihr Lieblingsheld Arthur der Engel aus dem Trickfilm, der mit einem Schirm aus dem Himmel herabschwebt. Sie hat Angst, dass ihre Eltern eines Tages wortlos verschwinden, will deshalb auf dem schnellsten Weg zu ihnen gelangen und sie aufhalten und steigt eines Tages aufs Garagendach als sie sie fortgehen sieht. „Vögel. Ameisen“ erzählt über schräge Vögel wie Eddie mit den langen Haaren, durch die kein Blick dringt, der gern Gitarre spielt, natürlich Moll. Seine Zuhörer sind Tauben und Spatzen vor dem Fenster. Nichts gelingt ihm. Bücher hat er genug im Regal und entzündet mit einigen ein Lagerfeuer, auf einmal spielt er die Akkorde gekonnt, die Musik ist etwas wofür er brennt. Bonny klickt Musikvideos und vergisst dann alles um sich herum. Sie fühlt Schmerz. Janis Joplin hat ihn ans Licht gesungen. Das ist wunderbar beschrieben. Bonny fühlt sich „very special“, da hat sie was, woran sie glauben kann und schluckt Tabletten.

Gerlinde spricht mit ihrem Puppenkind Rosalinda, da sie sonst keinen hat. „Gitti. Verzaubert“ erzählt von einer Frau, die mit ihren Pflanzen redet im Garten, ihrem Refugium, in dem ein Hund und Katzen auf mysteriöse Weise verschwinden.   „Freiheit. Unter Wasser“ entführt zusammen mit Merit, die das Meer liebt und sich ihren Traum von einer Schiffsreise erfüllt, surreal, lustig und gruselig zugleich in eine  Unterwasserwelt mit Amphibienmenschen, die unter Wasser atmen können und plötzlich taucht ein Seeungeheuer auf. Die Grenzen zwischen Mensch- und Tiersein verfließen wundersam in der Geschichte über die Katzenfrau Ida, die sich räkelt, maunzt und ihre Krallen feilt, und ihren sie kurz anbellenden Nachbarn mit Aktentasche unterm Arm. Anrührend, geheimnisvoll und mit offenem Ende erfährt man außerdem von „Krüll. Vanille“ über einen alten Mann und seine Begleiterin, seine Pfeife mit Vanilleduft, der unerwartet Besuch erhält. Schön ironisch  und mutmachend die Geschichte „Nele. Bunt“, die eigentlich Cornelia heißt, ihren Namen abkürzt in Nele und sich selbst klein macht. Obwohl Nele viel fröhlicher klingt, unbeschwert und spontan. Sie denkt, dass sie zu dumm ist für diese Welt. Sozial inkompetent. Weil sie die Regeln nicht versteht. Hat ihr Therapeut gesagt. Nele muss an sich arbeiten. Um stark zu werden. Und gelassen.
Warum darf sie nicht sie selbst sein?!

„Renate löscht. Das Licht“ ist das zweite Buch von Manuela Bibrach und ein Spiel mit neuen Ausdrucksformen. Ihr erstes Buch, „Radio mit Naturstimme“ mit Gedichten erschien im selben Verlag. Es war eine Abwechslung von der Lyrik, sagt sie, und die Geschichten schrieben sich fast von selbst. Momentan ist sie wieder bei der Lyrik, ihrer eigentlichen Leidenschaft. Manuela Bibrach wurde 1971 in Dresden geboren und lebt inzwischen in der Oberlausitz. Sie absolvierte eine Ausbildung als Diplomingenieurin (FH) für Landschaftsnutzung und Naturschutz, vertieft mit Umweltbildung und Psychologie. Seit 2015 ist sie Mitglied im Literaturforum Dresden und seit 2018 der Oberlausitzer Autorenrunde. Für ihre Lyrik wurde Manuela Bibrach mit dem Klopstock-Förderpreis 2024 ausgezeichnet.

Es sind kleine Geschichten mit großer Wirkung, berührend und beeindruckend, über liebenswert schrullige, empfindsame und eigensinnige Menschen, die mehr als einmal vom Leben enttäuscht wurden. Frauen und Männer, die mehr oder weniger damit klar kommen, mit sich und der Welt draußen hadern, die ihnen zu laut, grell und schnell geworden ist. Die sich deshalb zurückziehen in ihr Schneckenhaus, noch mehr allein sind, abstumpfen oder ihre Marotten pflegen, in Erinnerungen kramen und nach und nach entdecken sie und stellen überrascht fest, dass sie weit mehr sein können als gedacht. Trauen sich und wagen wieder etwas. Holen wieder Licht in ihr Leben. Weil sie wieder an etwas, vor allem sich selbst glauben.

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Die Natur als Kulisse: Kunst und Kaolin in Mügeln in einer spektakulären Inszenierung der amerikanischen Künstlerin Kim Karlsrud


Spannende Symbiose aus Landschaft, Kunst & Unternehmertum: Die amerikanische Künstlerin Kim Karlsrud (Bildmitte) im Gespräch mit André Simon, Leiter Tagebau der Kemmlitzer Kaolinwerke in Mügeln. Re. im Bild Ute Hartwig-Schulz, Bildhauerin und Leiterin im Künstlergut Prösitz und die Berliner Gastkünstlerin und Übersetzerin Christina Beifuss.

Kunst und Kaolin treffen aufeinander

Die Amerikanerin Kim Karlsrud ist zur Zeit als Gastkünstlerin im Künstlergut Prösitz und zeigt eine spektakuläre Lichtinstallation diesen Freitag, 12.9., ab 19 Uhr im Kemmlitzer Kaolinwerk in Mügeln, im Landkreis Leipzig.

Die kargen und hügeligen, sandfarbenen Flächen, dazwischen helle Krater, Geröll und Vertiefungen wirken wie eine Mondlandschaft auf den ersten Blick.
Darüber spannt sich ein weiter Himmel mit weißen Wolkenfeldern und Baumgruppen am Horizont. Im Hintergrund sind Motorengeräusche zu hören, schlängeln Förderbänder, die befüllt werden von Schaufelradbaggern, die sich durch das weiße Sandmeer graben. Oben am Rand der riesigen Sandgrube hinter der Absperrung steht eine zierliche Frau mit schulterlangem schwarzen Haar und betrachtet fasziniert die scheinbare Sandwüste. Wie kommt es, dass eine weitgereiste Künstlerin aus den USA sich gerade hierher verirrt und zu einer spektakulären Lichtinstallation im Tagebau Schleben/Crellenhain der Kemmlitzer Kaolinwerke anregen lässt?

Kim Karlsrud ist aus Oregon südlich von Seattle angereist und weilt als Gastkünstlerin und Stipendiatin im Künstlergut Prösitz. Ihren vierwöchigen Arbeitsaufenthalt im Rahmen des Residenzstipendiums für Künstlerinnen mit Kind seit Anfang August nutzt sie, um eine spannende Brücke zwischen dem Kaolinabbau und der sich wandelnden Tagebau-Landschaft bei Mügeln mit künstlerischen Mitteln zu bauen. Sie wollte mit Ton, Erde, Bodenschätzen arbeiten, sagt sie und ihr wurde dafür das Kaolinbergwerk bei Mügeln empfohlen. „Das Kaolin wird für die Porzellanherstellung gebraucht und hat auch viel mit der Geschichte von Sachsen zu tun“, das interessiert die 40-jährige Künstlerin außerdem.

Sie hat sich eine weiße Kaolinwand ausgesucht, auf die Kim Karlsrud ein digitales Wandbild in Licht getaucht projizieren wird. „Es wird wie eine stille Meditation, bei der die langsame Veränderung von Landschaft und Menschen in bewegten Bildern sichtbar wird. Die Kaolinstrukturen werden selbst zum Bild, die in Makroaufnahmen wie auf einer Leinwand erscheinen, im Wechsel mit Satellitenbildern der Veränderungen und Zeichnungen mit den Markierungen und Spuren, die sie in der Landschaft hinterlassen“, erzählt die Künstlerin. Dafür verwendet sie Delfter Blau wie in der klassisch chinesischen Porzellanmalerei. Bei der technischen Umsetzung des Kunstprojekts hilft ihr Mann und Landschaftsarchitekt Daniel Philips, der sie mit ihrer Tochter begleitet und mit dem sie im Duo als „Commonstudio“ ihre internationalen Projekte realisieren, die immer mit Stadtökologie, Urbanität und Landschaft zu tun haben.

„Menschen, auch Künstler gestalten permanent die Landschaft.“ Man kann ihr Werk stetigen Wandels auch als Sinnbild für die Zeit und Gegenwart sehen. Doch vor allem sei es eine Intervention, ein künstlerischer Eingriff in die Landschaft. „Der Tagebau geht immer weiter. Es ist eine Landschaft in Bewegung“, sagt André Simon, Ingenier für Bergbau und Leiter im Tagebau/Schlämmerei der Kemmlitzer Kaolinwerke in Mügeln. „Wir sind vom Geoportal Mügeln gefragt worden, ob das Projekt im Kaolinwerk möglich ist, das auch das Land der weißen Erde genannt wird. Ich habe ein Herz für Kunst und außergewöhnliche Sachen“, so Simon. Im Unternehmen sei er als kreativer Unruhegeist bekannt. Damit war er für Werksleiter Thomas Wegner „genau der Richtige“ für dieses Projekt in Kooperation mit dem Künstlergut Prösitz. Die Idee mit der Licht-Projektion an einer Kaolinwand fand sofort Interesse, da Licht für Bergleute ohnehin eine große Rolle spielt. „Wir haben den besten Kaolin der Welt“, sagt Simon stolz, „weil wenig Eisen und Titan drin ist. Gleißend weiß glänzt er in der Sonne.“ Nahezu jeder namhafte Porzellanhersteller werde von den Kemmlitzer Kaolinwerken mit dem natürlichen Rohstoff beliefert. „Vor uns liegt die Zukunft. In zwei Jahren werden wir auf dieser Fläche die Kaolinförderung aufnehmen“, sagt er mit Blick auf das vordere Areal.

Der Bereich dahinter werde renaturiert und wieder eine landwirtschaftlich genutzte Fläche. Die andere Grube auf der Anhöhe werde mal in einen „Himmelsteich“ umgewandelt, aber erst in 15 Jahren. Es ist bereits ein Rundweg um den Tagebau entstanden, der das Unternehmen einen siebenstelligen Betrag kostete und diesen Sommer fertiggestellt wurde, so Tagebauleiter Simon. „Es ist ein schöner Spazierweg in der Natur, auch für Radfahrer. Vor kurzem blühte es hier noch ringsum.“ Auf den Abraumhängen sprießen noch Grün und Wildblumen. Ein Tagpfauenauge fliegt über einer Mohnblüte. „Die Besucher sind eingeladen, auf dem Rundweg zu wandeln, die Lichtinstallation anzuschauen und sie bekommen einen Eindruck von der Tagebautechnik“, sagt André Simon. „Es ist eine Symbiose von Kunst, Landschaft und Unternehmertum und auch Experiment für Folgeprojekte“, sagt Ute Hartwig-Schulz, Bildhauerin und Leiterin im Künstlergut Prösitz. „Wir sind gespannt auf die Reaktionen und hoffen auf schönes Wetter.“ Es müsste mehr solche Kunstprojekte im öffentlichen Raum geben, sagt Kim Karlsrud. Zu erleben ist ihre imposante Lichtinstallation auf dem Tagebau-Rundweg Mügeln am Freitag, dem 12. September ab 19 Uhr, Treffpunkt an der Kaolinbank. Die Künstlerin ist vor Ort und weitere Gastkünstlerinnen vom Künstlergut Prösitz.

Text + Fotos (lv)

Ein Herz für Kunst & außergewöhnliche Sachen: André Simon, Tagebauleiter der Kemmlitzer Kaolinwerke in Mügeln und die amerikanische Künstlerin Kim Karlsrud vor der imposanten Landschaftskulisse. Dort wird an einer Kaolinwand morgen, am 12. September ihre einmalige Lichtinszenierung zu sehen sein.

Wie Kim Karlsrud ihre künstlerische Arbeit im Kaolinwerk & im Künstlergut Prösitz erlebte

„Was am Freitag der Öffentlichkeit präsentiert wird, ist ein temporäres Werk mit der Möglichkeit einer dauerhaften Installation. Es bietet auch anderen Künstlern die Möglichkeit, die Kaolinmine zu „erschließen“, um neue digitale Werke zu schaffen.

Die Zeit hier in Deutschland und im Künstlergut war wunderbar. Die Gelegenheit, mit einer jungen Familie zu reisen und neue Werke zu schaffen, ist selten. Ute und die anderen am Symposium teilnehmenden Künstler waren neugierig, hilfsbereit und sehr fleißig. Es war mir eine Freude, sie, ihre Arbeit und ihre Familien kennenzulernen.

Deutschland schätzt spontane Stadtpflanzen (oder Unkräuter) auf wunderbare und interessante Weise. Denken und angewandte Arbeit zeigen sich in der akademischen Forschung und bei Stadtspaziergängen. Die städtischen Räume wirken hier grüner, etwas wilder und offener für die Beziehung zwischen Mensch und Natur.

Diese Residenz wurde vom Künstlergut Prösitz unterstützt. Ute und ihre Teams benötigten Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit der Kaolinmine und der technischen Logistik. Utes enge Verbindung zu Sachsen war entscheidend für den Start des Projekts und dessen Umsetzung.

Herr Simon vom Kaolinwerk war großzügig mit seiner Zeit und Offenheit für Ideen und arbeitete technische Fragen und Lösungen aus.

Meine Zeit hier ist ein bewegliches Fest, und ich freue mich darauf, diese Erfahrungen in den kommenden Jahren zu verarbeiten und daraus zu schöpfen.“

Das Werk wird am Freitag, den 12. September, um 19 Uhr der Öffentlichkeit präsentiert, ist aber erst um 20 Uhr vollständig sichtbar.

Land der weißen Erde
(Kaolinwerk Mügeln)

Im Licht fliegen die Schmetterlinge
mit mir ihre schwarzen Umrisse
zeichnen sich ab auf hellem Stoff
nah am Zugfenster außen
taucht ein dunkler Falter auf
als käme er von Dir
wie anverwandelt
stille Regung sachter Flügel
aus dem Schatten
ein Stück heraus
weiter in Bewegung

der Himmel weit
über weißen Wolkenfeldern
reicht hier bis zur Erde
weich wellig wölben sich
abgetragene Flächen
hell schimmernd wie Luftschlösser
Krater Sandburgen Wolkenhügel
aufgehäufte Törtchen
gleissen in der Sonne
weißer und feiner der Sand
als am Strand
aber nicht betretbar
Förderbänder schlängeln und Bagger graben
sich durch das weiße kostbare Sandmeer
das Kaolin zu bergen

Es gibt Sehnsuchtsorte
verlorene und verzauberte Orte
die man wider Erwarten
entdeckt und wiederkommen
möchte ohne zu wissen wann
wie nah der Himmel dann noch ist

LV
9.9.2025

Ausstellung „übern Berg“ von Maja Nagel in der Galerie Adlergasse in Dresden

übern berg

Eine Ausstellung mit Zeichnung, Grafik und Plastik von Maja Nagel eröffnete gestern in der Galerie Adlergasse im Kulturforum, Wachsbleichstraße 4a in Dresden

Zeichnen gleicht bei Maja Nagel einem konzentrierten In-der-Welt-Sein, eine aneignende, subjektiv aufgeladene Hingabe an das, was gerade vor ihr liegt, sei es eine Landschaft, eine Gießkanne oder der Aschenbecher auf dem Tisch.

Doch das Interesse der 1959 in Bautzen als Tochter sorbischer Eltern geborenen Künstlerin erschöpft sich nicht im alltäglich Gegebenen. In erzählerisch aufeinander folgenden Zeichnungen sowie in Trick- und Dokumentarfilmen widmet sie sich dem Ausbalancieren von Spannungsverhältnissen bei der Begegnung einander widerstreitender Kräfte wie zum Beispiel: Frau trifft auf Mann, sorbische Tradition und Identität geraten in Konfrontation mit deutschen Mehrheitsverhältnissen und Globalisierung, oder die Neigung, in Kriegszeiten Menschenopfer als gleichförmige, zu Schemen stilisierte Masse zu betrachten, trifft auf Trauer um Individuen.

Es bleibt das Ringen um Versöhnung, getragen von der Maja Nagel als Künstlerin innewohnenden Dynamik.

Gespräch mit der Künstlerin und den Kuratoren: am Freitag, dem 24. Oktober, um 20 Uhr
Ausstellungsdauer: 8. September – 24. Oktober 2025, am 3. Oktober geschlossen

Öffnungszeiten Mo-Fr 16-19 Uhr und Mo+Do 10-13 Uhr

Galerie Adlergasse im Kultur Forum Wachsbleichstraße 4a 01067 Dresden

Info: Frank Eckhardt, Geschäftsführer und künstlerischer Leiter 

riesa efau. Kultur Forum Dresden
Motorenhalle. Projektzentrum für zeitgenössische Kunst

Adlergasse 14
01067 Dresden
Tel.: +49-(0)351 / 866 02-11
Fax: +49-(0)351 / 866 02-12
email: verein@riesa-efau.de
web: www.riesa-efau.de
www.motorenhalle.de
www.sommerakademie-dresden.de

Klangkunst: Baden in Licht & Klang des Vollmonds in der Toskana Therme Bad Schandau

Liquid Sound Residency in Bad Schandau

Am Sonntag, den 7. September 2025 finden in der Toskana Therme Bad Schandau ab 19 Uhr bis Badeschluss um 22 Uhr Vollmondkonzert und (Blut)mondfinsternis statt.

Der zu Beginn des letzten Jahres gegründete Verein zur Förderung von Kunst und Kultur im ländlichen Raum Sachsen e.V. sieht seine Aufgabe darin „im Raum Sächsische Schweiz, Osterzgebirge und Oberlausitz ein vielfältiges, zeitgenössisches Kunst- und Kulturangebot zu schaffen und bereits bestehende Orte und Akteure zu vernetzen“. Der Bad Schandauer Kurator und Medienkünstler Andreas Ullrich ist Mitbegründer und initiierte das Projekt Liquid Sound Residency. Auf seiner ständigen Suche nach neuen integrierenden Kunsterfahrungen abseits der üblichen Kunstwelt stieß er auf das Soleschwebebad in der Toskana Therme.

Idee ist es internationale Kulturschaffende einzuladen, die insbesondere den Liquid Sound® Tempel als sensiblen Raum ganzheitlich erforschen. Yenting Hsu aus Taiwan führt dieses Sound-Experiment fort. Seit über einem Monat ist sie Gast im Künstlerhaus des Vereins und feilt im Tonstudio an ihrer Komposition. Das Besondere an dieser Arbeit ist die Anpassung an das Unterwasser-Akustiksystem. Ihre Werke verbinden Naturklänge, elektroakustische Texturen und poetische Feldaufnahmen – für ein Hörerlebnis, das unter Wasser wie zwischen den Welten erklingt.

Die totale Mondfinsternis entfaltet sich während des Konzerts – ein seltener kosmischer Moment, der das Baden in Licht und Klang des Vollmonds in ein magisches Ritual verwandelt.

Die taiwanesische Klangkünstlerin Yenting Hsu schafft in Kombination mit anderen künstlerischen Medien und Disziplinen Installationen, Performances, Audio-Dokumentationen, elektroakustische Musik. Sie arbeitet als Sound-Designerin/Komponistin mit Tanztheatern und Filmstudios zusammen.

Das Vollmondkonzert ist Teil des regulären Thermeneintritts. Zusätzliche Eintrittskosten fallen nicht an.

Das Residenzprogramm wird freundlich unterstützt vom Netzwerk Medienkunst Dresden und Dresdencontemporaryart e.V..

Text:  Petra Lulei/Toskanaworld AG

 

So. 7.9.25, 19:00 Uhr Residenz-Vollmondkonzert mit Yenting Hsu (Taiwan) und Seljuk Rustum (Indien) – Blutmond und Mondfinsternis Liquid Sound Tempel · Toskana Therme Bad Schandau

Spielzeiteröffnung 2025/026: Machtspiele & Teuflisches Intermezzo am Staatsschauspiel Dresden


Feurig entflammt, machtbesessen und mit allen Wassern gewaschen: Maria Stuart trifft auf Mephisto und Fischer Fritz am Premierenwochenende im Staatsschauspiel Dresden.

Maria Stuart und Mephisto eröffnen die neue Spielzeit

Um Machtkämpfe, Intrigen, Werte und eigene Lebensvorstellungen geht es in insgesamt 20 Premieren in der nächsten Zeit im Staatsschauspiel Dresden.

Zungenbrecherisch, fröhlich und fantastisch phänomenal geht es zu in der neuen Spielzeit am Staatschauspiel Dresden. Aber auch dunkel, abgründig und machtberauscht. Feurig entflammt und mit allen Wassern gewaschen kommen die drei ersten Premieren morgen und am Wochenende daher, auf die das Publikum gespannt sein darf: Den Reigen eröffnet „Maria Stuart – eine Frage der Macht“, eine Inszenierung mit Dresdner Jugendlichen frei nach dem Drama von Friedrich Schiller ist unter Regie von Katharina Bill in einer Produktion der Bürgerbühne im Kleinen Haus am 5.9., 19.30 Uhr zu erleben. Erzählt wird das Stück um politische Intrigen aus neuem Blickwinkel, bei dem der Machtkampf zweier Frauen zu einer Frage von Schönheit, Begehren und gesellschaftlicher Erwartung wird. Wer bekommt Macht, wer nicht und warum ?!, hinterfragt die Aufführung.

Weitergeht`s am Sonnabend mit „Mephisto“ nach dem Roman von Klaus Mann im Schauspielhaus, unter Regie von Nicolai Sykosch, Beginn: 19.30 Uhr. Einen Vorgeschmack auf das teuflische Intermezzo gab es zur Saisonvorschau. Rauchvernebelt fällt aus dem Getränkeautomat eine fleischfarbene Gestalt auf die Bühne. Mit weiß geschminktem Gesicht, hoch stehenden Augenbrauen, zurückgekämmtem Haar, dunkel umrandeten, listigen Augen und blutroten Lippen steht er da, zieht sich ein schwarzes Hemd und helle Hose an, reicht einem Zuschauer in der ersten Reihe die Hand und ruft ins Publikum: „Ich bin euer Geselle, Diener, Knecht…“ und flüstert lockend: „Ich gebe euch, was noch kein Mensch gesehen hat…“ Top, die Wette gilt! Um den Pakt mit dem Teufel und die verkaufte Seele, die Verlockungen und Zugeständnisse an die Macht zugunsten der eigenen Karriere und um eigene Wahrhaftigkeit und Gewissen des Einzelnen geht es in diesem Stück. Manns Roman spielt zur Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Im Mittelpunkt steht der Schauspieler Hendrik Höfgen, angelehnt an Gustaf Gründgens, der sowohl seine Gesinnung als auch seine Geliebte dem beruflichen Aufstieg opfert. Es geht ebenso um moralische Urteile, Angepasstheit oder Aufstehen und Auseinandersetzen mit beunruhigenden politischen Entwicklungen damals wie heute.

Wie es ist, wenn sich plötzlich alles im Leben ändert, erzählt „Fischer Fritz“ – ein Sprechtheater von Raphaela Bardutzky, das am 7.9., 19 Uhr Premiere im Kleinen Haus hat. Es verspricht komödiantisch, sprachspielerisch und tragikomisch zu werden. Fischer Fritz fischt sein Leben lang frische Fische, wie schon sein Vater und Großvater. Nach einem Schlaganfall geht das nicht mehr, muss er mühsam die Worte wiederfinden. Mit seinem Sohn, der kein Fischer werden wollte und die Tradition gebrochen hat, mag er nicht mehr reden. Eine polnische Pflegekraft zieht bei ihm ein, die sich ihr Leben in Deutschland anders vorgestellt hat, und irgendwann kommen sich Pflegerin und Patient in ihrer Einsamkeit näher.

Insgesamt stehen 20 Premieren, von Schauspiel in allen Facetten bis Tanz- und Musiktheater, im Spielplan des Staatsschauspiels. Darunter etliche Komödien und Stücke, in denen es um Werte, um Beziehungen zwischen Frau und Mann, Identität und die Suche nach dem eigenen Ich und Bewahren eigener Lebensvorstellungen in einer immer komplexeren, brüchigen und fragilen Welt geht.

Text + Fotos (lv)
Mehr zur neuen Spielzeit demnächst.

http://www.staatsschauspiel-dresden.de


Barock, opulent und vergnügt: Akteure und Zuschauer tanzten gemeinsam unterm Sternenhimmel trotz aller Einsparungen und Widrigkeiten nach der Saisonvorschau im Schauspielhaus Dresden.

Neue Lyrik: Donnernde Traumgeister & Eines Tages wachten wir auf & Katzen im Wolkenmeer

Donnernde Traumgeister
(Zum Film „In die Sonne schauen“ von Mascha Schilinski)

Ein großes Haus mit vielen
Zimmern und Türen
durch die Scheiben und Gucklöcher
schauen Mädchengesichter
verstohlen kichern spielen Streiche
um nicht zu erfrieren
in all dem Schwarz
schleichen nachts mit Kerzen
die steile Treppe hinab
sehen sich in den geheimen Räumen um

das kleine Mädchen auf dem Bild
heißt und sieht aus wie sie Alma
neben ihr auf dem Sofa sitzt
eine Puppe im Matrosenanzug
und hält ein Puppenkind
sie setzt sich wie das Mädchen
das eines Tages nicht mehr aufwachte
Sie trägt blonde Haarschaukeln
und ein schwarzes Kleid
ihre Augen sehen alles
träumt sich fort flieht und fliegt
durch die Zeit

irrt durch das riesige Strohballen-Labyrinth
der Scheune in dem man sich verkriechen
verlieben und abstürzen kann
die Halme leuchten und knistern
wie alte Filme
und dieses Donnern
übermächtig als ziehe gleich
ein Sturm herauf
der alles hinweg fegt
nichts bleibt wie es war

doch die Geister von früher sind noch da
die vielen stillen Abschiede und nächtlichen Schreie
der junge Mann mit dem Beinstumpf
das Dienstmädchen das ihn kurz
wie einen Mann fühlen lässt
die junge Frau im Kleid die sich ein Bein abbindet um
zu sehen wie es ist
und aus dem Bauchnabel des Verwundeten trinkt im
gleichen Raum viele Jahre später
später in den Fluss geht
wie viele andere Frauen
die den Aal in der Schüssel
fest mit der gespreizten Hand
am Kopf und Maul hält
als könne er immer noch beißen
das Mädchen das wegrennt
weil es das ewige Lächeln und
Posieren auf dem Familienfoto
nicht mehr aushält
die beiden Mädchen die unter Wasser
im Licht gleiten

all das Unausgesprochene Verborgene
Unsichtbare die blinden Flecken
auf der inneren Landkarte leben fort
zittern und sehnen sich danach
in die Sonne zu schauen

LV
30.8.2025

Eines Tages wachten wir auf

Draußen vor dem Fenster
weht ein heftiger Wind
zerrt an den Blumentöpfen
reißt den Lavendel um
der weiße Kater rennt
erschrocken davon

Und eines Tages wachten wir
auf und es war Krieg
war doch gerade alles
noch so schön
haben wir etwas übersehen

schlecht geträumt
die letzten Tage
sah viele Männer
sie sprachen verschiedene Sprachen
waren es Soldaten
einer lachte
konnte sie nicht
verstehen

gestern der Bericht in einer Zeitung
die Generäle fahren
schon durchs Land
an der Grenze
im Osten
ziehen die Truppen schon
und werden weitere
folgen
und die dort wohnen
sollen es tragen
nicht verzweifeln
nicht fragen
Wozu dieser verdammte Krieg

der weiße Kater springt
unbeirrt wieder auf den Balkon
zu den Pflanzen
ein Kind ruft weinend
nach seiner Mutter
und die Sonne scheint
aus grauen Wolken gemischt mit Blau
als wäre nichts

LV
23.8.2025

Katzen im Wolkenmeer
(Für Jade & Lina)

Auf dem Tiefpunkt
nichts geht mehr
der Blätterwald versandet
im Ungefähren
letzte Nacht zog ich
fort ohne Schuhe
Da seh ich Euch
hoch über der Bücherei
und dem Schild mit dem
balancierenden Clown
und kann es kaum fassen
Zwei große Himmelskatzen
weiß und geringelt
mit ausgerollten Schwänzen
im weiten Wolkenmeer
sitzt Ihr aufrecht lustig pausbackig
schnurrend
kennt kein Murren
kein Aufgeben
nur Hingeben an den Moment
und zeigt es mir sogleich mit
den schönsten rosa Wolken
wie große Herzen fliegen sie
mitten im Wolkengrau

LV
2.9.2025