Rote Weihnachtsmützen, ein Feuerzeug in der Hand zum Aufwärmen und nachdenkliche Gesichter. Wie kann Weihnachten wieder zu einem Fest der Liebe, Freude und des Friedens werden? Fragen Thomas Schuch, Carsten Linke und Dániel Vedres in ihrem Satire-Programm „Spalt nun ist Weihnachtszeit“. Foto: Friedrichstatt Palast
Humorvoller Streit um politisch korrekte Weihnachtslieder
Weihnachten ist das Fest der großen Worte. Wühltische, Wirtschaftskrise, warme Wohnzimmer, widerliches Warten… Wie kann man den Heiligabend überhaupt noch feiern angesichts des täglichen Wahnsinns in der Welt? Das fragen in ihrem Programm Striezelmarktwirtschaft 2019 unter dem Motto „Spalt nun ist Weihnachtszeit“ die drei Kabarettisten Thomas Schuch, Carsten Linke und Dániel Vedres. Die Premiere war am Sonnabend im Dresdner Friedrichstatt Palast (ehemals Kabarett Breschke & Schuch) am Wettiner Platz.
Zum Kugeln komisch laufen Schuch und Linke mit Lamettakränzen auf dem Kopf in großen Ballons als Weihnachtskugeln umher. Als fröhlich-naiver Weihnachtsengel mit weißen Flügeln begleitet Dániel Vedres mit mal zauberhaften Spieluhrtönen und reichlich schrägen Klängen auf der Posaune, Flöten, Flaschen und am Keyboard durchs Programm. Da bricht ein Streit um altbekannte Weihnachtslieder aus, wie zeitgemäß und politisch korrekt, keinen ausgrenzend deren Texte und Botschaft heute noch sind. Knecht Ruprecht, der Alte, der die Rute auspackt – das klinge gewalttätig und sexistisch und da stecke der Rechte doch schon drin, poltert Thomas Schuch.
Und wo gebe es heute noch Kinder, die mit Äpfelchen glücklich sind? Da muss es schon Apple oder ein Tablet oder mehr sein. Statt dem Weihnachtsmann kommt nun das „Feiertagsmännel“ und aus Knecht Ruprecht wird ein „tariflich entlohnter Leiharbeiter“, der das „tolerante, aufgeklärte ADHS-Kind“ beschenkt.
Weihnachtsengel Vedres steckt immer wieder seinen Kopf durch den Adventskalender mit dem Bild der Frauenkirche und fragt, ob schon Weihnachten ist und er wird immer wieder grob hinter das Fenster zurückgestoßen. Statt „Oh du Fröhliche“ singen die Kabarettisten „Ich hasse dich und du hasst mich…“ im Chor mit dem Publikum. Sehr schwarzhumorig nehmen sie Hass auf Fremde und alle, die anders sind, auf die Schippe. Sie boxen, treten und heizen sich gegenseitig auf mit Klischees und Vorurteilen. Aus Bald wird „Spalt nun ist Weihnachtszeit“. Das Weihnachtslied rocken sie auf die derzeitige politisch radikale Spaltung im Land anspielend im Stil von Rammstein laut dröhnend, dass der Text im Lärm untergeht.
„Setz dich mal zusammen, wenn du dich dabei auseinander setzen musst“, kommentiert das Schuch. Alles andere als besinnlich, um so mehr würzig-witzig, wütend und wunderbar wortspielerisch bringt diese Striezelmarktwirtschaft zwischen Glühweinstand und einer im Kreis ratternden Spielzeugeisenbahn gegenwärtige Befindlichkeit im Land zwischen Verklärung von früher, diffusen Ängsten, Lamentieren über Missstände und nicht ändern und selber damit anfangen auf die Bühne.
In schnellem Rollenwechsel spielen Schuch und Linke kaltherzig shoppende Mütter, die ihr Kind im Auto vergessen, überforderte Polizisten, Betrunkene, die mangelnde Meinungsfreiheit beklagen und einen TV-Reporter, der das Mikro abschaltet als der befragte Ossi Günther Sachse aus Pirna offen zugibt, dass er ausländerfeindlich sei. Gruslig die Szene mit Schuch als Gesundheitsminister Spahn auf Organspenden-Tour und Carsten Linke als fidele alte Dame, die ihren kranken Mann gegen einen Neuen, der sie mit seinen alten schönen Augen anschaut, eintauschen will. Aberwitzig die telemedizinische Hilfe via Internet und Ferndiagnose am alten Herrn Blase (Linke), der im Tonfall von Loriot, abgehängt auf dem Land alles mit sich machen lässt, einen Arm zum Hitlergruß erhoben und den anderen zur Faust geballt, steht er im Jahrhundertschritt (anspielend auf ein Gemälde von Wolfgang Mattheuer), dank dem er wieder fit ist.
Abschließender Höhepunkt des Programms ist die Parodie auf alle Bretter vorm Kopf, die Augen und Herzen verschließen, mit Thomas Schuch und Carsten Linke als in trauter Zerstrittenheit betagtes Ost-West-Paar. Viel Beifall für einen humorvoll-abgründigen Blick hinter manches scheinheilige Adventskalendertürchen. Die Striezelmarktwirtschaft 2019 ist noch bis 11. Januar 2020 im Dresdner Friedrichstatt Palast zu sehen.
Text (lv)