Foto: Detlef Ulbrich. Mit Philipp Otto, Anna-Katharina Muck, Jan Kittmann und Sarah Bonitz
Eine bitterkomische Schlacht der Gefühle
(erstmals veröffentlicht am 5.6.2016)
Eine Frau wie ein brodelnder Vulkan, Powerfrau und Femme Fatale zugleich steht im Mittelpunkt des Stücks „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ des amerikanischen Dramatikers Edward Albee. Berühmt wurde dieses durch Mike Nichols` Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton im Jahr 1966. Nun hatte Albees berühmte Höllenfahrt zwischen Liebe und Vernichtung am Sonnabend Premiere im Societaetstheater Dresden.
Die Hausherrin ist von schreiender Intensität wie die grell rot-orangenen Ölbilder an der Wand. Auf dem weißen Sofa und Sessel wird bitterkomisch und tief in dunkle Gefühlsabgründe geschaut in dieser Inszenierung unter Regie von Thomas Stecher. Die Hausbar steht voller Flaschen mit Hochprozentigem, wo Lust und Frust abwechselnd begossen werden.
Das lang verheiratete Paar Martha (unheimlich übermächtig und gefühlszerissen: Anna-Katharina Muck) und George (als duldender und zynischer Pragmatiker: Philipp Otto) kommt nachts von einer Uniparty ihres Vaters, dem Dekan, nachhause. Sie hat noch Gäste, Neulinge auf dem Campus, eingeladen ohne Georges Wissen. Ein junges, strahlend schönes Paar. Die nach außen naiv-unbekümmerte Honey (Sarah Bonitz) und ihr attraktiver und ehrgeiziger Mann Nick, der neue Biologieprofessor an der Uni (Jan Kittmann) geraten unversehens in die Beziehungsschlacht des älteren Paars und müssen sich selbst verdrängten Wahrheiten stellen. Jeder Satz trifft wie ein Pfeil mitten ins Herz und die wunden Punkte des anderen. Georges erschreckt die Frauen mit einem Gewehr mit vorn aufspringendem Regen- oder besser Rettungsschirm.
Für Lachen und Gänsehaut sorgen Spiele wie „Hämmere die Hausfrau“ oder „Blamier den Besuch“ mit gegenseitiger Machtprobe, Erniedrigung bis Partnertausch und Fremdgehen. Martha hat sich in ihrer Scheinwelt verbarrikadiert und beschimpft ihren Mann abwechselnd als Flasche, Versager und Nichts. Und er sie als lautes, vulgäres Ungeheuer und Schandschnauze. Das Ganze eskaliert vor den Augen des jungen Paars, als George im Zorn Martha fast erwürgt. Die Ängste von Männern vor starken, emanzipierten Frauen werden in diesem Stück grotesk dramatisch auf die Spitze getrieben. Allerdings stellenweise zu dick aufgetragen, das viele und wiederholte Schreien und Beschimpfen nervt bald nur noch. Es fehlt an Zwischentönen in den Dialogen. Großartig wird hingegen Schicht für Schicht die Maskerade der Paare messerscharf seziert, hinter die Fassade der Figuren geschaut und Illusionen und Lebenslügen aufdeckt. Dabei bleibt spannend in der Schwebe, wo Wahrheit und Lüge beginnen.
Am Schluss bleibt ein Scherbenhaufen bei beiden Paaren. Martha sitzt fast stumm in der Ecke, gesteht sich endlich ihre eigenen Ängste ein und erstmals keimt Mitgefühl mit ihr beim Zuschauen auf. George hält seine Hand halb abwehrend und zugewandt in Augenhöhe zu ihr. Herzlicher und auch erleichterter Beifall vom Publikum.
Die nächste Vorstellung ist am 6.6. um 20 Uhr, dann erst wieder ab September in der neuen Spielzeit.