Sommerabschied
Der Sommer schleicht
davon auf samtigen Pfoten
ein letztes Mal sonnenwarm
seidiges Katzenfell
an meiner Wange
die Sonnenblumen senken
ihre Häupter zur Erde
im verblassten Glanz
lichttrunkener Tage
rufen gelb runzlige Äpfel
vergebens: Schüttle mich
rollen ins Gras
zu den eingerollten Blättersegeln
im dämmrigen Kürbislaternenlicht
des Abendhimmels sprudelt
die Würze des Lebens nähert sich
Bacchus und sein Gefolge
mit klingenden Gläsern
(L.V., aus meinem ersten BilderGedichtKalender 2013)
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Letzte Liebe
Kraftstrotzend
wie eine überreife Frucht
rückt ein alter Adam
seinen Bierbauch zurecht
ans erschalffende Fleisch lehnt sich
seine Eva faltenschön
fragil im hellen Ballerinakleid
auf ewig dein
ruht ein Paar auf schlohweißen Laken
einander nah wie Philemon und Baucis
in atemloser Stille
die zerfurchten Hände ineinander verschlungen
wer wollte sie jemals lösen
bei ihrem gemeinsamen Gang aus dieser Welt
(L.V., 22.9.2012 anl. der Ausstellung „C`est la vie“ im Hygienemuseum)
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Sehnsucht
Sucht mich
Das Sehnen
Oder Sehne
Ich mich
Nach dem Suchen
Das mich
Immer wieder
Fort und
zu mir
Treibt
(L.V., 2012)
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Federlakenweißer Himmel
Federleichte Flügel
überspannen den Himmel
am Morgen
weiße Laken
getaucht in frühes Sonnenlicht
Darin versinken
mich von den Wellen
der Lust
davontragen lassen
(L.V., 2012)
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Wolkenfeuer
Ein Wolkengesicht sieht herab
mit apfelprallen Wangen
sie glühen vor Verlangen
der Wind verweht die zürnend
roten Wolkenwogen
ungerührt
(L.V., 2012)
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Erwachen
Aus Träumen erwachen
ist wie barfuß
über Scherben gehen
den Himmel nicht
mehr sehen
nicht fliegen
am Boden schwanken
mit umarmenden Händen
ins Leere greifen
(L.V., 2012)
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Bei Tageslicht
Wachgelegen
mit den Nachtschattenwesen
versickert der Schlafsand
stellt der Tag
sein Licht
scharf
auf jeden Winkel
in mir
als könnte ich ihm
nicht entgehen
(L.V., aus meinem BilderGedichtKalender 2014)
Freilassung der Wünsche
Kastanien glänzen auf den Wegen
wie Erdaugen
einige noch in Stachelschalen
sammle sie auf
und lasse sie liegen
auf dem Küchentisch
sehe die Wellenlinien
Risse und Brüche
auf den Gehäusen
dieses Jahr war ich
nicht am Meer
paradox: Wenn man seine Wünsche
loslässt
erfüllen sie sich
von selbst
(L.V., 7.10.2017)
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Im Ungefähren
Wir brauchen nur zugreifen
von deiner zu meiner Insel springen
warum tun wir es nicht
Halten uns auf im Ungefähren
unstillbaren Verlangen
kommen nirgends an
Willst du die Blüten inmitten der Brennesseln
winde sie aus dem Blätterdickicht
ihrer verborgenen Wünsche
(L.V., 11.9.2017)
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Weiße Pferde
Ich träumte von weißen Pferden
die am Nachtsaum grasten
eins flog nah über meinen Kopf
hinweg
ich sah ihm nach
eine schwarze Wand brach ein
in meinem Traum stand ich
auf dem Bahnsteig
Reisende stiegen ein und aus
ich suchte nach den weißen Pferden
und wusste nicht wohin
(L.V., 19.3., 2017)
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Herzwüste
Komm in meine Herzwüste
Bepflanz sie mit Küssen
Lass die Quelle sprudeln
Nimm deinen Helm ab
Zeig dich mir ohne Scharnier
Roll die Steine fort
Leg dich zu mir
Brenne und kühl mich
Zieh mir den Stachel
der Unverwundbarkeit
(L.V., 6.6.2017)
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Spiegelblick
Der Blick gleitet
in ein Spiegelrund
brunnentief
wachse ich in die Höhe
Berührt das Himmelblau
meine Fußspitzen
das Geflecht der Baumkronen
verwirbelt mein Haar
Bin verwoben
im Unten und Oben
Falle in das Nicht Sichtbare
Treffe mich hinterm Glas und
Überschreite den Spiegelrahmen
(L.V., 10.9.2012)
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Kleiner Falter
Sah einen dunklen Fleck
dann das Flatterding an der Wand
reglos hing es über der Landkarte
meiner Träume
der Laptop schlief schon
eine Nacht oder länger
lautlos wie unsere Liebe
verflogen mit der Zeit
oder fliegen wir mit ihr
über uns hinaus
bist du bereit auch unter
meine Flügel zu sehen
wenn sie sich nicht mehr öffnen
dachte ich als der Falter am nächsten Tag
immer noch an der Wand saß
scheute mich ihn zu berühren
herabfallen
zerfallen in Nichts zu sehen
gefangen im Schwarz
hob ich sacht seine Flügel an
der Falter flog sofort auf
flimmerte mich an
und verschwand durchs offene Fenster
sein Platz ist sonnengelb
Mein Schattenfalter fliegt draußen
und doch vermisse ich ihn
(L.V., 15.4.2017)
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Auf dem Weg
Die Nacht hat ihr
Kleid abgestreift
Elfenbeinweiß gibt sie sich
dem Tag hin der mir
zulächelt auf dem Weg
in deine Milchstraße
(L.V., aus meinem BilderGedichtKalender „Augenblicke“ 2015)
Texte + Fotos (lv)
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