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Kategorien-Archiv: Aktuelles

Neue Lyrik: Was bleibt von 2022 & mehr

31 Samstag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Poesie, Lebensart, Zwischenmenschliches, Aktuelles

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Was bleibt vom Jahr 2022

Zur Hälfte schon verstrichen
ging dieses Jahr erst los
standen alle Wege wieder offen

es war prall gefüllt mit Schönem
Licht und Schatten
manchmal war ich glücksbesoffen

ein Lichtblick als ich den roten Kater seh
er liegt blinzelnd im Fenster in der Sonne
welche Wonne

der Sonnenball kreist
wie ein Glücksrad über dunklem Geäst
ein leeres Vogelnest

zwei Enteriche schlagen
mit ihren Flügeln im funkelnden Wasser
wild aufeinander ein

die anderen Wasservögel ziehen ihre Spur
putzen ihr Gefieder
und lassen ihr Schnattern nicht sein

die Knaller fliegen immer weiter
schon lange vor Silvester
Krakeeler werden nicht gescheiter

LV
30.12.2022

Abschied von 2022

Meine Ängste im Spiel
der Flammen ringen
verzehren sich noch einmal
nach mir

bis aufgelöst das beschriftete
dunkle Häuflein Papier
vor mir liegt

ich lass 2022 ungern los
liebe die Magie der Doppel-Zahlen
nächstes Jahr wird ungerade

viele Wünsche fürs neue Jahr
steigen als lodernde Flamme empor
einmal entfacht nicht mehr zu bremsen
vom Wind in die Welt getragen

stell dir vor eines Tages liegt
dein Traummann neben dir
sagen die Frauen in der Rauhnächte-Runde
ich kann ihn mir kreieren
damit er in mein Leben kommt

ich stell mir vor und vertrau
er wird mein Sehnen hören

LV
30.12.2022

Oh Tannenbaum

Das Grün sticht ins Auge
die Bäume liegen
übereinander am Boden
der Gitterzaun vor dem Fest
ist weg

sie haben es in keine Stube geschafft
keinen Raum erhellt
im Lichterschein am Heiligabend

unbeachtet unbehaust
wie Abfall weggeworfen
wieder ein Stück Natur
bedecken sie die Erde

ich nehme ein paar Zweige mit
sie duften noch
ein Mann bleibt stehen und schwärmt
wie Familie und Freunde früher die
Tannenbäume zu ihm brachten
das gab ein schön prasselndes Feuer

vielleicht bekommen sie die Elefanten
zum Fressen als besondere Delikatesse –
Weihnachtsbäume die keiner wollte

LV
27.12.2022

Schweigen

Reden ist Silber
Schweigen ist Gold
ich wünsch mir
du wärst König Midas

Worte lassen sich nicht
in Gold aufwiegen
nicht rückgängig machen
sie glänzen nicht mehr
verlaufen im Sand
reiben und scheuern
wund auf der Zunge

am Schweigen zerbricht
erstickt so viel
Ungesagtes
stürzt ins Nichts

wie eine Straße
die nirgends hinführt
die man dennoch weitergeht
gegen das Schweigen angeht

ich sammle einige Tannennadeln
im Flur auf sie sind weich
stechen nicht wäre dein Schweigen
doch auch so

könnte ich es einfach fallen
lassen
lautlos
ohne Widerhall

LV
27.12.2022

Bild von Dir

Ein Paket kam an
einen Tag vor Weihnachten
die Katzen schnupperten daran
behüteten es wie einen Schatz

die kleine schwarz-weiße setzte
sich darauf
meine Hand strich über die warme Stelle
Erinnerungen steigen auf
im Herzen wohlverwahrt

und im Paket dieses Bild
von dir und mir
in dunklem Rahmen
könnte ich es nur tauschen

ins Helle übergehen
mich an deine Funkelaugen halten
aus dem offenen Paket schaut
eine Katze heraus
graugetigert als lese sie meine Gedanken

die schwarz-weiße sieht verwundert aus
als ahnte sie
Du warst nie fort
und bist wieder zuhaus

LV
24./25.12.2022

Texte + Fotos: Lilli Vostry

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Für alle, die gern Post bekommen: Poesie-Briefe von Max Prosa

31 Samstag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Poesie, Musik, Projekte, Lebensart, Zwischenmenschliches, Aktuelles

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Briefe voller Leben

Auch 2023 gibt es wieder ein Gedichtabo des Berliner Singer- Songwriters Max Prosa mit überraschendem Inhalt.

„Zu fest bist du geworden,
trommelt dir der Regen,
zwitschern die Vögel dir zu,
„es reicht nicht, dass du
uns gerade noch hörst…“ –
Zeilen aus dem Gedicht „Zum Jahreswechsel“ vom Max Prosa. Es lag aber schon im August-Brief von ihm. Im Begleittext dazu steht, dass es sein ganz eigener Jahreswechsel war. Er schrieb dieses Gedicht am Vorabend seines 33. Geburtstages. Und stellte sich Fragen wie: „Bin ich noch auf dem Weg? Korrespondiert, was ich an jedem Tag tue, mit meinen inneren Wünschen?“ Seine Gefühle dazu stecken in dem Gedicht. Es ist doch egal, womit wir neu anfangen, schreibt er, der erste Tag davon kann immer der nächste sein, oder gar keiner. So gesehen, passt das Gedicht immer.

Nun ist das Jahr 2022 fast um. Vor einigen Tagen kam der zwölfte und letzte Poesie-Brief dieses Jahres von Max Prosa, einem Sing- und Songwriter in Berlin. Vor einem Jahr hab ich sein Gedichtabo im Internet gefunden und es sprach mich gleich an. Weil ich gern Poesie jeder Art mag, selber schreibe und gern Briefe bekomme. Leider schreiben heutzutage immer weniger Menschen Briefe. Nahe Menschen, mit denen ich mich schrieb, leben nicht mehr oder haben keine Zeit. Mit etwas Glück kommt mal eine Urlaubskarte oder eine Glückwunschkarte zum Geburtstag. So freute ich mich um so mehr, wenn wieder ein neuer Poesie-Brief von Max Prosa in meinem Kasten lag. Jeden Monat einer. Man weiß nie genau den Tag, wann er eintrifft. Um so größer dann die Überraschung, Neugier und Staunen, dass sie oft an Tagen kommen, wo man etwas Zuspruch und Aufmunterung gut gebrauchen kann und das Gefühl hat, da hat jemand an mich gedacht und verschickt etwas Schönes, das ich lesen, anschauen, mich anregen lassen und weiterdenken und träumen kann.

Nun liegen alle Briefe zum Jahresende vor mir ausgebreitet, draußen knallen und zischen die Silvesterraketen, ich blättere rückblickend in den Texten, Gedanken, Gedichten, Liedtexten, Bildern und kleinen Signets mit Hörproben von neuen Songs und Infos zu neuen Projekten des Sängers und Songschreibers. Immer geht es darin in mal poetischer Sprache, mal klaren und kraftvollen Worten um die Liebe zum Leben, allem Sein und wie wir es schaffen, die Welt zu einem schönen, besseren, friedlichen Ort für alle zu machen.

„Diese Briefe sind für viele Nahrung für die Seele, die wir brauchen, wie Nahrung für den Körper“, weiß Max Prosa. „Die Themen, die uns bewegen, scheinen sich selbst über Jahrhunderte kaum zu ändern. Es verändern sich nur Umstände, Gesichter und fast unbemerkt auch die Worte dazu. Als wären es jeden Tag andere, mit denen wir versuchen, dasselbe große Leben zu fassen.“

In Max Prosas Gedicht „Zum Jahreswechsel“ heißt es im letzten Vers:

„Schmelze dich ein
zum Jahreswechsel,
schmelze die fest
gewordene Form ein,
bevor sie unerbittlich
auf feine Herzen trifft.
Schmelze sie ein
während es noch dunkel ist,
den Kindern zuliebe und
in einem großen Ritual.“

Das neue Gedichtabo für 2023 von Max Prosa kann noch bis 31. Dezember 2022 bestellt werden. Mit etwas Glück geht es danach bestimmt auch noch. Da auch wieder Menschen für dieses Projekt gespendet haben, kann auch denjenigen, die sich aufgrund von steigenden Preisen im kommenden Jahr kein Gedicht-Abo leisten können, dieses dennoch ermöglicht werden. So dass jeden Monat wieder ein neuer Poesie-Brief mit offenen, erfrischenden und inspirierenden Gedanken und Texten in den Briefkasten geflattert kommt.

Das Gedichtabo kann man noch bestellen, allerdings nur noch ein paar Tage, bis die Umschläge gedruckt werden.
In dem Fall bitte schnell Bescheid sagen, 70€ per Überweisung oder Paypal an team@maxprosa.de und  per Mail die Adresse schicken.
Dann klappt das noch.

Text und Fotos (lv)

http://www.maxprosa.de/pages/gedichtabo

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Kurzgeschichte: Die Frau an der Haltestelle

30 Freitag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Kurzgeschichten, Lebensart, Zwischenmenschliches, Aktuelles

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Die Frau an der Haltestelle

Rings um die Haltestelle herrschte reges Gewimmel. Menschen stiegen ein, aus und um in die Straßenbahnen und Busse. Auf einer Bank saß eine Frau mit unbewegter Miene. Sie war um die Mitte 50, trug halblanges braunes Haar, einen schwarz-weiß gepunkteten Anorak, der offen stand und eine Bluse, die so weit geöffnet war, dass man tief in ihr Dekolleté sehen konnte. Der Anblick wirkte zugleich aufreizend und nachlässig. Es war ein sonniger Frühlingstag im Mai, aber die Luft noch kühl, so dass ihr nicht zu warm sein konnte.

Sie hielt den Blick gesenkt, ganz konzentriert auf die Pappbox in ihrer Hand aus einem Asiaimbiss. Es sah aus wie Glasnudeln mit Hühnerfleisch, die sie aß. Sie sah niemanden an und schien Zeit zu haben. Der Trubel schien sie nicht zu stören. Es war ihr angenehmer, dachte die Frau bei sich, mitten im Großstadtlärm, als den ganzen Tag allein zu Hause zu sitzen. Ihre erwachsene Tochter meldete sich kaum. Die vielen Bücher auf Schränken und Regalen waren ihr wie langjährige, gute Vertraute, zu denen sie jederzeit gehen, in ihnen lesen, still mit ihnen reden und ihren eigenen Gedanken nachhängen konnte, die sie nie verließen, immer da waren. Doch in letzter Zeit waren die Bücher fast nur noch Kulisse, lieblose Dekoration, die sie kaum anrührte. Wie sollte sie es jemals schaffen, all diese Bücher zu lesen oder genügte es ihr, sie um sich zu wissen, weil sie sich dann weniger allein fühlte.

Sie saß schon eine Weile auf der Bank, als sie plötzlich eine Stimme hörte:
“Sie sind genau die Frau, von der ich immer geträumt habe!“ „Was?!“, wunderte sie sich. „Sie sind mir ja Einer!“, sagte sie zu dem Mann, der vor ihr stand. “Bin ich der Eine, auf den Sie warten?!“, fragte er sie erfreut. „Nein! Einer von vielen. Träumen Sie weiter“, erwiderte die Frau an der Haltestelle.

“Einer von vielen“, wiederholte er. „Einer von vielen, die hier vorbeigehen, als ob ich gar nicht vorhanden wäre“, antwortete sie. „Doch ich bin ja stehengeblieben“, sagte der Mann. „Warum?“, fragte die Frau. „Weil Sie mir aufgefallen sind“, antwortete er. „Sie sitzen so ruhig und versonnen mitten im Trubel, als würde der Ihnen gar nichts ausmachen.“ Sie zuckte innerlich zusammen. Das Wort „auffallen“ klang für sie nicht wie ein Kompliment. Es hatte einen unschönen Beigeschmack, auch wenn das Wort „gefallen“ mit drinsteckte. Auffallen klang für sie verrucht. Aufsehen, Anstoß erregen.
Sie sah ihn einen Moment an. Die Augen leicht zusammen gekniffen, als wenn die Sonne sie blende. Was war er für ein Typ?

Gehörte er zur Sorte Getrennt, Geschieden, Verwitwet oder Verkorkst? Mehr Auswahl blieb nicht mehr in ihrer Altersgruppe. Sie war hin und her gerissen. Wer trinkt schon gern aus einer benutzten Tasse!, fiel ihr ein Satz wieder ein, den sie als Kind einmal von einer der Frauen in ihrer Familie gehört hatte. Es ging dabei eigentlich um das Vorleben, die Vorgeschichte eines Menschen. Dass man beim Kennenlernen nicht unbedingt gleich wissen möchte, wie oft der oder diejenige schon vergeben waren, liebten oder geliebt wurden. Das würden sie mit der Zeit schon selbst mitbekommen, erfahren. Die Gebrauchsspuren des anderen bemerken, sie mögen lernen oder gehen. Eine benutzte Tasse kann man abwaschen, dann ist sie wie neu, dachte sie. Bei einem Menschen geht das nicht.

“Kommen Sie mich einmal besuchen?“, riss der Mann sie aus ihren Gedanken.
Sie sah ihn schweigend an. Träumte sie oder stellte ihr wirklich jemand diese Frage. Sie zögerte. Gleich würde sie aufwachen. “Träumen Sie gerade?“, fragte der Mann die Frau an der Haltestelle. „Lassen Sie sich ruhig Zeit.“ „Wo wollen Sie denn hin? Und wo finde ich Sie?“, fragte sie ihn. „Ich wollte einfach ein wenig an die frische Luft, unter Menschen sein“, antwortete er. Er wohnte in einem Haus außerhalb der Großstadt, erzählte er ihr. Ein verfallenes kleines Schloss. Mit einem wild sprießenden Garten ringsherum. Sie werde es schon sehen. “Sind Sie oft an der Haltestelle?“, fragte er sie. „Es scheint, als ob Sie gern hier sitzen.“ Wenigstens merkt es mal einer, dachte sie still bei sich.

Es klingelte an der Tür. Die Frau von der Haltestelle stand vor dem hell gestrichenen, verfallenen Schloss, umgeben von einem wild verwunschenen Garten. Die ersten Knospen in den Bäumen sprangen auf. Der Mann öffnete und führte die Frau in einen Raum voller Bilder an den Wänden, einige lehnten davor. Figürliche Szenen und Porträts. Intensiv farbig und expressiv im Pinselstrich, oft nur schemenhaft angedeutete Gesichter, Gesten und Körperumrisse. „Sind die Bilder von Ihnen?“ „Ja.“ „Darf ich Sie malen?“, fragte er sie, „Sie sind doch geübt im Stillsitzen.“
“Na, Sie sind mir ja Einer!“, sagte sie verblüfft. „Was soll das denn werden?“
“Keine Ahnung. Wir werden sehen“, sagte er lächelnd. „Setzen Sie sich einfach so wie auf der Bank an der Haltestelle. Ihre Jacke und Bluse kann ruhig auch so bleiben.“ Sie sah an sich herunter. Erst jetzt bemerkte sie den weiten Ausschnitt. Verlegen strich sie mit einer Hand darüber. „Lassen Sie es ruhig. Das sieht reizend aus“, sagte er. „Was wollen Sie mit meinen Reizen!“, fragte sie energisch. „Ich finde es schön, wie selbstverständlich Sie damit umgehen. Es wirkt ganz natürlich und anziehend“, erwiderte er.

Das war ihr noch gar nicht aufgefallen. Wie sie sich anzog. Was sie mit ihrem Körper anstellte und wie sie auf andere wirkte. Wenn sie sich ihren Blicken aussetzte. Sie fühlte sich dann wie durchleuchtet bis ins Innerste und mied diese Blicke. Meist sah sie nach unten oder vor sich hin. Wenn sie jemand ansah, sah sie weg oder tat als bemerke sie es nicht. Es war wie eine Schutzhülle, die sie im Laufe ihres Lebens um ihren Körper gelegt hatte. Wenn ihr danach war, Wärme sie durchflutete, öffnete sie die Hülle ein wenig, fühlte den kühlen Luftzug. Wie ein inneres Aufatmen, Aufleuchten.
“Na gut, dann malen Sie mal los meine Reize“, sagte die Frau und setzte sich auf einen Stuhl vor der Leinwand.

Sie musste wohl einen Farbklecks ins Gesicht abbekommen haben, denn als die Frau wieder draußen vor dem verfallenen Gemäuer stand, lief ihr vergnügt ein Kind entgegen. „Du hast Farbe im Gesicht!“, rief es fröhlich. „Oh“, sagte die Frau. „Da bin ich wohl zu nahe an die Leinwand gekommen.“ „Ist es ein Bild von Dir?“, fragte das Kind. „Ja, ein Bild von mir. Doch ein anderer hat es gemalt“, erwiderte die Frau. „Kann ich mich auch malen lassen?“, fragte das Kind. „Kann passieren“, antwortete die Frau. „Wir können auch zusammen ein Bild malen.“ Sie gingen gemeinsam den Weg bis zur Haltestelle. „Wie heißt Du denn?“ Als das Kind seinen Namen sagte, stutzte die Frau. Sie wollte wissen, wo es wohne und wie es seiner Mutter gehe. „Mama ist viel auf Arbeit, Papa verreist. Ich bin viel allein und lese viel, da vergeht die Zeit schneller“, sagte das Kind. Mich hat sie schon fast vergessen, dachte die Frau, ich wusste gar nicht, dass sie ein Kind hat.

Die Tage vergingen. Sie saß fast täglich an der Haltestelle. Einmal sprach sie ein Mann an. Ob er sich neben sie setzen dürfe. Oder ob sie auf jemanden warte? „Nein“, erwiderte die Frau. „Der Platz ist wieder frei.“ Sie stand auf von der Bank. Sie hatte schon viel zu lange gesessen. Sie ging bedächtig, als lausche sie jedem Schritt nach. Mit leicht wiegendem Gang und tiefem Dekolleté. Der Mann sah ihr lange nach. Ihr Gesicht kam ihm bekannt vor. Sie erinnerte ihn an ein Bild, das er vor kurzem in einer Ausstellung gesehen hatte und das ihm aufgefallen war mit seiner lebhaften Farbigkeit und zugleich der spannungsvoll vibrierenden Ruhe, Sanftheit, Stärke und Sinnlichkeit, welche die Frau auf dem Bild verkörperte und wovon eine große Anziehungskraft ausging. Er wollte ihr nachlaufen und seine Eindrücke von dem Bild erzählen. Doch sie war schon im Gewimmel der Ein- und Aussteigenden an der Haltestelle verschwunden an diesem Frühlingstag.

Lilli Vostry
Geschrieben am 30.12.2022

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Premiere „Winterspeck“ in der Comödie Dresden

24 Samstag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Theater

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Knallhartes Trio der Besinnlichkeitsverweigerinnen: Drei sehr verschiedene Damen knebeln Santa Claus und entdecken Weihnachten für sich neu. Foto: Robert Jentzsch

Eine verrückt-komische Alternative für Weihnachtsmuffel

Mit reichlich schrägem Humor und Herzblut parodiert die Komödie „Wnterspeck“ scheinheilige Weihnachtsseligkeit. Zu erleben in der Comödie Dresden.

Alle Jahre wieder kommt der Heilige Abend. Doch nicht bei allen kommt Vorfreude auf. Drei Frauen entfliehen vor der verklärt romantischen Familienidylle unterm Lichterbaum, heimischen Fressorgien und Festtafelverhören und treffen aufeinander in Hardys Fitnessstudio als letzte Zuflucht in der Trash-Weihnachtskomödie „Winterspeck – Gans oder gar nicht“ von Lo Malinke. Die Premiere war am Mittwochabend in der Comödie Dresden.

Zwei Jahre nach der coronabedingten Spielpause kam die reichlich schräge, verrückt-komische Weihnachtskomödie unter Regie von Christian Kühn auf die Bühne. Ein kleiner Leuchtelch auf dem weißen Tisch und Lichterglanz hinter dem Schaufenster bilden die Kulisse im Sportstudio. Die Sportgeräte und der Sandsack sind das Mittel gegen Kummer- und Winterspeck der drei höchst verschiedenen Frauen. Sandra (krankhaft erfolgshungrig: Julia Alsheimer) trimmt ihren Körper zu flotten Klängen mit Gymnastikübungen und strampelt sich wie besessen auf dem Fahrradtrainer ab. Sie hungert, schreit auf bei Reizworten wie Schokolade und Braten und beißt heißhungrig in einen Deko-Lebkuchen aus Bauschaum. Das pralle Gegenteil von ihr ist Gudrun (reichlich überdreht: Mackie Heilmann). Sie bekam die Mitgliedschaft im Fitnessstudio letztes Jahr von ihrer Firma geschenkt und beschwert sich, dass sie noch kein Kilo abgenommen hat, ihr Schrittzähler ist meist Stand by. Gudrun ist Dauersingle, derb, direkt und flippt aus wie eine Furie bei jedem Anzeichen von Romantik oder Besinnlichkeit und verdrängt mit der rauen Art ihre Einsamkeit.

Mehr unfreiwillig platzt Karin herein, die auf der Fahrt zu ihrer Familie ausgerechnet den Geschenkekoffer stehenließ und aufgeregt mit der Bahn telefoniert, doch da meldet sich nur eine künstliche Ansagestimme. Humorvoll, kess, offen heraus und munter sächselnd, spielt die Rolle als weihnachtsgestresste Mutter und Oma die Schauspielerin Claudia Schmutzler, bekannt durch die Wendekomödie „Go Trabi Go“ (1991) an der Seite von Filmvater Wolfgang Stumph. Mit der Komödie „Winterspeck“ kehrt sie das erste Mal seit ihrer Jugend auf eine Bühne in ihrer Heimatstadt Dresden zurück und sorgt für reichlich Heiterkeit, wenn sie keuchend am Fitnessgerät rudert samt Einkaufstaschen, die wie Gewichte an ihren Armen hängen oder sie naiv selig lächelt als „Schaf“ in eine Decke gehüllt im Krippenspiel. Doch vorher fesselt und knebelt das knallharte Trio der Besinnlichkeitsverweigerungen Santa Claus, den Fitnesstrainer Hardy spielt (Benedikt Ivo) mit weiß blinkender Bommel im Mund. Auf Fitnessgeräten und Trampolin umherspringend, lassen sie zu Hardrockklängen ihren Frust heraus.

Im Kreis bei Kerzenschein erzählt jede von ihnen von Freud und Leid, Enttäuschungen und Trauer. Karin hat Panik hat vor dem ersten Weihnachtsfest ohne ihren Mann Tommy, will ihren Kindern nicht mit ihrer Heulerei das Fest vermasseln und sie will auch einfach mal nur die Karin sein und das tun, wozu sie  Lust hat. Sie essen Karins selbstgebackene, köstliche Speckschmalzstullen. Und sie entschenken sich, jede gibt ein ungeliebtes Geschenk in den Müllsack. Höhepunkt der Aufführung ist das flugs improvisierte Krippenspiel mit der Weihnachtsgeschichte für Senioren aus dem Pflegeheim. Einfallsreich und rasant komisch in Szene gesetzt, ziehen Maria und Joseph umher, schwebt Gudrun als Engel mit Flimmerkranz bibbernd vor Höhenangst am Seil.  Und liegt nach der frohen Botschaft Hardy als Jesuskind verzückt lächelnd in der Krippe. Nostalgische Weihnachtsmelodien mit Glöckchenklang und Glitzerkugel mit Lichtern, die wie Flocken tanzen, zaubern doch noch Weihnachtsstimmung und es wird warm um Herz. Auf der Bühne umarmen sich alle, tanzen ausgelassen und Weihnachtsmuffel Gudrun ruft Frohe Weihnachten! in den Saal. Viel Beifall für einen besonderen Theaterabend nach dem Motto: Weihnachten ist das, was wir daraus machen!

Text (lv)

http://www.comoedie-dresden.de

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Gruppenausstellung „Erotischer Advent“ in der Galerie Kunst & Eros

23 Freitag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Bildende Kunst, Lebensart, Zwischenmenschliches, Aktuelles

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Zeit zum Innehalten: Innigkeit, Verbundenheit und Halt strahlen die Zeichnungen und Paar-Plastiken von Konstanze Feindt-Eißner aus, die Galeristin Janett Noack in der Gruppenausstellung „Erotischer Advent“ zeigt.


Zarte, fragile, sich umarmende Körper und umhüllt von winterlichem Weiß. Erstmals mit ihren figürlichen Zeichnungen und Kaltnadelradierungen dabei ist die Künstlerin Rita Geißler in der Galerie Kunst & Eros (re, im Bild).

Opulente Sinnlichkeit und wunderweiße Pracht

Verlockendes für die Sinne in zarten und leuchtenden Farbtönen, fragilen, kraftvollen und witzig-frivolen Formen versammelt  die Gruppenausstellung „Erotischer Advent“ in der Galerie Kunst & Eros, Hauptstraße 15 in Dresden.

Ein nachtblaues Paar im Federkleid zeigt das Titelbild von Gudrun Trendafilov zur traditionellen Gruppenausstellung „Erotischer Advent“ in der Galerie Kunst & Eros, Hauptstraße 15 in Dresden (noch bis 28. Januar 2023 zu sehen).

Verlockendes für die Sinne in Malerei, Grafik und Plastik zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, von sieben zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus der Region und weiteren Gästen versammelt die Ausstellung. Traumversunkene und sich umarmende Paare, weiß umhüllte Körper, still ruhende, fragile, schwebende, springende und sinnende Figuren zwischen Tag und Nacht, Licht, Dunkel, Liebe, Frost, Wärme und Kälte. Pastellfarben, gelb und türkis leuchten die sinnlich lustvollen Paar-Bilder von Gudrun Trendafilov. Winterliches Weiß umschließt weich und sanft Körperumrisse, die fast verschmelzen mit der Landschaft in einem runden Acrylbild mit Kreide und in Kaltnadelradierungen von Rita Geißler. Sie stellt erstmals aus in der Galerie Kunst und Eros. Ihre Arbeiten berühren mit ihrer Zartheit und Kraft der weißen Flächen und feinen schwarzen Linien, ihrem schwerelosem Schweben. Rita Geißler ist vor allem durch ihre Landschaftsdarstellungen, die durch sehr sparsame, lineare Kontraste auffallen, bekannt.

„Bei ihr im Atelier sah ich die  figürlichen Arbeiten, auch Akte, alles Druckgrafik, die sie bisher kaum oder noch nie gezeigt hat. Ich wollte Mensch und die Landschaft zusammen führen“, sagt Galeristin Janett Noack. „Ebenso die Stille, Erotik und Melancholie, die erzeugt werden in den Bildern. Sie strahlen etwas Apartes, Ruhiges und Klares aus in ganz eigener Bildsprache.“ Mit ihrer wunderweißen Pracht füllen die Grafiken von Rita Geißler nun eine Bilderwand in der Adventsausstellung. Die grazilen, Nähe, Halt und Verbundenheit ausdrückenden Steinplastiken zwischen konkret und abstrakt der Bildhauerin Konstanze Feindt-Eißner passen wunderbar dazu. Wie das stehende Paar aus weißem Laaser Marmor, ein innig versunkenes Paar aus rosa Steatit und eine erdbraune bronzene „Lange Madonna“. Außerdem sind von Konstanze Feindt-Eißner neue farbige Zeichnungen mit archaisch reduzierten Figuren zu sehen, umgeben von pflanzlichen Formen und „Mit grünem Mond“, die weiße und rote Kugeln balancieren und weitergeben. In kraftvoll erdigen Farben und schwungvollen Formen zeigt Anita Voigt ihre Frauenakte, nach Modell gezeichnet und eine Serie bezaubernder „Nymphen“. Schönheit und Vergänglichkeit verbinden die Collagen von Udo Haufe wie „Das Mädchen und der Tod“ und reizvoll märchenhafte Adaptionen wie „Der Fisch und seine Frau“, auf dem sie reitet.

Witzig-frivole kleine Zeichnungen aus dem Nachlass von Horst Hille sorgen für Schmunzeln. Faszinierend die Grafiken mit filigranen Körperhüllen von Tina Wohlfarth. Farbenfroh und fantasievoll bemalte Keramik und kleine Figuren von Michele Cyranka stehen umgeben von goldenen Glocken und opulentem, bemaltem Porzellan, Vasen, Dosen und Schmuck, gestaltet von Janett Noack in purpur und in Lüsterfarbe schimmernd. „Es war ein bewegtes Jahr mit viel Farbe und Bewegung, das nun mit Besinnlichem ausklingt und ich freue mich auch auf das Knistern im Schnee“, so die Galeristin. „Ich hoffe, dass es so weitergeht, man viele Menschen trifft und sich nicht wieder zurückziehen muss, dass es lebendig bleibt.“

Text + Fotos (lv)

Geöffnet: Mo bis Sa von 11 bis 15 Uhr

http://www.kunstunderos.de

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Zauberhafte Welt: Der 25. Dresdner Weihnachts -Circus feierte Premiere

23 Freitag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Kultur, Musik, Projekte, Lebensart, Zwischenmenschliches, Aktuelles, Genießen

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Manege frei für den 25. Dresdner Weihnachts-Circus: Tollkühne Luftakrobaten, auf dem Hochseil tanzende und kletternde Artisten, hinreißende Tierdarbietungen, die von Mut, Vertrauen, Hingabe, Anmut und Eleganz erzählen wie Alexander Lacey mit einem Rudel von elf Löwen und Tigern, die schwungvollen Wirbelwinde aus der Puszta und drei mit Rüsselspitzengefühl sich bewegende Elefantendamen. Grandios, glänzend, großartig verzaubernde, internationale Zirkuskunst der Spitzenklasse. Noch bis 6. Januar 2023 zu erleben auf dem Volksfestplatz im Ostragehege.

Mehr Text zum Programm folgt.

Text + Fotos (lv)

Vorstellungen täglich14 und 18.30 Uhr.

Heiligabend nur 14 Uhr

Zusatzvorstellungen am 23., 27. und 29.12. sowie am 2. Januar um 10 Uhr.

Zum 25. Ökumenischem Gottesdienst unter dem Motto „Gott ist auch in der Manege“ mit Geistlichen verschiedener Konfessionen, Artisten und Zirkusleuten, die Programm-Ausschnitte zeigen, sind BesucherInnen herzlich eingeladen am 26.12.,10 Uhr im Chapiteau des Dresdner Weihnachts-Circus auf dem Volksfestplatz im Ostrageghege. Eintritt frei.

http://www.DWC.de


Katzen unter sich…

Streicheleinheiten für eine Löwin…

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Abschiedskonzert von Ludwig Güttler beim Festival Sandstein & Musik in der St. Marienkirche in Pirna

23 Freitag Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Lebensart, Musik, Projekte

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Lichtvolle Kraft der Musik

Kerzen und Bläserklänge funkelten bei der „Bläserweihnacht“ mit Ludwig Güttler und seinem Blechbläserensemble in der St. Marienkirche in Pirna. Mit den beiden Konzerten verabschiedete der Startrompeter sich zugleich vom Festival Sandstein und Musik.

Die Kerzen am Adventskranz vorm Altar und beidseits der Zuschauerreihen funkelten mit den lichtvollen, tröstenden, wärmenden, hoffnungsfrohen und kraftvollen Klängen bei der „Bläserweihnacht“ mit Ludwig Güttler und seinem Blechbläserensemble am Sonnabend in der St. Marienkirche in Pirna.
    Nahezu ausverkauft waren die 1 200 Plätze beim Abschlusskonzert des 30. Festivals Sandstein und Musik unter dem Motto „Saat und Ernte“. Mit den beiden Konzerten am zweiten Advents-Wochenende in dem prachtvollen Kirchenbau gab der Startrompeter und langjährige künstlerische Leiter von Sandstein und Musik gleichzeitig seinen Abschied von der Festivalbühne. Im kommenden Jahr wird er 80. Güttler kam mit Gehhilfe und in der anderen Hand seine Trompete haltend herein unter herzlichem Beifall des Publikums. Etliche Musikfreunde zückten in der Pause ihre Handys für ein Erinnerungsfoto mit dem namhaften Musiker, der ruhig und gelassen auf seinem Stuhl saß und in den Partituren blätterte.

Gemeinsam im Halbrund sitzend, musizierten Güttler und sein Ensemble mit Bravour und Hingabe eine faszinierende Mischung aus bekannten und selten gespielten Liedern und Chorälen zur Weihnachtszeit aus verschiedenen Jahrhunderten und unterschiedlichen Blickwinkeln. Zu hören waren helle, klare, feierlich erhabene, beschwingte und zart besinnliche Stücke, gegliedert in mehrsätzige, geschlossene Abschnitte (Partiten) für Blechbläser, Posaunen und aufrüttelnde, unruhevolle Paukenschläge. Begonnen bei Musik der Renaissancezeit von Pietro Torri, Wilhelm Friedemann Bach, Johann Crüger, Antonio Vivaldi, Johann Sebastian Bach über Variationen zu „Tochter Zion“ von Ludwig van Beethoven und Georg Friedrich Händel bis zu „Es ist ein Ros entsprungen“ von Michael Praetorius, einem der bekanntesten Weihnachtslieder als Höhepunkt des Konzerts. Zuerst als Sinfonia für Solotrompete und vier Posaunen gefühlvoll gespielt, bewegte Güttler das Publikum zum Mitsingen, das aufstand und gemeinsam von dem Blümlein sang, das mit seinem hellen Schein die Finsternis vertreibt.

Reichlich Beifall und Blumen gab es zum Schluss für das Konzert und Lebenswerk von Ludwig Güttler. „Es ist erstaunlich, was er leistet. Nicht nur mit seiner Musik, sondern auch seinem Einsatz für den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden. Früher war es schwer, Karten für Konzerte mit Güttler zu bekommen“, sagt ein 82-jähriger Mann aus Berggießhübel begeistert vom Abschiedskonzert in der Marienkirche. Inzwischen hat er mehrere Kassetten und CD`s mit weihnachtlicher Bläsermusik von Ludwig Güttler zuhause. Am Kirchenausgang konnten die Konzertbesucher in einen Instrumentenkoffer Geld spenden für die Förderung des Musikernachwuchses. Der Ticketverkauf für das Festival Sandstein und Musik im nächsten Jahr (vom 25. März bis 10. Dezember 2023) unter dem Motto „Im Fluss“  startete am 19. Dezember laut Veranstalter. 

Text + Fotos (lv)

http://www.sandstein-musik.de

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GeschichtenAbenteuer: Fantasius Firlefanz im Weihnachtsland

Hervorgehoben

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Kurzgeschichten, Lebensart, Poesie, Projekte, Zwischenmenschliches

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Märchentante & Geschichtenerzählerin: Die Kinder Klara und Artur sind schon gepannt auf neue GeschichtenAbenteuer mit dem kleinen Holzvogel Fantasius Firlefanz der Dresdner Autorin Lilli Vostry. Im neuen Jahr biete ich Schreib- und Geschichten-Werkstätten für Kinder in Dresden und Umland an. Interessierte Einrichtungen, Freizeittreffs und Eltern können sich gern bei mir melden. Foto: JN

Fantasius Firlefanz im Weihnachtsland
(Für Klara und Artur)

Etwas Weißes lugte unter dem geblümten Tischtuch hervor.
“Was war das?“, überlegte Fantasius Firlefanz. Eine Schneeflocke. Ein kleiner Schneemann gar oder ein weiß glasierter Pfefferkuchen? Er steckte seinen Kopf unter den Stubentisch und zwei gelbe Augen funkelten ihn an. Eine weiße Pfote reckte sich ihm entgegen. Auf dem Stuhl saß die grauweiß getigerte Jade und sah den kleinen Holzvogel aufmerksam an. Der flog lieber weg. Er wusste, was Katzen einmal in ihre Pfoten bekommen, lassen sie nicht so schnell wieder los. Sie spielen und erkunden eben gern. Auf dem Tisch in der Küche und in der Stube standen jetzt große rote Blütenkelche, Fichtenzweige und ein wundervoller Strauß mit weißen langen Blütenstengeln, Zweigen mit  roten Beeren und goldbemalten kleinen Äpfeln in den Vasen.

Fantasius staunte über all die wundersamen Dinge. Da musste etwas ganz Besonderes bevorstehen! Seine Augen leuchteten und sein Herz hüpfte vor Freude. Kerzenhalter mit Lichterengeln, ein kleines Pfefferkuchenhaus weiß verziert, aus dem duftender Rauch aufstieg und Spieldosen, aus denen fröhliche Weihnachtslieder erklangen, standen da. Auf einer Schokoladendose weckte eine Abbildung Fantasius` Neugier. Dort saßen in verschneiter Winterlandschaft ein Mann in rotem Kittel, roter Mütze mit weißer Bommel, rotweißen Strümpfen und Stiefeln und eine Frau in einem zartroten Kleid und Flügeln am Kaffeetisch. Eine Kaffeetasse mit Sahnehäubchen, Kuchen und ein kleines Bäumchen geschmückt mit roten Kugeln standen darauf. Ein kleines Eichhörnchen saß auf dem Tisch und hielt eine Nuss im Arm. Eine große und kleine Eule kuschelten sich aneinander, ein Eulenkind lief Schlittschuh auf dem Eis. Ringsherum blinkten Sterne, schwebten Schneeflocken, ragten bunte Geschenkeberge in die Höhe und ein kleiner Vogel mit Bommelmütze flog ein Kistchen am Schleifenband haltend durch die Lüfte. „Oh, wie schön! Dort will ich hin!“, rief Fantasius Firlefanz freudig. Doch wo befand sich dieses Wunderland? „Könnt ihr mir den Weg zeigen?“, fragte Fantasius den kleinen Stoffelch, der einen rotweißen Schal trug und eine rote Nase hatte und den golden schimmernden Engel, die neben ihm auf dem Stubentisch, neben dem Computer, saßen. „Ja, wir kommen mit Dir“, sagten sie.

Sie winkten der Frau zu und flogen zum Fenster im Wintergarten hinaus. Von der wunderweißen Pracht war fast nichts mehr zu sehen. Die Bäume standen wieder dunkel und kahl. Raben krächzten heiser im Geäst. „Nanu, ein paar Tage vor Weihnachten kein Schnee?! Wo war der Winter hin verschwunden?“, überlegte Fantasius Firlefanz und beschloss ihn ebenfalls zu suchen. Vielleicht brauchte er auch eine kleine Verschnaufpause und saß mit bei dem Weißbärtigen im roten Kittel gemütlich am Tisch bei einer dampfenden Tasse Kaffee. Ein süßer Duft stieg in Fantasius` Schnabel. Sie flogen über einer Stadt mit vielen glitzernden Buden und Lichterketten, vor denen viele Leute standen. Es roch nach gebrannten Mandeln, Glühwein und allerlei Gebrutzeltem und Gebackenen. Eine goldene Krone funkelte an einer Lichterkette in der Luft. “Ist die für den Geschenkekönig?!“, staunte Fantasius. Er sah Menschen vollbepackt mit Taschen über den Markt und durch die Straßen eilen. Kaum einer blieb vor dem hohen Lichterbaum und der Krippe mit dem Kind stehen.

Sie waren schon weit geflogen. Der kleine Holzvogel hielt sich am zottligen Elchfell auf seinem Rücken fest und der Engel begleitete sie. Es dunkelte bereits als sie ankamen. Tief versteckt im Wald stand eine Hütte, aus der Licht schien. Hinter den Fenstern  sahen sie rote Zipfelmützen. In der Wichtelwerkstatt ging es emsig zu. „Die Wunschzettel für Geschenke werden jedes Jahr länger“, seufzte der Weihnachtsmann. Bloß gut, dass er so viele fleißige Helfer hatte. Er saß tatsächlich am Tisch beim Kaffee und neben ihm im zartrosa Kleid der Weihnachtsengel Rosalie. „Erfüllt ihr wirklich die Träume der Menschen?“, fragte sie Fantasius Firlefanz. „Wir geben uns alle Mühe. Doch viele haben das Träumen verlernt. Dann lassen sie sich schwer erfüllen“, sagte der Weißbärtige.

“Wie schön, dass ihr uns besucht. Seht euch nur um im Land der Wunder“, sagte lächelnd der Weihnachtsengel Rosalie. „Weißt Du, wo der Winter sich versteckt hat? Die Menschen wünschen sich so sehr eine wunderweiße Weihnacht“, fragte Fantasius sie. „Oh, vielleicht hat der Winter auch gerade genug von Schnee und Kälte und ist in den Süden gereist oder zu Besuch bei Frau Holle und macht es sich in einem ihrer Federbetten bequem“, erwiderte Rosalie. Vor der Hütte im Wald stand schon der Rentierschlitten des Weihnachtsmannes voller schöner Geschenke, Spielsachen und anderer zauberhafter Dinge bereit. Ein Engel reichte ihm einen rotbäckigen Apfel. Bald würde er  lustig glockenschellend mit dem Rentierschlitten durch die Lüfte zu den Menschen sausen am Weihnachtsabend. Hoffentlich blieb er nicht in einer Schneewehe feststecken! Wenn der Winter genug vom Ausruhen hatte und wieder mit eisigem Vergnügen durch die Lande brauste. Hui, wie gern würde Fantasius einmal mit dem Rentierschlitten durch die Lüfte fliegen. Doch vorher musste er doch zurück in die Stadt zu der Frau und den Kindern Klara und Artur und ihren Eltern, die ihn schon sehnsüchtig erwarteten und denen er gleich von seinem neuen Geschichten-Abtenteuer erzählen würde.

Lilli Vostry
Geschrieben am 21.12.2022

Kontakt: lilli.vostry@web.de

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Ein besonderer Kulturort: Das Buch „Noteingang“ aus dem NOTschriften-Verlag Radebeul erzählt seine Geschichte & einige Geschichten dieser Zeit

21 Mittwoch Dez 2022

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Kultur, Lebensart, Projekte, Zwischenmenschliches

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Eine Zeit voller Aufbruchsgeist, unkonventioneller und spontaner Ideen und Projekte: Der Mitgründer des „Noteingang“, Autor und Verleger Jens Kuhbandner lässt diese Zeit aufleben in seinem Buch über den schon legendären Kulturtreff in Radebeul-Altkötzschenbroda. Heute hat der „Noti“ sein Domizil im „Weißen Haus“, Kötzschenbrodaer Straße 60 in Radebeul. 

Kunstkneipe, Konzerte und Gemeinschaft

Zum 30-jährigen Jubiläum des „Café Noteingang“ erzählt ein Buch von Jens Kuhbandner  aus dem NOTschriften-Verlag spannend und kenntnisreich die Geschichte dieses besonderen Kulturortes.

Das Gelände war völlig verwildert und ein „geheimnisvolles Loch“ gab Rätsel auf. Die „Noteingängler“ haben ihr späteres, kulturelles Kleinod buchstäblich mit den Händen ausgegraben. Zum Vorschein kam der Eingang zu einem ehemaligen Rübenkeller, das historische Tonnengewölbe auf dem Grundstück des Familienzentrums in Altkötzschenbroda 20 wurde in vielen Arbeitseinsätzen der Noteingang-Gründer und Stammgäste und mit Hilfe von Fördermitteln neu aufgebaut. Doch angefangen hat alles in einem freien Raum im Lutherhaus der Friedenskirche Radebeul. Dort eröffnete das „Café Noteingang“ im Mai 1992 mit einem Kinderfest im Pfarrhof, und die Eltern konnten sich in dem neu eingerichteten Café-Raum umsehen.

„Die Kirchgemeinde wollte ein Café mit Kultur und ohne Alkohol und Nikotin, wir eine verrückte Kunstkneipe mit allem, was dazu gehört, also auch mit Alkohol und Nikotin. Am Ende stand der Kompromiss, besiegelt mit einem Vertrag“, schreibt Jens Kuhbandner über die Anfangszeit. Er wurde 1969 in Radebeul geboren, ist Mitbegründer des inzwischen schon legendären „Café Noteingang“ und war von 1995 bis 2002 Vorsitzender des gleichnamigen Vereins. „Es war d e r Kultur-Treffpunkt in Radebeul und es gab auch nichts anderes damals“, so Kuhbandner.

Über einen besonderen Treff in einer besonderen Zeit voller Auf- und Umbrüche, unkonventioneller, spontaner Ideen und Projekte erzählt lebhaft, locker, spannend und teils zum Schmunzeln das Buch mit dem Titel „Noteingang“ – Geschichte und Geschichten (1992 – 2002) von Jens Kuhbandner, in einer Auflage von 300 Exemplaren erschienen zum 30-jährigen Jubiläum des „Café Noteingang“ in diesem Jahr in seinem NOTschriften-Verlag Radebeul. In dem Buch schildert der Autor und Verleger  seine Erinnerungen an diese Zeit, episodenreich und mit vielen Fotografien und Zeitungsartikeln aus seinem Archiv.

Auf dem Buchtitel prangt das Notausgang-Signet mit gespiegeltem Männel rot auf schwarzem Grund. „Es symbolisiert kein Wegrennen, sondern Eintreten entsprechend unserem Namen und Motto: ,Hast du kulturelle Not, dann komm zu uns!`“, so Kuhbandner. Die Symbiose aus „Noteingang“, Kneipe, Konzerten und Kirchgemeinde und Anwohnerbeschwerden wegen lauten Feiern konnte auf Dauer nicht gut gehen. Einen Ausweg aus diesem Zwiespalt bot die Familieninitiative , kurz „Fami“ genannt, die für ein entstehendes Familienzentrum einen maroden Bauernhof in Altkötzschenbroda gekauft hatten und mit der Sanierung beschäftigt waren. Aus dem dort freigelegten Rübenkeller wurde ein Treffpunkt für junge Leute und Kulturinteressierte mit dem „Noteingang“ e.V. als Trägerverein eingerichtet.

Am 6. Oktober 1995 wurde die Eröffnungsparty im historischen Tonnengewölbe mit seinem urigen Flair gefeiert. Es gab ein breites Programm von Kino, Konzerten, Ausstellungen, Lesungen, Theateraufführungen, Dia-Vorträgen, thematischen Partys bis zu kulinarischen Länderabenden. Die ebenso illustre wie beeindruckende Veranstaltungs-Chronologie des „Noteingang“ steht im Anhang des Buches. Die Blues-Legende Lousiana Red spielte im Sommer 1996 im „Fami“-Hof und sorgte für einen Besucherrekord, außerdem der Rockaußenseiter Kevin Coyne.

Der damals noch unbekannte Komiker Olaf Schubert (mit bürgerlichem Namen Michael Haubold) trat mit einem seiner ersten Programme in einem Nebenprojekt der Dresdner Kultband „DEKAdance“ als Schlagzeuger im März 1996 im „Noteingang“ auf. Tiefe Einblicke hinter die Kulissen ihrer wilden Mischung aus Rockmusik und witzigen Einlagen und die Nachwendezeit gewährt das Buch „Der Tisch der Frauen“ von DEKAdance-Kopf Bert Stephan.

„Es ist das erfolgreichste Buch mit 2 000 verkauften Exemplaren inzwischen in dritter Auflage im Notschriften-Verlag“, so Kuhbandner. Nach einer zehnjährigen innovativen Zeit verließ er den Noteingang-Verein und baute seinen Verlag auf. Geblieben sind Freundschaften, viele Bekannte und Erfahrungen. Das Buch über den „Noteingang“ hat er geschrieben für die Generation der heute 40-  bis 50-Jährigen, die dieser Kulturort nachhaltig prägte wie die Macher selbst und für Jüngere, die wissen wollen wie es war.

„Die es erlebten, erzählen und schwärmen heute noch von der großen Gemeinschaft, es gab keine Grenze zwischen Betreibern und Besuchern“, so Kuhbandner. Dies ist bereits sein sechstes Buch. Außerdem stehen Sachbücher, Regionalliteratur und Lyrikbände in den Regalen seines Verlagsbuchladens auf der Bahnhofstraße 19 in Radebeul. Darunter der Gedichtband „Wortfindungsstörung“, 2020 erschienen, von Annette Scheibner, der Tochter von Hanns Cibulka, der sich als einer der ersten DDR-Schriftsteller in seinem Werk kritisch mit Umweltzerstörungen auseinandersetzte. Zurzeit arbeitet Jens Kuhbandner an einem Buch über Reisen in das ehemalige Sowjetreich, erzählt von mehreren Autoren. Es erscheint zur Leipziger Buchmesse im April 2023,  für die er sich schon angemeldet hat. „Besondere Bücher kommen aus Radebeul“, steht als Motto am Ladeneingang. 

Text + Foto (lv)

Weitere Infos: http://www.notschriften.com

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GeschichtenAbenteuer: Fantasius Firlefanz fliegt zu den Sternen

Hervorgehoben

Posted by Lilli Vostry in Aktuelles, Kurzgeschichten, Lebensart, Projekte, Zwischenmenschliches

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Fantasius Firlefanz fliegt zu den Sternen


Die Sonne funkelte golden hinten den dunklen Bäumen, deren Umrisse wie Scherenschnitte aussahen. Hoch über den Baumwipfeln zog sie eine Spur aus Licht himmelwärts. Ein paar Vögel flogen auf. „Juchhe, ich will mit euch fliegen zu den Sternen!“, jubelte Fantasius Firlefanz, der Ritter der Lüfte. „Sie kennen bestimmt den Weg.“ Der kleine Holzvogel wackelte lustig mit den Flügeln. Er konnte es kaum erwarten, sich in die Lüfte aufzuschwingen wie die anderen Vögel draußen. „Hui, das wird ein Spaß!“ Dabei vergaß er ganz, dass der Anlass ein trauriger war. Fantasius wollte in der Welt hinter den Sternen Lola besuchen, die schwarze, gelbäugige Sternkatze der Frau und die anderen Katzentiere, die nun dort waren. Das Licht im roten Kerzenglas, auf dem zwei Katzen im Mondschein abgebildet sind, vor Lolas Bild flackert lebhaft. Als wolle sie ihre Zustimmung signalisieren. Dass sie die Idee gut findet und sich auf Fantasius freut. Dann sieht er, wie es ihr und den anderen Katzen hier oben geht und kann es der Frau nach seiner Rückkehr erzählen. Damit sie nicht mehr so traurig ist, da Lola nun fort ist.

“Hast du denn gar keine Angst, allein loszufliegen ? Was ist, wenn du dich verirrst oder es dir bei den Sternen so sehr gefällt, dass du gar nicht mehr zurück zu mir auf die Erde möchtest?“, fragte ihn die Frau. „Oh, daran habe ich bisher gar nicht gedacht“, erwiderte Fantasius. Er sah die Frau mit großen Augen erstaunt an. Seine Freude auf den Flug, von dem er schon lange träumte, war so groß, dass er kein bisschen ängstlich war. Dafür war er aufgeregt und neugierig auf die Reise, was er wohl erleben würde. Außerdem hat Fantasius ja magische Fähigkeiten, die ihn vor Gefahren und Schattenwesen beschützen. Doch er hat noch wenig Erfahrung damit. Die Frau sah zum Fenster des Wintergartens hinaus. Der Lichtstrahl verblasste allmählich. Graue Wolken zogen auf. Es war noch Nachmittag. Gerade 16 Uhr. Und dämmerte schon. Wie sollte Fantasius sich im Dunkeln zurechtfinden, dachte die Frau. Ein kleiner Vogel flog auf eine der Tannenspitzen, die vor ihrem Fenster wippten, sah kurz zu ihr herein und flog weiter. Das stattliche Tannenbaumpaar breitete seine Zweigarme weit aus. Viele Singvögel, auch Tauben und Elstern fanden hier Unterschlupf das ganze Jahr über. Sie flogen von Ast zu Ast, schaukelten, neckten sich, haschten und saßen nah beisammen im Schutz des Baumes bei Sonne, Wind und Regen. Wenn dicke, weiße Wattepolster auf den Zweigen lagen, funkelten sie in der Wintersonne wie Diamanten.

Seit gestern Abend schien der Vollmond wieder. Hell und klar, voll und rund, strahlte er in der Dunkelheit zwischen den Bäumen im Hausgarten hervor. Und die Frau strahlte mit ihm, ihr Herz ging auf und eine tiefe Sehnsucht ergriff sie. Sie sah ein paar dunkle Flecken am Mond vorbeihuschen und stellte sich vor, es wären Lola und die anderen Katzentiere, die da oben im hellen Schein saßen. “Jetzt scheint der Vollmond endlich wieder! Jetzt kann ich mich auf den Weg machen zu den Sternen“, sagte Fantasius. Er lächelte die Frau an, sie strich ihm liebevoll über den orangenen Schnabel, die Feder auf der Kappe und die Flügel. Dann brachte sie ihn zum Fenster, setzte Fantasius auf den Lichtstrahl, der herein schien und schon war er verschwunden.

Fantasius flog lange, mit unendlicher Lichtgeschwindigkeit hinauf in den Weltraum. Wolken segelten neben ihm her, Vogelschwärme in zeichenreichen Formationen, Flugzeuge. Sterne funkelten, fremde Gestirne und Galaxien. Ein Meer aus Lichtern und grenzenloser Weite. Wie sollte Fantasius hier Lola und die anderen Katzentiere finden? Plötzlich war er von strahlendem Weiß umgeben. Unzählige weiße Punkte schwirrten am dunklen Himmel. „Sind das Sternschnuppen?“, überlegte Fantasius. Wenn man sie sah, konnte man sich etwas wünschen. Doch es waren Schneeflocken, die glitzernd wie Sterne zur Erde schwebten und alles mit ihrer weißen Pracht überzogen. Alles Grau und Unansehnliche verschwand unter einer weichen Decke aus Schnee. „Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit…“, fiel dem kleinen Vogel ein bekanntes Kinderlied ein, das er bei der Frau gehört hatte. Sie sang es gern zur Weihnachtszeit und erinnerte sich an die Winter in ihrer Kindheit. Manchmal lag der Schnee meterhoch aufgetürmt am Wegrand und blieb viel länger liegen als heute. Dann holten die Kinder ihre Schlitten heraus und gingen zu einem Rodelberg, liefen Schlittschuh, schlitterten über gefrorene Pfützen und es gab Eisblumen an den Fenstern. Und der Schnee knisterte schön unter den Füßen.

Fantasius öffnete seinen Schnabel, ließ ein paar Schneeflocken auf der Zunge schmelzen und flog weiter hinauf in den Himmel. Er sah das Sternbild der Kassiopeia am Nordhimmel und am Osthimmel leuchtete das Siebengestirn der Plejaden, die sieben Sternschwestern lächelten Fantasius freundlich an. Dann wurde ihm auf einmal schwummrig vor Augen. Dichter grauer Nebel breitete sich aus und nahm ihm die Sicht. Riesige dunkle Schwingen und lautes, heiseres Krächzen umkreisten den kleinen Vogel. Es waren die Schattenvögel, in deren Reich er eindrang und die ihn nun verfolgten. Fantasius wurde Himmelangst und Bange. Die Schattenvögel konnten mit ihren spitzen Schnäbeln seinen kleinen Holzkörper durchstoßen. Dann könnte er nicht mehr fliegen, würde erfrieren und wie einer dieser dunklen Gesteinsbrocken zur Erde fallen und zerschellen. Dann würde die Frau vergebens auf Fantasius warten. Und auch die kleine Betti, die so gern wissen wollte, was der kleine Holzvogel als nächstes macht, würde dies nie erfahren. Sie wohnt in einer kleinen Stadt an der Elbe. Die Felsen dort sind so hoch, dass sie fast an den Himmel heranreichen.

Fantasius seufzt beim Gedanken, dass seine Reise zu den Sternen schon wieder vorbei sein soll. Er versucht Luft zu holen und merkt, dass es ihm schwer fällt. Ein Brennen im Rachen und heftiger Husten schütteln ihn. Seine Kraft lässt nach. Er verliert an Höhe. Gleich wird er abstürzen. Wenn nicht ein Wunder geschieht. Fantasius hört ein leises Flügelrauschen hinter sich und spürt, wie ihn jemand hält. „Wer bist du ?“, fragt er. „Ich bin dein Schutzengel, der auf dich aufpasst und immer in deiner Nähe“, erwidert das Wesen, das zart wie eine Schneeflocke schimmert und Flügel trägt. Fantasius kann es kaum glauben. „Dann hast du ja noch mehr magische Fähigkeiten als ich und kannst mir einiges beibringen“, sagt er staunend. „Ich habe mich verirrt. Kannst du mir den Weg in die Welt der Sterne zeigen?“ Der Schutzengel hört es und nickt. „Ich begleite dich zu Lucina. Sie ist die römische Mondgöttin und Lichtgöttin. Sie bringt das Licht und die Kinder ans Licht der Welt“, sagt der Schutzengel. Und sie fliegen zusammen los. Fantasius trägt jetzt einen dicken, himmelblauen Wollschal um den Hals und fliegt auf einmal viel leichter. Am Sternentor angekommen, erwartet sie Lucina schon. Gleißendes Licht umfließt ihre grazile Gestalt. Auf dem Kopf trägt sie eine Mondsichel und ihr Körper strahlt hell wie Perlmutt und Mondstein. In den Händen hält Lucina ein warmes, gelbes Licht

„Das trifft sich ja gut“, sagt Lucina, „dann könnt ihr unser Lichtfest mitfeiern.“ Das Fest der Göttin Lucina, auch als heilige Luzia bekannt, wird in skandinavischen Ländern am 13. Dezember gefeiert. Sie verkörpert die Wiedergeburt der Sonne und des Lichts und die Frauen tragen bei dieser Feier Lichtkronen. Fantasius` Augen leuchten. Er spürt die Kälte und Dunkelheit um ihn herum nicht mehr. Alles erscheint ihm hell, strahlend und schwerelos leicht. Fantasius sieht Lichthüter, Sternbewohner und durchsichtige Lichtwesen, die Seelen der Menschen und Tiere und ihre geflügelten Begleiter. Sie schweben frei im Raum. Das Wissen und die Erinnerungen an ihr Erdenleben sind in ihren Energiekörpern gespeichert. Die Mensch- und Tierseelen können sich überallhin bewegen, ausbreiten, ausdehnen, in die Gedanken und Träume der Menschen schauen, ihnen Zeichen geben, mit ihnen innerlich reden und ihnen im Herzen weiter nahe sein. Doch wie soll er unter diesen vielen Seelen Lola wieder finden?, überlegt Fantasius. Er bittet die Lichtgöttin Lucina ihm zu helfen. Sie führt ihn zu ihr und den anderen Katzen, Paul, dem Draußenkater, Madame Blanche und einigen roten Katern. Angst vor ihnen hat Fantasius keine, auch wenn er ein Vogel ist. Die Tierseelen haben keinen Hunger und jagen keine anderen Tiere mehr, erlebt er. Sie streifen umher, frei, ohne irgendwo eingepfercht in einem Stall, Schlachthaus oder Tierversuchslabor zu leiden und enden, viele von ihnen sehen und genießen das erste Mal das Sonnenlicht hier oben.

Fantasius fragt sich, warum es auf der Erde nicht so hell und unbeschwert, sanft und friedlich zugeht wie in der Welt der Sterne. Warum die Liebe nicht für alle Menschen und Tiere wie eine warme Decke reicht. Warum die Liebe mal mehr, mal weniger stark ist. „Warum spüren die Menschen erst, wenn das andere Wesen nicht mehr da ist, wie sehr sie es vermissen und lieben?“, überlegt Fantasius. „Das wüsste ich auch gern“, sagt eine leise Stimme hinter ihm. Er sieht sich verwundert um. Und sieht direkt in die funkelnden Augen einer Sternkatze. „Bist du es, Lola!“, ruft Fantasius erfreut. Das gelbäugige Wesen mustert ihn neugierig, als es den Namen hört. „Ich lebte lange bei der Frau, die mir diesen Namen gab. Eines Tages wachte ich auf und war ganz woanders“, erzählt die Sternäugige. „Ich suchte überall nach ihr, wartete und vermisste sie. Bis heute.“ Sie vermisst dich auch sehr und schaut abends immer in den Sternenhimmel und denkt an dich und die schöne gemeinsame Zeit, sagt Fantasius. Und Lolas Augen leuchten, fast noch mehr als auf dem Bild vor dem roten Kerzenlicht, das auf dem Schreibtisch der Frau steht. „Sag ihr, es geht mir gut hier. Ich sende ihr alles Licht, das ich habe und möchte, dass sie glücklich ist“, gibt die Sternaugenkatze Fantasius mit auf den Weg und mit Lichtgeschwindigkeit fliegt er zurück zur Erde, um der Frau alles von seiner Reise zu den Sternen zu erzählen. Und sie sieht den kleinen Vogel mit warmem Lächeln an.

Text + Fotos: Lilli Vostry
Geschrieben am 8. und 11.12.2022

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Lilli Vostry

Ich bin als Freie Journalistin (Wort/Foto) seit 1992 in Dresden tätig. Schreibe für Tageszeitungen und Monatsmagazine vor allem Beiträge über Bildende Kunst, Theater, soziale Projekte und Zwischenmenschliches. Außerdem Lyrik und Kurzprosa. Bisher vier BilderGedichtKalender zusammen mit Künstlern veröffentlicht. Fernstudium Literarisches Schreiben im Herbst 2022 erfolgreich abgeschlossen, Schriftstellerdiplom. Kindheitstraum erfüllt. Fotografiere gern Menschen, Landschaften, besondere Momente.

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