Eine verrückt schöne Abenteuerreise
Witzig-abgedreht und fantasievoll inszeniert mit schräger Klangfülle kam Wolfgang Herrndorfs Bestsellerroman Tschick nun auch als Road-Oper an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul heraus.
Bunt, flippig und verrückt wie das Leben selbst. So kommt „Tschick“, die Geschichte um zwei jugendliche Außenseiter auf großer Abenteuerreise daher. Die Road-Oper von Ludger Vollmer in der Librettofassung von Tiina Hartmann nach dem Bestsellerroman von Wolfgang Herrndorf hatte am Freitagabend Premiere an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul. Zuvor eroberten die Buchhelden schon kurz nach dem Erscheinen der Roadstory 2010 auch erfolgreich als Theaterstück von Robert Koall die Bühne im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden und zuletzt die Kinoleinwand in einer Verfilmung von Fatih Akin 2016.
Die Oper von Ludger Vollmer unter Regie von Sebastian Ritschel ist aufregend, witzig-abgedreht und fantasievoll, voller schräger Klänge in Szene gesetzt. Im Bühnenbild prallen bunte Graffiti, Sprüche und Totenschädel und noble Etikette aufeinander. Das Fenster mit dem Protzvorhang öffnet und schließt sich, hinter dem allerhand seltsame, skurrile Typen erscheinen, denen die zwei Ausreißer auf ihrer Tour im geklauten Lada begegnen. Tschick (Michael Zehe), der umtriebige, junge russische Spätaussiedler und der luxusverwahrloste Maik (Johannes Leuschner), vernachlässigt und verprügelt vom Vater (komisch-absurd: Hagen Erkrath), einem Immobilienspekulanten im Kampf gegen Naturschützer und überfordert mit der alkoholkranken Mutter (Stephanie Krone), brechen in den Sommerferien, ohne Handy oder Landkarte, auf in Richtung Süden. Alles erscheint ihnen größer, schöner und dreht sich um sie, wenn sie mitten durch große, flirrende Farbstrudel an den Bühnenwänden in ihrem Autoscooter-Gefährt von einem Abenteuer ins nächste düsen, welche Träume, Übermut, Ängste und Nachdenken über den Lebenssinn in schnellem Wechsel auslösen.
Sie treffen eine Gruppe gebeugte, farblose Rentner im Gleichschritt, eine schrecklich nette Großfamilie und einen hartgesottenen alten Kämpfer und das frech-selbstbewusste Punkmädchen Isa (Kirsten Labonte), das auf einer Müllkippe haust und den Jungs hilft, neues Benzin zu besorgen. Sie streiten, lachen, tanzen durch die Nacht in ferne Galaxien und betrachten das Marsinsektenkino am Sternenhimmel. Die Musik ist mal wild, grell, laut, dissonant und temporeich, dann wieder leise lyrisch, wehmütig und steigert sich im Laufe des Abends rockig-punkig und verlangt dem Publikum ebenso wie den Sängern und Musikern der Elblandphilharmonie Sachsen (Leitung: Hans-Peter Preu) viel ab hinsichtlich diesem Klangmix und dem schnoddrig deftigen Jugendslang. Begleitet wird die Reise von einem mitreißend singenden und agierenden Jugend-Chor und dem Opernchor der Landesbühnen, der akustisch allerdings streckenweise schwer zu verstehen ist. Eine spannende Inszenierung mit Anspruch, die polarisiert. Nicht alle Zuschauer blieben bis zum Schluss. Dennoch gab es viel Beifall vor allem für die jungen Hauptdarsteller.
Text (lv)
http://www.landesbuehnen-sachsen.de