Knallhartes Trio der Besinnlichkeitsverweigerinnen: Drei sehr verschiedene Damen knebeln Santa Claus und entdecken Weihnachten für sich neu. Foto: Robert Jentzsch
Eine verrückt-komische Alternative für Weihnachtsmuffel
Mit reichlich schrägem Humor und Herzblut parodiert die Komödie „Wnterspeck“ scheinheilige Weihnachtsseligkeit. Zu erleben in der Comödie Dresden.
Alle Jahre wieder kommt der Heilige Abend. Doch nicht bei allen kommt Vorfreude auf. Drei Frauen entfliehen vor der verklärt romantischen Familienidylle unterm Lichterbaum, heimischen Fressorgien und Festtafelverhören und treffen aufeinander in Hardys Fitnessstudio als letzte Zuflucht in der Trash-Weihnachtskomödie „Winterspeck – Gans oder gar nicht“ von Lo Malinke. Die Premiere war am Mittwochabend in der Comödie Dresden.
Zwei Jahre nach der coronabedingten Spielpause kam die reichlich schräge, verrückt-komische Weihnachtskomödie unter Regie von Christian Kühn auf die Bühne. Ein kleiner Leuchtelch auf dem weißen Tisch und Lichterglanz hinter dem Schaufenster bilden die Kulisse im Sportstudio. Die Sportgeräte und der Sandsack sind das Mittel gegen Kummer- und Winterspeck der drei höchst verschiedenen Frauen. Sandra (krankhaft erfolgshungrig: Julia Alsheimer) trimmt ihren Körper zu flotten Klängen mit Gymnastikübungen und strampelt sich wie besessen auf dem Fahrradtrainer ab. Sie hungert, schreit auf bei Reizworten wie Schokolade und Braten und beißt heißhungrig in einen Deko-Lebkuchen aus Bauschaum. Das pralle Gegenteil von ihr ist Gudrun (reichlich überdreht: Mackie Heilmann). Sie bekam die Mitgliedschaft im Fitnessstudio letztes Jahr von ihrer Firma geschenkt und beschwert sich, dass sie noch kein Kilo abgenommen hat, ihr Schrittzähler ist meist Stand by. Gudrun ist Dauersingle, derb, direkt und flippt aus wie eine Furie bei jedem Anzeichen von Romantik oder Besinnlichkeit und verdrängt mit der rauen Art ihre Einsamkeit.
Mehr unfreiwillig platzt Karin herein, die auf der Fahrt zu ihrer Familie ausgerechnet den Geschenkekoffer stehenließ und aufgeregt mit der Bahn telefoniert, doch da meldet sich nur eine künstliche Ansagestimme. Humorvoll, kess, offen heraus und munter sächselnd, spielt die Rolle als weihnachtsgestresste Mutter und Oma die Schauspielerin Claudia Schmutzler, bekannt durch die Wendekomödie „Go Trabi Go“ (1991) an der Seite von Filmvater Wolfgang Stumph. Mit der Komödie „Winterspeck“ kehrt sie das erste Mal seit ihrer Jugend auf eine Bühne in ihrer Heimatstadt Dresden zurück und sorgt für reichlich Heiterkeit, wenn sie keuchend am Fitnessgerät rudert samt Einkaufstaschen, die wie Gewichte an ihren Armen hängen oder sie naiv selig lächelt als „Schaf“ in eine Decke gehüllt im Krippenspiel. Doch vorher fesselt und knebelt das knallharte Trio der Besinnlichkeitsverweigerungen Santa Claus, den Fitnesstrainer Hardy spielt (Benedikt Ivo) mit weiß blinkender Bommel im Mund. Auf Fitnessgeräten und Trampolin umherspringend, lassen sie zu Hardrockklängen ihren Frust heraus.
Im Kreis bei Kerzenschein erzählt jede von ihnen von Freud und Leid, Enttäuschungen und Trauer. Karin hat Panik hat vor dem ersten Weihnachtsfest ohne ihren Mann Tommy, will ihren Kindern nicht mit ihrer Heulerei das Fest vermasseln und sie will auch einfach mal nur die Karin sein und das tun, wozu sie Lust hat. Sie essen Karins selbstgebackene, köstliche Speckschmalzstullen. Und sie entschenken sich, jede gibt ein ungeliebtes Geschenk in den Müllsack. Höhepunkt der Aufführung ist das flugs improvisierte Krippenspiel mit der Weihnachtsgeschichte für Senioren aus dem Pflegeheim. Einfallsreich und rasant komisch in Szene gesetzt, ziehen Maria und Joseph umher, schwebt Gudrun als Engel mit Flimmerkranz bibbernd vor Höhenangst am Seil. Und liegt nach der frohen Botschaft Hardy als Jesuskind verzückt lächelnd in der Krippe. Nostalgische Weihnachtsmelodien mit Glöckchenklang und Glitzerkugel mit Lichtern, die wie Flocken tanzen, zaubern doch noch Weihnachtsstimmung und es wird warm um Herz. Auf der Bühne umarmen sich alle, tanzen ausgelassen und Weihnachtsmuffel Gudrun ruft Frohe Weihnachten! in den Saal. Viel Beifall für einen besonderen Theaterabend nach dem Motto: Weihnachten ist das, was wir daraus machen!
Text (lv)