Eine lustige und berührende Geschichte über Anderssein
Das Kinderbuch „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“ von
Kirsten Boie (erschienen bei Oetinger) erzählt ebenso liebe- wie fantasievoll vom Umgang mit Unterschieden.
Mama Reh findet nach einem großen Feuer im Wald unter dem Heckenrosenstrauch ein kleines graues Puscheliges. Einen jungen Fuchs, der seine Familie verloren hat. Sie nimmt ihn mit nach Hause zu ihren Kindern. Der kleine Fuchs, genannt „Blau-Auge“, gibt sich große Mühe, ein gutes Reh zu sein. Doch schon der Versuch, wie die Rehe flugs über einen Weidezaun zu springen, geht schief. Seine Beine sind zu kurz. Mama Reh tröstet: „Es gibt immer verschiedene Wege, um ans Ziel zu kommen. Man muss nur herausfinden, welcher Weg für einen selbst der richtige ist. Wenn es schwierig wird, hilft nur, sich selber Mut zu machen.“ Der Fuchs kann ja auch unter dem Zaun durchkriechen und das klappt wunderbar.
Doch als zuerst die kleine Maus verschwindet und kurz darauf das Rehkitz Vielpunkt, glauben die Waldtiere, dass “Blau-Auge“ dahintersteckt. Ein Fuchs bleibt eben immer ein Fuchs, dem man nicht trauen kann!, meint der aufgeplusterte Uhu. Doch dann kommen er und die anderen Waldtiere aus dem Staunen nicht heraus, was „Blau-Auge“ alles kann.
Eine wunderbare Geschichte zum Selber- und Vorlesen, nicht nur an langen Winterabenden, über den Umgang mit Unterschieden und Anderssein, Gefahren, Geheimnisse, aber auch von Hilfe und Freundschaft, wenn man in Not ist, erzählt einfallsreich, spannend und berührend das neue Buch „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“ von Kirsten Boie. Eine der renommiertesten deutschen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Das Buch erschien dieses Jahr im Oetinger Verlag Hamburg (192 S., 16 Euro). Empfohlen für Kinder ab sechs Jahre. Die Abenteuer des kleinen Fuchs werden farbenfroh und liebevoll illustriert von Barbara Scholz im Buch lebendig.
Kindgerecht, fantasievoll, lustig, aber auch traurig und nachdenklich schildert Kirsten Boie die Erlebnisse aus der Sicht der Tiere. Voller Neugier, mit allen Freuden, aber auch Ängsten und greift dabei beim Erzählen schön beiläufig auch auf das Wissen der Kinder zurück. Da geht es um das Leben mit der Natur bei Tag, Nacht und sich wandelnden Jahreszeiten. Um Spuren, Geräusche, Stimmen und auftauchende brüllende Ungeheuer, Rundfüßler, die schneller als jedes Tier auf dem schwarzen Band entlang sausen und vor denen man auf der Hut sein muss, ebenso wie vor den Zweifüßlern, die Fallen aufstellen und Tiere mir einem Donnerflügel töten. Die um ihren Bau herum wunderbare, köstliche Pflanzen und Kräuter anbauen, die sie aber ungern teilen, anders als das getrocknete Gras und die Eicheln in den Futterkrippen, die sie in der eisigen Zeit für die Waldtiere aufstellen. Eines Tages nimmt der junge Fuchs schweren Herzens Abschied von der Rehfamilie und zieht allein los, um seine Fuchsfamilie wiederzufinden. Unterwegs sammelt er viele eigene Erfahrungen und erlebt: Jeder darf sein, wer er ist! Nach diesem fesselnd-feinfühligen, lebensfrohen Buch, an dem man auch als Erwachsener sein Vergnügen hat, sieht man mit anderem, wacherem Blick auf die Mensch- und Tierwelt.
Text (lv)
Foto: Oetinger Verlag