Aberwitzige Träume am Abgrund

Aus Spaß wird Ernst, aus Traurigkeit Komik, wobei Traum und Wirklichkeit spannend in der Schwebe bleiben. Bilder voller hinterhältigem, schwarzem Humor und zeichnerischer Leichtigkeit, die mit der Fantasie und Fassungslosigkeit des Betrachters spielen, ihn zum Schmunzeln und Nachdenken herausfordern, zeigt Oskar Staudinger derzeit unter dem Titel „In fernem Land“ im Dresdner Kabarett Breschke & Schuch, Jahnstraße 5a unweit vom Bahnhof Mitte (noch bis 4. Januar zu sehen im Foyer und Saal). Es ist seine erste Einzelausstellung. Staudinger ist Kunststudent im fünften Studienjahr an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste.

Da er selbst oft ins Kabarett geht, lag dieser Ausstellungsort nahe. Die Tuschezeichnungen entstanden eigens für die kleine Bildergalerie bei Breschke & Schuch. Das Tragikomische, die Gemütlichkeit am Abgrund spiegeln seine Arbeiten, so Staudinger. Auch wenn er zunächst sehr ernsthaft und in sich gekehrt erscheint. Er sei ein fröhlicher Mensch, was sich auch auf die Bilder übertrage. Bei näherem Hinsehen spürt man aber auch. Für diese Art Humor braucht es eine gehörige Portion, auch negativer, Lebenserfahrung. Oskar Staudinger wurde in seiner Familie früh mit dem Thema Tod und Verlust konfrontiert, erzählt er, und musste damit umgehen lernen.  „Manche Kranke haben mehr Humor als andere Menschen. Manchmal ist er überlebenswichtig.“
In seiner Bilderwelt treffen heitere und schmerzliche Themen haarscharf aufeinander, oft zweischneidig und absurd auf die Spitze getrieben. Dass man halb belustigt und irritiert davorsteht und sich wünscht es wäre anders. Wie die Zeichnung mit dem Clownsballon, an dessen Gondel ein Erhängter schwebt. „Himmelwärts“, so der Bildtitel. Und ein Paar schaut gebannt und ungerührt zu, als sähe es einen romantischen Sonnenuntergang.

Oder das Bild mit der Putzfrau, die wie jeden Tag mit lächelnder Miene die Schuhe ihres Arbeitgebers blitzeblank putzt und nicht mitbekommt, dass er gerade vor ihr leblos in der Luft hängt. Ist das nun Verdrängen, Abgestumpftheit, Routine?! Wer ist ärmer dran? Der Typ im Anzug, der einem halbverhungerten Kind ein Buch mit dem Titel „Simplify your Life“ anbietet? Was veranlasste den selbstsüchtigen Selbstmörder, sich umbzubringen, bevor er die Katze fütterte, die auf seine Schuhsohlen blickt?! Oder das Bild mit dem süßen Eichhörnchen, das vor einer Granate hockt, schon auf den Zünder drückt und sich auf diese größte Nuss freut… Ein knuddeliger Teddy grinst bissig. Eine Nachteule hält arglos „Fingerfood“ im Schnabel.

Außerdem ist eine Serie ironischer Selbstbildnisse von Oskar Staudinger zu sehen. Darunter eins auf einem Steckenpferd reitend. „Der Sprung ins Ungewisse, der Glaube, dass man wie einst als Kind auf dem Besen reiten kann…“, kommentiert er lächelnd. Auf einem anderen Porträt begegnet ein Mann mit Hut im Schneesturm seinem nackten Spiegelbild. Auf einem weiteren Bild greift ein Mann nach einer statuenhaften, überhöht großen, unerreichbaren Schönen, die mehr schwebt als geht.

Seine surrealen Traumbilder sind geheimnisvoll und konkret zugleich. Sie spielen und parodieren pointenreich die Oberflächlichkeit des schönen Scheins, das Lächeln am Rand des Abgrunds. Oskar Staudinger malt und zeichnet im Stil des „phantastischen Realismus“ und ist ein großer Fan der Wiener Schule des Fantastischen Realismus der 1950er Jahre bis zur Gegenwart. Er porträtiert außerdem gern Menschen wie du und ich, illustriert gerade ein Kinderbuch und bereitet sich auf sein Diplom an der Hochschule vor.
Man darf auf weitere Ausstellungen dieses besonderen Malersatirikers gespannt sein.

Text + Fotos (lv)


Sprung ins Ungewisse: Oskar Staudinger stichelt gern mit seiner satirischen Malerei.

http://www.oskarstaudinger.com

http://www.kabarett-breschke-schuch.de

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