Berührung
Ungewohnt
dass einer neben mir liegt
auf diese Weise
dreh mich auf den Bauch
wie Strandgut
angeschwemmt
zu keiner Regung fähig
dann auf der Seite
liegend zeichnest du
mit einer Hand
Körperumrisse nach
sanft verhalten
wie ein feiner Luftzug
fächelnder Wind am Meer
auf durchlässiger Haut
wozu Hände gut sind
sie streifen streichen entlang
auf der Hülle rühren etwas an
in mir
lauernd wie Katzen
auf ein Zeichen Zugreifen
das Unfassbare
das sich in uns
nach Nahrung sehnt
eingerollt unter der Decke
aus rotem Samt
die Krallen eingezogen
überlasse ich mich diesen Händen
die mir erzählen was ich noch nicht
oder nicht mehr weiß
LV
28.10.2022
Traum
Letzte Nacht sah
ich dich im Traum
schemenhaft
lange vermisst
saßest du da
ich legte mich
auf deine Knie
wiegte mich wie Wellen
sanft hin und her
griff nach deiner Hand
du nahmst und hieltst meine
ergriffen sah ich es
später stand ich
allein mit viel Gepäck
angesammelt in all den Jahren
du kannst es nicht für mich tragen
weiß ich es ist dir zu viel
ich kann eins nach dem anderen tragen
nichts wiegt schwerer als Versäumtes
Unversuchtes Ungelebtes Erträumtes
es wird leichter wenn du siehst
ich gehe diesen meinen Weg mit all
den Unwägbarkeiten großen und kleinen Schritten
schaukle getragen von den Wellen
überwundener Hindernisse auf und ab vor Glück
nun trag ich diesen Traum mit mir
mein Gepäck kannst du mir nicht abnehmen
doch mit mir sein
Anteil nehmen
am Leben das dir und mir
noch bleibt
LV
28.10.2022
LichtSegel
Nun reist das Papierschiffchen
mit dem Blattsegel
aus goldenem Licht
herzoffen
gleich fort
zu Dir
überbringt meine Grüße
ich wünschte
Du wärst hier
LV
7.11.2022
Erinnerung
Ein Junge mit greisem Gesicht
grauem Haar und zu langen Hemdsärmeln
unter schwarzer Weste
den Kinderschuhen nie entwachsen
doch zeitig erwachsen
seine Tränen sieht keiner
zwischen den Zeilen
die Bücher der Vergangenheit
stehen zugeschlagen
der Junge altert nie
sich zu erinnern durch alle Zeit
LV
17.1.2014, nach der Premiere von „20 000 Seiten“ von Lukas Bärfuss, einem Stück über Erinnern und Vergessen
Nachts
Die Nacht schleicht
auf Samtpfoten heran
im Fell die letzten
Sonnenstrahlen löschen
den Tagstaub
in der wachen Stille
wandern Sternaugen
halten mich in der Dunkelheit
umarme die Schatten
im Verborgenen bergen sie
meine Geheimnisse
in der Tiefe auf dem Herzgrund
fallen aus der Schwärze Perlen
die ich bei Tag nicht sehe
LV
21.6. 2014, zum Sommeranfang,
der kürzesten Nacht des Jahres