Wenn alle Sinne fließen
Endlich! Der Yogaflow hat mich wieder! Begonnen hat es mit 108 Sonnengrüßen, die ich ja sehr mag. Aber gleich so viele auf einmal in einer Stunde?! Ja, denn die 108 ist eine besondere Zahl im Yoga. „1-0-8 bedeutet: etwas-nichts-alles“, erklärte Yogalehrerin Claudia Ritschel zur ersten Session beim diesjährigen Yoga im Park im Rahmen des Palais Sommer. Die Sonne versteckt sich noch etwas, der wir mit den 108 Mal Surya Namaskar huldigen. Die Eins stehe für das Göttliche, die Null für Leere und Fülle und die Acht für Ewigkeit, Unendlichkeit. Mit der Bewegungsfolge des Sonnengrußes verbinden wir uns mit Himmel, Erde und uns mit allen Sinnen.
Ich versuche gar nicht erst mitzuzählen, überlasse mich einfach der Schönheit dieses Morgens, atme die frische Sommerluft, genieße den Anblick der hohen alten Bäume auf der Wiese und den Blick in den strahlend blauen Himmel beim Ausführen der Bewegungen. Die erste Hälfte geht leicht und mühelos, ruhig und fließend. Im letzten Drittel nehme ich alle Kraft zusammen, konzentriere mich darauf, im Bewegungsfluss zu bleiben, während die Sonne mit aller Kraft scheint und mir immer wärmer wird.
Bei der Umkehrübung zum Schluss, Schulterstand und die Beine in der Luft, bin ich etwas wacklig. Aber voller Freude und Glück, es geschafft zu haben. 108 Sonnengrüße, d.h. 2196 Einzelbewegungen in einer Stunde! Und hinterher kein Muskelkater, nur fassungsloses Staunen über mich selber.
Die Sonnengrüße begleitete Yogalehrerin Claudia Ritschel mit schönem Gesang und anspornenden Affirmationen, Kraftsätzen wie „Vertrau dir selbst“, „Jetzt bist du in deiner Mitte angekommen“, die die Anstrengung vergessen ließen und Körper und Sinne in Bewegung hielten. „Wenn das Zuviel verschenkt, das zu Wenig verschmerzt und die Irrtümer aufgebraucht sind, kann die Feier des Lebens beginnen“, gab sie uns mit auf den Weg.
„Verzeih um loszulassen“, darum ging es in der Yogastunde mit Dipa Doreen Wolff, nicht weniger intensiv, sanft und kraftvoll. Beim Einatmen das Herz öffnen, Weite, Mitgefühl und Wohlwollen sich ausbreiten lassen und mit jedem Ausatmen loslassen ein Stück, den Kopf, Situationen, Dinge und Menschen, die uns nicht guttun, innerlich vor Augen führen und gehen lassen. Schmerzliche Gefühle und Verhaltensweisen loszulassen, das erfordert Vergeben und Verzeihen, sich und anderen und sich ins Gegenüber hineinversetzen, warum derjenige so gehandelt hat. Sie zeigt uns herzöffnende Übungen, die den Körper dehnen und weiten, um innerlich frei zu werden, mit sich ins Reine zu kommen, zu akzeptieren und annehmen wie es gerade ist und dass es weiter fließen darf. „Lebe und genieße den Moment und dein Leben, egal was für Erfahrungen du gemacht hast“, so der Rat von Doreen Wolff.
Wieder eine kleine Auszeit gegönnt. „Yoga Flow für Energie, Lebensfreude und Zufriedenheit“ mit Anja Hilbert passte haargenau an dem Tag, letzten Dienstag nachmittag. Losgerissen vom Schreibtisch. Raus aus dem Kopf, nichts tun, nur spüren. Ich war zehn Minuten eher da. Drei Musiker probten auf der Bühne, am Cello, Klavier und Schlagzeug, wohl für das Jazzkonzert abends. Herrlich leichte, perlende Klänge. Tolle Einstimmung auf die Yoga-Stunde. In sich horchen. Wie ist der Atem? Kurz oder lang, stockend oder fließend… An welchen Körperstellen fehlt Energie? Wie geht`s den Schultern, dem Nacken und dem unteren Rücken? Volltreffer. Mein Rücken ist hüftabwärts verspannt, vom vielen Sitzen am Schreibtisch. Gibt ja immer viel zu schreiben… 🙂
Da helfen wieder herzöffnende Übungen, Drehungen und Dehnungen mit dem Oberkörper, halbseitig ein Arm nach oben, Blick gen Himmel und ein Bein aufgestellt und ins Herz atmen. Arme zur Seite und vors Herz gehalten. Wir gehen in die Kobra und ins Brett, in Schräglage. In die Baum-Haltung, auf einem Bein stehend, abwechselnd, das andere stützend und die Hände über dem Kopf wie eine Krone. Ich kipple etwas. Die Bäume schwanken und bewegen sich auch, das ist Lebendigkeit, sagt Anja Hilbert. „Es ist gut so, wie es gerade ist.“ (mein neues Mantra.) Wichtig ist, wie ein Baum verwurzelt, geerdet zu sein.
Wir begeben uns in die Haltung des friedlichen Kriegers I und II, der uns Kraft, Mut und Stärke gibt, lassen unseren Krieger tanzen, indem wir die Arme abwechselnd nach oben und unten zu den Füßen schwingen. Wir recken und strecken uns, bis Augen und Herz von innen leuchten und lächeln.
Wunderbar als Ausklang der „Schmetterling“, bei dem die Knie auf und ab schwingen im Schneidersitz, wir fliegen und mir wird ganz leicht um`s Herz. Eine gute Übung auch, um die Hüften zu dehnen und lockern, um negative Emotionen loszulassen, die sich dort im Körper absetzen, sagt Anja Hilbert. „Jeden Morgen, wenn wir aufwachen, entscheiden wir, ob wir glücklich, frei und zufrieden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, was wir haben, sondern was wir geben.“
Der Sonntagmorgen mit Kundalini Yoga mit Christoph Sieber und Torsten Schubert beginnt mit grau verhangenem Himmel. Vorher regnete es noch. Ich überlege, ob ich hinfahren soll oder nicht. Doch Yoga mit der Kraft der Kundalini ist wie ein Sog.
Als ich ankomme, ist die Wiese voller Menschen. Der Himmel klart auf, Sonne, Wind und Wolken im Wechsel. Wir beginnen mit Atemübungen, die Achtsamkeit und Hingabe stärken. Gib alles, was du kannst, mit ganzer Intensität hinein in die Übungen, sagt der Kundalini Yoga-Lehrer. Intensiv durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen. Um in ein inneres Fließen zu kommen, weich zu werden. Es sind sehr energetische Übungen, die vor allem den Rücken- und Beckenbodenbereich stärken, dem Sitz von Kundalini, der Lebens- und Liebeskraft, und ebenso Balance und Kreativität fördern helfen. Wir gehen in die Katze- und Kuh-Stellung. Reiben im Schneidersitz die Außen- und Innenseiten unserer Handflächen abwechselnd aneinander und schauen mit halb geschlossenen Augen auf unsere Nase und leicht darüber auf das dritte Auge auf der Stirn, das für Intuition steht.
Wir bewegen die Arme leicht über dem Kopf hin und her, ein wogendes, unentwegtes Winken. Nach einer Weile werden die Arme schwer, doch bevor sie sinken, sagt der Yoga-Lehrer: „Nicht aufhören, jetzt gerade weitermachen! Noch etwas schneller, damit der Effekt eintritt und dann wird es immer leichter…. Das ist Kundalini.“ Die Kraft des Willens, durchhalten, sich selbst überwinden. Eine wirksame, körperliche Erfahrung.
Schön kraftvoll auch die Übung, die den Kreislauf des Lebens symbolisiert, der besteht im Erschaffen, Ordnen und Zerstören, Tod. In stetem Wechsel. Dabei halten wir die Arme seitlich vom Körper, die Hände mit den Daumen nach außen kreisen, schwingen, fast wie fliegen… Auch hier wieder kräftezehrend nach einer Weile. Nicht aufhören. Weiter Arme kreisen, in Bewegung, im eigenen Rhythmus bleiben. Dann geht es tatsächlich leichter. Ein schönes Gefühl, wenn Körper und Geist dann ruhig und klar werden und man ganz eins mit sich ist.
Die Energie der Gemeinschaft spüren wir beim gemeinsamen Mantra singen, gesungen, geflüstert wie Liebende und gepfiffen. Auf dem Rücken liegend lauschen wir abschließend den Klängen der Gitarre und des Gongs, mal leise, flirrend und stärker werdend, regt sich zum Flötenspiel Kundalini, bricht aus den grauschweren Wolken immer wieder die Sonne hervor und Licht flutet über mein Gesicht. Dazu ein leicht fächelnder Wind und Blätterrauschen. Einfach zauberhaft.
Im September sind Christoph Sieber und Torsten Schubert auch bei einem Yoga Festival mit dabei. Nähere Infos folgen.
Heute (22.8.) ist “ Biodanza – gemeinsam das Leben tanzen“ mit Ulrike Davies angesagt. 17 Uhr geht`s los. Danach ein Konzert mit der französischschweizerischen Band Carrousel, Sophie Burande und Léonard Gogniat bringen frische, originelle und gefühlreiche Neonchansons mit zu Musik auf Akkordeon, Melodica und Klavier. 20 Uhr ist Beginn beim Palais Sommer. Lieder voller Charme, Poesie und Power – großartige Stimmung herrschte über zwei Stunden auf der Wiese am Palais. Schwelgten und schwebten die Tanzenden durch den Sommerabend mit den wunderbaren Musikern.
Yoga einmal anders. Gemeinsam das Leben tanzen, jeder für sich und alle zusammen in der Bewegung verbunden. Beim Biodanza mit Ulrike Davies schwangen gestern viele voll ansteckender Lebensfreude und Energie auf der Wiese beim Palais Sommer. Bewegung und Begegnung stand dabei im Mittelpunkt. Da standen bei den Kreistänzen Männer, Frauen und Kinder im Wechsel in der Mitte innen und außen, nahmen den Rhythmus gegenseitig auf, klatschten und spornten die anderen an. Weitaus weniger Männer tanzten und sprangen zu urwüchsigen Trommelklängen und sanfter Salsamusik. Bunt fröhliche, lebenssprudelnde Weiblichkeit wirbelte um so mehr auf dem Platz. Dann tanzten alle gemeinsam im großen Kreis, Hand in Hand und hielten sich, leicht hin und her wiegend einen Moment. Der Kreis geriet wieder in Bewegung. Man fand sich zu zweit, zu viert, acht, sechzehn und mehr Leuten spontan miteinander tanzend, voller Leichtigkeit, Unbeschwertheit und die Kraft der Gemeinschaft erlebend. Weitere Termine stehen unter http://www.biodanza-dresden.de
Morgen, am Samstag vormittag nehme ich mir Zeit für „Yoga und die Fülle des Atems“. Sonntag steht Partner Yoga zu zweit, zu dritt und zu viert im Programm. Dann sind die Yoga Sessions beim Palais Sommer für dieses Jahr schon wieder vorbei. Ich erhalte mir den Yoga Flow, draußen im Freien, weiterhin beim Brombeeren und Holunder pflücken, denn da muss ich mich teils auch ganz schön recken und strecken, denn die größten und saftigsten Früchte hängen bekanntlich immer ganz oben.
Das Festival mit Konzerten, Freilichtkino und Yoga im Park dauert noch bis 26. August.
Text + Fotos (lv)
Ansteckende Lebensfreude, Energie und Verbundenheit beim Biodanza mit Ulrike Davies (re. Foto) beim Palais Sommer gestern nachmittag.