Geliebte Fellwesen, Musen und Antreiberinnen & ein teilnahmsvoll den Geist & die Fantasie beflügelnder Holzvogel: Jade & Lina, die voller Neugier, Energie und Lebensfreude umherwirbelten und mein Leben begleiteten, die ich nach ihrem plötzlichen Verlust schmerzlich vermisse und nun in Geschichten-Abenteuern mit Fantasius Firlefanz weiterleben.

Fantasius Firlefanz und die verschwundenen Katzen

Eine Geschichte über Tierliebe, die Kraft der Fantasie und des Herzens.

Die Sonne schien schön wie nie. Im Hausgarten hüpfte ein brauner Vogel,
eine Amsel über die Wiese. In der Mitte sprossen ein paar Gänseblümchen an der Stelle, wo die Frau zuletzt mit ihrer schwarz-weißen Katze Lina saß. Als sie das erste Mal gemeinsam draußen waren. Wenigstens dieses eine Mal.
Bevor sie näher kam, flog die Amsel schon wieder fort über den verblühten Rosenbusch. Einen Moment später tauchte eine der Hofkatzen, die weiß-braun gefleckte, aus der Nachbarschaft auf und setzte sich, stumm und erwartungsvoll. Die Frau kannte sie schon länger und gab ihr eine Portion Futter gleich aus der Verpackung. Der Futternapf mit dem lustig aufgemalten Katzengesicht war seit ein paar Tagen verschwunden. Ein Aushang mit der Bitte ihn zurückzubringen, brachte nichts. Die Frau sah zu dem blauen, verglasten Anbau, der wie ein Türmchen aussah, hinauf zu ihrem Fenster. Dort oben im Wintergarten mit den großen Fenstern ringsum saß Jade, ihre grauweiß getigerte Katze besonders gern, an ihrem Lieblingsplatz im Blumenkasten, reckte und streckte sich und schaute hinunter auf das Grünmeer. Nun war ihr Platz leer. Sie würde die Wiese und die Bäume nie von draußen sehen.

Sie ist nun noch weiter oben als im Wintergarten, den weiten Himmel über sich, bei den Sternen. Abends lief die kleine grau getigerte Hofkatze an der Frau vorbei, huschte hinein, noch mal hinaus, wieder rein ins Treppenhaus, blieb auf den Stufen sitzen und saß noch da, als die Frau noch einmal die Wohnungstür öffnete. Doch keine andere Katze erschien in der Tür. „Es ist keiner mehr da“, sagte die Frau leise zu der kleinen getigerten, die sie stumm ansah. Sie hatte Jade und Lina ein paar Mal gesehen, angefaucht und belauert. Die beiden Miezen schauten neugierig, ohne zu fauchen, zurück, beugten sich weit vor über die Schwelle. Sie konnte sie gerade so zurück halten. Die Kleine grau getigerte fauchte immer, selbst wenn man ihr Futter hinstellte und ließ sich kaum anfassen. Nur manchmal beim Füttern kurz streicheln. Schon riss sie den Kopf wieder herum, zeigte ihre scharfen Zähne und verdrehte leicht die Augen wie ein kleiner, dunkler Kobold. Sie zu sehen war dennoch ein Trost für die Frau. Es war so eine ungewohnte Stille und Leere jetzt in der Wohnung. Der Bus fuhr vor dem Küchenfenster vorbei. Noch häufiger als sonst, schien es ihr. Jedes Mal horchte sie auf, winkte dem Bus manchmal nach und stellte sich vor, sie und ihre beiden Miezen kämen wohlbehalten mit dem Bus vom Tierarzt zurück in ein neues, noch schöneres Leben.

“Wo sind denn die Katzen?“, hörte die Frau plötzlich eine Stimme im Wohnzimmer. Ach, da war ja doch noch jemand! Fantasius Firlefanz, der kleine Holzvogel, der aussah wie ein Amselmännchen, gekleidet wie ein Spielmann mit einer Feder am Hut und ihr liebster Begleiter am Schreibtisch. „Sie sind fort“, sagte die Frau. „An einem anderen, schönen Ort.“ „Warum denn?“, wunderte sich Firelefanz. „Werden sie uns nicht vermissen?“ „Doch das werden sie. Und wie!“, sagte die Frau traurig. Sie konnte es selbst immer noch nicht fassen, was geschehen war. Das neue Jahr hatte gut begonnen und war gerade einen Monat alt, als ihre kleine Lina plötzlich schwer erkrankte, rapide abnahm und ihre Blutwerte immer schlechter wurden. Eine Woche lang kämpfte sie um ihr Leben, fuhr die Frau jeden Abend mit dem Bus zur Tierärztin zum Spritzen. Doch das Medikament schlug leider nicht an. „Unerklärlich!“, sagte die Tierärztin nach der letzten Blutabnahme. Kurz vorher war die Frau noch mit Lina im Hausgarten gewesen, wo sie alles sacht und staunend betrachtete und das kleine Fellknäuel sich noch einmal mit aller Sanftmut und Wärme in ihre Hand legte.

Die Frau und Jade litten sehr unter ihrem Verlust. Die zwei Katzen waren keine besten Freundinnen, doch immer nah beieinander gewesen. Die Frau hatte sie vor drei Jahren aus dem Katzenhaus um die Ecke geholt. Zwei Monate hatte sie es ohne ihre erste Katze Lola, ihre schwarzfellige Sternaugenkatze, ausgehalten. Sie wurde stolze 18 Jahre alt und sie brauchten keinen Tierarzt. Erst kurz vor ihrem Lebensende als es ihr altersbedingt schlechter ging und sie schlief sanft und friedlich zuhause in ihren Armen ein. Mit Jade war sie beim Tierarzt, um sicherzugehen, dass sie sich nicht mit der schweren Bluterkrankung bei Lina angesteckt hatte. Doch Jade war kerngesund, ihre Blutwerte und ihr Herz waren in Ordnung laut Untersuchung. Die Tierärztin, die auch Lina untersucht hatte, stellte nur einige entzündete Zähne bei Jade fest. „Sie wird ihr Leben lang Schmerzen, bei jeder Berührung, haben, wenn Sie die nicht entfernen lassen!“, sagte sie. Als die Frau das Wort OP hörte, zog sich in ihr alles zusammen. Nicht nur wegen der immensen Kosten. Sie habe nur noch diese eine Katze und sie sei ihr einziger Halt, die sie nicht verlieren wolle, sagte sie der Tierärztin. Die Zahn-OP mit Narkose sei Routine, täglich ausgeführt, wischte sie ihre Bedenken weg. Geringes Risiko. Wie bei jeder Operation. Meist gehe es gut. „Meist!“, dachte die Frau. „Und was ist mit den anderen!“, dachte die Frau beunruhigt. Jedes Tier reagiert und verträgt es doch anders. Über die Risiken und wie sie damit umgehen, erfuhr sie kein Wort und las nichts davon in den Beipackzetteln der Tierärzte. Sie hatte von Anfang an kein gutes Gefühl bei der OP. Doch sie hoffte, dass alles gut gehen würde und ihre Jade danach ein schmerzfreies Leben haben würde, wie die Tierärztin es ihr versprach. Doch der Schmerz wurde nur größer. Hätte sie nur auf ihr Bauchgefühl und auf ihre Katze gehört!, sagt sich die Frau immer wieder. Jade wehrte sich, laut miauend, fast flehend um ihr Leben, am Morgen vor der OP, kratzte sie am Handgelenk, was sie noch nie tat und strampelte den ganzen Weg in der blauen Box. Dachte sie vielleicht, die Frau kommt nicht wieder, sie nicht abholen? Sie hatte es in der Eile ganz vergessen ihr zu sagen. Es war ihre erste Trennung. Bei den Untersuchungen war die Frau immer dabei gewesen. Sie durfte nach der OP in der Aufwachphase nicht ihre Katze sehen. Vielleicht wäre alles anders ausgegangen. Manchmal kam es ihr auch vor wie ein Kräftemessen zwischen ihnen. Abends sah Jade ihr manchmal beim Zähneputzen im Bad zu. Sie hatte ihr die Bewegungen schon gezeigt. Wusste nur noch nicht, wie die Bürste in ihr Mäulchen bekommen. Den Kaustein rührte sie nicht an.

„Warum wissen Menschen und vor allem Tierärzte immer besser, was für ein Tier gut ist oder nicht, was es braucht oder wie es am besten klarkommt?!“, fragt sich die Frau. Aus Liebe zu ihrer Katze ließ sie sich darauf ein. Was tut man nicht alles aus Liebe! „Woher weiß man, dass es Liebe ist?“, fragte Firlefanz. „Das spürt man. Wenn einem alles andere egal ist. Und man viel Geld ausgibt für das geliebte Wesen“, erwiderte die Frau. „Das ist auch die Gefahr. Man kann auch aus Liebe irren.“ Das wissen auch die Tierärzte, dass man aus Tierliebe bereit ist alles zu tun. Sie leben von und nicht mit den Tieren. Ihre Katzen vertrauten ihr in allem, und sie vertraute den Tierärzten. Sie konnte ja nicht wissen, was sie mit ihnen anstellten. Jade war nicht lebensbedrohlich erkrankt. Sie war voller Energie und Lebensfreude, fünf Jahre alt, in der Blüte ihres Lebens und wog fünf Kilo. Mehr wäre schon ungesund, hieß es beim Tierarzt. Neun Zähne auf einmal haben sie ihr gezogen, selbst unter Narkose habe sie reagiert, sagte die Tierchirurgin hinterher. Sie ging von zwei, drei Zähnen aus nach der Untersuchung. Sie fragten sie auch nicht, ob sie damit einverstanden sei. Das würde man bei einem Menschen niemals tun, dachte die Frau. Doch einem Tier muten sie so etwas zu!

Katzen sind dem Vernehmen nach zäh, halten viel aus, lassen sich ungern festhalten und sind Meister im Verbergen von Schmerzen. Anders würden sie in der freien Natur nicht überleben, sie schützen sich selbst, so gut sie können.
“Mit den fehlenden Zähnen ist auch ein Menschending“, sagte die Tierärztin, die Jade operierte. Katzen bräuchten nicht unbedingt Zähne, sie könnten ihr Futter an den Gaumen pressen und zerkleinern. Nur eine Maus könnte sie ohne Schneidezähne nicht mehr fangen. Doch die Natur hat ihnen nicht ohne Grund Zähne mitgegeben und es ist nicht nur eine Frage der Kosmetik. In der Natur gibt es auch keine Tierärzte.

Eine gesunde, schmerzfreie und glückliche, lebende Katze ist wohl eine Illusion, weiß die Frau nun. Jade hat die Zahn-OP nicht überlebt. Sie war schon aus der Narkose erwacht, hob ihren Kopf, maunzte und die Frau sollte sie nachmittag abholen, sagte die Tierärztin mittags am Telefon. Eine Stunde später rief sie an und überbrachte der Frau die schlimme Nachricht, dass ihre geliebte Katze plötzlich taumelnd umfiel und einen Herzstillstand erlitt. Sie versuchten sie 25 Minuten wiederzubeleben, ihr Herz schlug noch kurz und hörte wieder auf. Die Tierärztin war geschockt wie die Frau. „Unerklärlich!“ So etwas habe sie noch nie erlebt. Die Frau hätte besser auf ihr Herz hören sollen, sagt sie sich immer wieder. Ihre Katze an jenem Morgen nach ihrem Protest wieder aus der Box heraus, ihr einmal ihren Willen lassen. Jade würde noch leben. „Man kann nicht gegen den Willen von jemand, ob Mensch oder Tier, handeln! Das kann nicht gut gehen“, sagt die Frau tieftraurig zu Fantasius Firlefanz. Selbst so ein kleiner Holzvogel hat seinen eigenen Geist, Eingebung und spricht nur mit einem, wenn er will. Firlefanz lächelt die Frau an. Er hat ja alles mit gesehen, wie es vorher war, als ihre Katzen noch lebten, wie sie fröhlich umherwirbelten und wie leer und bedrückend es jetzt in der Wohnung ist.

Selbst das Schreiben, das sie so sehr liebt, fällt ihr zurzeit schwer. Oft fließen Tränen, wenn sie an ihre beiden Katzen denkt. Bilder von ihnen sieht, ganz frühe, als sie noch klein waren und spätere, die ihre prächtige Entwicklung zeigen. „Mir verschlägt es auch fast die Sprache, ähm den Schnabel. Von Fliegen ganz zu schweigen“, sagt Firlefanz zu der Frau. Doch beim Schreiben kann man sich auch erinnern, Schönes und Liebgewonnenes festhalten und bewahren für sich selbst und andere, sagt die Frau liebevoll zu ihm. Sie ruft weiter ihre Namen Jade und Lina und manchmal auch Lola und redet mit ihnen, wenn sie die Wohnung verlässt und wiederkommt. Sie begrüßt sie und erzählt ihnen, was sie gerade isst und tut. Im Blumenkasten im Wintergarten steht ein Bild von ihnen, ein kleines Zepter mit Knospen und ein Kerzenglas, davor und auf Jades offenem Karton, wo sie oft saß, immer ein frischer Wildblumenstrauß. Ihr Bild, ihr weißes Fell leuchtet auch im Dunkeln. Und sie sehen sie weiter mit ihrem aufmerksamen, sanften, tiefen, innigen, manchmal traurigen Gesichtsausdruck an.

“Es gibt noch eine andere als die körperliche und medizinische Ebene, die seelische, emotionale Verbindung“, sagte die Frau zu der Tierärztin, die ihre Jade operierte. Als sie nach der OP mit den gezogenen Zähnen leblos vor ihnen lag auf dem Tisch beim Abschiednehmen. Gerade Katzen sind sehr empfindsame, sensible und ängstliche Wesen. Man sieht das Schöne oft nicht sofort, würdigt es nicht genug, sieht mehr das scheue, widerborstige, ungebärdige Wesen, hinter dem sie ihre verletzlich sanfte und liebenswerte Seite verbergen. „Gäbe es diese Gefühlsebene nicht, könnten wir auch nicht miteinander reden, mein lieber Fantasius“, sagt die Frau. „Das leuchtet mir ein“, erwidert der kleine Holzvogel aufmunternd. „Ich bin bei dir, fühle mit dir und du sprichst es aus.“ Die Frau lächelt. Sie will sich nicht dem Schmerz ergeben, der nichts mehr ändert. Sie möchte in Liebe mit allem, was sie mit ihren Katzen verbindet und sie ihr auf ihre eigene Art lehrten, weiterleben. Ihnen weiter nahe sein, das unvermindert wunderbare, helle Sonnenlicht und den weiten Himmel wie sie wieder mit leuchtenden Jadeaugen sehen.

Text + Fotos: Lilli Vostry

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Schreib- und Geschichtenwerkstatt „Fantasius Firlefanz“

Für alle, Kinder und Erwachsene, die neugierig und offen sind und gern gemeinsam Geschichten-Abenteuer finden und erfinden wollen, biete ich meine Schreib- und Geschichtenwerkstatt „Fantasius Firlefanz“ an. Geschichten, die das Leben schreibt über alles, was Euch am Herzen liegt und uns spontan einfällt. Lustige, traurige, komische und fantastische Lebensmomente aufschreiben, einander vorlesen und darüber sprechen, sich gegenseitig anregen, aufmuntern und beflügeln.

Außerdem nehmt Ihr die Welt feiner und intensiver wahr, wenn Ihr mit Stift und Papier Euch mal hinsetzt und ganz Eurer inneren Stimme lauscht. Dazu braucht es auch etwas Mut, doch es öffnen sich immer neue Türen, man entdeckt immer Neues an sich und wird reich belohnt mit neuen Erkenntnissen, Erlebnissen und Erfahrungen. Schreiben weitet den Blick, stärkt Einfühlung, Intuition und Ausdruckskraft!

Probiert es aus. Ich freue mich auf Euch!

Einmal pro Woche, zwei Stunden. Maximal vier Teilnehmer.

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