Facettenreiche Malerei mit Nadel und Faden

Die Ausstellung „Kaltnadel trifft Textil“ vereint Arbeiten aus den Zirkeln für Radierung von Jürgen Filla und Textilgestaltung von Annerose Schulze im Einnehmerhaus Freital.

Ein kreisendes Labyrinth oder strömendes Wasserspiel erhält durch weiße, graue, sandfarbene und blaue Fäden, aufgestickt auf Leinen seine bewegten, strudelnden Konturen im Titelbild der Ausstellung „Kaltnadel trifft Textil“, die am vergangenen Sonnabend im Einnehmerhaus Freital eröffnete. Eine ungewöhnliche Mischung, die dementsprechend großes Besucherinteresse zur Ausstellungseröffnung fand.

Erstmals stellen sich hier die Zirkel Kaltnadelradierung von Jürgen Filla und Textilgestaltung von Professor Annerose Schulze unter dem Dach des Kunstvereins Freital e.V. vor mit ihren Arbeiten. So unterschiedlich die künstlerischen Techniken, gemeinsam ist ihnen das facettenreiche Wechselspiel von Farbe, Form und Linie und teils gehen sie sogar eine Verbindung ein in einigen bedruckten Textilbildern. „Die Ausstellung wurde noch mit Barbara Hornich zusammen geplant. Die Arbeiten, in denen sich zwei Formen von Nadeln begegnen, sind etwas Besonderes und ein Verdienst der beiden Zirkelleiter, die langjährig im Einnehmerhaus arbeiten und immer Leben mitbringen ins Haus“, sagte Bettina Liepe, die neue Vorsitzende des Kunstvereins zur Eröffnung. Zurzeit habe der Verein wie viele zu kämpfen mit höheren Betriebskosten. Daher freue sich die „klapprige“ Einnehmer-Figur am Eingang über jede Spende von Besuchern. Für leicht beschwingte Klänge passend zu den Arbeiten sorgte die Bronson-Kammerband an Gitarre und Geige. Zu sehen sind Gesticktes und Gedrucktes in großer Ausdrucksvielfalt.

Auffallend, faszinierend und bestechend sind vor allem die Zartheit und Feinheit in den Textilbildern und Radierungen, die mit Näh- und Stahlnadel gestickt, gezeichnet, appliziert oder bedruckt werden auf Stoffen und Papier, wie man sie selten antrifft in der heutigen schnelllebigen Zeit. Wer hat da noch Muße für derartige akribische Handarbeiten? Beim Anblick der Stoffkunstwerke kommen Erinnerungen an die eigene Schulzeit und die ersten Versuche mit Nadel und Faden umzugehen hoch und die mit farbigen Garnen ausprobierten Näharten von Heft-, Ketten- Knopfloch-, Reih- bis Spannstich. Form- und variantenreich kommen diese zum Einsatz in den textilen Fadenmalereien mit Landschaften, floralen und abstrakt-geometrischen Bildmotiven, fliegenden Regenschirmen, Gingkoblättern und Winterblüten bis zum gestickten Gedicht von Nazim Hikmeth, einem türkischen Dichter, in den Werken von sechs Kursteilnehmerinnen.

„Es wird nicht vorgezeichnet, sondern sofort ins Material gegangen und je nach Gustus in Szene gesetzt“, sagte Kursleiterin Annerose Schulze. Die Arbeiten entstanden zu den drei Themenbereichen Wellenspiel, bei dem das Spritzen, Blubbern und Fließen des Wassers sichtbar wird, Kreise und derzeit das klassische Herren- oder das besondere Taschentuch als Bildträger. Ein auf die Spitze gestelltes, quadratisches Tuch zeigt Knoten und eine liegende Acht in einer Schnurapplikation von Birgit Weber. Von ihr stammen auch die zwei blau karierten Arbeiterschnupftücher mit zarter weißer Zackenlitze-Stickerei. Ruth Heine, eine geübte Stickerin, zeigt eine fulminante Welle, große Tropfen, Wasserperlen, Voll- und Halbmonde am Nachthimmel in ihrer filigranen Seidenstickerei auf Blaudruck. „Das Leichte und das Schwere“ finden beeindruckend zusammen in textilen Geweben wie einem geklöppeltem Landschafts-Leporello von Barbara Zscheile. Sie zeigt außerdem überstickte Handdrucke auf Baumwolle mit kreisenden und fließenden Formen.

Eine Bilderwand mit Fotos zeigt die „Kaltnadler“ um Jürgen Filla, neun Frauen und ein Mann, beim Zeichnen und Drucken und luftig-leichte, schwarz-weiße und farbige Radierungen mit Lampionblumen und auf Blüten umherschwirrenden Schmetterlingen. Wie Illustrationen aus einem Kinderbuch wirken die Bilder voll fröhlich-fantasievoller Figuren und einer Traumspielstadt von Beatrice Günther. Sie ist Bauzeichnerin von Beruf, zeichnet gern seit ihrer Kindheit und ist von Anfang an, seit zehn Jahren, dabei im Kaltnadelkurs im Einnehmerhaus. „Vielleicht wird auch mal ein Bilderbuch daraus“, sagt sie und lächelt. Die wechselnden Farbstimmungen in der Landschaft hält Karl-Heinz Haberkorn, Ingenieur und Konstrukteur im Ruhestand, gern in seinen Radierungen fest. Ein Wanderer angelehnt an das bekannte Gemälde von Caspar David Friedrich steht vor einem Feld mit weitem Himmel und Wald. Ein Blick auf die Magnolienblüten im Schlosspark Freital-Burgk und auf das „abendliche Dresden“ mit tiefgelber Wolkenlandschaft über der Brühlschen Terrasse hängt da neben einem augenzwinkernden Bild „Ökostrom in Freital“.

Eine japanische „Geisha“ und eine Ente zwischen Gräsern auf gefrorenem Teich hielt Angelika Teubel in ihren Radierungen fest. Kraniche im Licht, einen wie tänzelnden uralten Baum und ein lustiges Apfelstillleben mit Mitbewohner zeigt Steffi Hübschmann. „Interessierte sind auch zu Schnupperkursen willkommnen“, so Jürgen Filla.  Kommenden Sonnabend, am 21. Januar trifft sich die Gruppe zum Zeichnen. Die Ausstellung ist noch bis 25. Februar  im Einnehmerhaus zu sehen. Die Finissage mit Künstlergespräch findet am 25. Februar, um 15 Uhr statt.

Text + Fotos (lv)

Geöffnet: Do und Fr von 16 – 18 Uhr und Sa und So von 14 – 17 Uhr


Farben- und Formenreich Gesticktes und Gedrucktes: Bettina Liepe dankte den beiden Zirkelleitern Annerose Schulze und Jürgen Filla mit blühenden Zweigen und Tulpen nach der Eröffnung für diese besondere Ausstellung im Einnehmerhaus Freital.

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