Kaum einer beherrscht heute noch die Kunst der Emailletechnik.
Der Radebeuler Günter Gläser (81) zeigt seine leuchtend farbenfrohe
Malerei auf Kupfer derzeit unter dem Motto „Farben aus dem Feuer“ in einer Ausstellung des Kulturvereins der Stadtbibliothek Radebeul e.V. im Kulturbahnhof auf der Sidonienstraße 1c.
Ein Fest für die Sinne erlebten die Besucher dort zur Eröffnung am vergangenen Sonnabend. Vor den Bildern mit südlichen Landschaften, Lavendelfeldern, blühenden Mandelbäumen, Mohnblüten und Sonnenblumen, Wollgras-Fantasie, Möwen-Flug und Visionen am Berg flossen alle Klangfarben des Lebens zusammen im mitreißenden Spiel der Konzertakkordeonisten Elena und Ruslan Kratschkowski.
„So etwas hatten wie hier noch nicht“, sagte Martina Kunath, stellvertretende Bibliotheksleiterin beeindruckt von den Bildern und Klängen. Der plastisch-vielschichtige Farbauftrag der Emaillebilder ähnelt Spachtelölbildern und die weich fließenden Übergänge erinnern an Aquarelle. Dazu halten sie über ein Menschenleben hinaus und sind wetterfest auch im Freien. Fasziniert vom Eindruck des Augenblicks und seinem Lebensmotto „Carpe diem“ entsprechend, verbindet Günter Gläser in seinen Werken künstlerische Ausdrucksfreude und handwerkliches Können, in denen er Erlebtes in der Natur und auf Reisen im Mittelmeerraum festhält.
Er betrachtet mal heiter beschwingt, besinnlich, nachdenklich bis ironisch auch das Leben, die Zeit und die Menschen im Wechsel der Jahreszeiten – mit aller Schönheit, Weite und Enge, Licht- und Schattenseiten. Da sieht man Tanzende und Musikanten in farbenfrohen Trachten, ein Paar Hand in Hand in „Spätem Glück“ und ein anderes in der „Midlifecrisis“, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Urwüchsige Kraft und Ehrfurcht vor der Natur und zugleich die Sehnsucht nach Balance spiegeln die Bilder „Vulkanausbruch“, „Monsterwelle“, „In der Wüste“ und „Alpine Visionen“. Über eine formreich bewegte Landschaft zieht „Das fliegende Jahr“.
Zu sehen ist in einer Bilderserie in der Ausstellung auch die Entstehung eines Steg-Emaillebildes auf Kupfer. Ein zunächst kahler Baumzweig rankt und blüht in immer feiner abgestimmten Farbnuancen auf vier Platten nach dem dritten, fünften, siebten und neunten Brand im Brennofen. Bis zu zehn Brände braucht es bis zum fertigen Bild. Mit bis zu 200 Farbtönen, jeder davon hat seine eigene Schmelztemperatur, arbeitet Gläser. Daher muss er sein Bild schon vorher genau kennen und den Werdegang akribisch planen. „Das Besondere dabei ist, dass die Bildgestaltung mittels der plastischen Steg-Emailletechnik brillante Lichteffekte hervorzaubert und langlebig ist im Gegensatz zu vielen anderen Maltechniken“, sagt Günter Gläser. Er wurde 1935 in Dresden geboren und stammt aus einer Handwerkerfamilie in dritter Generation. Er war bereits mit 20 Jahren Ingenieur für Wärme- und Gesundheitstechnik und erprobte schon in jungen Jahren in seiner Freizeit kunsthandwerkliche Arbeiten in Kupfer und Stahl am und im Bau in der väterlichen Werkstatt.
Seine erste Berührung mit Emaillebildgestaltung hatte Gläser 1973 im Atelier des Kunstprofessors Rudolf Sitte in Dresden. Dabei kommt ihm auch die Nähe zum Metallberuf entgegen. Seit seiner Pensionierung widmet sich Günter Gläser seit nunmehr über 15 Jahren ganz der so seltenen wie aufwendigen Emaillekunst mit viel Hingabe, Ausdauer, angeeignetem Wissen und Experimentierfreude. Anregen lässt er sich vom großen spanischen „Maler des Lichts“ des 19. Jahrhunderts Joaquín Soralla und seiner heutigen Schüler ebenso wie von den Impressionisten Robert Sterl und Werner Haselhuhn. Günter Gläser gibt seine Erfahrungen mit der Emaillekunst auch an Interessierte weiter. „Er hat mit die Emaillemalerei in seinem Atelier gezeigt, die viel Geduld und Erfahrung verlangt und ich konnte dort eigene Arbeiten probieren“, sagt Heinz Lindner, Keramikkünstler aus Gosterwitz bei Riesa. Für seine plastischen Materialcollagen aus Keramik und Eisen will er Emaille als farblich verbindendes Element einsetzen.
Die Ausstellung von Günter Gläser versammelt Emaillebilder aus den Jahren 2008 bis `016. Einige hat er schon an Sammler verkauft. Der Preis richtet sich nach der Bildgröße. Ein kleines Landschaftsbild ( 12 x 11 Zentimeter) kostet 250 Euro und bis zu 10 000 Euro ein großformatiges, mehrteiliges Bild von 1,20 x 1,60 Meter Größe inkl. Rahmen. Günter Gläser hat auch ein Buch über sein Leben und Werk geschrieben mit zahlreichen farbigen Abbildungen. Es erschien unter dem Titel „Erlebtes zwischen Schraubstock, Lehrbuch, Unternehmen und Emaille“ 2015 im Notschriftenverlag Radebeul und ist in Radebeuler Buchhandlungen u.a. erhältlich. Die Ausstellung in der Stadtbibliothek Radebeul ist noch bis 28. Oktober zu sehen.
Geöffnet: Mo, Di, Mi, Fr von 9 bis 19 Uhr
Text + Fotos (lv)