Vergangenheit bewältigen – Heimkinder in der DDR
Ausstellungseröffnung mit Zeitzeugengespräch in Kooperation mit der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V. am 10. Januar, um 18 Uhr in der Gedenkstätte Bautzner Straße 112a in Dresden.
Die Fotoausstellung „Vergangenheit bewältigen. Heimkinder in der DDR“ eröffnet am 10. Januar in der Gedenkstätte Bautzner Straße 112a in Dresden. Sie war bereits an vielen Orten zu sehen und machte auch international auf sich aufmerksam.
Ehemalige Heimkinder zeigen mit eigenen Fotoarbeiten die Realität der Heimerziehung in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR. Die Besucher der Ausstellung können die damalige Zielstellung und die Praktiken staatlicher Erziehung sachlich, emotional und in jedem Fall eindrücklich erfahren.
Die Erlebnisse in den Spezialheimen und Jugendwerkhöfen führten zu massiven Beeinträchtigungen der Lebenschancen und Entwicklungspotenziale der Betroffenen, die bis heute teilweise traumatisch nachwirken. In der Diskussion mit Zeitzeugen und den Ausstellungsmachern werden persönliche Erfahrungen reflektiert und die Fotoarbeiten vorgestellt.
Die Ausstellung wird bis Sonntag, 1. April 2018, in der Gedenkstätte gezeigt.
Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag 10:00 – 18:00 Uhr
Das Ausstellungsprojekt wird gefördert durch den Fond für Heimkinder der DDR, Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben unter der Schirmherrschaft der Anlauf- und Beratungsstelle Magdeburg, Sachsen-Anhalt
Text: Christine Bücher/Gedenkstätte Bautzner Straße
http://www.heimkinder-der-ddr.de
Biografie Thomas Senft
Flucht vom vermeintlichen Zuhause ins Heim mit neuem Leid für Körper und Seele
Thomas Senft ist einer der Initiatoren des Ausstellungsprojekts. Bei der Ausstellungseröffnung wird er anwesend sein.
„Mein Name ist Thomas Senft und ich bin im Harz, ganz in der Nähe von Thale zu Hause. 1962 wurde ich in Kropstädt (Landkreis Wittenberg/Lutherstadt) geboren und 1965 nach Aschersleben adoptiert. 1969 kam dann das eigene Kind der Adoptiveltern und fortan zeigte meine Adoptivmutter, wie man das fünfte Rad am Wagen ersetzt. Näher möchte ich gar nicht wirklich drauf eingehen, nur so viel, es war sehr oft so fürchterlich und zum Teil unerträglich, dass ich dann die Flucht vom vermeintlichen Zuhause ergriff. Letztendlich eskalierte das Ganze so, dass ich es vorzog, gänzlich im Heim zu bleiben und nicht immer nur kurzfristig. Und somit ging ich 1978 in das „Hanno-Günther–Heim“ in Aschersleben. Das war zum Teil auch nicht gerade das, was man unter Geborgenheit und Wohlbefinden versteht. Es artete dort dann doch des Öfteren richtig in seelischen, nervlichen und körperlichen Stress aus.
Erzogen wurden wir pädagogisch sicher von den Erziehern, körperlich gezüchtigt wurden wir von den Größeren, natürlich auf Geheiß der vermeintlichen Pädagogen. Und dennoch, war ich dort besser aufgehoben, als im Hause meiner Adoptiveltern. Auch wenn ich ihnen so manches zu verdanken habe und ich ihnen sicher auch in gewisser Weise dankbar bin, stellte ich mir unter einem liebevollen Elternhaus dann doch etwas ganz anderes vor und niemals eine nur auf einen einprügelnde Mutter.
1979 ging ich dann in die Lehre und somit nicht nur aus Aschersleben, dem Kinder- und Jugendheim fort, nein auch vom Hause meiner Adoptiveltern, welche ich seit diesem Zeitpunkt nie wieder besucht habe.
Ja und so zog sich der Faden des Heimlebens dann doch bis Mitte 1988 durch mein Leben. Erst Lehrlingswohnheim und dann das sogenannte Arbeiterwohnheim. Und dennoch war es ein Stück Freiheit im Leben, welches man genießen konnte, auch wenn man nun auf sich selbst gestellt war. Es war ein ganz neuer Abschnitt im Leben, der einen schnell sehr vieles für die unvermeintliche Zukunft lehrte und zum Teil heute noch lehrt.
Die Gründung einer eigenen Familie und die Geburt zweier Kinder waren ein Lebensabschnitt, der nun alles, was wir zuvor an Lebenserfahrungen sammeln durften und konnten, abrief und uns Eltern so einiges abverlangte. Auch dabei lernt man, dass das Leben eben kein Ponyhof ist und man ganz schnell auch als allein erziehender Vater klarkommen muss. Und siehe da, auch das hat geklappt und das Leben geht in jeglicher Hinsicht weiter und schenkt uns Tag um Tag neue Erfahrungen, die wir sammeln dürfen und können. Das war ein kleiner Auszug aus meinem Leben.
Nun wünsche ich uns allen, dass wir noch sehr, sehr lange unser Leben leben, gesund bleiben und all unsere Erfahrungen weitergeben und die Erfahrungen anderer Menschen annehmen dürfen und können.“
Quelle: www.heimkinder-der-ddr.de