Fotos (2): Sebastian Hoppe
Die Fesseln der Macht
Die eine trachtet der anderen nach dem Leben und dem Thron. Männer und Frauen begehren, benutzen und bedienen sich gegenseitig. Ein spannendes Spiel um Machtstrukturen und ihre Verstrickungen – ausweglos!?
Die einen sehen sie als neue Königin. Die anderen fordern ihre Hinrichtung. Ein hochspannendes Stück über Macht und ihre Abgründe ist das Drama „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller. Was kann man noch glauben, wenn die Grenzen von Freund und Feind, Recht und Willkür in einer Gesellschaft nicht mehr klar zu unterscheiden sind?
Das hinterfragt eindringlich in ebenso berührenden wie beklemmenden Bildern und packendem Spiel zweier starker, historischer Frauenfiguren die Inszenierung unter Regie von Thomas Dannemann im Schauspielhaus Dresden. Aus dem kargen Bühnenbild mit schwarzer, beengender Schräge tritt Maria Stuart (Anja Lais) hervor. Die schottische Königin suchte als Vertriebene Schutz in England bei Königin Elisabeth, ihrer Cousine. Doch die ließ Maria als Anführerin aufständischer Katholiken,die ihren rechtmäßigen Anspruch auf den Thron durchsetzen wollen, festnehmen. Schillers Drama schildert die Tage vor Marias Hinrichtung und er erfindet ein Treffen der beiden Kontrahentinnen.
Die Gefangene Maria Stuart steht im orangenen Overall mit Halskrause vor Elisabeth, aber nicht gramgebeugt, sondern stolz, selbstbewusst, zornig, aufbegehrend, verletzlich und verzweifelt. Fordert sie Gerechtigkeit und einen fairen Prozess und hofft bis zuletzt auf ihre Freilassung, da sie unschuldig sei. Nacheinander erscheinen Männer in Anzügen, die Maria Stuart befragen, ihr drohen, sie verhöhnen.
Das Geschehen begleiten surrende, schneidende, bedrohliche Klänge aus dem Hintergrund. Manchmal hört man laut den Atem der Gefangenen aus der Tiefe. Während auf der spiegelglatten, schrägen Bühne die Berater und Zuflüsterer die Königin Elisabeth (beeindruckend in ihrem Zwiespalt von Herrschen und eigenem Gewissen: Fanny Staffa) umkreisen und selbst nach der Macht gieren. Hasserfüllt fordert Baron von Burleigh (Torsten Ranft) die Todesstrafe für die Stuart als „Stifterin des Unheils“. Robert Dudley, Graf von Leicester (Ahmad Mesgarha) ist als Vertrauter und Liebhaber der Königin und einst auch von Maria Stuart zwischen beiden Frauen hin und hergerissen und verrät letztere, um seine eigene Haut zu retten. Mortimer (Lukas Rüppel) unternimmt alles, um sie zu befreien.
Ergreifend die Begegnung von Elisabeth und Maria im Gefängnis, ihr Ringen um Aufrichtigkeit und Menschlichkeit und Absage an Gewalt. Ein bewegendes und zeitlos aktuelles Stück über Machtstrukturen und –missbrauch, auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Me-Too-Debatte, und wie Männer und Frauen bis in ihre Beziehungen hinein damit umgehen. Viel Beifall.
Text (lv)
http://www.staatsschauspiel-dresden.de