Ein Stück zum Verlieben
Vom ersten Kribbeln im Bauch bis zum Zusammensein erzählt witzig-berührend das Stück „Blauer als sonst“ für Zuschauer ab zwölf Jahren auf der Studiobühne der Landesbühnen Sachsen in Radebeul.
Eine abenteuerliche Kistenlandschaft erstreckt sich auf der Bühne. Sie bietet Platz zum Verstecken, Herumlümmeln, Bekritzeln und Festhalten. Anfangs sind rhythmische Schläge wie lautes Herzklopfen aus dem Kisteninneren zu hören. Von dort kommen nacheinander vier Menschen zum Vorschein, ein Junge mit Kopfhörern, ein Mädchen, eine Frau und ein Mann. Sie alle kennen dieses Gefühl, wenn es im Bauch kribbelt, man wie berauscht ist und der Himmel BLAUER ALS SONST. So heißt auch das Stück von Eva Rottmann für Zuschauer ab 12 Jahren, das vom schwebenden Gefühl des Verliebtseins, von erster Liebe mit allen Verrücktheiten, Unsicherheiten, Höhen und Tiefen erzählt (Regie: Esther Undisz, Ausstattung: Irina Steiner).
Mit aller Spannung, Aufregung, Geheimnissen und Überraschungen, wie sie Verliebte egal welchen Alters erleben, erzählt die Aufführung von gerade entflammten, aber auch von vergessenen und verlorenen Gefühlen, die wieder aufsteigen. Die Premiere von „Blauer als sonst“ war unlängst auf der Studiobühne der Landesbühnen Sachsen in Radebeul. Da lernen sich der schüchterne Finn (Felix Lydike) und Jule, die hübsch und irgendwie anders als die anderen ist (eigensinnig: Theresa Winkler) näher kennen. Er ist gerade mit seinem Vater (lässig mit weichem Kern: Alexander Wulke) in eine andere Stadt gezogen und alles ist neu für ihn. Nach einem Vokabeltest treffen sich Finn und Jule im Stadtpark, essen Eis und… küssen sich, erst zaghaft, dann intensiv und er hebt übermütig die Arme. Ein Gefühl wie Fliegen. Der Vater reagiert nervös und fragt vorsichtig, ob sie schon… Und ist erleichtert, als der Sohn ihm antwortet, dass sie das alles in der Schule haben. Bei diesen wenigen, andeutungsreichen Worten in puncto sexuelle Aufklärung ist Schmunzeln im Zuschauerraum hörbar. Einige Mädchen lachen laut, als Finn gleich am Anfang cool und ungeniert direkt einen Rap von Bushido singt. Während sein Vater mit gefühlvoll-wehmütigen Songs von den Beatles u.a. auf der Ukulele das kribbelig herzergreifende Geschehen begleitet.
Schön die Szene, in der Finn und Jule sich in einem mit Kreide gezeichneten Kreis auf dem Boden gegenübersitzen und befragen, was ihnen am anderen gefällt. Und wie Jule überlegt, wann und wo das erste Mal passieren könnte. Witzig, wie Finns Vater für ihn Kondome kaufen will und verlegen herumdruckst und Frau Seidel, die Besitzerin des Stadtparkkiosks ihn herrlich cool-abgeklärt abblitzen lässt (Julia Vincze). Sie erzählt von ihrem ersten Schwarm, wie sie sich in Frank verliebte, der nichts von ihr wissen wollte. Wie sie abnahm, nicht mehr übersehen werden wollte und Frank sie eines Tages endlich nach einem Treffen fragte.
Da weiß Finn bald nicht mehr, ob Jule ihn wirklich will, weil sie seinen „kleinen Freund“ noch nicht mal sehen und anfassen will, als er hinter einer Kiste die Hosen runterlässt. Sein Mitschüler Adrian nervt ihn ständig, wann es denn soweit wäre und er solle sich nicht abwimmeln lassen. Und prahlt, was er mit einem Mädchen schon alles angeblich anstellte. Die Umzugskisten wirbeln auf der Bühne durcheinander wie die Gefühle der jugendlichen Darsteller. Bei der Kioskbesitzerin, wo er eine Flasche Alkohol gegen seinen Liebeskummer klauen wollte, schüttet Finn sein Herz aus und sie erzählt ihm von Frank, der sie damals nachts allein im Schwimmbad sitzen ließ. Belustigt hört sie, als Finn wild entschlossen mit ihr am liebsten nach Russland abhauen und einen Kiosk oder Restaurant aufmachen will. Sein Vater scheint wie verwandelt, macht plötzlich Liegestütze, bestellt gut gelaunt Pizza für beide und springt unter die Dusche als habe er gleich ein Rendez-vous. Manchmal ist der Himmel eben blauer als sonst. Ein witziges, ehrliches und wahrhaftiges Stück zum Verlieben. Viel Beifall vom Premierenpublikum.
Text (lv)
Nächste Aufführungen:
28.1., 10.3., 6.4. auf der Studiobühne der Landesbühnen und am 7.4., 10 Uhr in Hoyerswerda/Kulturfabrik.