Zeichenreiches Zwiegespräch der Körperbilder: Die Lust am Zeichnen, Comics und plastischen Gestalten verbindet die beiden Künstlerfreunde Chris Löhmann und Olaf Stoy. Erstmals zeigen sie zusammen ihre Arbeiten in der Galerie Kunst & Eros auf der Hauptstraße 15 in Dresden.
Körpermalerei mit Akribie und Leidenschaft
Zeichnungen und Plastiken, in denen sich gestaltreich Liebe, Tod und Eros., Lebenslust und Abgründiges mischen, zeigen Chris Löhmann und Olaf Stoy in ihre gemeinsamen Ausstellung „Tete-à-Tete“ zurzeit in der Galerie Kunst & Eros in Dresden.
Zwei traumblaue Gesichter, bemalt mit weißen Blütenkelchen, voller Licht- und Schattengewächse, zeigt das Titelbild der Ausstellung „Téte-à-Téte“. Kopf an Kopf zeigen die Künstlerfreunde Chris Löhmann und Olaf Stoy neue Zeichnungen und Plastiken und lassen sich auf ein künstlerisches Zwiegespräch ein in der Galerie Kunst & Eros auf der Hauptstraße 15 (zu sehen bis 1. Juli 2023).
Pflanzliches und Figürliches sprießen, wuchern und umgarnen sich reichhaltig auf den blauen, bemalten Plastiken und detailreichen Zeichnungen. Liebe, Tod und Eros, Lebenslust und Abgründiges, Schockierendes stehen nah beieinander
in den paradiesisch-apokalyptischen Bildwelten von Chris Löhmann und Olaf Stoy. Eine reizvoll-spannende Gratwanderung, bei der Schönes und Bedrohliches allgegenwärtig sind, ist diese Ausstellung mit Arbeiten aus den letzten zwei Jahren. Zu sehen sind außerdem zwei Gemeinschaftsarbeiten der Künstler. Darunter ein großer weiblicher Torso „Die Venus von Hainsberg“ aus Ziegelton von Stoy, die Löhmann als Leinwand für seine intensive Körpermalerei diente und eine kleinere Büste mit dem Titel „Versenkung“, in denen sich üppig Blühendes und bleiche Vergängnis mischen.
Eine Amsel hockt am Bein der Venus. Eine Amselmutter schwirrt auch über dem Galerieeingang ungeachtet der vielen Besucher am Eröffnungsabend emsig hin und her, wo fünf Vogeljunge ihre hungrigen Schnäbel aus dem Nest in einem efeuumrankten Übertopf entgegen recken. „Sie brütet schon zum dritten Mal hier“, sagt Galeristin Janett Noack schmunzelnd. Immer etwas Überraschendes, Besonderes halten auch die Ausstellungen hier bereit. „Neu für Chris Löhmann war, einmal kein flaches Blatt Papier, sondern Plastiken mit Wölbungen und optischen Verzerrungen zu bemalen“, sagt Olaf Stoy. „Der Totenschädel am Bauch und Paradiesgärtchen ist genial. Tod und Wiedergeburt, alles dabei.“ Er brachte die Plastiken ins Atelier von Löhmann nach Königstein/Sächsische Schweiz.
Deren Königsblau und weiße Zeichnungen mit Acrylstift seien angeregt von Delfter Fayencen und Meißner Porzellan mit Zwiebelmuster. “Den Schwung hinzubekommen auch an den etwas unzugänglicheren Stellen und Zwischenräumen der Figuren war schwierig, doch ist gelungen wie man sieht“, sagt Chris Löhmann. „Das Sinnliche, Frische und Vergänglichkeit gehören ja auch zu meinem Sujet. Das macht das Schöne erst schön, da es die Limitierung, Begrenzung gibt.“ In seiner Paradies-Vorstellung gebe es auch das Dunkle. „Wenn diese Kontraste nicht wären, könnten wir das Helle auch nicht sehen.“
In Löhmanns Zeichnungen wimmelt es von grotesk surrealen Gestalten und oft tauchen Bildausschnitte wie alte Fotos, umrahmt mit Zackenrand auf. Ein leeres Zimmer, weiße phallusartig aufsteigende Wolken am Nachthimmel, davor kauernde Körper. Eine Badeszene. Ein Paar im hohen Gras und ein großes Herz freiliegend, ungeschützt. Vor einem verfallenen Waldhaus mit Graffiti liegt eine Frau nackt, halb eingerollt auf einer Decke auf der Wiese, hinter ihr ein halb zerrissenes Soldaten-Foto. Groß ins Licht gerückt ein Frauenkörper vor einer leeren, dunklen Fabrikhalle im Bild „Stromausfall im Freitaler Stahlwerk“. Ein ovales Selbstbildnis zeigt Löhmanns Kopf schlafend oder träumend auf der Wiese, aus der ein kleiner Totenschädel grinst. „Ich bewundere den Chris für seinen tollen, eigenen Grafikstil, den er traumwandlerisch beherrscht“, so Olaf Stoy.
Löhmann (35) begann als Streetartist in Dresden und Berlin und hat von 2013 bis `022 an der Dresdner Kunsthochschule bei Professor Bömmels studiert. Seit 2022 arbeitet er freischaffend als Künstler. Stoy (64) war als Formgießer, Retuscheur und Chefmodelleur in der Sächsischen Porzellan-Manufaktur in Dresden mit Sitz in Freital bis 2003 tätig und studierte von 1979 bis `81 im Abendstudium Grafik und Plastik an der Dresdner Kunsthochschule. Seit 2005 arbeitet er als freiberuflicher Künstler. Die Lust am Zeichnen und an Comics verbindet beide. Sie kennen sich aus der Freitaler Schaffenszeit seit 2015.
Letztes Jahr hatte Löhmann eine große Einzelausstellung in der Galerie der Georado-Stiftung in Dorfhain, die Stoy betreibt und dort sein Atelier hat. Von ihm stehen neben Löhmanns Bildern in der Galerie Kunst & Eros lustvoll-schelmische, farbige Plastiken wie „Die Schöne und das Biest“ mit Teufelshörnern, eine verführerische Dame namens „Rosenrot“, eine hohe grazile Porzellanfigur mit schwarzen Bandagen „Yoyo“ und eine kleine kokette Figur mit blauem Haar und Tätowierungen, die „Seeräuber Jenny“. „Wir haben das Figürliche gemeinsam und auch ein bisschen die Romantik, wobei bei mir auch immer etwas Morbides auftaucht, als Begleiterscheinung des Hellen“, sagt Chris Löhmann über Stoys Plastiken.
Zur Ausstellung gibt es eine Lesung „Dinge aus Nichts“ mit Gedichten zwischen Kunst und Eros von Olaf Stoy, begleitet von der Klanglaborantin Andrea Dorschner mit freien Improvisationen an ihrer E-Harfe. (Kartenreservierung unter Tel. 0351-8024785)
Text + Fotos (lv)
Geöffnet: Mo bis Sa 11 bis 15 Uhr
http://www.kunstunderos.de
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Eine Amsel taucht als Körpermalerei auf einer Plastik von Stoy & Löhmann auf. Und über dem Galerieeingang schwirrt emsig eine Amselmutter umher, die liebevoll ihre fünf Amseljungen füttert. Sie haben ihr Nest in einem Blumentopf. Fotos: Olaf Stoy