Schneller Szenenwechsel: Wer spricht hier in wessen Namen? Foto: Sebastian Hoppe
Humorvolles Spiel um Macht und Magie
der eigenen Stimme
Wie viel Ich und Wir-Gefühl tut uns gut? Fragt die Inszenierung „In meinem Namen“ von Wojtek Ziemilski und Ensemble. Die Premiere war am Sonnabend im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.
Was geschieht, wenn andere für uns sprechen oder wir für andere? Wie viel bleibt dann noch von uns selbst übrig? Das erkundet experimentierfreudig, spannend, philosophisch und aberwitzig-komisch die Inszenierung „In meinem Namen“ von Wojtek Ziemilski. Der polnische Regisseur gewann 2017 das Fast Forward-Festival für junge Regie und damit verbunden war eine neue Inszenierung. Die Premiere war am Sonnabend im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.
Die Aufführung erzählt, was mit Menschen passiert, die sich unsichtbar fühlen. Drei Frauen, die über ein Casting gefunden wurden, sechs Schauspielerinnen und Schauspieler und vier Musiker gehen auf die Suche nach ihrem eigenen Ausdruck und Handlungsspielräumen in der Gesellschaft. Mittels Bewegung, Stimme, Klängen, Licht- und Schattenspiel erkunden sie ihre Wirkung auf andere ebenso wie Gehört- und Gesehenwerden. Als Kulisse dienen Stellwände voller Bilder, Ausgrabungsstücke und Gemälde aus dem Depot der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die hin und her geschoben, geöffnet und bespielt werden. Eine der Frauen, Sigrid Woehl, ist Archäologin und hält eingangs einen langen Monolog über wieder ans Licht geholte „Dinge, die nie sind, was sie sind, gebrochen und verletzt. Wir geben ihnen eine neue Existenz und Wahrheit.“ Mit leiser Ironie spricht sie für eine gefundene, kleine Tonfigur, verleiht ihr Macht und Magie. Eine Architektin, Jana Lenauer, suchte eine politische Vertreterin und durfte auf einer Podiumsdiskussion der Linken im Namen von Katja Kipping sprechen. Die Videoaufnahme wurde am 8. März aufgezeichnet. Jana Lenauer stoppt das Video und lässt die Schauspielerin Birte Leest stellvertretend für sich souverän, ruhig und charmant auftreten.
„Verstellt euch nicht, bleibt sichtbar!“, ruft sie ermutigend ins Publikum und bekommt Szenenapplaus dafür. Philipp Lux fordert die Zuschauer zu lauten Buh-Rufen auf, um den Widerstand gegen die Unsichtbarkeit zu erhöhen und liest berührende Texte von Mitspielerin Beate Schulz, die sie ihm hinter seinem Rücken zureicht. Mal erscheinen die Frauen in Goldrahmen im Mittelpunkt, mal tanzen sie ausgelassen zum schräg posaunten „Highway to hell“ von AC/DC. Mal steht Archäologin Sigrid Woehl im Hintergrund mit sich selbst redend, während ein Mann vorn in ihrem Namen um Gehör bittet. Mal isst sie genüsslich einen Schokoriegel in „eurem Namen“, mal agieren die drei Frauen als Fürsprecherinnen der Zuschauer, in schnellem Wechsel von Banalem, Alltäglichem und Gewichtigem wie politischer Haltung. Theater und
Wirklichkeit prallen absurd aufeinander. Köstlich die Szene mit Ahmad Mesgarha als lautstarker Chef in Feldherrenart, nebst Indianerhäuptling und Batman, die Architektin Jana aus dem Job drängen, da sie „zu emotional“ sei.
Grotesker Höhepunkt der Aufführung ist schließlich, als alle sechs Schauspieler gleichzeitig behaupten, Beate Schulz zu sein. Und außer Frage steht: Namen sind Schall und Rauch, Worte beliebig einsetz- und Personen austauschbar. Erst ihre eigene Stimme verleiht ihnen echte Identität. Viel Beifall für einen anspruchsvoll vergnüglichen Theaterabend.
Text (lv)