Zweisam

Als die Knospe aufsprang
teilte sie sich zweisam
öffneten sich die Blütenkelche
aus einem Stängel

Flimmerrot und Blütenstaub
fließt in mein gespaltenes Herz
die Blüten schaukeln
bei jeder Bewegung
wenn ich näherkomme
als würden sie gleich
herabfallen

LV
24.1.2019

Sonntagmorgen

Der Himmel voller
rosa Tupfen
die mich wach küssen
fern von dir
segle ich mit den Wolken
die wie Möwen auffliegen
ihre Flügel ausstrecken
nach mir

im Dickicht der Bettdecke
vergraben sehe ich
ihnen zu
wie die Wolkenflügel höher
und höher steigen
fliege ihnen nach

LV
20.10.2019

Leuchten

Ein einzelnes Ahornblatt liegt
auf dem Weg
abseits vom Blättermeer
reckt es seine orangeroten Spitzen

mir entgegen
ich hebe das Blatt auf
sein Leuchten
das ich lange vermisste
in meinen
und deinen Augen

LV
23.11.2019

Traum

Im Traum sah
ich dich
zurückgekehrt
von einer langen Reise
umarmten wir
uns lange

doch am Tisch saß
der Schatten eines anderen
ich schwankte
zwischen ihnen

LV
26.11.2019

Blättertanz

Die alte Weide trägt
ihr schönstes Blätterkleid
ein gelbes Schimmern und Wogen
der Zweige im Tanz
mit dem Wind

fliegen ihre Blätter
wie Segel
mit den Schreien der Vögel
grauen Wattewolken
golden eingefärbt am Horizont
wiegt die Weide
ihre dunkle Krone
müde von den Stürmen
ein Vogel setzt sich ins Geäst

LV
28.11.2019

Lichterblumen

Nachts erblühen
am Fenster gegenüber
die Lichterblumen
mit Herzklopfen
sehe ich sie
kein Geld der Welt
strahlt heller

ein Mann schaut aus dem Fenster
ob die Lichtergirlande hält
sehe sein Spiegelbild
hinter dem Glas
als ich aufwache
ist er fort

LV
2.12.2019

Die eine Rose
(Für meinen Vater)

Im Wintergarten steht die Zeit still
im wispernden Gräserrauschen
aus wärmeren Tagen
ranken wogen überwintern
meine Träume

sieht mich die eine Rose an
rot etwas verblasst
die du in mein Herz pflanztest
nach langer Zeit
es schien als wachsen
wir uns entgegen
ungeachtet der Dornen
die unsichtbar stachen

in der Rose seh
ich dich noch immer
die dunklen Geister
aus Kindertagen sind verbannt
in Asche verwandelt
dem Fluss übergeben
Wildenten flogen auf
der Mond steht hoch
über den Blätterschatten

am Morgen geht
die erste Blüte
am Weihnachtskaktus auf

LV
16./17.12.2019)

Tannen (Traum) Paar

Vor dem Wintergartenfenster
stehen zwei hochgewachsene Tannen
wie ein Paar
halten sie sich
an den Zweigen
wiegen ihre spitzen Häupter
schauen zu mir herein
aus dem Dunkel ins Licht
das sich im Fensterglas spiegelt
verdoppelt in die Nacht
hinaus strahlt zu den Tannen

ihr stilles Dasein
ihr filigranes Umfangen
in naher Weite himmeloffen
berühren mich

die Schatten verlieren ihre Schwärze
mit den wogenden roten Blüten
in meinen Händen am Weihnachtskaktus

LV
25./26.12.2019

Amaryllis
(Für meine Schwester)

Zuerst wagt sich ein kleiner Spross
aus der Erde
den Blicken verborgen
im Inneren
was dort wächst und werden will
begossen und behütet
in der Hülle
regt sich das erträumte Neue

über Nacht öffnet
sich die erste Blüte
eine Handvoll Liebe

LV
29.12.2019

Tanzende Schatten

Wenn du wiederkommst
tanzen wir wieder Tango
die Musik greift mir ans Herz
das Feuer deiner Schritte
steckt mich an

für einen Augenblick
vergessen die Schatten
die in mir nachhallen
in den Füßen
die gern leicht wären

wie ein Falter
der sacht auffliegt
und sich niederlässt
wie es ihm gefällt
der Gedanke wärmt mich
im Licht der Wintersonne

LV
29.12.2019

Lichtblick

Im Garten die hohen Bäume
breiten ihre dunklen Äste aus
als wollten sie auch einen Lichtstrahl
erhaschen
von dem grünen Zwerg
der auf der Wiese steht
ganz allein
vor sich hin funkelt
in der stillen Nacht
und mir sein schönstes
Lächeln schenkt

LV
29.12.2019

Abschied vom alten Jahr

Die Sonne kam noch einmal zurück
einen Augenblick schienen im Licht
hinter dem kahlen Geäst die Schatten blasser
und die hellen Momente des Jahres noch heller
als wollten sie mich noch einmal
umarmen

eingehüllt in weiche Wattewolken
die erhaben stehen über den Silvesterknallern
die hohl
wie die Poltergeister die sie zünden
zwischen den Häusern widerhallen
egal wen es trifft
denke an das kleine fellige Wesen
leblos am Straßenrand
das nirgends einen Ort fand vor dem Getöse

nicht um dunkle Geister zu vertreiben
das alte Jahr geht von selbst
was bleibt liegt an uns
ich zähle das Leben nicht mehr nach Jahren
fließe mit dem Augenblick
und der Ode an die Freude im Herzen

LV
31.12.2019

Himmelslicht

Der Himmel ein flammendes Band
als verbrenne die Sonne
in sicherer Entfernung
ein ergreifendes Schauspiel
fliegen die Blicke mit dem schwarzen
Vogelschwarm ins Feuerrot
vor dem Silvesterabend

in der Nacht fällt eine Himmelslaterne
alles Licht auslöschend auf ein Zoohaus
das lichterloh brennt drinnen eingeschlossen
die Tiere fast alle sterben
Menschenaffen, kleinere Affen,
seltene Vögel und Flughunde
Keiner dachte an sie
andere trauten sich nicht den Tieren
die Türen ins Freie zu öffnen
man kann ja nie wissen

ihre Blicke lassen mich nicht los
Massa der Gorillamann der sein ganzes Leben
im Zoo saß mit diesen tiefen dunklen Augen
fragend forschend und fassungslos
die sanfte Orangmutter Lea und ihr
wuscheliges Kind Suria
der verschmitzt grinsende Schimpanse Charly
und all die namenlosen Tiere

das Entsetzen ist groß nach dem Brand
im Affenhaus was würden die Tiere sagen
ihr Menschen habt den Schlüssel
zu euch selber verloren
sucht im Außen nach immer mehr
greift nach den Sternen
überseht euer inneres Licht

die Feuer greifen um sich
weltweit
Geld heilt keine Wunden

habt ihr vergessen was es heißt
Mensch zu sein

LV
6.1.2020

Bilder im Kopf

Ich trage Bilder
in Gedanken
im Herzen
mit mir herum
ungezügelt nicht
lieb gezüngelt
frei heraus

sie halten verhalten
sich in und außerhalb von Bilderrahmen
anderer
denken sehen
fliegen
über alle Grenzen
in die Welt
hinaus

LV
15.11.2019

Feuervogel

Nach den grauschweren Tagen
als der rettende Regen fiel
zu spät für die Tiere im Zoo
in der Silvesterfeuernacht
und den brennenden Wäldern Australiens
kehrt ahnungslos die Sonne zurück

ein großer Feuervogel
schwingt sich hinauf
in den Abendhimmel
sein Gefieder glänzt
in tausend Farben
über dem Fluss

LV
13.1.2020

Traum eines Tannenbaums

Ein kleiner Tannenbaum
leuchtet im Vorgarten
hinter dem Magnolienstrauch
in funkelndem Zwiegespräch
und träumt vom Frühling

doch schon nach Neujahr
war er verschwunden
lächelt sein Licht
mir nicht mehr zu
hinter kahlem Gezweig

LV
13.1.2020

Texte + Fotos (lv)

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