Das Ensemble nahm das Publikum mit auf eine musikalische Reise voll wehmütiger Heiterkeit, viel Witz und Charme.
Möwen kreischen, das Abfahrtssignal ertönt. Der Kapitän zählt die Namen der Schauspielerinnen und Schauspieler auf. Nach sieben Jahren versammelten sie sich letztmals an Bord und gingen zusammen auf eine maritime Reise. Mit der Bühnenkulisse aus dem „Schiff der Träume“ nach dem gleichnamigen Fellini-Film, der letzten Inszenierung unter Intendant Wilfried Schulz, zogen das Ensemble und Gäste des Staatsschauspiels Dresden glänzend aufgelegt noch einmal spielend, singend und tingeltangelnd alle Register mit einem wunderbaren Abschiedslieder-Abend am vergangenen Sonnabend im ausverkauften Schauspielhaus. Mit der neuen Spielzeit wechselt Schulz ans Schauspielhaus Düsseldorf, einige Schauspieler gehen mit ihm, einige andere Wege und ein großer Teil der Mannschaft bleibt hier.
Vom Schiffsbauch bis zum luftigen Oberdeck mit Vollmond und mal strahlend blauem, mal tiefrotem Bühnenhimmel nebelumwallt, wandelte eine bunt schillernde Figurenschar in Abendroben umher und zeigte sich, wie sie das Publikum kennt und liebt, die Wilden, Verwegenen, Weisen, Komödianten, Tragöden, An- und Aufrührer, Träumer und Hingeber, Suchenden… Mit heiterer Wehmut und wehmütiger Heiterkeit und viel Witz und Charme sangen sie, begleitet von exzellenten Musikern und Klängen von Pop, Swing bis Rockpoesie. Lieder über Abschied und Fortgehen, die schwerfallen und wehtun, weil man etwas aufgibt und zurücklässt, nicht weiß was kommt und das Leben als Reise, das immer neue Entdeckungen bereithält, erfrischt und belebt wie der Wind auf dem Meer.
Angefangen von der volksliedhaften Hymne „La nave va“ mit dem ganzen Ensemble über einen übermütig dunkle Geister vertreibenden, getanzten Song von Tom Waits „Everything goes to hell“ mit Tom Quaas und Ina Piontek bis zum packend-aufrüttelnden „Kanonensong“ aus der Dreigroschenoper – „eindeutig zu viel Testosteron!“, kommentierte trocken die so zierliche wie kraftvolle Rosa Enskat im schwarzen Overall und schmetterte ergreifend den Ohrwurm „You make me feel“.
Christine Hoppe überraschte mit dem sanft berührenden Song „Als ich fortging“ von Karussell. Hannelore Koch sang mit warmer tiefer Stimme ein Schlummerlied: „Niemand weiß wohin er fährt und wie lang es währt, was wird morgen…“ Und Yohanna Schwertfeger bat erst mit romantisch säuselnder, dann kratzig trotziger Stimme: „Mr. Sandman, bring me a dream“.
Über das schöne und anstrengende Schauspielerleben mit Hin und Herradeln zwischen Kleinem und Großen Haus, `nen großen Auftritt haben und Text vergessen, vormittags vor 800 Kindern spielen und in die Elbe pullern – „Das ist Freiheit“ und über den Theaterplatz fahren, Pegida, das ist Montag… sangen Yippie Yeah augenzwinkernd die zwei jungen Schauspieler mit Hut und bunten Hemden Jonas Friedrich Leonhardi und Benjamin Pauquet.
Mit poetischen, hypnotisch schönen Songs zu Shakespeare-Versen begeisterten Christian Friedel und seine Band Woods oft Birnam, und zusammen mit den Musikern von „Kante“ sangen sie aus seiner ersten Inszenierung am Schauspielhaus Dresden, „Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre“ von Goethe dessen Liedtext „Nur wer die Sehnsucht kennt“, gesanglich verstärkt durch Cathleen Baumann und André Kaczmarczyk. Der schwebte im schwarzen Trauerkleid mit Schleier auf einer Schaukel aus dem Bühnenhimmel, entblätterte sich zum glitzernden Entertainer, der mit viel Witz und Power das Publikum mitreißt und mit seiner besonderen Ausstrahlung schon eine Lücke hinterlässt, begleitet von den drei schrägen mitsingenden und tanzenden Matrosen-Girls Rosa Enskat, Cathleen Baumann und Matthias Luckey, der auch als komischer Countertenor glänzte. Dass nichts außer dem Herzen brennen möge und in die Tiefe stürzen außer Tyrannen, gab Thomas Eisen allen mit auf den Weg und dankte dem Publikum für die sieben wunderbaren Jahre. Mit einem heiter-bewegenden Liedermedley löste das Ensemble zuletzt symbolisch die Leinen für den Aufbruch zu neuen Ufern, begleitet von langanhaltendem Beifall, Jubelrufen und stehenden Ovationen des Publikums.
Nach der Abschiedsvorstellung beginnen nun umfangreiche Sanierungsarbeiten im Schauspielhaus. Die Wiedereröffnung ist am 29. Oktober. Im Kleinen Haus gibt es noch Vorstellungen bis 26. Juni und am 25. Juni ab 15 Uhr ein großes Abschiedsfest der Bürgerbühne vor dem Weggang von Wilfried Schulz, mit Live-Musik, Überraschungsgästen und vielen kleinen Aktionen für die Besucher.
Bevor sich der Vorhang im Schauspielhaus wieder öffnet, spielt das Staatsschauspiel Dresden an verschiedenen Orten in der Stadt. Ein Überblick über die neue Spielzeit erscheint demnächst hier. Schön neugierig bleiben…