Der Traum von Freiheit: Romantisch, bezaubernd, fast märchenhaft, surreal und doch auch mit aktuellen Bezügen erzählt die Operette „Polnische Hochzeit“ eine Liebesgeschichte überschattet von Vertreibung und Heimatlosigkeit.
Foto: Pawel Sosnowski
Melodram voller Herz und Humor
Heiter, mitreißend, romantisch, traurig und tröstlich zugleich kehrte mit der Operette „Polnische Hochzeit“ mit Musik von Joseph Beer ein vergessenes Meisterwerk als deutsche Erstaufführung auf die Bühne der Staatsoperette Dresden zurück.
Wie ein „Dienstbote“ sieht er nicht aus, dieser „stolze Blick“! Zögert der Grenzposten. Ein älterer Mann erkennt den Sohn des Freiheitskämpfers Zagorsky und hilft ihm über die Grenze. Boleslav Zagorsky (herzergreifend und kraftvoll: Daniel Patakay) kehrt nach langem Exil nach Polen zurück, das von Russland besetzt ist, um das Gut seines Vaters zu übernehmen und seine Jugendliebe Jadja (lebensfroh: Steffi Lehmann) wiederzusehen. Mit der Operette „Polnische Hochzeit“ mit Musik von Joseph Beer und Libretto von Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald, bei der Uraufführung 1937 in Zürich ein Übernachterfolg, feierte ein vergessenes Meisterwerk im April seine deutsche Erstaufführung in der Staatoperette Dresden im Kulturkraftwerk Mitte.
Vom ersten Moment an spannend und bewegend, kam eine Mischung aus melodramatischer Romanze, überschattet von Flucht, Verfolgung und Heimatsehnsucht und jiddischer Komödie (Regie: Julia Hübner, musikalische Leitung: Johannes Pell) auf die Bühne. Bedrückend aktuelle Bilder gleich zu Beginn. Menschen in Decken gehüllt mit ihren Habseligkeiten sitzen wartend an der Grenze. Ein älterer Mann, Boleslav (Herbert G. Adami), schaut auf sein Leben zurück, am Bühnenrand stehend. Er zitiert ein Gedicht, nahegehend, mit brüchiger Stimme, „Kinderlied“ von Mascha Kaleko. „Wohin ich immer reise,/ich fahr nach Nirgendland./Die Koffer voll von Sehnsucht,/die Hände voll von Tand…“Es erzählt von der Sehnsucht nach einem Zuhause, ankommen.
Die Inszenierung kam im Wechsel von wehmütigen, heiteren und komischen Szenen, bezaubernden Liedern und mitreißenden Volkstänzen voller Lebensfreude, schwungvoll vom Orchester begleitet auf die Bühne. Gestaltet ist sie wie eine Showbühne, zwei fesche Mazurkatänzerinnen stehen als Figuren oben auf den Sockeln in rot weißen Farben und der Aufschrift Polska in der Mitte. Dort singen und tanzen die Darsteller, Chor und Ballett in farbenfrohen Trachten, die Frauen mit Blumenkränzen im Haar und die Herren mit Blumenhüten zu mal fröhlicher, romantischer und sehnsuchtsvoller Musik.
Da werden die Vorhänge auf und zugezogen, als Versteck für Stelldicheins der verliebten Paare, die sich im Mondschein treffen. Schön naiv-verträumt das Duett „Herz an Herz“, auf dem Bauch liegend wie auf einer Wiese, mit den Füßen in der Luft wippt Jadja neben Boleslav. Sie soll jedoch seinen derben Onkel Staschek (absurd-komisch: Elmar Andree) heiraten, der schon fünf Mal verheiratet war, der weder das von ihm verwaltete Erbe noch seine Braut hergeben will. Ein Lebemann, alter Hagestolz und Intrigant, der mit dem Regime und Geheimdienst zusammenarbeitet. Da turteln und streiten die energische Gutsverwalterin Suza, genannt Wildkatze (temperamentvoll und mit flotter Zunge: Jolana Slavikova) und der Freund des Hauses Casimir (trottelig-gutmütig: Andreas Sauerzapf). Sie hilft den Liebenden zu fliehen. Auf abenteuerliche Weise, mit einem alten Mofa Moped drehen Jadja und Boleslav ein paar Runden vorbei an der Hochzeitstafel und verschwinden.
Schön auch die Verwechslungsszene mit falscher Braut. Vor wundervoller Kulisse, mit luftig weißem Schleier, lichtdurchflutet an der Bühnenwand und verziert mit dunklen Blüten. Licht und Schatten immer nah beieinander. Gute Miene zum bösen Spiel. Feierlich wird die Braut angekleidet. Jadja bangt um das Leben ihres Liebsten, den der Onkel droht zu verraten und nach Sibirien verbannen zu lassen und willigt in die Hochzeit mit Staschek ein. Als der Onkel ihren Schleier lüftet, kommt zu seiner Überraschung eine Andere zum Vorschein. Suza veralbert und führt ihn köstlich hinters Licht, mal charmant und kratzbürstig bietet sie Staschek Paroli und treibt ihn fast zur Verzweiflung mit ihren Wünschen, bis er in die Scheidung einwilligt und endgültig von Frauen genug hat.
Immer mit einem lachenden und weinenden Auge, vergnügt, traurig, schwer und leicht leicht und klangberauschend kommt auch die Musik in der „Polnischen Hochzeit“ daher. Mit Operetten, Walzermelodien, Mazurka und Krakowiak, Chansons am Klavier, witzig- spöttisch quäkenden Klezmerklängen bis zum jazzig, sinnlich-verlockenden, freiheitsliebenden nächtlichen Katzenballett. Zum Schluss stehen zwei Paare an der Grenze. Abschied oder Neuanfang. Und der alte Boleslav steht dabei, traumversunken am Bühnenrand. Reichlich Beifall gab es vom Publikum für einen beschwingten Abend voller Kraft und Emotionen.
Text (lv)
Nächste Aufführung: 19.5., 19.30 Uhr.
Anschließend gibt`s feurig, mitreißende Balkan Beats mit DJ und Live-Band dort am 19.5., 22.30 Uhr bei der „Discorette im Foyer“ im Kraftwerk Mitte.