Aus dem Keller wieder ans Tageslicht geholt: Designkunst aus dem Osten erfährt wieder Interesse in Museen und Ausstellungen hierzulande. Die Radebeuler Designkünstlerin Antje Kempa zeigt erstmals ihre Arbeiten in einer Ausstellung im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radebeul. Erlesenes aus Porzellan und Steinzeug und edler Wein – das passt zusammen!

Flügeltassen und Becher für den
Karneval in Rio

Die Ausstellung „Porzellandesign und Keramik“ zeigt erstmals Arbeiten der Radebeuler Gestalterin Antje Kempa im Weinbaumuseum Hoflößnitz.

Eine schlicht weiße Tasse mit rundem Henkel, bemalt mit goldgelben Farbschwingen, ziert das Titelplakat der Ausstellung „Porzellandesign und Keramik“ von Antje Kempa im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz in Radebeul. Der Saal des Besucherzentrums mit der urigen Holzbalkendecke und Blick auf die prallen blauen Trauben im Weinberg war voll zur Ausstellungseröffnung. Vorwiegend ältere Besucher kamen, da auch ein Stück Geschichte für sie verbunden ist mit der Zeit, aus der die gezeigten Dinge stammen. Sie wirken erstaunlich zeitlos und modern. Zu sehen sind Entwürfe, Zeichnungen, Fotos von zum Teil verschollenen Objekten und  Gebrauchsdesign von Antje Kempa aus der Zeit ihres Keramik-Designstudiums an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee von 1987 bis 1992 und weiteren Tätigkeiten in Mainz, Paris und Berlin.

Antje Kempa wurde 1967 in Dresden geboren und ist in Radebeul aufgewachsen, wo sie seit 1997 wieder wohnt. Zuletzt war sie als keramische Fachlehrerin am Beruflichen Schulzentrum Meißen tätig. Nach 30 Jahren werden die Studienpräsentation und weitere Arbeiten der in Radebeul wohnenden Designkünstlerin jetzt erstmals einem breiteren, interessierten Publikum in einer Ausstellung vorgestellt. „Dies kommt spät, aber nicht zu spät“, schrieb eine Studienfreundin ins Gästebuch. Und sie wünscht Antje Kempa, dass ihre Suppentasse mit Deckel in Serie geht. Es ist überhaupt die erste Ausstellung mit Design im Weinbaumuseum Hoflößnitz. Museen und Galerien entdecken in letzter Zeit Designkunst aus dem Osten wieder und rücken sie in den Blickpunkt. Eine große Personalausstellung mit Arbeiten der inzwischen 88-jährigen Gebrauchsdesignerin Christa Petroff-Bohne fand im Kunstgewerbemuseum in Pillnitz statt, einer Lehrerin und Mentorin von Antje Kempa in Weißensee. Dort traf sie auch Detlef Reinemer wieder, der als Bildhauer in Radebeul lebt, ehemals Lehrbeauftragter für freie Keramik in Weißensee war und die Ausstellung im Hoflößnitz anregte. Zu sehen sind auch plastische Skizzen zum Thema Ikarus, die Reinemer als Mentor betreute, in einer Fotoserie.

Mit Fliegen zu tun hat auch ihre Diplomarbeit von 1992, ein Geschirrensemble für den Lufthansa-Partyservice der Lufthansa, das in einer Vitrine ausgestellt ist. Realisiert wurde dieses in der Porzellanmanufaktur Meißen. Bei der Gestaltung ließ sie sich von der Natur, Kranichen und Flugzeugen anregen, wie in Tuschezeichnungen und Detailaufnahmen zu sehen, die sich in der Dynamik der Formen ausdrückt. Darunter zwei weiße Tassen, ein Henkel mit Rillen erinnert an einen Flügel und der andere ist offen wie ein Rad gehalten. Für die Ausstellung im Weinbaumuseum Hoflößnitz holte Antje Kempa die unikaten Designarbeiten, die jahrelang gut verpackt im Keller schlummerten, wieder hervor. „Es sind qualitätvolle Arbeiten, die es lohnt, sie wieder ans Tageslicht zu holen“, sagt Museumsleiter Frank Andert. Da sieht man gezeichnete Stillleben mit Formenverwandten, runde, eckige und pyramidische Gefäße, Vasen, Kannen und Leuchter, Aquarelle mit Muscheln neben gebrannten und bemalten Formen.

Außerdem Dekorvarianten für Zuckerdosen als Bürogeschirr aus Porzellan, mit der Designerin Margarete Jahny als Mentorin, realisiert 1990 bei Weimar Porzellan in Blankenhain. Kleine farb- und formspielerische wie aufmunternde Hingucker. Die Entwürfe für ein Teegeschirr und gastronomische Suppentassen mit Deckel entstanden an der Pariser Hochschule für Angewandte Kunst und Kunsthandwerk 1993. In sonnigem Orange und schwarzen Streifen und kugeligen Formen und kunterbunt mit Kringeln und Konfettihenkel kommen die Entwürfe und Gefäße für das 1991 noch im Studium entwickelte Likörservice  mit „fahrenden  Lautsprechern“ zum „Karneval in Rio“ aus Steingut daher. Die Entwürfe entstanden für einen Wettbewerb des Unternehmens Villeroy und Boch, die nach der Wende jedoch nicht mehr umgesetzt wurden, weil damit das „Exotische“ der Ostdesigner wegfiel und man hätte investieren müssen in neue Angebote und Produktion. „Es kommt auf die Unternehmen an, ob sie sich Kunst und eine eigene Designabteilung leisten möchten“, sagt Antje Kempa.

Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen hatte immer eigene Gestalter auch für neue Gefäßformen, Dekore und Plastiken. In letzter Zeit aquarelliert und zeichnet Antje Kempa regelmäßig und gibt einmal wöchentlich einen Keramikkurs für Erwachsene in einer Beratungsstelle der Diakonie in Dresden, was ihr viel Spaß bereitet. Mit ihrer Ausstellung möchte sie zeigen, „was Design alles sein kann, formschön, authentisch und funktional, gut handhabbar.“ Dies war immer ihr Anspruch. Es ist ungewohnt für die Designgestalterin, dass in letzter Zeit auch die Köpfe und Namen hinter den Entwicklungen sichtbar werden. Damit erfährt auch das vielfältige Schaffen von Antje Kempa nun die verdiente Anerkennung.
Die Ausstellung ist noch bis 9. Oktober im Weinbaumuseum Hoflößnitz zu sehen.

Text (lv)

Geöffnet: Di bis So von 10 bis 18 Uhr

http://www.hofloessnitz.de


Antje Kempa als junge Designerin mit Teilen ihrer Diplomarbeit in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meißen.

Ansichtsplatte für ein Unterrichtsprojekt zum Thema „Muschelstillleben“ in kobaltblauer Unterglasur-Technik, realisiert 2006 in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meißen.

Verschiedene Zuckerdosen-Dekore

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